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für Martin: Was glaubt ein Agnostiker?


Werner agnosticus

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Werner agnosticus

Auweia Erich,

 

wovon unsere lieben Agnostiker ausgehen ist der Zustand des Menschen und der Natur, wie er heute Stand der Dinge ist – und so sei es immer gewesen.

Ich sage einfach: „nein, so war es nicht“. Wenn Du nur auf die Wunder blickst, die Jesus gewirkt hat, so gibt es darunter Wunder, die zeigen, dass er die Natur beherrscht (z.B. befiehlt er dem Wind, wandelt auf dem Wasser etc.)

 

Geh nun mal davon aus, dass diese Fähigkeiten genau die sind, über die die ersten Menschen verfügt haben und über welche die Menschen nach der Auferstehung in einer neuen Welt wieder verfügen werden. Dann ist es völlig unerheblich, ob irgendwo ein Vulkan ausbricht oder ein Erdbeben stattfindet. Die Kinder Gottes werden über die Natur herrschen und somit auch alle Naturereignisse.

 

Weßt Du, welcher Forumsteilnehmer immer so gern schreibt: "Träum weiter!" lach.gif

Gilt übrigens auch für dieses C.S.Lewis-Geschwafel. Mit dem Gesülze brauchst Du natürlich kein Bier mehr, um besoffen zu sein.

 

Wie sagt Jesus so schön in Mt 17 2  Er sagte: "Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von hier dorthin, und er wird hinüberrücken; und nichts wird euch unmöglich sein.“

 

Empirischer Befund: Es gibt gar keinen Glauben. Zumindest nicht in der Menge eines Senfkorns.

Sonst schieb doch mal 'nen Berg rüber. Du könntest damit einem Gebirgsliebhaber in Norddeutschland wirklich eine Freude machen.

Und wenn Du gerade dabei bist, den Glauben einzusetzen: Könntest Du nicht schnell mal den Berg von Atommüll versetzen - zum Mond oder sonstwohin, wo er nicht stört?

 

Oder kannst Du einfach dieses offensichtlich realitätsferne Gelaber lassen?

 

Gruß

Werner

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Werner agnosticus

Lieber Martin,

 

das Theodizee-"Problem" ist immer wieder für einen Zwischenstopp gut.

 

Wie würdest du dem um 180 Grad gedrehten Gedankengang begegnen, d.h. wenn wir uns die (aus unserer Sicht) "perfekte" Welt eines allmächtigen und alliebenden Gottes vorstellen: z.B. keine Krankheit, kein Tod, keine Zweifel an diesem Gott, kein Leid ... ; wäre dieses Bild für dich überhaupt denkbar ? Wäre da Platz für den Menschen ?

 

Dieser um 180° gedrehte Gedankengang wäre aus meiner Sicht nicht mehr als ein vielleicht durchaus interessantes, aber sicher keine im Sinne einer Lösung des Theodizee-Problems relevanten Rückschlüsse versprechendes Gedankenspiel.

Das Interessante würde ich mir von Details der Überlegungen erwarten (auf die man ohne dieses Gedankenspiel nicht gekommen wäre; insbesondere würde ich tiefschürfende Überlegungen dazu erwarten, was eigentlich "den Menschen" ausmacht). Für eine Lösung des Theodizee-Problems ist das Gedankenspiel aber zu theoretisch, zu idealisiert:

Du fragst eigentlich ja nur: Wäre eine leidfreie Welt unter Einschluß des Menschen überhaupt möglich? Wenn wir diese Frage überhaupt beantworten können, gibt es theoretisch 2 Möglichkeiten:

1) eine leidfreie Welt unter Einschluß des Menschen wäre möglich: dann ist die Existenz des allmächtigen und alliebenden Gottes durch die Existenz des Leidens widerlegt.

2) eine leidfreie Welt unter Einschluß des Menschen wäre nicht möglich: dann ist der Beweis geführt, daß eine nichtleere Teilmenge des Leidens zwingend nötig ist und somit nicht im Widerspruch zur Existenz eines allmächtigen und alliebenden Gottes steht.

 

Dies zeigt, daß Dein "um 180° gedrehte Gedankengang" keinen Beitrag zur Rettung der Annahme eines allmächtigen und alliebenden Gottes aus dem Theodizee-Problems liefern kann, da dieses nicht durch die "Entschärfung" einer Teilmenge des Leidens gelöst wird. Wenn die Antwort die Notwendigkeit allen Leidens erweisen würde, dann wäre das Problem gelöst.

Dazu müßte die Frage aber lauten:

eine Krankheit weniger, ein Tod weniger, eine Zweifel weniger an diesem Gott, ein Leid weniger ... ; wäre dieses Bild für dich überhaupt denkbar? Wäre da Platz für den Menschen?

 

Und auf diese Frage lautet meine Antwort eindeutig: Selbstverständlich kann ich mir eine den Menschen umfassende Welt vorstellen, in der es ein Leid weniger gibt. Die Pest ist keine denknotwendige Voraussetzung für eine von Menschen bewohnte Welt.

 

Verstehst Du: ein einziger überzeugender Verbesserungsvorschlag gegenüber der vorfindlichen Welt bricht dem allmächtigen und alliebenden Gott bereits das Genick.

Das ist der Preis dafür, wenn man sich gerne mit solchen "all"s dekoriert: man ist dann wirklich für alles zuständig und kann sich keinen einzigen Schnitzer erlauben.

 

Herzliche Grüße

Werner

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Werner agnosticus

Lieber Mecky,

 

ich will mich hier etwas kürzer fassen, da vieles von meiner Antwort an Olli ebensogut hier seinen Platz hätte.

 

Manchmal bin ich mir übrigens nicht ganz sicher, wie weit ich tatsächlich von der Weltsicht unserer A&A entfernt bin. Ollis Gedanke, dass dieses Freiwerden von fixierten (und wohl auch falschen) Gottesbildern letztlich eine Hinführung zum wahren, wirklich transzendenten Gott ist, steht mir sehr nahe.

 

Diese Überlegung finde ich nicht nur sehr sympathisch, sondern halte sie für "gut agnostisch". Sie beinhaltet ja eine große Offenheit der Glaubensinhalte und sogar das "Eingeständnis", daß unsere "fixierten (und wohl auch falschen) Gottesbilder" nicht ganz richtig sind, vermeidet allerdings, irgendein Stück dieser Gottesbilder ausdrücklich als falsch zu bezeichnen. Es ist wie Schwarzer Peter: Jeder stimmt zu, daß der Schwarze Peter im Spiel ist, aber alle bestreiten, ihn zwischen den eigenen Karten zu haben. wink2.gif

Vor 500 Jahren hätte Deine Aussage Dir schon gute Chancen auf einen Scheiterhaufen eingetragen, heute muß man zum Glück schon gezielt eine bestimmte Glaubensaussage bestreiten, um sich das auch nicht mehr ganz so gefährliche Prädikat eines "Häretikers" zu verdienen.

 

Letztlich lassen wir (A&A's und ich selbst) uns auf eine offene, nicht beweis- oder erfassbare Sache ein: Das Leben und die Zukunft. Der Unterschied: Während ich mir erlaube, mir ein Bild zu machen von [dem Urgrund der Welt, von dem Leben nach dem Tod, von der Vollendung des Lebens] und ich in diese Bilder Vertrauen setze, ohne zu vergessen, dass es Bilder sind, tun die A&A's dies nicht. Ich glaube, dass diese Bilder eine Realität spiegeln, die allerdings von den Bildern, die wir uns davon machen, noch einmal verschieden ist.

