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Fundis


Stephanus

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Fundamentalismus beginnt auf der erkenntnistheoretischen Grundlage. Wer davon ausgeht, dass die Wahrheit, so wie er sie erkannt hat, prinzipiell auch jedem anderen ganz genau so zugänglich ist, der muss natürlich erklären, warum andere dann trotzdem dieser Wahrheit nicht zustimmen.

Dem stimme ich voll zu.

 

Ich glaube, man kommt aber noch eine Schicht tiefer. Diese Form der "selbstzentrierten Erkenntnis" kann man noch einmal tiefer unterfragen. Warum denkt jemand so?

 

Ich vermute, dass hinter dem starken Brustton der Überzeugung, des unantasbaren Sicherseins, der Verurteilung alles Abweichenden ganz, ganz tief Angst steckt. Die Angst des Menschen in einer Welt, mit der er nicht sinnvoll zurecht kommt und gegen die er sich nur durch harte, hohe und stachlig bewehrte Mauern schützen kann. Sonst würde sie ihn überschwemmen und all seine (ihm heilige) Überzeugung hinwegfluten.

 

Hier versagen die nüchternen Worte, und ich lasse lieber Rilke sprechen. Er hat es in einem Gedicht grausam-perfekt ausgedrückt:

 

Reitet der Ritter in schwarzem Stahl

hinaus in die rauschende Welt.

 

Und draußen ist Alles: der Tag und das Tal

und der Freund und der Feind und das Mahl im Saal

und der Mai und die Maid und der Wald und der Gral,

und Gott ist selber vieltausendmal

an alle Straßen gestellt.

 

Doch in dem Panzer des Ritters drinnen,

hinter den finstersten Ringen,

hockt der Tod und muss sinnen und sinnen:

Wann wird die Klinge springen

über die Eisenhecke,

die fremde befreiende Klinge,

die mich aus meinem Verstecke

holt, drin ich so viele

gebückte Tage verbringe, -

dass ich mich endlich strecke

und spiele

und singe.

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Fundamentalismus beginnt auf der erkenntnistheoretischen Grundlage. Wer davon ausgeht, dass die Wahrheit, so wie er sie erkannt hat, prinzipiell auch jedem anderen ganz genau so zugänglich ist, der muss natürlich erklären, warum andere dann trotzdem dieser Wahrheit nicht zustimmen. Solange man noch denkt, dass hinge von Gottes Gnade ab, der den anderen die Decke schon irgendwann von den Augen ziehen wird, nimmt man es denen auch nicht persönlich übel und sieht ihnen nach, dass sie nicht dieselben Konsequenzen ziehen wie man selber. Führt man jedoch die mangelnde Einsicht bei anderen auf bösen Willen zurück, dann braucht man sich von ihnen ja nicht irgendwie einschränken zu lassen (und jede Diskussionsbereitschaft ist ja schon eine Art persönlicher Einschränkung), ja, man darf sie notfalls sogar zu "ihrem Glück" zwingen.

Das sehe ich anders. Z. B. bin ich hier noch fast keinem A&A begegnet, der wirklich damit leben konnte, daß andere Leute solchen geistigen Dünnpfiff glauben. Was immer wieder zugegeben wird ist die persönliche Freiheit, kraft derer man selbst das eigene Leben gern noch dem hirnverbranntesten Schwachsinn unterwerfen kann. Von einer Offenheit, wie Du sie einforderst, war selten etwas zu merken.

 

Nicht entscheidend ist beim "erkenntnistheoretischen" Zugang der Weg der Erkenntnis, viel interessanter ist dagegen die Erkenntnis selbst. :lol:

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Ich würde mich über eine Antwort von Dir trotzdem freuen.

Da ich gleich weg muss und ich Dein Posting zu wertvoll halte, um es schnell zu beantworten, wirst Du leider ein wenig warten müssen. Aber ich werde antworten.

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Aber auch subtilere Weisen der Problematik von Wolf und Schaf gibt es bis mitten in die Kirche hinein, denn auch in der Kirche ist Welt. Und auch in der Kirche sind Wölfe, und wir alle sind in Gefahr, der Wolfsnatur in uns Raum zu geben. Die Keule des Fundamentalismus steht jederzeit bereit. Und wenn sie auf jemanden geschlagen wird, dann ist er zum Schweigen gebracht.

 

Wer es wagt, etwa nicht in bestimmten Situationen auf den Papst einzuschlagen, wer nicht bereit ist, Dogmen als altmodisch und längst überholt beiseite zu schieben, wer nicht bereit ist, für immer neue Verweltlichungen in der Liturgie einzutreten oder wer gar mit dem Papst sagt, die Kirche habe nicht das Recht zur Frauenpriesterweihe oder den Zölibat verteidigt, ist reformfeindlich und ein Fundamentalist und wird an den Pranger gestellt. Dabei wissen wir, dass mit diesem Typ von Reformen halbe Kirchenprovinzen und Ordensgemeinschaften zu Tode reformiert worden sind.

