Flo77 Geschrieben 4. März 2005 Melden Share Geschrieben 4. März 2005 Flo77 Erstellt am 4 Mar 2005, 16:34 QUOTE (ältere Generation Wiener) Vorallem '38 auf dem Heldenplatz - da waren ja keine Österreicher; die waren ja alle alle von auswärts eingeflogen ... Ein gemeinsames Geheimnis stiftet natürlich auch Identität ... Also das Geheimnis liegt darin, dass die Österreicher erst 1938 dort gestanden sind Oh wie peinlich - ich hab's korrigiert. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Platona Geschrieben 4. März 2005 Melden Share Geschrieben 4. März 2005 Flo77 Erstellt am 4 Mar 2005, 14:56 Ein deutsches Nationalbewußtsein hat es im Laufe unserer Geschichte nur für sehr kurze Zeit gegeben. Im Gegensatz dazu ist das Regionalbewußtsein sehr stark ausgeprägt (der Bayer ist primär Bayer oder Franke oder Pfälzer, dann Bayer und dann vllt. irgendwann mal Deutscher). Eine deutsche Identität gibt es einfach nicht - ich würde das gerne der Aufklärung in die Schuhe schieben, weil ich denke, daß die "Entzauberung" der Heimat ihren Anfang in der Rationalisierung der Welt begonnen hat (was allerdings eine rein emotionale Vermutung ist). Schwanitz hat dazu eine interessante These: Die Deutschen haben deshalb ein Nationalitäts-und Identitätsproblem, weil in Deutschland das Werden der Nation von Oben diktiert war (Reichsgründung) und Nationalentwicklung und Demokratieentwicklung auseinanderfallen (vielleicht sogar Gegensätze sind). Dies sei z.B. bei Engländern und Franzosen völlig anders. England - Glorious Revvolution und Bill of Rights, Frankreich Große Revolution etc. OK ich red mich leicht ich bin Österreicher. Das ist kein Problem, welches der Autor Dietrich Schwanitz (ich gehe davon aus, daß der gemeint ist) aufgeworfen hat. Die Geschichte des sogenannten "Deutschen Sonderweges" wird nur ganz grob verfälschend mit der Annahme einiger Historiker in Verbindung gebracht, daß die gescheiterte Revolution von 1848, die preussische Machtpolitik im 19. Jahrhundert mitsamt der von oben diktierten Reichsgründung im Nationalsozialismus gipfelte. Die deutsche Sonderrolle in Europa wurde statdessen von deutschen Intellektuellen zwischen 1871 und 1914 beschworen, die in der starken Monarchie, im überlegenen Bildungswesen und im Industrialisierungserfolg Deutschlands eine Überlegenheit über die westlich-demokratischen Staaten sahen. Der Begriff vom "deutschen Wesen, an dem die Welt genesen" soll, wurde damals geprägt. Auch im Ausland war man von der positiven Wirkung einer deutschen Sonderrolle teilweise überzeugt: Frankreich z.B. zog aus der Niederlage von 1871 die Konsequenz, daß sein "veraltetes Universitätssystem" möglichst schnell dem "erfolgreichen" deutschen System angeglichen werden solle (man beachte die Parallelen zur heutigen Bildungsdiskussion in Deutschland). Aber gerade dieses deutsche Selbstbewusstsein wurde von einigen Nachkriegs-Historikern eben zur Erklärung für die Entstehung des Nationalsozialismus herangezogen und ins Negative verkehrt. In den letzten Jahren jedoch wird in der Hauptsache von angloamerikanischen Historikern dieser "Deutsche Sonderweg" in der europäischen Geschichte erheblich relativiert. Die Bedeutung der Jahreszahl 1933 als Endpunkt deutscher Geschichte ist erheblich gesunken. In ernstzunehmenden Wissenschaftlerkreisen, wird "der deutsche Sonderweg" heutzutage nicht mehr diskutiert. (Unter Verwendung von: Einführung in die Neuere Geschichte von Winfried Schulze) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Baumfaeller Geschrieben 4. März 2005 Melden Share Geschrieben 4. März 2005 Aber jetzt mal im Ernst. Ich glaube, es ist uns allen immer noch nicht klar, was für ein entsetzlicher brain-drain hier während des Dritten Reiches geschehen ist. Außer dass 6 Millionen Juden umgebracht worden sind ist ja auch noch fast die gesamte intellektuelle und künstlerische Elite ins Exil gegangen (sofern sie nicht ebenfalls umgebracht wurde), unser Volksliedgut wurde verboten, wenn es nicht braun besetzbar war und braun besetzt wurde, ist also jetzt so oder so futsch, etc. Es ist ja in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Im dritten Reich sind die Vorstellungen, dass das Deutsche Nationalbewusstsein auf Aufklaerung, Idealen, Demokratie, Philosophie, Respekt fuer das Recht und fuer andere, u.v.a.m. fundiert ist, in die Toilette gefallen und weggespuelt worden. Es wurde fuer alle (auch fuer die Deutschen) sichtbar, dass das Furnier der Zivilisation doch extrem duenn war. Am schlimmsten ist, dass der Widerspruch zwischen dem Anspruch (Kant, Hegel, Bach, Beethoven, Brahms, Hertz, Heisenberg, Schiller, Goethe ...) und der Wirklichkeit (Wilhelm II, Ludendorff, Hitler, Himmler, Goering, unter den Physikern Stark) nirgends groesser war als in Deutschland. Vor allem wenn man man den Widerspruch von der Juedischen Seite sieht, zwischen Mendelssohn, Rothschild, Einstein, Zweig, Rathenau, und