 

Den Unterschied würde ich sogar noch kleiner formulieren: Denn auch ich "erlaube mir, mir ein Bild zu machen von ..." und verhalte mich entsprechend diesem Bild (es bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, denn irgendwie muß ich mich ja verhalten). Und auch ich setze in dieses Bild Vertrauen - soviel Vertrauen, wie für meine Lebenspraxis nötig ist. Wie Du glaube ich (im Sinne von: soweit ich es beurteilen kann oder es mir überzeugend erscheint), daß mein Bild einen Teil der Realität brauchbar abbildet, mehr nicht. Vielleicht betone ich das Bewußtsein der Unsicherheit meiner Bilder etwas stärker als Du.

Wenn ich versuchen sollte, Unterschiede zu "agnostischen Gläubigen" zu beschreiben (was wieder eine willkürliche Grenzziehung und Klassenbildung in einem kontinuum bedeutet), dann würde ich diese jenseits der eher "zufälligen" inhaltlichen Unterschiede des für-am-überzeugendsten-Gehaltenen am ehesten so beschreiben:

- Ich verzichte konsequenter auf Hypothesen bei Fragen, die keinen erkennbaren Erklärungsbedarf haben, weder Relevanz für mein praktisches Leben noch für die innere Stringenz meiner Welterklärung haben

- Ich halte alle meine Weltanschauungsvorlieben, deren praktische Vorteile für mich nicht plausibel auf andere übertragbar sind, nicht für "missionswürdig": die für mich besonders überzeugenden aber nicht intersubjektiv (d.h. durch Logik auf einer gemeinsam angenommenen Argumentationsbasis) zu erhärtenden Aussagen haben nur dort einen Platz im Gespräch, wo andere mich darauf ansprechen oder wo sie der Präzisierung des Bildes dienen, das andere sich von mir machen, oder wo ich begründen kann, warum ich meine Position für praktisch voerteilhaft halte

- Möglicherweise bin ich unnachsichtiger, wenn es darum geht, in sich widersprüchliche Hypothesen auch wirklich zu schlachten

- schließlich, und das ist vielleicht das wichtigste: Ich empfinde den "Besitz" von Glaubenssätzen mit metaphysischem Gegenstand nicht als erstrebenswert, vorteilhaft oder gar notwendig; ohne eine wie auch immer geartete Gottesvorstellung "geht mir überhaupt nichts ab", wie man in manchen Gegenden sagt.

 

 

Wieso kamst Du zu dem Schluss, dass es keine Lösung z.B. der Theodizeefrage gab - und ich zum gegenteiligen Schluss?

 

Das würde mich auch interessieren. Allerdings kann ich naturgemäß nur eine Hypothese aufstellen, da sich die Kausalketten, die zu unseren unterschiedlichen Schlüssen geführt haben, sich einer vollständigen Durchleuchtung entziehen.

Meine Starthypothese wäre: Während ich das Theodizee-Problem als entscheidbaren Gegenstand logischer Analyse betrachte (was eine hinreichend scharfe, wohldefinierte Formulierung erfordert), gehört es für Dich (so mein Eindruck) in den Bereich der Glaubensfragen. Dabei halte ich einen Einfluß psychisch-emotionaler Faktoren für maßgeblich.

 

Einen vagen Hinweis auf eine in Deine Betrachtung einfließende Unschärfe finde ich z.B. hier:

Das Kriterium meiner Gedanken ist nicht die "Beweisbarkeit" - ich halte Beweise für eine Illusion (Falsifikation dagegen nicht) - sondern die Stimmigkeit. Diese versuche ich auf einer möglichst breiten Basis zu erreichen. (Logische Stimmigkeit ist ein Teilbereich).

Beweis und Falsifikation sind nicht zwei voneinander trennbare Dinge. Vielmehr ist jede Falsifikation ein Beweis. Falsifiziere ich die Aussagenmenge "A", so liefere ich damit gemäß dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten den Beweis der Aussagenmenge "nicht A".

Das z.B. von Popper dargestellte Grundprinzip, daß es für wissenschaftliche Hypothesen keine Beweismöglichkeit gibt, sondern nur die Möglichkeit der Falsifikation hängt von der Struktur wissenschaftlicher Hypothesen ab (empirisch basierte Aussagen, deren Allgemeingültigkeit für eine Menge von Ereignissen angenommen wird, die größer ist als die empirisch erfaßte Stichprobe), Beweisunmöglichkeit und prinzipielle Falsifikationsmöglichkeit lassen sich keineswegs auf alle Aussagen übertragen.

 

Logische Stimmigkeit einer Aussagenmenge "B" ist eine notwendige (aber noch keineswegs eine hinreichende) Bedingung für die Richtigkeit von "B". Entsprechend ist die logische Nichtstimmigkeit (also ein Widerspruch) einer Aussagenmenge "B" ist eine hinreichende (aber keineswegs eine notwendige) Bedingung dafür, daß "B" falsch ist.

 

Und eben diese logische Stimmigkeit ist für die Aussagenmenge

{

- Gott existiert

- Gott ist allmächtig (erfordert Begriffsdefinition: allmächtig = kann alles, was nicht logisch unmöglich ist)

- Gott ist alliebend (erfordert Begriffsdefinition: alliebend = will für alle stets das Beste, was insbesondere das Wollen/Zulassen irgendeines vermeidbaren Leidens ausschließt)

- Es gibt vermeidbares Leiden in der Welt

}

verletzt.

 

Der einzige mögliche Ausweg zur "Rettung des allmächtigen alliebenden Gottes" bestünde darin, die letzte Aussage zu bestreiten und die Unvermeidbarkeit allen Leidens zu postulieren, wenn man nicht die Definition eines der beiden "all"-Begriffe noch weiter reduzieren will (ich habe ja keine umfassenden Definitionen gegeben, sondern nur "Mindestbestandteile" genannt, ohne die diese Begriffe nur noch verbale Hochstapelei wären). Das Resultat des Postulats "Alles Leiden ist trotz Allmacht und Alliebe zwingend notwendig, ist alles andere als plausibel.

 

Der Versuch, für die angebliche Notwendigkeit der Schmerzen eines Sterbenden oder für Erdbebeben und andere Naturkatastrophen eine Begründung zu finden, kann nur in absurden Konstruktion enden, die keinem menschlichen Empfinden und keiner Vernünftigen Überlegung mehr folgen, sondern nur noch einem "nicht sein kann, was nicht sein darf" gehorchen.

 

Auf dieser Ebene ist für mich der Glaube an den dreieinigen, sich selbst in der Welt, der Geschichte und durch den Menschen offenbarenden Gott das Stimmigste, was ich mir denken kann. Ich sehe auch keinerlei Möglichkeit, über diese Stimmigkeit mich weiter zu erheben - insofern ist für mich der Glaubensfindungsprozess abgeschlossen. Ich kann nichts anderes, als Christ sein.

 

Tut mir leid, aber was daran stimmiger sein sollte als z.B. ein rein materialistisches Weltbild, bleibt mir schleierhaft.

