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Laaange Meditation


Mecky

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Ich bin nun seit etwa 2einhalb Jahren in diesem Forum. Und als die traurigsten Bemerkungen der A&A habe ich folgende im Gedächtnis:

"Mecky, man muss sich damit abfinden, dass es eben so (absurd) ist. Zumindest gibt es keine Beweise dafür, dass es anders ist".

 

Ich befürchte, dass religiöser Unglaube auch den Basisglauben angreift. Und das ist auf die Dauer menschenzerstörend. Eine Gesellschaft von Menschen mit Sisyphusbewusstsein.

 

mecky, verstehe ich dich recht - bist du im ernst der meinung, die existenzproblematik des menschen ließe sich nur durch religiöse verbände kitten [fragezeichen - tastatur kaputt, bier drauf gekippt].

 

meinst du nicht, du projiziertst da eine subjektive starke bedürftigkeit [die nach religiösem trost] auf andere [fragezeichen]

 

es wurde hier doch schon so oft überzeugend von diversen religionsunabhängigen aundas deutlich klargestellt, daß ihnen ohne religion nichts fehlt, daß es ihnen ihrer einschätzung nach sogar eher mit religion schlechter ginge. ich finde, auch wenn man das für sich nicht nachvollziehen kann, sollte man es schon akzeptieren....

 

 

ich selber halte es für mich persönlich auch für undenkbar, katholisch zu sein, ohne dabei erheblichen schaden , bis hin zur totalen verstümmelung oder zerstörung meines selbst   davonzutragen - trotzdem akzeptiere ich es, daß andere diese religion als für sich hilfreich und gut empfinden und scheinbar schadlos überleben. du solltest das auch bezgl. religiöser ungläubigkeit versuchen. wer nämlich in keiner religion die richtige antwort für sich und seine fragen findet, für den wäre es zerstörerischer, sich in ein solches system zu begeben, als mit offenen fragen zu leben.

 

eine entscheidung für eine religion wäre für agnostiker [atheisten sowieso] ungefähr so absurd, als würden wir uns, weil wir  es unschön finden, daß krebs bisweilen von der schuldmedizin nicht geheilt werden kann, dazu entschließen, einem quaksalber zu glauben, nur weil der behauptet, er könne jede krankheit durch handauflegen heilen.

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Zitat von lissie am 11:20 - 27.Dezember..2002

 

eine entscheidung für eine religion wäre für agnostiker [atheisten sowieso] ungefähr so absurd, als würden wir uns, weil wir  es unschön finden, daß krebs bisweilen von der schuldmedizin nicht geheilt werden kann, dazu entschließen, einem quaksalber zu glauben, nur weil der behauptet, er könne jede krankheit durch handauflegen heilen.

 


 

Hallo lissie,

 

Schuldmedizin,

 

Schreibfehler oder bewußtes Schreiben?

 

 

gruss

peter

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Zitat von Mecky am 1:42 - 27.Dezember..2002

Zwei Deutungen halte ich für möglich.

Die erste wäre der Mythos von Sisyphos. Man rackert und rackert sich - vom Trieb getrieben - ab, ohne an das Ziel zu kommen. Vom Trieb kommt man auch nicht los. Von außen gesehen ist das ein ziemlich absurdes Spiel. In der homerischen Dichtung führt das dann zu der Vorstellung des Lachens der Götter: Die schauen uns Menschen von oben aus zu und lachen sich kaputt über unser widersinniges Streben, das ja doch an kein Ziel kommen kann.

 

Die zweite Deutung wäre: Dass dieses Streben tatsächlich an sein Ziel führt. Dies ist allerdings innerweltlich nicht denkbar - insbesondere für die Menschen auf der Schattenseite des Lebens. Hieraus entsteht dann der religiöse Glaube.

 

Wie Du richtig gesagt hast: Das Vorhandensein des Triebes ist kein Indiz für seine Erfüllung.

Dieses Indiz ergibt sich erst, wenn man an die Nicht-Absurdität des Menschen glaubt.

 

Unter dieser Annahme - und diese nenne ich bereits "Basisglaube" - sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Dann kann man den Strebenstrieb des Menschen als eine wegweisende Offenbarung verstehen.

 

Ich bin nun seit etwa 2einhalb Jahren in diesem Forum. Und als die traurigsten Bemerkungen der A&A habe ich folgende im Gedächtnis:

"Mecky, man muss sich damit abfinden, dass es eben so (absurd) ist. Zumindest gibt es keine Beweise dafür, dass es anders ist".