dann Birkenau und Auschwitz. Diese Schere ist nirgends groesser als in Deutschland. Um es mal ganz gehaessig zu sagen: Wir wussten sowieso, dass die Staemme in Ruanda und die Milizen im Sudan und die Khmer in Kambodscha eigentlich noch Wilde und religioese Fanatiker sind, daher ist es nicht ueberraschend, wenn sie dementsprechend handeln. In Deutschland ist das Land der Dichter und Denker zum Land der Stukas und KZ's geworden. Jeder, der dieses Thema diskutieren will, muss unbedingt "Die Welt von Gestern" von Stefan Zweig lesen, und den dort vertretenen Standpunkt mindestens verstehen (mit ihm uebereinzustimmen oder auch nicht bleibt jedem selbst ueberlassen). Wer von euch ist sich denn sicher, wo und wie seine / ihre Wurzeln vor 1933 waren? Bis ungefaehr 1840 oder 1860 bin ich mir ziemlich sicher, wer und wo sie sind. Warum? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Lucie Geschrieben 4. März 2005 Melden Share Geschrieben 4. März 2005 Heute bin ich in erster Linie Berlinerin und dann Deutsche. Also wenn Berlinerin, dann doch hoffentlich erstmal - war's nicht so? - Charlottenburgerin ... ? Sehnsüchtige Grüße von einer - im Herzen immer noch - Kreuzbergerin, quatsch, 61erin - Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Domingo Geschrieben 4. März 2005 Melden Share Geschrieben 4. März 2005 Also lautet eine meiner Wurzeln: Beamtenfamilien . Allerdings ist da noch der Ingenieurszweig (damals aber bestimmt ebenfalls: Staatsdienst). Also als Freiberuflerin hast Du aber ganz schön den Absprung geschafft! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 7. März 2005 Melden Share Geschrieben 7. März 2005 Heute bin ich in erster Linie Berlinerin und dann Deutsche. Also wenn Berlinerin, dann doch hoffentlich erstmal - war's nicht so? - Charlottenburgerin ... ? Sehnsüchtige Grüße von einer - im Herzen immer noch - Kreuzbergerin, quatsch, 61erin - Richtig! (... meine Kreuzberger Zeit spielte sich eher in 36 ab: Forster Straße, Hasenheide, Skalitzer Straße - Mann, ist man damals oft umgezogen ...) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 7. März 2005 Melden Share Geschrieben 7. März 2005 Aber jetzt mal im Ernst. Ich glaube, es ist uns allen immer noch nicht klar, was für ein entsetzlicher brain-drain hier während des Dritten Reiches geschehen ist. Außer dass 6 Millionen Juden umgebracht worden sind ist ja auch noch fast die gesamte intellektuelle und künstlerische Elite ins Exil gegangen (sofern sie nicht ebenfalls umgebracht wurde), unser Volksliedgut wurde verboten, wenn es nicht braun besetzbar war und braun besetzt wurde, ist also jetzt so oder so futsch, etc. Es ist ja in Wirklichkeit noch viel schlimmer. Im dritten Reich sind die Vorstellungen, dass das Deutsche Nationalbewusstsein auf Aufklaerung, Idealen, Demokratie, Philosophie, Respekt fuer das Recht und fuer andere, u.v.a.m. fundiert ist, in die Toilette gefallen und weggespuelt worden. Es wurde fuer alle (auch fuer die Deutschen) sichtbar, dass das Furnier der Zivilisation doch extrem duenn war. Am schlimmsten ist, dass der Widerspruch zwischen dem Anspruch (Kant, Hegel, Bach, Beethoven, Brahms, Hertz, Heisenberg, Schiller, Goethe ...) und der Wirklichkeit (Wilhelm II, Ludendorff, Hitler, Himmler, Goering, unter den Physikern Stark) nirgends groesser war als in Deutschland. Vor allem wenn man man den Widerspruch von der Juedischen Seite sieht, zwischen Mendelssohn, Rothschild, Einstein, Zweig, Rathenau, und dann Birkenau und Auschwitz. Diese Schere ist nirgends groesser als in Deutschland. Um es mal ganz gehaessig zu sagen: Wir wussten sowieso, dass die Staemme in Ruanda und die Milizen im Sudan und die Khmer in Kambodscha eigentlich noch Wilde und religioese Fanatiker sind, daher ist es nicht ueberraschend, wenn sie dementsprechend handeln. In Deutschland ist das Land der Dichter und Denker zum Land der Stukas und KZ's geworden. Jeder, der dieses Thema diskutieren will, muss unbedingt "Die Welt von Gestern" von Stefan Zweig lesen, und den dort vertretenen Standpunkt mindestens verstehen (mit ihm uebereinzustimmen oder auch nicht bleibt jedem selbst ueberlassen). Wer von euch ist sich denn sicher, wo und wie seine / ihre Wurzeln vor 1933 waren? Bis ungefaehr 1840 oder 1860 bin ich mir ziemlich sicher, wer und wo sie sind. Warum? Ich frage nur, weil ich mit einem merkwürdigen Gefühl von Abgekapptsein aufgewachsen bin. Meine Eltern sind - wie viele nach Kriegsende - mit einer Schlussstrich- und Neuanfang-Philosophie an ihr Leben herangegangen: Nachholen (studieren, Familie gründen, aufbauen, ja nicht fragen ...). Das Nachdenken und Fragen kam später. Ich habe neulich Haffners Darstellung der Phase zwischen den beiden Weltkriegen und des Jahres 1933 gelesen, das beschreibt das sehr gut, was du sagst. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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