......

 

In dieser Stunde, hier in diesem Dom, denken wir an den heimgegangen Erzbischof Dyba und an seinen Mut. Wenn er harte Worte gesprochen hat, dann nicht, weil er unverwundbar gewesen wäre. Weil ihn bloße Lust am Dreinschlagen und am Widerspruch getrieben hätte. Er war verwundbar. Wie sehr er verwundet wurde, haben wir erst gesehen, als er von uns ging. Aber der Glaube, die Liebe, Christus, Gott, der Blick auf das letzte Gericht zählten mehr für ihn als der Blick auf das Gericht der Medien, und das hat ihn stark und frei gemacht.

 

 

aus Fürchtet Euch nicht – in einer Wolfswelt; Predigt von Joseph Kardinal Ratzinger

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Du würdest vielleicht in diesen Gedanken von Kardinal Ratzinger hineinpassen. Der arme Erich, zu Unrecht in die Fundamentalistenecke gedrängt. Aber nur vielleicht. Denn schließlich willst Du ja Fundamentalist sein. Man tut Dir kein Unrecht, Dich als solchen zu bezeichnen.

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Man tut Dir kein Unrecht, Dich als solchen zu bezeichnen.

nöö, es ist mir eine Ehre.

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Eine Definition des Fundamentalismus die mir recht brauchbar erscheint:

 

Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente.
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wer gar mit dem Papst sagt, die Kirche habe nicht das Recht zur Frauenpriesterweihe oder den Zölibat verteidigt, ist reformfeindlich und ein Fundamentalist und wird an den Pranger gestellt. Dabei wissen wir, dass mit diesem Typ von Reformen halbe Kirchenprovinzen und Ordensgemeinschaften zu Tode reformiert worden sind.

in welchen Kirchenprovinzen und Ordensgemeinschaften, die daran zugrunde gingen, wurde das Frauenpriestertum eingeführt und der Pflichtzölibat abgeschafft?

Ich kenne im Gegenteil ganze katholische Teilkirchen, in denen der Pflichtzölibat für Priester nie bestanden hat und die sehr lebendig sind und sogar Zeiten härtester Verfolgung und Zwangsauflösung überstanden haben.

bearbeitet von umusungu
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Umusungu, Abschaffung von Pflichtzölibat und Einführung des Frauenpriestertums hat doch der Heilige Vater gar nicht gemeint. Sondern ähnliche Reformen. M.E. solche, die gemäß der lauten Rufe von Nichtgläubigen eingeführt wurden. Vielleicht dachte er an die sinkenden Gläubigenzahlen bei Evangelens?

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Umusungu, Abschaffung von Pflichtzölibat und Einführung des Frauenpriestertums hat doch der Heilige Vater gar nicht gemeint.

Ich habe den Papst auch nicht gemeint .....sondern Erich,....... der aufgrund solcher Reformen schlimme Dinge entstanden sieht. Die sollte er mir einmal nennen.

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Fundamentalismus beginnt auf der erkenntnistheoretischen Grundlage. Wer davon ausgeht, dass die Wahrheit, so wie er sie erkannt hat, prinzipiell auch jedem anderen ganz genau so zugänglich ist, der muss natürlich erklären, warum andere dann trotzdem dieser Wahrheit nicht zustimmen. Solange man noch denkt, dass hinge von Gottes Gnade ab, der den anderen die Decke schon irgendwann von den Augen ziehen wird, nimmt man es denen auch nicht persönlich übel und sieht ihnen nach, dass sie nicht dieselben Konsequenzen ziehen wie man selber. Führt man jedoch die mangelnde Einsicht bei anderen auf bösen Willen zurück, dann braucht man sich von ihnen ja nicht irgendwie einschränken zu lassen (und jede Diskussionsbereitschaft ist ja schon eine Art persönlicher Einschränkung), ja, man darf sie notfalls sogar zu "ihrem Glück" zwingen.

Das sehe ich anders. Z. B. bin ich hier noch fast keinem A&A begegnet, der wirklich damit leben konnte, daß andere Leute solchen geistigen Dünnpfiff glauben. Was immer wieder zugegeben wird ist die persönliche Freiheit, kraft derer man selbst das eigene Leben gern noch dem hirnverbranntesten Schwachsinn unterwerfen kann. Von einer Offenheit, wie Du sie einforderst, war selten etwas zu merken.

 

Nicht entscheidend ist beim "erkenntnistheoretischen" Zugang der Weg der Erkenntnis, viel interessanter ist dagegen die Erkenntnis selbst. :lol:

Also das habe ich mir jetzt mindestens fünf mal durchgelesen und bin trotzdem nicht sicher, ob ich irgendwas verstanden habe. Wahrscheinlich siehst Du bei dem Wort "Fundamentalist" etwas ganz anderes vor Dir als ich.

