soames Geschrieben 30. März 2006 Melden Share Geschrieben 30. März 2006 Liebe Forengemeinde, unsere Kirchenpostille "Tag des Herrn" brachte letztens eine Seite über den Umgang der Kirche mit den sogenannten "neuen Heiden". Unter "neuen Heiden" ist der areligiöse Menschenschlag besonders in ehemals kommunistischen Gegenden wie der DDR zu verstehen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Menschen, die nicht durch eine Ablehnung des Christentums zu Atheisten wurden, sondern wie schon meist die Eltern (evangelische Gegenden) einfach völlig ohne Kirche großwurden. Die normalen humanen Wertvorstellungen (Familie, Freunde, Arbeit, ...) behalten ihren großen Wert, das Zusammenleben funktioniert normal - aber der Gedanke an Gott kommt gar nicht auf. Kirche und Christen sind etwas, worauf man vorsichtig neugierig ist, zu dem man aber im eigenen Leben nur selten einen echten Kontakt aufbauen kann. Der Erfurter Theologe Tiefensee gibt in einem Interview auf dieser Seite auf die Frage "Aber der [areligiöse] Mensch erlebt doch auch Grenzsituationen?" die Antwort: "Sicher. Aber die Nichtreligiösen haben in solchen Momenten nicht zwingend den Eindruck, dass sie gegenüber Religiösen in der schwächeren Position sind. An viele Themen gehen sie mit pragmatischer Nüchternheit und naturwissenschaftlicher Aufgeklärtheit heran. Wer Krebs hat, stirbt eben nach einer gewissen Zeit. Natürlich trauern sie in solchen Situationen - wie Christen ja auch -, aber man darf nicht glauben, dass areligiöse Menschen, wenn sie in Not geraten, anfangen müssen zu beten. Wie sollten sie auch, wenn sie es nie gelernt haben." Die Eins-zu-eins-Umsetzung davon habe ich zu Studienzeiten bei einer Kommilitonin erlebt, die ihre Mutter durch Krebs verlor. Auf derselben Zeitungsseite werden auch immer neue (Diaspora)Konzepte in der Pastoral vorgestellt, in dieser Folge passend die sogenannten Lebenswendefeiern im Erfurter Dom, initiiert durch unseren jetzigen Weihbischof Dr. Hauke noch zu seinen Zeiten als Dompfarrer. Dies sind Feiern, die als Pendant zu Firmung/Konfirmation/Jugendweihe für Jugendliche angeboten werden, die keine Christen sind und aber auch keine Jugendweihe machen möchten. Sie bereiten sich in der Gruppe vor, denken anhand christlicher Literatur über das Erwachsenwerden nach, machen ein soziales Projekt und ein bißchen Psychologenkrims. Die Feier besteht dann in einer Feierstunde im Erfurter Dom, in dem jeder seinen bisherigen Lebensweg darstellt, jeder eine Kerze erhält, Wünsche formulieren kann und die dann mit Gebet und Segen abgeschlossen wird. Für eine ebenfalls nichtkirchliche Zielgruppe werden allgemeine (d. h. nichtindividuelle) Trauergottesdienste usw. angeboten. Was ist von solchen Dingen zu halten? Die Kirchen, sagt man, haben eine sehr spezielle Botschaft. In diesen Angeboten, so scheint es mir, bleibt man sehr bewußt auf einer Vorstufe stehen, d. h. das Angebot endet planmäßig sehr deutlich vor jeder tieferen Befassung mit dem christlichen Glauben, den die Kirche ja verkünden soll. Die Überlegung zum Erwachsenwerden vor dem Hintergrund christlicher Literatur leistet, wenn ich das richtig verstehe, nicht wesentlich mehr. Kirche scheint zum allgemein verfügbaren Dienstleister zu werden, der nun auch Angebote für ein allerwelts-spirituell interessiertes Publikum anbietet. Gleichzeitig sind mir z. B. Katechesen für die Einführung in den ganzen christlichen Glauben hier nicht bekannt (in einigen wenigen österreichischen und schweizerischen Diözesen scheint so etwas begonnen zu haben). Tummelt sich Kirche jetzt ohne weiterführende Absicht auf dem allgemeinen Markt? Dazu kommt noch eine weitere Überschneidung: Die Kräft reichen schon jetzt für eine Betreuung der Gläubigen und auch ein nachhaltiges Hinführen der familiär schon vorhandenen Kinder und Jugendlichen zum ganzen Glauben nicht mehr aus. In dieser Situation wird, statt zuerst die Basis zu stabilisieren und von dorther dann in die Welt zu wirken, das schon vorhandene Quartier brachliegen gelassen und sich statt dessen schon mal auf dem Nachbaracker getummelt? Oder seht Ihr diese Aktionen als zielführend an? Wenn ja, wofür? Ist es eine sinnvolle Handlungsvariante? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
beegee Geschrieben 30. März 2006 Melden Share Geschrieben 30. März 2006 Gleichzeitig sind mir z. B. Katechesen für die Einführung in den ganzen christlichen Glauben hier nicht bekannt (in einigen wenigen österreichischen und schweizerischen Diözesen scheint so etwas begonnen zu haben). Tummelt sich Kirche jetzt ohne weiterführende Absicht auf dem allgemeinen Markt? Kannst Du mir mal die Adresse von Herrn Tiefensee geben? Ist dieser Bericht auch online verfügbar? Vielen Dank! gby bernd Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
soames Geschrieben 30. März 2006 Autor Melden Share Geschrieben 30. März 2006 Gleichzeitig sind mir z. B. Katechesen für die Einführung in den ganzen christlichen Glauben hier nicht bekannt (in einigen wenigen österreichischen und schweizerischen Diözesen scheint so etwas begonnen zu haben). Tummelt sich Kirche jetzt ohne weiterführende Absicht auf dem allgemeinen Markt? Kannst Du mir mal die Adresse von Herrn Tiefensee geben? Ist dieser Bericht auch online verfügbar? Vielen Dank! gby bernd Das Interview mit Prof. Tiefensee scheint es nicht zu geben, nur den Artikel zur Lebenswendefeier. Lebenswendefeier Professor Tiefensee dürfte über die Katholische Fakultät der Universität Erfurt erreichbar sein. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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