Dein Gebrauch des Wortes "stimmig" vermengt leider sehr unterschiedliche Qualitäten, was der Klarheit der Überlegungen nicht gerade nützt. Neben einer "logischen Stimmigkeit" gibt es offenbar eine Komponente, die ich eher als "gefühlmäßige Akzeptanz" bezeichnen würde. Während das erste eine intersubjektiv prüffähige Größe darstellt, ist letztere ein subjektiv-pragmatisches Kriterium der Beurteilung eines Weltbildes, das ausdrückt, inwieweit eine Hypothese den eigenen Wünschen, Sehnsüchten und psychischen Bedürfnissen entgegenkommt. Wie schon gesagt gehört meine Sympathie dem Primat des subjektiv-pragmatischen Aspektes, und zwar sogar dann, wenn dafür die logischen Stimmigkeit aufgegeben wird. Allerdings würde ich in letzterem Falle nicht mehr von einer agnostischen Haltung sprechen, sondern vielleicht von einem "pragmatischen Irrglauben" (Preisgabe des Zieles "Wahrheitsformulierung" für das Ziel "eigenes Wohlbefinden&quot.

Daß die christliche Lehre an etlichen Stellen bezüglich des Kriteriums der "logischen Stimmigkeit"  Minuspunkte bringt, wird im Grunde auch eingestanden: Die dafür übliche Sprachregelung lautet "Mysterium" - und ein Blick in die Geschichte, in der gerade diese "Mysterien" wie z.B. Trinitätslehre, Göttlichkeit-Menschlichkeit Jesu, Soteriologie und Rechtfertigungslehre.einen ständigen Anlaß zu Fanatismus, Mord und Krieg gaben, läßt mich sehr an dem pragmatischen Wert dieser Weltbildbausteine zweifeln. Ich bezweifle nicht, daß sie für einzelne subjektiv vorteilhaft waren und sind, aber die "Nebenwirkungen", die auf dem Beipackzettel zu diesen Glaubenssätzen aufgeführt werden müßten, sind für mich inakzeptabel.

 

Gottes Allmacht ist die Macht des Schöpfers, uns zum Heil zu führen ... und was das alles impliziert.

 

Eine Welt zu schaffen, die den Menschen zum Heil führt. Ich glaube, dass wir in der "besten" aller möglichen Welten leben. Trotz Holocaust, Krebs, Alzeimer, Krieg, Qualen.

 

Ich beobachte mehr, als dass ich analysiere - und ich schaue aus der Perspektive des Glaubenden.

 

Der letzte Satz könnte vielleicht den Unterschied zwischen uns beschreiben.

Die spannende Frage ist, ob das christliche Glaubensgebäude wohl standhalten würde, wenn Du der Analyse mehr Raum geben würdest, einer Analyse, die sich nicht auf die "Perspektive des Glaubenden" einschränken ließe.

 

Gott hat diese Welt um des Menschen Heil willen geschaffen. Er war wohl der Überzeugung, dass Heil eine Person voraussetzt, die heilsfähig ist: Begabt mit Freiheit, Liebesfähigkeit, Persönlichkeit.

 

Allein in diesen drei genannten Eigenschaften des Menschen liegen bereits Samen des Leidens.

 

Deine anschließende Betrachtung über den Zusammenhang von Freiheit, Liebesfähigkeit und Persönlichkeit mit der Notwendigkeit der Existenz von Leiden kann ich nachvollziehen. Wer alle drei Attribute haben will, kann die Möglichkeit von Leiden nicht ausschließen. Für die Begründung vieler Formen des Leidens (Krankheiten, Naturkatastrophen, ...) liefert diese Trias allerdings keinerlei Erklärung .

Und schlimmer noch, Deine Überlegung bringt ein zentrales Anliegen christlicher Dogmatik in die Mülltonne. Die christliche Hoffnung formuliert die Aussicht auf einen als "Heil" bezeichneten Seinszustand, von dem explizit ausgesagt wird, daß es in ihm kein Leiden mehr geben werde. Nach Deiner Überlegung muß dann beim eintreten dieses Heils-Zustands zwangsläufig eines der drei Attribute Freiheit, Liebesfähigkeit und Persönlichkeit auf der Strecke bleiben, da diese drei zusammen ja die Notwendigkeit der Existenz von Leiden, also "Un-Heil" erzwingen. Ein analoges Übersehen des Offenkundigen findet man übrigens auch immer wieder bei der Begründung der Möglichkeit des "Sündenfalls" als Folge menschlicher Freiheit: Ein neuerlicher Sündenfall im "ewigen Heil" ist nach dieser Überlegung nur durch das Ende der Freiheit sicherzustellen.

 

Die letzten im Grunde ganz einfachen Überlegungen zeigen exemplarisch, wie das Bemühen zur Erklärung eines unplausiblem Glaubenssatzes selbst bei sonst sehr rational denkenden Menschen oft zu unglaublich kurzschlüssigen Begründungen führt. Man versucht, an einer Stelle ein Loch zu stopfen und merkt gar nicht, daß man dabei an anderer Stelle ein mindestens ebenso großes Loch aufreißt. Die für mich plausibelste Erklärung dieses Verhaltens liegt in Deiner Aussage: Ich beobachte mehr, als dass ich analysiere - und ich schaue aus der Perspektive des Glaubenden.

 

Liebe Grüße

Werner

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"DEN" Gott gibt es im Buch Hiob nicht. Es gibt (mindestens) zwei Götter; wenn man die Elihud-Reden dazunimmt, dann sind es sogar (mindestens) drei.

 

Wie bei allem in der Bibel finden wir im Buch Hiob ein Zeugnis der Glaubensentwicklung, des Suchens nach Gott vor.

 

Das Buch ist nicht einheitlich. Außenrum, als Rahmengeschichte, ein orientalisches Märchen (eines der Vorläufer, von denen Werner sprach). Eingeschlossen darin die Analyse des biblischen Schriftstellers. Die Elihud - Reden entstammen einer späteren Schicht: Ein Schriftsteller, der offensichtlich mit der bisherigen Version (Hiobversion) nicht zufrieden war, sondern eine andere, dem eigentlichen Buch Hiob gegenläufige Lösung (die ich für viel schwächer halte), vertrat.

 

Die Moral des orientalischen Märchens: Gott (ursprünglich wohl im Plural: "Thronrat" ) steht dualistisch dem Satan gegenüber, gegen die den er die Oberhand behält: Hiob bleibt ihm treu. "Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, gepriesen sei der Name des Herrn. Darauf sorgt Gott für Hiob und gibt ihm seinen Besitz (zu dem - gut altorientalisch auch die Söhne gehören) mehrfach zurück. Moral: Gott ist zwar ein A rsch, aber es zahlt sich aus, ihm gehorsam zu sein. Ein großer Teil von Werners Analyse wendet sich gegen das hier grundgelegte Gottesbild: Der selbstherrliche Pascha, der die Menschen zu makabren Opfern einer blödsinnigen Wette macht.

 

Offensichtlich war der biblische Autor hierin der gleichen Ansicht wie Werner. Er greift das orientalische Märchen auf und setzt direkt hinter das - ach so ergebene - "Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, gepriesen sei der Name des Herrn" zum direkten Kontrast seine Analyse, die von der konkreten Erfahrung des Leids ausgeht: Die erste Rede Hiobs. Er lässt Hiob seinen Mund öffnen, um den Tag seiner Geburt zu verfluchen, sein Leben hinwegzuwünschen, sich ins Totenreich hineinsehen. Dieser Kontrast ist so krass, dass er wohl beabsichtigt ist.