Es sind ganz offensichtlich verschiedene Windmühlen, mit denen wir streiten. Dass sich der Streit nicht lohnt, scheint mir aus Deinem Schlusssatz hervorzugehen, der aber das thread-Thema trotzdem nicht einfach vom Tisch wischen kann.

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Fundamentalismus beginnt auf der erkenntnistheoretischen Grundlage. Wer davon ausgeht, dass die Wahrheit, so wie er sie erkannt hat, prinzipiell auch jedem anderen ganz genau so zugänglich ist, der muss natürlich erklären, warum andere dann trotzdem dieser Wahrheit nicht zustimmen.

Dem stimme ich voll zu.

 

Ich glaube, man kommt aber noch eine Schicht tiefer. Diese Form der "selbstzentrierten Erkenntnis" kann man noch einmal tiefer unterfragen. Warum denkt jemand so?

 

Ich vermute, dass hinter dem starken Brustton der Überzeugung, des unantasbaren Sicherseins, der Verurteilung alles Abweichenden ganz, ganz tief Angst steckt. Die Angst des Menschen in einer Welt, mit der er nicht sinnvoll zurecht kommt und gegen die er sich nur durch harte, hohe und stachlig bewehrte Mauern schützen kann. Sonst würde sie ihn überschwemmen und all seine (ihm heilige) Überzeugung hinwegfluten.

 

Hier versagen die nüchternen Worte, und ich lasse lieber Rilke sprechen. Er hat es in einem Gedicht grausam-perfekt ausgedrückt:

 

Reitet der Ritter in schwarzem Stahl

hinaus in die rauschende Welt.

 

Und draußen ist Alles: der Tag und das Tal

und der Freund und der Feind und das Mahl im Saal

und der Mai und die Maid und der Wald und der Gral,

und Gott ist selber vieltausendmal

an alle Straßen gestellt.

 

Doch in dem Panzer des Ritters drinnen,

hinter den finstersten Ringen,

hockt der Tod und muss sinnen und sinnen:

Wann wird die Klinge springen

über die Eisenhecke,

die fremde befreiende Klinge,

die mich aus meinem Verstecke

holt, drin ich so viele

gebückte Tage verbringe, -

dass ich mich endlich strecke

und spiele

und singe.

Vielen Dank für das Gedicht. Gefällt mir gut.

Soweit wollte ich mich ja gar nicht vorwagen, dass ich sogar Gründe für eine Hinwendung zum Fundamentalismus zu benennen versuche. Leuchtet mir schon ein, dass die Angst dabei eine große Rolle spielt.

Andererseits ist mir die Angst von klein auf eine ständige, mittlerweile vertraute Begleiterin, ohne die mein Glaube nie so fest geworden wäre, wie er es heute ist. Trotzdem bin ich keine Fundamentalistin im Sinne meiner eigenen Definition (das mögen andere anders beurteilen).

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Eine Definition des Fundamentalismus die mir recht brauchbar erscheint:

 

Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente.
Offenheit aller Geltungsansprüche
Warum wohl wundert mich genau das an dem ganzen Sermon nicht? Gibt es eigentlich auch einen Geltungsanspruch, den Du ausschließt, Christoph? Oder läßt Du Dich noch von dem letzten Krakeeler aus der Bahn und in einen end- und heillosen Begründungszirkel werfen? bearbeitet von soames
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wer gar mit dem Papst sagt, die Kirche habe nicht das Recht zur Frauenpriesterweihe oder den Zölibat verteidigt, ist reformfeindlich und ein Fundamentalist und wird an den Pranger gestellt. Dabei wissen wir, dass mit diesem Typ von Reformen halbe Kirchenprovinzen und Ordensgemeinschaften zu Tode reformiert worden sind.

in welchen Kirchenprovinzen und Ordensgemeinschaften, die daran zugrunde gingen, wurde das Frauenpriestertum eingeführt und der Pflichtzölibat abgeschafft?

Ich kenne im Gegenteil ganze katholische Teilkirchen, in denen der Pflichtzölibat für Priester nie bestanden hat und die sehr lebendig sind und sogar Zeiten härtester Verfolgung und Zwangsauflösung überstanden haben.

Es ging doch um diesen Typ Reform, vulgo um Dinge, die ganz grundsätzlich die bisherige Ordnung umzuwerfen suchen.

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Fundamentalismus beginnt auf der erkenntnistheoretischen Grundlage. Wer davon ausgeht, dass die Wahrheit, so wie er sie erkannt hat, prinzipiell auch jedem anderen ganz genau so zugänglich ist, der muss natürlich erklären, warum andere dann trotzdem dieser Wahrheit nicht zustimmen. Solange man noch denkt, dass hinge von Gottes Gnade ab, der den anderen die Decke schon irgendwann von den Augen ziehen wird, nimmt man es denen auch nicht persönlich übel und sieht ihnen nach, dass sie nicht dieselben Konsequenzen ziehen wie man selber. Führt man jedoch die mangelnde Einsicht bei anderen auf bösen Willen zurück, dann braucht man sich von ihnen ja nicht irgendwie einschränken zu lassen (und jede Diskussionsbereitschaft ist ja schon eine Art persönlicher Einschränkung), ja, man darf sie notfalls sogar zu "ihrem Glück" zwingen.