 

Ich befürchte, dass religiöser Unglaube auch den Basisglauben angreift. Und das ist auf die Dauer menschenzerstörend. Eine Gesellschaft von Menschen mit Sisyphusbewusstsein.

Lieber Mecky,

 

um Albert Camus zu zitieren:

 

"Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen."

 

Das unter der Prämisse, dass unser Streben per se sinnlos sei. Aber wenn man diese Sinnlosigkeit nicht akzeptiert, wie Du es tust, gibt es wieder verschiedene Möglichkeiten. Du sagst: "Dies ist allerdings innerweltlich nicht denkbar - insbesondere für die Menschen auf der Schattenseite des Lebens". Wieso sollte dies "innerweltlich" nicht denkbar sein, selbst wenn man auf der Schattenseite des Lebens lebt? Dafür erkenne ich keinen Grund. Ich weiß, solange ich gläubig war, konnte ich auch keinen Sinn im rein weltlichen Leben erkennen, aber das ist nur dann akzeptabel, wenn man die Prämisse bereits akzeptiert hat, dass es nicht möglich sei und dass es so etwas wie ein "ausserweltliches Leben" überhaupt gibt. Und gerade in der Frage des Leids macht die Religion überhaupt keinen Sinn mehr.

 

Das ist der Kern des Glaubens (und auch Kern des Dissenz zwischen Gläubigen und Ungläubigen): Alles im Glauben erscheint sinnvoll, wenn man die Grundprämissen akzeptiert hat. Tut man dies nicht, erscheint selbst der Glaube im Kern absurd zu sein. Also, sagt der Gläubige, muss man erst glauben, um den Glauben zu verstehen. Versteht man ihn nicht, dann erscheint er als absurd. Daraus folgt dann der Gegensatz:

 

(Beliebige Diskussion - es könnte um Gott, um Beten, um Eucharistie usw. usf. gehen)

 

Ungläubiger: Aber das ist doch absurd!

Gläubiger: Nein, wenn Du glauben würdest, dann wäre es nicht absurd.

Ungläubiger: Warum sollte ich die absurden Glaubensgrundsätze anerkennen?

Gläubiger: Weil Du dann sehen könntest, dass es nicht absurd ist! So aber verstehst Du mich nicht!

 

Interessanterweise - wenn man aufhört zu glauben, dann erkennt man die volle Absurdität wieder. Dan Barker, 19 Jahre lang fundamentalistischer Priester, sagte einmal (in Barker, Dan: 1992, Losing Faith In Faith. From Preacher To Atheist., Freedom From Religion Foundation, Madison, Leseprobe):

 

Je länger ich ein Atheist bin, umso verblüffter bin ich darüber, jemals an das Christentum geglaubt zu haben." (Übersetzung von mir - und wie Dan geht es mir auch)

 

Der Haken an der Sache ist nämlich der: Wenn ich den Glauben nicht verstehen kann, ohne zu glauben, dann kann ich nur anfangen, etwas zu glauben, was ich nicht verstehen kann (= blinder Glauben). Wenn ich aber nicht weiß, was ich da glauben soll, wieso sollte ich dann überhaupt anfangen zu glauben? Und wenn es mir erklärt wird, dann scheint es absurd zu sein. Warum sollte ich ohne Begründung anfangen, etwas zu glauben, was mir absurd zu sein scheint? Das bieten mir alle anderen auch als Ausweg an, den "blinden Glauben": die Mormonen, die Zeugen Jehovas, die Scientologen, die Astrologen usw. usf. Jeder auf seine Art.

 

Das Ganze wird dadurch bizarr, dass ab und zu Leute wie Dan Barker oder wie ich die Seite wechseln - und plötzlich davor zu stehen und zu sagen: "Jawohl, es ist absurd, was ich einst geglaubt habe - wieso habe ich das nicht gleich gesehen?" Genauso, wie auch Leute wie Erich (AS) oder Sven die Seite wechseln und sagen: "Jawohl, es macht plötzlich doch Sinn!".

 

Ist der Mensch absurd oder nicht? Nein, er ist es nicht - weil er fähig ist, sich selbst einen Sinn zu geben. Man kann sich aber über den Ursprung dieses Sinns täuschen. Ich habe in Euthyphrons Dilemma darüber geschrieben, warum es logisch unmöglich, aus einem Gottesglauben eine Moral zu beziehen. Ich denke, es ist an der Zeit, dies auch auf den Sinn auszudehnen: Auch aus einem Gott kann man keinen Sinn des Lebens beziehen. Moral und Sinn sind menschengemacht, die Atheisten wissen dies, die Gläubigen verklären es und meinen, sie würden weder ihre Moral noch ihren Sinn selber herstellen (bzw. herstellen lassen) - Gläubige Menschen sind sich selbst entfremdete Menschen, sie wissen nicht einmal mehr, woher ihr Sinn des Lebens eigentlich stammt.