 

Das Gottesbild öffnet sich. Die einleitende Szene im Himmel spielt keinerlei Rolle mehr, sondern der Blick wird auf die sehr irdische Erfahrung des Leidens gerichtet. Und jetzt kommen die skandalösen Reden seiner Freunde, die Hiob einzureden versuchen, der Fehler liege bei ihm.

Allerdings übernimmt der biblische Schriftsteller die Prämissen des orientalischen Märchens (sonst hätte er es ja auch weglassen können):

1. Hiob ist tatsächlich unschuldig, der "beste Mensch"

2. Der Grund von Hiobs Leid liegt bei Gott

3. Daher ist der Grund, warum Hiob leidet, für diesen unerkennbar.

 

Die vier Freunde sind aber nicht nur als "Bösewichte" eingebaut, sondern sie repräsentieren die bisherigen, damals traditionellen Erklärungen, woher das Leiden käme. Der Schriftsteller versucht, diese Erklärungen ad absurdum zu führen. Am Ende bleibt das Schweigen: Es gibt keine Erklärung. Es bleibt allein der leidende Hiob.

 

Die (moralistischen) Gottesvorstellungen der vier Freunde brechen zusammen, sie bieten keine Erklärungen. Sehr wahrscheinlich stellen die vier Freunde (vier=Zahl des Menschen) sogar ALLE menschlichen, auf Gott projizierten Lösungen der Theodizeefrage dar. Kurz: Jeder Versuch der Erklärung ist für Menschen ausgeschlossen. Oder, noch kürzer: "Dat jeht nit!"

 

Der Punkt, den Werner als NICHTS beschreibt, ist hier bereits erreicht. Sachlich lässt sich keine Antwort geben.

 

Vielleicht muss man dieses Buch lesen in der Erinnerung an eigenes Leiden, im Hass auf alle Vertröstungen, die einem dann von Menschen angeboten werden: "Es wird schon wieder", "Du bist selber schuld" usw. usw. Kotz.

 

Was nun folgt, ist eine - finde ich - geniale Weiterführung, die, nachdem die sachliche Seite abgehandelt ist, auf eine andere Ebene geht. Auch die Sprachform verändert sich ins mythische hinein. Im Buch Hiob befinden wir uns nicht mehr auf der mosaischen Stufe, sondern in der Weisheitsliteratur, im schon griechisch vorgeprägten Denken. Wenn Gott aus dem Gewittersturm spricht, dann ist das etwas anderes, als wenn Mose in der Wolke auf dem Berg steht. Es ist hier viel bewusster mythisch. Der Schriftsteller weiß genauer, was er hier tut.

 

Angesichts des Zerbrechens aller Antworten wird sich Hiob seiner Unwissenheit bewusst. (Soweit sind wir noch beim NICHTS). Das NICHTS wird aber nun existenziell. Die Erkenntnis um die eigene Nichtigkeit, die eigene Begrenztheit, das Wissen um die Beschränktheit alles menschlichen Denkens.

 

Und in diesem NICHT ereignet sich in Hiob das, worauf das Buch hinzielt: Im Erkennen der eigenen Nichtigkeit fühlt er sich nicht (wie man erwarten könnte) verloren, sondern aufgehoben. Ein Vertrauen, dass dieses Nichts getragen ist.

 

Genial ist nicht das richtige Wort. Tiefgehend. Die Spiegelung einer - ich vermute: existenziellen - Erfahrung eines Menschen, der selbst diesen Weg hinab in das Zerbrechen aller Entwürfe miterleben musste und dort dieses Gefühl des Getragenseins erlebte.

 

Diese Wendung ins Existenzielle ist das Ergebnis des Ringens Hiobs. Nachdem ihm alle Denkmöglichkeiten aus der Hand geschlagen sind, fühlt er sich mitten im Leid von etwas Unaussprechlichem (deswegen die mythische Sprachform, die mehr verschleiert, als erklärt) getragen.

 

Der Rest, der Ausklang, ursprünglich noch vom alten Märchen übernommen, erhält nun einen anderen Sinn: Nicht der, der sich von Gott schikanieren lässt und treudoof weiterhin seinen Namen preist, wird erhöht, sondern der, der diese existenzielle Erfahrung gemacht hat.

 

Den Schluss finde ich leider platt. Er hat nicht die Tiefe eines Kreuzestodes, in dem der Held wirklich stirbt. Er verbleibt im alttestamentlichen Lösungsansatz: Da hat sich das Rote Meer doch wieder geteilt und alles ist gut gegangen. Gott ist der Helfer INNERHALB der greifbaren Wirklichkeit. (Es sind ja auch noch ein paar Jahrhunderte bis zum Auftreten Jesu). Die Schönheit der abschließenden Kitschbilder (Hiob bekommt alles zurück, steht über seinen Freunden) ist nicht das letzte Wort der Bibel. Der Kitsch wirkt auf mich sogar abschreckend. Vielleicht wiederum ein Zeichen, dass es der Realität bedarf (z.B. des Lebens Jesu), um bei so was weiterzukommen.

 

(Geändert von Mecky um 1:23 - 1.Mai.2001)

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Hi Mecky,

 

Deine Hiob-Analyse finde ich wirklich interessant. Dein Hinweis auf Dein Zitat (das der gute werner agnosticus offenbar ein bißchen aus dem richtigen Kontext heraus gerückt hat) im Kontext des Religionsunterrichtes war auch notwendig.

 

In Hiob zeigt sich, daß die Antwort auf die Ursache des unschuldigen Leidens nicht in einer theoretischen Antwort (wie die Freunde dies vertraten: Leiden = Folge von eigener Schuld) liegt, sondern daß es eben keine theoretische Antwort gibt. Nur in der direkten Begegnung mit Gott kann sich die berechtigte Klage des Leidenden auflösen.

 

Der Schluß ist in der Tat etwas peinlich, denn die Realität zeigt, daß die unschuldig Leidenden ja durchaus nicht immer erlöst werden im irdischen Sinne. (Nicht jeder kriegt eine ganze Herde von Schafen, Kühen, usw.) Hier zeigt sich wieder einmal, daß auch die biblischen Autoren sich nicht immer von einem materiellen Denken freimachen konnten.

 

viele Grüße

 

Olli

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Werner agnosticus

Lieber Olli,

 

"Großartig kann ich diese Stelle vielleicht unter literarischen Aspekten finden, eindrucksvoll in ihren Bildern der Größe. Aber als Antwort ist sie nicht großartig, sondern nichts. Es ist keine Antwort. " (w. a.)

Eben sagst Du, daß es nicht um eine Antwort geht, und hier macht Du es zum Vorwurf, daß es keine Antwort ist.

 

da muß ich wohl zerknirscht bekennen, daß ich auch nicht immer ganz sauber formuliere. Das Theodizee-Problem bei Hiob ist ja eigentlich keine Frage, sondern was Hiob vorbringt, es ist eine Klage in einem durchaus juristisch verstandenen Sinn, der begründete Vortrag eines Sachverhaltes. Und Hiobs Situation gibt reichlich Begründung für seine Anklage. Eine begründete Anklage verlangt allerdings nach einer Rechtfertigung, einer Widerlegung der Anklage, sonst ist der Angeklagte nicht zu rehabilitieren. Also hätte ich hier sagen müssen: "Es ist keine Rechtfertigung, keine Widerlegung der Anklage".

 

Es ist auch in diesem von Dir gemeinten Sinne keine Antwort. Das habe ich ja auch zum Ausdruck gebracht. Gott gibt Hiob keine Antwort auf die Ursache des Leids.