Das sehe ich anders. Z. B. bin ich hier noch fast keinem A&A begegnet, der wirklich damit leben konnte, daß andere Leute solchen geistigen Dünnpfiff glauben. Was immer wieder zugegeben wird ist die persönliche Freiheit, kraft derer man selbst das eigene Leben gern noch dem hirnverbranntesten Schwachsinn unterwerfen kann. Von einer Offenheit, wie Du sie einforderst, war selten etwas zu merken.

 

Nicht entscheidend ist beim "erkenntnistheoretischen" Zugang der Weg der Erkenntnis, viel interessanter ist dagegen die Erkenntnis selbst. :lol:

Also das habe ich mir jetzt mindestens fünf mal durchgelesen und bin trotzdem nicht sicher, ob ich irgendwas verstanden habe. Wahrscheinlich siehst Du bei dem Wort "Fundamentalist" etwas ganz anderes vor Dir als ich.

Es sind ganz offensichtlich verschiedene Windmühlen, mit denen wir streiten. Dass sich der Streit nicht lohnt, scheint mir aus Deinem Schlusssatz hervorzugehen, der aber das thread-Thema trotzdem nicht einfach vom Tisch wischen kann.

Du schriebst, ein Fundamentalist sei jemand, der von anderen erwarte, sie würden auf demselben Weg wie er zu seinen Ergebnissen kommen. Würde jemand einen anderen Weg einschlagen, so sei er des Fundamentalisten liebster Feind.

Ich habe darauf zu antworten versucht, daß der jeweilige Weg im Regelfall weitgehend schnuppe sei, solange am Ende ein richtiges Ergebnis (Erkenntnis) steht. Beispiel: Ob Dein Interesse für den Glauben durch das Nachsinnen über Jesus oder über Maria geweckt wurde und anschließend gestärkt wurde, ist egal, solange Du zum Schluß zur immer tieferen Erkenntnis des katholischen Glaubens kommst.

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Christophs Definition von Fundamentalismus ist perfekt. Und dass sie Fundis offenbar nicht schmeckt, zeigt, wie gut sie ist.

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Christophs Definition von Fundamentalismus ist perfekt. Und dass sie Fundis offenbar nicht schmeckt, zeigt, wie gut sie ist.

Selbst Du bist nicht für alle Geltungsansprüche offen, Sokrates. Wo liegt dann also Dein Grund zur Freude?

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Eine Definition des Fundamentalismus die mir recht brauchbar erscheint:

 

Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente.
Offenheit aller Geltungsansprüche
Warum wohl wundert mich genau das an dem ganzen Sermon nicht? Gibt es eigentlich auch einen Geltungsanspruch, den Du ausschließt, Christoph? Oder läßt Du Dich noch von dem letzten Krakeeler aus der Bahn und in einen end- und heillosen Begründungszirkel werfen?

Als Antwort auf deinen Einwand fällt mir spontan ein Teil der heutigen Predigt unseres Papstes ein:

 

Im alten Orient war es üblich, daß die Könige sich als Hirten ihrer Völker bezeichneten. Dies war ein Bild ihrer Macht, ein zynisches Bild: Die Völker waren wie Schafe für sie, über die der Hirte verfügt. Der wahre Hirte aller Menschen, der lebendige Gott, ist selbst zum Lamm geworden, er hat sich auf die Seite der Lämmer, der Getretenen und Geschlachteten gestellt. Gerade so zeigt er sich als der wirkliche Hirt. „Ich bin der wahre Hirte... Ich gebe mein Leben für die Schafe“, sagt Jesus von sich (Joh 10, 14f). Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, daß Gott sich stärker zeigen würde. Daß er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen. Alle Ideologien der Gewalt rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit entgegenstehe. Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.

 

Das Leiden an der Notwendigkeit in einem Begründungszirkel stets aufs neue Rechenschaft geben zu müssen scheint mir unter diesem Aspekt durchaus mit unserem christlichen Glauben vereinbar. Allerdings glaube ich nicht dass dieser Zirkel end- und heillos ist. Im Gegenteil.

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Du schriebst, ein Fundamentalist sei jemand, der von anderen erwarte, sie würden auf demselben Weg wie er zu seinen Ergebnissen kommen. Würde jemand einen anderen Weg einschlagen, so sei er des Fundamentalisten liebster Feind.

Ich habe darauf zu antworten versucht, daß der jeweilige Weg im Regelfall weitgehend schnuppe sei, solange am Ende ein richtiges Ergebnis (Erkenntnis) steht. Beispiel: Ob Dein Interesse für den Glauben durch das Nachsinnen über Jesus oder über Maria geweckt wurde und anschließend gestärkt wurde, ist egal, solange Du zum Schluß zur immer tieferen Erkenntnis des katholischen Glaubens kommst.