 

Glauben und der Glaube an den Sinn des Lebens basieren auf zirkulärer Logik. Damit glauben die Gläubigen voller Inbrunst an Tautologien, leere Wahrheiten. Glücklicherweise gibt es nichts, was dagegen spricht - aber unglücklicherweise gibt es auch nichts, was dafür spricht.

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>> Glauben und der Glaube an den Sinn des Lebens basieren auf zirkulärer Logik. Damit glauben die Gläubigen voller Inbrunst an Tautologien, leere Wahrheiten. Glücklicherweise gibt es nichts, was dagegen spricht - aber unglücklicherweise gibt es auch nichts, was dafür spricht.[/size][/font] <<

 

Sag' das nicht Volker!

 

Glauben strengt wesentlich weniger an als nicht zu glauben, vor allem, wenn man seinen Nichtglauben auch noch begründen soll. Den Unglauben muß man sich erarbeiten. Den Glauben bekommt man von der Gesellschaft geschenkt (manche halten auch Gott für den Schenkenden; da jedoch Gott ein Gesellschaftsprodukt ist, läuft das auf dasselbe hinaus).

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Lieber Volker,

 

ich möchte Dir in folgender Hinsicht Recht geben: Religion verschafft keinen Sinn. Und wer meint, sich den Sinn seines Lebens von einer Religion "geben" lassen zu können, auf den ist der Begriff der "Entfremdung" vielleicht oft gar nicht so falsch angewendet.

 

Nur geht diese Kritik m.E. am entscheidenden Punkt vorbei.

 

"Sinn" ist etwas, das entweder besteht oder nicht, es läßt sich nicht vermitteln, übergeben oder übernehmen - ja, auch sich selbst kann kein Mensch einen "Sinn" geben. Das nämlich wäre wirklich ein Münchhausen-Kunststückchen.

 

Wir müssen nämlich zweierlei unterscheiden: Den Sinn selbst und den Ausdruck, den Satz, die Formulierung, mit der ich über den Sinn spreche. Darin allerdings bin ich frei: ich kann mir diesen "Sinnsatz" selbst geben, kann ihn aber auch von anderen übernehmen. Was Religionen vermitteln können, sind lediglich Sinnsätze. Ob ein solcher Satz den Sinn meines Lebens abbildet, dem entspricht, was ich als Sinn meines Lebens wahrnehme oder empfinde, danach entscheidet sich (b.g. sollte sich entscheiden), ob ich diesen Satz annehme oder verwerfe.

 

Kann ich darauf verzichten "Sinnsätze" zu verwenden? Nun, der "Sinn" von etwas - mein Leben, das Leben anderer, die Welt, was auch immer - ist ja u.a. ein grundlegendes Bewertungskriterium. Bei jeder Entscheidung, die ich fälle, wäge ich Mittel und Zweck, Erfolg und Risiken. Zweck und Erfolg aber sind letztendlich stets an dem orientiert, was ich als "Sinn" ansehe. Nun kann ich aber nichts denken, ohne es in Sätze zu fassen. Jede Überlegung, welche Mittel ich zu welchem Zweck einsetze, welchen Erfolg ich bei welchem Risiko anstreben will, kann ich also nur dann anstellen, wenn ich den "Sinn" in Sätzen abbilde. Auf die Benutzung von Sinnsätzen kann ich also nicht verzichten - jedenfalls dann nicht, wenn ich meinem Vorgehen Rationalität zugrundelegen will.

 

Muß ich diese Sinnsätze selbst erzeugen oder kann ich sie auch übernehmen? Das dürfte davon abhängen, ob ich meinen "Sinn" als so singulär ansehe, daß die Ähnlichkeiten mit dem, was andere als das empfinden, hinter den Unterschieden zurückstehen. Aber auch wenn ich sie übernehme, bleibt mir die ständige Prüfung nicht erspart: Bildet der übernommene Sinnsatz das, was ich als Sinn empfinde, wirklich ab? Wenn nicht, muß ich ihn verwerfen. Behalte ich den Satz - etwa aufgrund von Gewohnheit, sozialem Druck oder aus anderen Beweggründen - aber bei, obwohl er nicht dem entspricht, was ich als Sinn wahrnehme, dann ist von Entfremdung zu sprechen. Allerdings nur dann.