 

Du mißverstehst das Problem der Theodizee. Es geht nicht primär um eine "Antwort auf die Ursache des Leids", sondern um die Möglichkeit eines allmächtig-alliebenden Gottes.

 

Darüber habe ich ja auch schon gesagt, daß die konventionelle Sicht von Allgüte und Allmacht eben nicht haltbar ist in meiner Sicht. Gott läßt offenbar Leid zu (obwohl er in seiner Allmacht - wenn wir von diesem Begriff ausgehen - dies immer ändern könnte). Dieses "Zulassen" ist jedoch nicht wesensgleich mit "Verursachen".

 

Was soll dann noch der Begriff alliebend. Ein Vater, der seinem Kind nichts zu Essen gibt, tötet es in diesem Sinne auch nicht, er läßt nur zu, daß es verhungert. Kann er deshalb als "liebend" bezeichnet werden?

 

Was ist denn ein "überflüssiges" Problem? Darf ich das jetzt auch so verstehen, daß ich die "Überflüssigkeit" dieses Problems heranziehen kann, daß ich diese darauf fehlende Antwort nicht als wirkungsvollen Anklagepunkt gegen das christliche Weltbild verstehen muß?

 

Die Überflüssigkeit des Theodizee-Problems liegt in der Überflüssigkeit der Annahme eines allmächtig-alliebenden Gottes. Erst denken wir uns etwas logisch Inkonsistentes aus und danach plagen wir uns mit der unlösbaren Aufgabe, die Stimmigkeit unseres Konstruktes nachzuweisen. Das nenne ich überflüssig. Die Überflüssigkeit liegt darin, daß uns nichts zur Annahme eines allmächtig-alliebenden Gottes zwingt (was zwingt uns zu dieser Annahme, würde sie nicht überflüssig machen?). Machen wir aber diese überflüssige Annahme, dann bekommen wir ein zwingendes Folgeproblem, nämlich die Theodizee. Das Problem ist überflüssig, weil die zugrundeliegende Annahme überflüssig ist. Wer aber unbedingt die zugrundeliegende Annahme haben will, für denn ist die Theodizee kein überflüssiges, sondern ein unausweichliches Problem. (Ich hoffe, das klärt das Mißverständnis, das sich in Deinem Schlußabsatz ausdrückt)

 

"Dieser Gott Hiobs kann Realität sein. " (w. a.)

Hier räumst Du immerhin die Möglichkeit ein, was mir zeigt, daß Du in Deinen Grundannahmen durchaus flexibel bist.

 

Beachte genau den Unterschied: Dieser Gott Hiobs kann Realität sein - aber nicht der christliche Gott. Denn Hiobs Gott ist definitiv anders als der christliche: Wer eine derartige Wett-Veranstaltung auf Kosten eines Menschen veranstaltet, bloß um vor dem Diabolus abgeben zu können, der ist nicht alliebend. Und die Möglichkeit der Existenz eines allmächtigen, aber durchaus nicht alliebenden Gottes, habe ich nie in Frage gestellt. Doch das ist nicht der Gott, der der christlichen Dogmatik und den Wünschen der Christen entspricht.

 

Viele Grüße

Werner

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Zitat von Werner agnosticus am 18:06 - 30.April.2001


Zitat von Torsten am 15:07 - 30.April.2001

Ich bin Alles und in Allem.

Du versuchst hier genau dasselbe, was der Gott Hiob's auch getan hat: Den Ersatz von Argumenten durch Lautstärke.

Doch auch mit "size=200" würde eine falsche Aussage nicht richtiger.

 

Leise lächelnd

Werner


 

Anscheinend gehörst Du zu der Sorte meiner Geschlechtsgenossen, die ihrem besten Stück einen Namen geben und ihn wie ein eigenständiges Lebewesen betrachten. Doch auch mit frei einstellbarer Größe würdest Du davon nicht unabhängiger.

 

unverschämt grinsend

Torsten

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Hi Werner,

 

>>Oder kannst Du einfach dieses offensichtlich realitätsferne Gelaber lassen? <<

 

nö, denn erstens bin ich kein A&A, der sich selbst Denkfesseln anlegt und zweitens ist das überhaupt nicht realitätsfremd, was ich schreibe. Das kommt Dir weltfremden A&A nur so vor, weil Dir die ganze Transzendenz fehlt.

 

Die Brille, durch die Du die Welt siehst, ist unheimlich stark getönt - ein Wunder, daß Du überhaupt noch was siehst.coollook.gif

 

Gruß

Erich

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Lieber Olli,

 

>>Nur in der direkten Begegnung mit Gott kann sich die berechtigte Klage des Leidenden auflösen. <<

 

Wir bekommen im Hiob Buch keine Erklärung für das Problem ungerechten Leidens; das ist nicht das Anliegen des Verfassers.

Es geht darum, daß ein Mensch, der den herkömmlichen Maßstab für das Gute anerkennt und auf dieser Grundlage die göttliche Gerechtigkeit erbittert kritisiert, Gottes Zustimmung erfährt.

 

Gruß

Erich

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Zitat von Erich am 20:23 - 30.April.2001

Hi Werner,

>>Oder kannst Du einfach dieses offensichtlich realitätsferne Gelaber lassen? <<

 

nö, denn erstens bin ich kein A&A, der sich selbst Denkfesseln anlegt und zweitens ist das überhaupt nicht realitätsfremd, was ich schreibe. Das kommt Dir weltfremden A&A nur so vor, weil Dir die ganze Transzendenz fehlt.

 

Die Brille, durch die Du die Welt siehst, ist unheimlich stark getönt - ein Wunder, daß Du überhaupt noch was siehst.
coollook.gif


Lieber Erich, lieber Werner,

ich kann keinen eurer beiden Standpunkte teilen.

 

Bei Erich habe ich weiterhin den Eindruck, dass seine Wahrheit immer auf einer materiellen Basis beruht. Wunder sind für ihn nur dann wahr, wenn sich materiell etwas ereignet hat, wenn Jesus seine Macht über die Natur demonstriert hat. Oben sprichst du von Transzendenz; wo liegt denn das Transzendente in den Naturwundern?

Welche Wahrheit liegt für dich in der Wandlung einer Hl. Messe, bei der ja nachweislich keine materielle Veränderung geschieht?

 

Werner würde ich gerne Frage, welche Bedeutung er in Märchen sieht, wenn er so abschätzig von frommen Märchen spricht.

Die Frage, ob sich die erzählte Begebenheit einmal abgespielt hat, war für die Autoren von Märchen in der Regel völlig irrelevant und trotzdem vermitteln manche Märchen mehr Wahrheiten, als irgend ein Tatsachenbericht in der Zeitung. Bist du schon einmal mit einer solchen Brille an das neue Testament herangegangen?

Den Inhalt von Gleichnissen im NT zweifelst du wahrscheinlich am wenigsten an. Vielleicht teilst du sogar die Interpretation der meisten Theologen. Wenn du die Wundergeschichten ebenfalls als Gleichnisse betrachtest, könnte es sein, dass die meisten erst ihren eigenen Sinn bekommen, den du dann ebenfalls teilen könntest?

 

Mit freundlichen Grüssen vom Zwilling

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Lieber Werner!