 

Ah so, jetzt sehe ich den Punkt. Muss ich noch mal drüber nachdenken.

 

Übrigens gibt es Fundamentalismus auf vielen Ebenen, oder anders gesagt, man muss noch kein Fundamentalist sein, um hier oder da mal fundamentalistisch zu argumentieren. Beispiel sind die ewigen Diskussionen über die richtige Art des Kommunionempfanges. Wem sich durch die eine oder andere Praxis eine tiefe Glaubenswahrheit offenbart, der vermag manchmal einfach nicht einzusehen, dass die andere Form genau die gleiche Funktion haben kann, nur dass andere Aspekte betont werden. Anstatt sie als einander ergänzend zu betrachten, glaubt man eine Entscheidung im Sinne von wahr oder falsch treffen zu müssen. Vielleicht ist Fundamentalismus einfach ein Mangel an dialektischem Denkvermögen?

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Sexuallehre - steht nicht im Credo

Davon hier ein roter Faden in den 10 Geboten.

 

- Du sollst nicht ehebrechen.

- Du sollst keine Unzucht treiben.

Hast Du gleich zwei sechste Gebote?

Du hast recht.

 

Das ist jedenfalls interessant, wer Unzucht treibt, oder die Frau des Nächsten begehrt, der hat schon Ehebruch in seinem Herzen begangen. :lol::):)

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Eine Definition des Fundamentalismus die mir recht brauchbar erscheint:

 

Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente.
Offenheit aller Geltungsansprüche
Warum wohl wundert mich genau das an dem ganzen Sermon nicht? Gibt es eigentlich auch einen Geltungsanspruch, den Du ausschließt, Christoph? Oder läßt Du Dich noch von dem letzten Krakeeler aus der Bahn und in einen end- und heillosen Begründungszirkel werfen?

Als Antwort auf deinen Einwand fällt mir spontan ein Teil der heutigen Predigt unseres Papstes ein:

 

Im alten Orient war es üblich, daß die Könige sich als Hirten ihrer Völker bezeichneten. Dies war ein Bild ihrer Macht, ein zynisches Bild: Die Völker waren wie Schafe für sie, über die der Hirte verfügt. Der wahre Hirte aller Menschen, der lebendige Gott, ist selbst zum Lamm geworden, er hat sich auf die Seite der Lämmer, der Getretenen und Geschlachteten gestellt. Gerade so zeigt er sich als der wirkliche Hirt. „Ich bin der wahre Hirte... Ich gebe mein Leben für die Schafe“, sagt Jesus von sich (Joh 10, 14f). Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, daß Gott sich stärker zeigen würde. Daß er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen. Alle Ideologien der Gewalt rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit entgegenstehe. Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.

 

Das Leiden an der Notwendigkeit in einem Begründungszirkel stets aufs neue Rechenschaft geben zu müssen scheint mir unter diesem Aspekt durchaus mit unserem christlichen Glauben vereinbar. Allerdings glaube ich nicht dass dieser Zirkel end- und heillos ist. Im Gegenteil.

Als Ergänzung: Ergebnisoffenheit bedeutet für mich nicht Standpunklosigkeit. Im Gegenteil.

 

Wenn im Zentrum unseres christlichen Glaubens der gekreuzigte Christus steht, ist das für mich ein gutes Bild für unsere christliche Existenz in der Welt. Denn was ist dieser Gekreuzigte? Den einen ein Ärgerniss. Für die anderen einfach nur lächerlich. Für die dritten historisch zweifelhaft. Und vieles andere mehr. Für uns Christinnen und Christen ist er aber die Quelle des Heils, die wir im Glauben annehmen. Wir können uns, mit Ausnahme des Apostels Thomas vielleicht, auf keinen eindeutigen Beweis stützen, Gott hat sich in der Welt nicht mit Donner und Granaten eindeutig, und unzweifelhaft geoffenbart und jeder und jedem aufgezwungen - sondern in seiner Schwäche und Verlassenheit am Kreuz das Ergebnis seiner Offenbarung (nicht nur) erkenntnistheoretisch (noch) offen gelassen.

 

Wenn wir als Christinnen und Christen aber an Jesus als den Christus glauben, an seinen Tod und seine Auferstehung, dann nehmen wir im Glauben eine denkbare Möglichkeit und Deutung des Geschehens als die unsere an (warum wir das tun hat wohl viel mit dem Begriff der Gnade zu tun). Und diesen unseren Glauben heißt es im Mitleiden und Mitauferstehen mit Christus zu bewahrheiten, bis seine Herrlichkeit offenbar wird. Und so lange müssen wir wohl auch die mögliche Mehrdeutigkeit, ja strukturelle Ergebnisoffenheit unseres Glaubens mit ihm mittragen, mitleiden, mitbegründen .... bis er kommt in Herrlichkeit.

bearbeitet von Christoph Lauermann
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aber ich habe doch einen Einspruch anzumelden. Dieser betrifft das Ziel, das Du beim Aufnehmen und Durchdenken "rüttelnder" Gedanken hast und inwiefern Dir diese Diskussion dabei hilft. Nehmen wir nur mal den lieben Baumfäller als Beispiel. Er ist - in einem Arena-Thread - der Auffassung, Jesus sei ein rein menschlicher Wüstenprediger gewesen, dessen Leichnam nach der unbewiesenen Kreuzigung vermoderte....