 

Das führt mich zum Schluß zu der alten Streitfrage zurück, ob Atheisten und Agnostiker nicht doch "Gläubige" sind. Im Zusammenhang des oben dargelegten verstehe ich unter "glauben" das Verwenden von Sinnsätzen. Hierbei handelt es sich um einen Vorgang, der eine komplett irrationale Wurzel hat: das schlichte Hinehmen dessen, was man als Sinn wahrnimmt, im Wortsinne eine "Selbst-Erfahrung". Diese Erfahrung kann ich als Selbstbeobachtung betreiben: Ich betrachte, welche Entscheidungen ich fälle, welche Haltungen ich einnehme, wie ich dies oder jenes bewerte etc. Hieraus ergibt sich als Interpretationsakt die Formulierung von Sätzen, die das wiedergeben, was allen diesen Entscheidungen, Haltungen und Bewertungen zugrundeliegt.

 

Der Gläubige in der herkömmlichen Bedeutung des Wortes greift dabei auf Sinnsätze zurück, die innerhalb bestimmter Gemeinschaften tradiert werden. Der Atheist oder Agnostiker tut das nicht. Er fällt aber Entscheidungen, er nimmt Haltungen ein und trifft Bewertungen. Beansprucht er, "Gründe" dafür zu haben - also rational zu agieren -, können diese nicht lediglich auf Mittel-Zweck-Überlegungen zurückzuführen sein. Denn diese sind prinzipiell unendlich, können nicht abgeschlossen werden: Jeder Zweck hat seinerseits einen Zweck etc. pp. Da er aber Entscheidungen fällt, Haltungen einnimmt etc. (und dies nicht bis zum St.-Nimmerlains-Tag aufschiebt), muß die Mittel-Zweck-Überlegung zu einem Schluß gekommen sein.

 

Ein Atheist oder Agnostiker stützt sich somit ebenso auf "Sinn". Und wenn er seine Entscheidungen begründet, sind diese ebenfalls auf Sinnsätze gestützt, denn nur als "Sätze über den Sinn" können wir überhaupt Gründe benennen. Die Frage ist jetzt lediglich, ob er sich seine Sinnsätze bewußt macht - und damit auch, woher, nämlich aus der Interpretation einer Selbsterfahrung, sie stammen - oder sich vormacht, er agiere auch an dieser grundlegenden Stelle rational. Wenn er ersteres tut, dann macht er das gleiche wie ein Gläubiger: er akzeptiert diese Erfahrung, macht sie sich bewußt und kann somit auch jederzeit prüfen, ob seine Sinnsätze dieser Erfahrung entsprechen. Anderenfalls macht er nichts anderes als jeder "Aber-Gläubige", der sich an Sinnsätzen, die ihm einmal vor die Füße gefallen sind, unkritisch und blind festklammert. Er macht sich seine Sinnsätze nicht bewußt und kann sie deshalb auch nicht in Frage stellen.

 

 

(Geändert von sstemmildt um 17:27 - 27.Dezember..2002)

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Eines noch zum Sisyphos-Mythos:

 

Es wäre völlig falsch verstanden, diesen als Beispiel für "Sinnlosigkeit" zu verwenden. Was Sisyphos tut, ist nutzlos, es ist vergeblich - denn der Stein wird nie am Gipfel des Berges liegenbleiben. Es ist aber durchaus nicht sinnlos, denn es erfüllt - um in der Mythologie zu bleiben - den Willen des Zeus, es ist die Strafe für die Sünden des Sisyphos. Ob man den Sinnsatz, den die Mythologie hier liefert, übernehmen mag, steht dabei natürlich auf einem anderen Blatt.

 

Tatsächlich liegt hier der gleiche Irrtum vor wie bei der Annahme, irgendein Verhalten sei durch Zweck und Mittel begründbar. Beschränkten wir uns darauf, so wäre jedes Verhalten unbegründbar: da jeder Zweck wieder seinen Zweck hat, dieser wiederum seinen etc., gibt es für kein Verhalten einen Grund. Kein Zweck und kein Nutzen könnte dazu führen, irgendetwas zu tun - und sei es, einen Stein einen Berg hinaufzurollen. Indem ich aber etwas entscheide, schlage ich diese unendliche Kette entzwei: ich beziehe mich damit (meist unausgesprochen) nicht mehr auf inen Zweck, sondern auf einen Sinn, der seinerseits eben keinen Zweck hat.