 

Unser Denken scheint sich an einigen Punkten sehr zu unterscheiden. Zunächst einmal: Faszinierend, wie Du den Zusammenhang von Falsifikation und Beweis aufgezeigt (und dann differenziert) hast. Es gibt also Beweise insbesondere im Bereich der Logik, während in Bereichen, die von einer umfassenden Empirik abhängen (das ist ja 'ne ganze Menge), solche Beweise nicht oder nicht so einfach zu führen sind. Ist für mich ein wenig eigenartig (und durchaus bereichernd), wie Du Probleme angehst, weil ich da ganz anders bin.

 

---------------

 

Werner: Der Versuch, für die angebliche Notwendigkeit der Schmerzen ... eine Begründung zu finden, kann nur in absurden Konstruktionen enden...

 

Ja. Denn hier laufen wir Gefahr, so zu werden, wie die Freunde Hiobs. Eine Erklärung vorzulegen, warum Auschwitz nötig war, wird schnell zum Hohn und genauso schnell erhebt sich der Ideologieverdacht: Welches INTERESSE hat denn hier der "Tröster"?

 

So vermute ich auch bei den Tröster Hiobs unlautere Motive: Rechtfertigung ihres (sehr fixierten) Gottesbildes. Sich über den Reinen erhaben fühlen dürfen. Rechtfertigung für ihre eigene Lebenspraxis (die durch ihr Wohlersein ausgewiesen erscheinen soll).

 

Nein: Die Frage, warum Menschen leiden müssen, bleibt unbeantwortbar. Es lässt sich nicht einmal entscheiden, OB das Leiden einen Sinn hat - oder ob es lediglich Ergebnis einer blinden Naturentwicklung ist.

 

Für den, der an die Sinnhaftigkeit des Leidens glaubt, finden sich lediglich ZEICHEN, die ihn darin bestärken. (Ich befürchte, dass Dir dieses Denken furchtbar fremd ist) Meine Gedankengänge (z.B.: Freiheit & Liebesfähigkeit & Persönlichkeit => Leiden) sind solche Zeichen. Sie sind keine logisch notwendigen oder hinreichenden Begründungen.

 

Trotzdem sind sie als Zeichen wichtig: Ohne solche Zeichen würde sich mein Glauben niemals gebildet haben. Ein deutlicher Zeichenverlust würde bei mir sicher auch zu Glaubensverlust führen.

 

Werner: Die spannende Frage ist, ob das christliche Glaubensgebäude wohl standhalten würde, wenn Du der Analyse mehr Raum geben würdest, einer Analyse, die sich nicht auf die "Perspektive des Glaubenden" einschränken ließe.

 

Darüber ist schwer zu spekulieren. Ich halte mich  weder für dumm, verblendet noch sonstwie analyseunfähig. Allerdings bin ich kein typischer Logiker. Mein Denken ist eher zyklisch-spiralförmig als linear. Ein wenig Spekulation: Jede Analyse ist geprägt von einem erkenntnisleitenden Interesse. Deshalb vermute ich, dass ich bei jeder Analyse doch wieder bei dem rauskommen würde, was mich zum Glauben führt. Ich würde in jeder Analyse neue Zeichen für die Wahrheit meines Glaubens entdecken.

Wenn man das Forum genau anschaut: Diese Eigenart scheint flächendeckend alle zu umgreifen. Letztlich umgreift sie sogar solche, die "vom Saulus zum Paulus" werden. Der größte Teil (symbolisiert im "aulus" ) bleibt dann doch immer gleich. Leider ist das oft unreflektiert, was zu Absolutsetzungen oder Arroganz führen kann.

 

Werner: Für die Begründung vieler Formen des Leidens (Krankheiten, Naturkatastrophen, ...) liefert diese Trias [Freiheit, Liebesfähigkeit, Persönlichkeit] allerdings keinerlei Erklärung.

 

Doch, schon! Ok - nicht so offensichtlich direkt. Es steht bei mir wieder mal ein ganzes Weltbild dahinter.

1. In einem Laplace'schen Uhrwerk gibt es keine Freiheit. Gott hat die Welt in sich frei und emergent geschaffen als notwendige Grundlage für einen freien Menschen.

2. Ich höre (mehr intuitiv) heraus, dass Du hier schon von vornherein das Leiden allein negativ qualifizierst. Ich dagegen glaube an die Sinnhaftigkeit des Leidens.

 

Werner: "Deine Überlegung bringt ein zentrales Anliegen christlicher Dogmatik in die Mülltonne. Die christliche Hoffnung formuliert die Aussicht auf einen als "Heil" bezeichneten Seinszustand, von dem explizit ausgesagt wird, daß es in ihm kein Leiden mehr geben werde. Nach Deiner Überlegung muß dann beim eintreten dieses Heils-Zustands zwangsläufig eines der drei Attribute Freiheit, Liebesfähigkeit und Persönlichkeit auf der Strecke bleiben, da diese drei zusammen ja die Notwendigkeit der Existenz von Leiden, also "Un-Heil" erzwingen."

 

Nicht die "christliche Hoffnung" formuliert. Die Formulierung übernehmen Theologen, und auch diese kriegen ihren Glauben nicht 1:1 in Worte hinein übersetzt.

Im uralten Forum waren desöfteren Diskussionen: "Was ist katholisch", in denen versucht wurde, den "katholischen Glauben" auf einen Punkt (z.B. Papst oder Dogmen) zu bringen. Müßig. Die Einheit (und damit die Identität) von so vielen verschiedenen Glaubenden ist mehr zu erahnen, als zu beschreiben. Ich bekomme es am ehesten auf die Reihe, wenn ich mir die Kirche als einen Traditionsstrom durch die Zeit vorstelle. Der Strom hat eine Breite, so dass sowohl Küng wie auch Ratzinger (und diese Gegensätze gab es schon immer), Markus und Johannes hineinpassen. Auch die Grenzen des Stromes sind fließend.

 

Mir ist noch eingebläut worden, dass mit dem Tod die Freiheit erlischt. Dann sind die Würfel gefallen.

Meine Gedanken gehen auch in diese Richtung. Die Freiheit hat ihren Zweck erfüllt, die Persönlichkeit hat sich gebildet, eine Geschichte liegt vor. Das ewige Leben ist keine lineare Verlängerung des irdischen. (Wieder steht ein ganzes Bildergebäude vor meinem Auge)

Das sind aber wirklich nur Spekulationen. Ich war ja noch nicht drüben. Letztlich bezieht sich mein Glaube darauf, dass Gott mir Heil schenken wird, d.h. dass ich vollendet glücklich sein werde. Die Bilder, die ich mir mache sind keine Realaussagen, sondern lediglich Vorstellungen. Als solche finde ich sie gut, für mich förderlich und wichtig.

 

Noch was Bildliches: Dann bin ich endlich die doofe Entscheiderei los. ICH bin sie los, denn das, was das ICH ist, das ist dann durch meine Lebensentscheidungen abgeschlossen vorhanden. Die getroffenen Entscheidungen meines Lebens genügen dann. Herrlich. Das, was ich mit den ganzen Entscheidungen gesucht habe, das werde ich dann ja haben.

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Lieber werner agnosticus,

 

ich nehme mal Bezug zu folgendem Abschnitt: "Es ist auch in diesem von Dir gemeinten Sinne keine Antwort. Das habe ich ja auch zum Ausdruck gebracht. Gott gibt Hiob keine Antwort auf die Ursache des Leids. (Olli)

 

Du mißverstehst das Problem der Theodizee. Es geht nicht primär um eine "Antwort auf die Ursache des Leids", sondern um die Möglichkeit eines allmächtig-alliebenden Gottes. (w. a.)"