Damit wird eines der Hauptfundamente des christlichen Glaubens für falsch gehalten. Mir ist dieser Gedanke nicht neu, ...

Das Ziel, um dessentwillen ich mich darüber weiterhin mit Baumfäller unterhalten würde, wäre entweder eine Verteidigung meiner Entscheidung ... oder aber Baumfäller von meinem Glauben zu überzeugen. Ersteres wird man in diesem Forum sehr schnell müde, was man dann noch tut ist (warum auch immer) ein bloßes Fahnehochhalten. Zweiteres ist witzlos, solange sich der Diskussionspartner zur Verteidigung seiner eigenen Position auf die Forderung nach 100%iger Beweisbarkeit zurückzieht.

...

Was Du hier als Fundamentalismus "aufdeckst", könnte sich also auch schlicht daraus ergeben, daß es kaum noch grundsätzlich unbekannte Gedanken des Zweifels gibt, von denen man sich anfragen lassen kann, daß aber durchaus eine gewisse Freude an der Darstellung des eigenen Glaubens existiert, die sich ... eben gerade nicht als ausufernde, niemals irgendeinem Ziel sich nähernde offene (sondern von beiden Seiten vielmehr als geschlossene) Diskussion gelebt wird.

 

Deshalb meine Frage an Dich: Was erwartest Du Dir von diesen Diskussionen? Und: Hast Du tatsächlich die meisten vorgebrachten Dinge noch nicht in Grundzügen bedacht?

Lieber Soames!

 

Auf einen einzigen Punkt kann ich meine Ziele nicht bringen. Meiner Erfahrung nach kann man Menschen nicht einfach so hoppla-hopp umkrempeln und von einer anderen Denk- und Lebensweise überzeugen. Auch wenn ich dies trotzdem gelegentlich und punktuell (also nicht die ganze Lebensüberzeugung) hier versuche, spielt das für mein Schreiben nur eine kleine Rolle.

 

Der wichtigste Punkt wird wohl sein, dass ich mir oft erst im Schreiben und Argumentieren klar werde, was ich eigentlich denke. Meine eigenen Ahnungen, Überzeugungen und Denkprämissen klären sich, wenn ich gezwungen bin, sie so auszuformulieren, dass sie einer Kritik zugänglich werden. Und die Kritik gibt mir dann den Impuls, dabei noch weiter vorzudringen.

 

Seit ich hier im Forum bin, hat sich meine Grundüberzeugung nicht groß geändert. Ja. Das wird wohl bei den allermeisten hier so sein. Aber ich habe eine Menge Klarheit über bestimmte Punkte gefunden. Einzelne Denkwege haben sich als ungangbar, andere als zukunftsweisend herausgestellt. Nicht im Großen kam Veränderung, aber in vielen, vielen kleinen Fragen.

 

Daneben gibt es auch das "Rütteln". Interessiert sehe ich, wie andere Menschen von ihren Prämissen aus keinen Weg zum Christentum finden können. Da wird es dann schon einmal grundsätzlicher. Es gab einmal eine Zeit, in der ich mich z.B. mit Ute und Zwilling sehr über Kosmogonie unterhalten habe. Diese Diskussionen sind nicht spurlos an mir vorüber gegangen. Ich war gezwungen, manche meiner Vorstellungen fallen zu lassen. Mein Gottesbild hat sich in diesen Diskussionen noch einmal verändert. Und ich gehe davon aus, dass auch bei Ute so einige Details angekommen sind. In welcher Form, liegt dabei allerdings allein in den Händen von Ute - sicherlich nicht so, dass sie nun an einen Schöpfer im christlichen Sinne glaubt.

 

Gerade auch die von Dir angesprochene Position, die uns Baumfäller noch mal vorgeführt hat, ist natürlich nichts wirklich Neues. Aber die Frage des Verhältnisses zwischen Geschichte, Geschichtswissenschaft und Glaube ist gerade ein Gebiet, auf das ich durch dieses Forum immer wieder gestoßen wurde. Ich kann die von Baumfäller beschriebene Sichtweise ja durchaus verstehen. Und bei Baumfäller gehe ich davon aus, dass die Primitivität, in der er die Frage dargestellt hat, nur die winzige Spitze eines gigantischen Eisbergs ist, sozusagen der "teaser", der Testballon, mit dem er provozieren will und nachschaut, was sich so ergibt.