 

Wenn wir "Allmacht" in dem Sinne "Gott greift immer ein" verstehen und "Allgüte" in dem Sinne "Gott macht immer das, was der einzelne zur Verbesserung seiner Situation braucht" verstehen, habe ich Dein Problem auch. Denn dann gäbe es überhaupt kein Leid.

 

Dies aber widerspricht unserer Erfahrung.

 

Aus diesem Grunde sagte ich ja, daß ich die konventionellen Auffassungen von Allmacht und Allgüte nicht teile.

 

Offenbar scheinen folgende Punkte wichtig zu sein:

- Gott läßt dem Menschen die Freiheit

- Gott läßt offenbar auch oft dem Lauf der Welt die Freiheit

 

Bei Punkt 1 denke ich z. B. an Kriege, bei Punkt 2 an Naturkatastrophen (die nicht anthropgen sind)...

 

"Darüber habe ich ja auch schon gesagt, daß die konventionelle Sicht von Allgüte und Allmacht eben nicht haltbar ist in meiner Sicht. Gott läßt offenbar Leid zu (obwohl er in seiner Allmacht - wenn wir von diesem Begriff ausgehen - dies immer ändern könnte). Dieses "Zulassen" ist jedoch nicht wesensgleich mit "Verursachen". (Olli)

 

Was soll dann noch der Begriff alliebend. Ein Vater, der seinem Kind nichts zu Essen gibt, tötet es in diesem Sinne auch nicht, er läßt nur zu, daß es verhungert. Kann er deshalb als "liebend" bezeichnet werden? (w. a.)"

 

Dies würde ich im irdischen Sinne auch nicht als liebend bezeichnen. Wenn wir den Vergleich mit den globalen Hungerkatastrophen machen, da denke ich, hier sind wir Menschen dazu aufgerufen, etwas zu verändern.

 

viele Grüße

 

Olli

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Zitat von Olli am 11:00 - 1.Mai.2001

 

Was soll dann noch der Begriff alliebend. Ein Vater, der seinem Kind nichts zu Essen gibt, tötet es in diesem Sinne auch nicht, er läßt nur zu, daß es verhungert. Kann er deshalb als "liebend" bezeichnet werden? .


 

Lieber Olli,

 

es ist schon bemerkenswert, welche geistige Akrobatik du praktizierst, um deinen Glauben zu rechtfertigen oder auch zu verteidigen.

 

Ein Vater, der sein Kind verhungern läßt, tötet es durch verhungern und ist ein brutaler Mörder.

 

Mir fehlt jegliches Verständnis bei der Behauptung, Gott ist allmächtig und gleichzeitig verhungern Tausende von Kindern (dies jetzt nur als Beispiel, es gibt bekanntlich noch mehr Leid auf unserer Erde).

 

In unserem Strafgesetzbuch gibt es einen Paragraphen der lautet:

 

§ 323c  Unterlassene Hilfeleistung

 

  Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

 

Für die gesamten Unterlassungen deines Gottes wäre eine Verbannung auf den entferntesten Planeten des  Universums noch eine milde Strafe.

 

Gruß Pedrino

 

 

 

(Geändert von pedrino um 11:35 - 1.Mai.2001)

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Lieber pedrino,

 

hättest Du meine Beiträge sorgfältig gelesen, wäre Dir aufgefallen, daß ich eben diese konventionelle Sicht von Allmacht und Allgüte (mit der Du jetzt wieder kommst) eben nicht teile.

 

viele Grüße

 

Olli

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Lieber Pedrino,

 

das StGB ist geschaffen worden, um das Zusammenleben der Menschen zu regeln. Es gilt weder für Staaten noch für Götter.

Im StGB gibt es nicht nur die unterlassene Hilfeleistung, sondern z.B. auch das Verbot der Freiheitsentziehung.

Dennoch sperrt der Staat -völlig zu Recht- Verbrecher ein, entzieht ihnen also die Freiheit. Nach Deinen Ausführungen macht der Staat sich damit zum Verbrecher. Du würdest dem Staat somit sein Gewaltmonopol vorwerfen.

Ähnliches gilt für das Tötungsverbot.

Du wirfst Gott vor, Mörder zu sein. Letztendlich wirfst Du ihm damit vor, Herr über Leben und Tod zu sein. Du wirfst ihm damit vor, Dich als endliches Lebewesen geschaffen zu haben. Es ist genau dieselbe Situation wie die des Staates, der eben auch darf, was dem einzelnen Bürger verwehrt ist.

 

quod licet Iovi...

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"Für die gesamten Unterlassungen deines Gottes wäre eine Verbannung auf den entferntesten Planeten des  Universums noch eine milde Strafe. " (Pedrino)

 

Wir sind sogar noch weiter gegangen:

Wir haben ihn nicht nur verbannt, sondern sogar gekreuzigt. Das dürfte wohl als Strafe reichen ;)

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Zitat von Steffen am 13:55 - 1.Mai.2001

 

Im StGB gibt es nicht nur die unterlassene Hilfeleistung, sondern z.B. auch das Verbot der Freiheitsentziehung.

Dennoch sperrt der Staat -völlig zu Recht- Verbrecher ein, entzieht ihnen also die Freiheit. Nach Deinen Ausführungen macht der Staat sich damit zum Verbrecher. Du würdest dem Staat somit sein Gewaltmonopol vorwerfen.


 

Na lieber Steffen,

 

wollen wir die Sache mal richtig betrachten.

 

Die Volksvertreter (sprich der Bundestag und soweit zustimmungsbedürftig, der Bundesrat) erlassen die Strafgesetze. Darin ist logischerweise die jeweilige Strafandrohung enthalten. Der Staat ist also durch die Gesetzgebung als "Gewaltmonopolist" legitimiert.

 

Als Atheist werfe ich natürlich keinem außerirdischen Wesen irgendwelche Verfehlungen vor, ist ja auch Unsinn.

 

Aber euch wurde etwas Kritik nicht schaden. Vielleicht lichtet sich dann der undurchdringliche Nebel in euren Gehirnen etwas.

 

Gruß Pedrino

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Johannes Paul II: Salvifici doloris

 

"Diese Worte stehen gleichsam am Ende des langen Weges, der sich durch die Leiden hin erstreckt,

die zur Geschichte des Menschen gehören und vom Wort Gottes erhellt werden. Es kommt ihnen fast

die Bedeutung einer endgültigen Entdeckung zu, die von Freude begleitet ist; daher schreibt der

Apostel: »Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage«.(2) Die Freude kommt aus der

Entdeckung des Sinnes des Leidens. Eine solche Entdeckung ist, obwohl Paulus von Tarsus, der

diese Worte schreibt, ganz persönlich davon betroffen ist, zugleich auch gültig für andere. Der

Apostel teilt seine eigene Entdeckung mit und freut sich darüber wegen all jener, denen sie helfen

kann - so wie sie ihm geholfen hat -, den heilbringenden Sinn des Leidens zu ergründen."

 

Wer neugierig ist, kann den ganzen Text nachlesen unter:

 

http://www.vatican.va/holy_father/john_pau...doloris_ge.html

 

 

Wer den Text versteht, sieht v.a. eines:

Es gibt keine gedankliche Lösung. Das Theodizeeproblem wird nicht gedanklich gelöst, sondern durch eine reale Erlösung überwunden. Das Furchtbare wird nicht seiner Furchtbarkeit entkleidet oder abgeschwächt; mit seiner ganzen Furchtbarkeit wird es überwunden.