Und - das weckt dann mein Interesse - sie betrifft ein ungelöstes Problem. Offensichtlich habe ich einen inneren Maßstab, der mir sagt: Nö, Baumfällers beschriebene Sichtweise kann ich nicht übernehmen. Andererseits aber sehe ich die Problematik, die er aufreißt und habe noch nicht herausgefunden, warum ich diese Sichtweise nicht teilen kann.

 

Ich könnte jetzt die ganze Pallette der Diskussionsthemen aufführen. Grundsätzlich sehe ich einen klaren Unterschied zu Deiner Position: Du gehst davon aus, dass schon alles klar ist. Und ich sehe, dass es eben nicht klar ist. So knackig sind unsere Argumente nicht - und dies messe ich nicht an der Reaktion der A&A, sondern an mir selbst. MIR ist da noch vieles unklar.

 

Und genau dies halte ich auch für einen wesentlichen Unterschied zwischen mir und den Fundamentalisten. Mir ist manches wirklich noch nicht klar. Ich muss sprechen und diskutieren, dass es mir klar wird, die Gedankengänge anderer und Andersdenkender lesen, mir darüber Gedanken machen und aus dem ganzen Wust von Argumenten meine eigene Überzeugung wiederfinden. Das ist mühsam und manchmal auch emotional. Denn die Hilflosigkeit, in die man mangels knackiger Argumente wegen eigener Unklarheit oder Undifferenziertheit kommt, ist ja in der konkreten Diskussion peinlich. Und überdies nährt sie auch immer wieder die Frage: Bin ich auf dem richtigen Weg? Sie stellt einen anstrengenden Anspruch an mich: Formuliere so, dass der andere (von seinen Prämissen aus) Dir folgen kann.

 

Dem weichen die Fundamentalisten mit schönster Regelmäßigkeit aus. Und so verbleiben auch viele ihrer Aussagen in einer für mich nicht mehr nachvollziehbaren Undifferenziertheit und Nachfragen versandet im Nichts von Vorwürfen und Exkommunikationen.

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Eine Definition des Fundamentalismus die mir recht brauchbar erscheint:

 

Fundamentalismus ist der selbstverschuldete Ausgang aus den Zumutungen des Selberdenkens, der Eigenverantwortung, der Begründungspflicht, der Unsicherheit und der Offenheit aller Geltungsansprüche, Herrschaftslegitimationen und Lebensformen, denen Denken und Leben durch Aufklärung und Moderne unumkehrbar ausgesetzt sind, in die Sicherheit und Geschlossenheit selbsterkorener absoluter Fundamente.
Offenheit aller Geltungsansprüche
Warum wohl wundert mich genau das an dem ganzen Sermon nicht? Gibt es eigentlich auch einen Geltungsanspruch, den Du ausschließt, Christoph? Oder läßt Du Dich noch von dem letzten Krakeeler aus der Bahn und in einen end- und heillosen Begründungszirkel werfen?

Als Antwort auf deinen Einwand fällt mir spontan ein Teil der heutigen Predigt unseres Papstes ein:

 

Im alten Orient war es üblich, daß die Könige sich als Hirten ihrer Völker bezeichneten. Dies war ein Bild ihrer Macht, ein zynisches Bild: Die Völker waren wie Schafe für sie, über die der Hirte verfügt. Der wahre Hirte aller Menschen, der lebendige Gott, ist selbst zum Lamm geworden, er hat sich auf die Seite der Lämmer, der Getretenen und Geschlachteten gestellt. Gerade so zeigt er sich als der wirkliche Hirt. „Ich bin der wahre Hirte... Ich gebe mein Leben für die Schafe“, sagt Jesus von sich (Joh 10, 14f). Nicht die Gewalt erlöst, sondern die Liebe. Sie ist das Zeichen Gottes, der selbst die Liebe ist. Wie oft wünschten wir, daß Gott sich stärker zeigen würde. Daß er dreinschlagen würde, das Böse ausrotten und die bessere Welt schaffen. Alle Ideologien der Gewalt rechtfertigen sich mit diesen Motiven: Es müsse auf solche Weise zerstört werden, was dem Fortschritt und der Befreiung der Menschheit entgegenstehe. Wir leiden unter der Geduld Gottes. Und doch brauchen wir sie alle. Der Gott, der Lamm wurde, sagt es uns: Die Welt wird durch den Gekreuzigten und nicht durch die Kreuziger erlöst. Die Welt wird durch die Geduld Gottes erlöst und durch die Ungeduld der Menschen verwüstet.

 

Das Leiden an der Notwendigkeit in einem Begründungszirkel stets aufs neue Rechenschaft geben zu müssen scheint mir unter diesem Aspekt durchaus mit unserem christlichen Glauben vereinbar. Allerdings glaube ich nicht dass dieser Zirkel end- und heillos ist. Im Gegenteil.

Von mir aus kann jeder soviel Offenheit glauben, wie er will. Auf die Ergebnisse kommt es an. Ich halte sehr viel dieser Offenheit für reine Zeitverschwendung, da auch die ach so kritischen Überlegungen immer wieder denselben wenigen Mustern in geringer Variation folgen. Du brauchst ja nur mal in die Arena zu schauen, um immer wieder (von beiden Seiten) die gleichen Argumente oder auch nur Wortwechsel zu lesen. Der einzige Grund für die Interessierten (ebenfalls beider Seiten), dort noch was zu hinterlassen, ist das Bestreben, die Fahne ein wenig hochzuhalten und die Gegenseite nicht glauben zu machen, sie hätte sich durchgesetzt, nur weil keine Entgegnungen mehr kommen. Mit Offenheit hat das kaum was zu tun. Und es gibt in aller Offenheit Entscheidungen, die trifft man einmal im Leben, vielleicht nochmal in Krisenzeiten, aber ich muß weiß Gott nicht jeden Morgen aufstehen und mir als erstes den Diskussionsverlauf der letzten 200 Jahre zu der Frage des historischen Lebens Jesu und seiner Beweisbarkeit als Morgengebet-Ersatz durchs Hirn ziehen, nur um mir zu beweisen, daß ich die Welt nicht völlig aus meinem Kopf verbannt habe. Ich traue mir da auch ohne Selbstbeweihräucherung als ach so tolerant-offener Supertyp zu, daß ich nicht abgedreht bin, da ich mein recht funktionierendes Hirn kenne. Ich sehe keinerlei Notwendigkeit, mich an einer eingebildeten ständigen Begründungspflicht abzuarbeiten. Das Leben ist auch so spannend genug.

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Du schriebst, ein Fundamentalist sei jemand, der von anderen erwarte, sie würden auf demselben Weg wie er zu seinen Ergebnissen kommen. Würde jemand einen anderen Weg einschlagen, so sei er des Fundamentalisten liebster Feind.

Ich habe darauf zu antworten versucht, daß der jeweilige Weg im Regelfall weitgehend schnuppe sei, solange am Ende ein richtiges Ergebnis (Erkenntnis) steht. Beispiel: Ob Dein Interesse für den Glauben durch das Nachsinnen über Jesus oder über Maria geweckt wurde und anschließend gestärkt wurde, ist egal, solange Du zum Schluß zur immer tieferen Erkenntnis des katholischen Glaubens kommst.

 

Ah so, jetzt sehe ich den Punkt. Muss ich noch mal drüber nachdenken.

 

Übrigens gibt es Fundamentalismus auf vielen Ebenen, oder anders gesagt, man muss noch kein Fundamentalist sein, um hier oder da mal fundamentalistisch zu argumentieren. Beispiel sind die ewigen Diskussionen über die richtige Art des Kommunionempfanges. Wem sich durch die eine oder andere Praxis eine tiefe Glaubenswahrheit offenbart, der vermag manchmal einfach nicht einzusehen, dass die andere Form genau die gleiche Funktion haben kann, nur dass andere Aspekte betont werden. Anstatt sie als einander ergänzend zu betrachten, glaubt man eine Entscheidung im Sinne von wahr oder falsch treffen zu müssen. Vielleicht ist Fundamentalismus einfach ein Mangel an dialektischem Denkvermögen?

Es gibt da nicht von sich aus den einen richtigen Weg, das ist bedenkenswert. Es mag Kulturen geben, deren höchste Achtung drückt sich im Stehen aus, bei anderen im Knien usw. Wenn das wichtigste ein ehrfürchtiger Kommunionempfang ist, so ist darauf Rücksicht zu nehmen, auch gerade im Interesse der Menschen, die die Kommunion ehrfürchtig empfangen wollen und ihren eigenen Ausdruck dafür haben. Eine andere wichtige Überlegung in diesem Zusammenhang ist die Suche nach Kompromissen, wo zuviel Verschiedenheit die Gemeinsamkeit des Glaubens im Bewußtsein der ganzen Kirche brüchig zu machen droht. Da kann und sollte man sich auf wenige oder eine Art des Empfangs festlegen, die allen noch das Gefühl der Ehrfucht erkennbar sein läßt. Von daher war das Knien sicher nicht so schlecht. Man darf den Glauben generell und solche Fragen speziell auch nicht zur akademischen Hochdisziplin für promovierte Kulturwissenschaftler werden lassen, da das an seinem Urgrund vorbeigeht. Unter diesem Aspekt sehe ich auch die Frage Hand- oder Mundkommunion. Im Ablauf der Mundkommunion kann ich eine tiefe Ehrfurcht entdecken, und ich wäre sehr dafür (wenn ich einen solchen treffen würde, Berichte dazu gibt es ja genug), eine Pfarrer, der mir die Mundkommunion verweigert, richtige in den Allerwertesten zu treten. Und da Fundamentalismus oft mit Konservatismus gleichgesetzt oder verbunden geglaubt wird, möchte ich nur daran erinnern, daß mundkommunionverweigernde Priester wohl kaum dem konservativen Bereich unserer Kirche zugerechnet werden können. Soviel mal dazu.

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