Die eigentliche Lösung des Theodizeeproblems ist die Erlösung. Was ist aber mit denen, die ihr Leiden nicht vom Kreuz her verstehen können?

Auch sie leiden doch und fühlen sich oder andere unschuldig an solchem Leiden.

Darauf ist zu antworten, daß es außerhalb der wahren Lösung, die im Glauben liegt, keine zweite wahre Lösung außerhalb des Glaubens gibt.

Es gehört zum unerlöst sündigen Zustand des Menschen, daß er mit der Theodizeefrage nicht fertig wird, es sei denn, er kehre um und glaubt.

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Lieber Pedrino,

 

es geht nicht darum, wo der Staat seine Legitimation herbezieht.

Tatsache ist, daß jede Strafe die Anzahl des objektiv in der Welt vorhandenen Leides erhöht. Es existiert dann je Gefängnisstrafe eine Freiheitsberaubung mehr in der Welt. Wenn man wie Du, eben bei Gott gerade nicht auf die Motive, wie z.B. das Schaffen eines Freiheitsraumes für Menschen, achtet, sondern nur das objektiv vorhandene Leid betrachtet, dann drängt sich Dir auch bei der Frage der Strafen dieselbe Betrachtungsweise, das Ignorieren der Motive, auf. Wer nur das Leiden betrachtet und jedes Leiden als unentschuldbar für den Verursacher sieht, der muß auch gegen Strafen durch den Staat sein.

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P.S: Mit Deiner formalistischen Betrachtung der Legitimation von staatlicher Gewalt hat man im Dritten Reich auch gerne argumentiert. Wichtig ist demnach nicht, warum bestraft wird, sondern daß das Parlament nach eigener Willkür, aber demokratisch legitimiert, festsetzt, was Recht und Unrecht ist. Damit ist Tatbeständen wie der "Rassenschande" Tür und Tor geöffnet, denn, so wie Du es schreibst, zählt ja nur, daß das Gesetz formell ordnungsgemäß erlassen wurde.

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"wollen wir die Sache mal richtig betrachten. " (Pedrino)

 

"Aber euch wurde etwas Kritik nicht schaden. Vielleicht lichtet sich dann der undurchdringliche Nebel in euren Gehirnen etwas. " (Pedrino)

 

AHA. Pedrino als Ute II.

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Zitat von Steffen am 14:38 - 1.Mai.2001

 

Tatsache ist, daß jede Strafe die Anzahl des objektiv in der Welt vorhandenen Leides erhöht. Es existiert dann je Gefängnisstrafe eine Freiheitsberaubung mehr in der Welt.

 

Wenn man wie Du, eben bei Gott gerade nicht auf die Motive, wie z.B. das Schaffen eines Freiheitsraumes für Menschen, achtet, sondern nur das objektiv vorhandene Leid betrachtet, dann drängt sich Dir auch bei der Frage der Strafen dieselbe Betrachtungsweise, das Ignorieren der Motive, auf. Wer nur das Leiden betrachtet und jedes Leiden als unentschuldbar für den Verursacher sieht, der muß auch gegen Strafen durch den Staat sein.

 

Lieber Steffen,

 

dass man böse Buben und Mädchen bei ihren Verfehlungen nicht ungeschoren davon kommen lassen sollte, da besteht zwischen uns wohl kein Widerspruch.

 

Ob dies als Leid oder als Buße zu verstehen ist, ist mit Sicherheit auch unerheblich.

 

Da du natürlich an deinen Gott glaubst, unterstellst du ihm auch Motive für sein Handeln.

 

Aber sei doch mal ehrlich zu dir selber.

 

Die vermeintliche Existenz eines Gottes ist eine reine Glaubensangelegenheit. Auch wenn du noch so felsenfest davon überzeugt bist, es ist und bleibt immer noch ein Glaube. Und in diese Glaubensvorstellung interpretierst du menschliche Eigenschaften.

 

Eine seltsame Denkweise, mit einem normalen, gesunden Menschenverstand eigentlich nicht nachvollziehbar.

 

Gruß Pedrino

 

(Geändert von pedrino um 15:04 - 1.Mai.2001)

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Zitat von Steffen am 14:50 - 1.Mai.2001

P.S: Wichtig ist demnach nicht, warum bestraft wird, sondern daß das Parlament nach eigener Willkür, aber demokratisch legitimiert, festsetzt, was Recht und Unrecht ist. Damit ist Tatbeständen wie der "Rassenschande" Tür und Tor geöffnet, denn, so wie Du es schreibst, zählt ja nur, daß das Gesetz formell ordnungsgemäß erlassen wurde.


 

Lieber Steffen,

 

dein staatsbürgerliches Rechtsempfinden läßt aber sehr zu wünschen übrig.

 

Dass wir hier in Deutschland einen legitimierten Rechtsstaat haben, dies sollte eigentlich nicht zur Diskussion stehen.

 

Gruß Pedrino

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Tja, Pedrino, ein bißchen Rechtsphilosophie hat noch keinem geschadet. Weil die Nazis genauso dachten wie Du (das nennt man Rechtspositivismus), setzte nach dem zweiten Weltkrieg die große "Zurück zu Thomas von Aquin"- Bewegung ein. Das gesamte deutsche Recht der Nachkriegszeit ist eine Korrektur Deiner rechtspositivistischen Einstellung.

Interessant ist hierbei, daß Du glaubst, daß mit der Legitimation auch die Frage der Gerechtigkeit mitgelöst ist. Die Tatsache, daß der Staat von den Bürgern legitimiert ist, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob er bestrafen darf, und warum. Zumindest bei Naturrechtlern.

Es sagt aber etwas bei solchen Rechtspositivisten wie Dir aus, bei denen staatliche Legitimation die Strafzwecke ersetzt, man also gar nicht nach einer Legitimation für Strafen suchen muß.

Typisch daher der Vorwurf, ich dächte nicht rechtsstaatlich. Wer gesetztes Recht mit gerechtem Recht gleichsetzt, der stellt eben auch die Frage, die die Nazis ihren Gegnern gestellt haben:

"Warum hilfst Du unserem Staat nicht? Die Gesetze sind doch ordnungsgemäß zustandegekommen. Oder bist Du ein Gegner unseres Rechtsstaates?"

 

Dort wird eben gerade nicht beachtet, daß Recht und Gerechtigkeit zwei Paar Schuhe sind; und daher das Argument, daß Strafen deswegen in Ordnung sind, weil die Strafgesetze vom Volk verabschiedet worden sind, mit der Gerechtigkeit und Erlaubtheit dieser Strafen nicht das Geringste zu tun hat.

 

Im Übrigen freue ich mich, daß Du dafür bist, Verbrecher zu bestrafen. Das bedeutet zumindest, daß Du das Leiden nicht so absolut setzt wie bisher und Verständnis dafür hast, daß das Leiden auch einen Sinn haben kann. Das bedeutet auch, daß Du die Kriterien, die für den einzelnen Bürger gelten, für den Staat eben nicht gelten lassen kannst und genausowenig für Gott, denn so wie schon der Staat eine Ordnungsinstanz ist, die deswegen stark in die Rechte der einzelnen eingreifen darf, ohne dabei ungerecht zu sein, so gilt das für die dem Staat übergeordente Instanz der Weltenregierung erst recht, sogar noch mehr.

 

(Geändert von Steffen um 16:07 - 1.Mai.2001)

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