 

Auch Sisyphos bezieht sich auf einen ebensolchen Sinn, wenn er den Stein immer wieder emporrollt. Die Frage ist jetzt wiederum nur, ob er sich diesem Sinn stellt, ihn sich bewußt macht und ihn als Teil seiner Existenz annimmt. Dann nämlich kann Sisyphos glücklich sein. Und wenn Siysphos nicht nur die Marionette des Zeus ist, kann er sich auch entscheiden, mit dem Steinerollen aufzuhören, wenn er feststellt, daß kein Sinnsatz, der das Rollen begründen würde, mit dem Sinn, den er wahrnimmt, in Einklang zu bringen ist.

 

"Sinn"-losigkeit ohne Alternative ist dann tatsächlich nur haltbar, wenn der Mensch in jeder Hinsicht, komplett und ausnahmslos Marionette ist. Dann allerdings verliert auch jede Rationalität ihre Bedeutung, dann ist nichts begründbar, nurmehr erklärbar. Dann abr ist es auch völlig bedeutungslos, irgendetwas erklären zu "wollen". Dazu aber mehr in einem anderen Thread.

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Liebe Lissie!

 

Trotz kaputter Tastatur habe ich Deinen Beitrag gelesen und, so hoffe ich, verstanden.

 

Nein, die Existenzproblematik des Menschen lässt sich nicht "nur" durch "religiöse Verbände" und vor allem nicht "kitten".

 

Es gibt vieles, was den Basisglauben stärkt, manches davon ist in die Religionen eingegangen, anderes nicht. Manches (vielleicht sogar die allerwesentlichsten Elemente) entspringt sogar spontan.

 

Z.B.: Das Baby kommt auf der Welt mit einer Prädisposition der Sinnsuche. Das ist - wie fast alles bei Babys - etwas sehr Empfindliches. Es bedarf der Stärkung und Stützung. Insbesondere das Lächeln der Mutter und die Versorgung der grundlegenden Babybedürfnisse stärken den Glauben des Babys: "Es ist gut hier zu sein und zu leben". Auch wenn es das noch nicht verbal ausdrücken kann.

Es bedarf keiner ausgearbeiteten Religion, um hier in diesem Sinne glaubensfördernd zu handeln.

 

Die allerwesentlichsten Grundlagen der Glaubensförderung (was den Glauben an Sinn des Lebens und Handelns betrifft) sind menschliches Allgemeingut - und dies wiederum wird durch unsere Triebe ("Mutterinstinkt&quot unterstützt und vorangetrieben.

 

Und dies ist nicht wenig. Soziales Denken und Handeln findet auf dieser Ebene seinen Grund. Auch die Suche nach "glaubensstärkenden Heilsbildern". Auch diese gibt es nicht nur in Religionen, sondern ebenso in Kinofilmen, Sonnenuntergängen und besonders in der Liebe.

 

Man könnte fast auf diesem Niveau stehen bleiben - wenn es hier nicht katastrophale Störungen gäbe: Erlebnisse und Verhältnisse, die den Glauben zerstören können. Nicht jedes Kind wächst in einer geborgenen Atmosphäre auf. Und viele Menschen entfremden sich ihrer glaubensfördernden Bedürfnisse.

Und wo der Basisglaube einmal Macken bekommen hat, ist es gar nicht so leicht, ihn wieder aufzubauen. Größer ist sogar die Gefahr, dass sich die Macke verstärkt und Systeme darum herum gebaut werden, die den Riss noch verstärken. Ich hab mal in einer Jugendvollzugsanstalt ein Praktikum gemacht. Da sind mir solche destruktiven Vorstellungssysteme geradezu entgegengesprungen.

 

Eines dieser destruktiven Systeme ist übrigens der Glaube an die Endgültigkeit des Todes. Ein anderes ist die Relativierung des Menschen (nur ein denkendes Tier. Oder, heute sich bildend: ein besserer Computer).

 

Einfach Religion allein wäre vielleicht tatsächlich hilfreich, wenn diese Religion (und hier meine ich ihre reale Gestalt) wirklich ein reines, sauberes Sammelbecken für Glaubensförderungsmaßnahmen wäre. Dies ist aber - wie jeder denkende Mensch erkennen kann - keineswegs der Fall. Auch die Kirche weiß selbst, dass sie die Kirche der Sünder ist.

 

Neben Glaubensförderung findet man nämlich auch in der Kirche (und in jeder Religion) Glaubensdestruktion. (Ich denke, dass ich Dir hier keine Beispiele vorführen muss). Neben den Gewinn der Glaubensförderung kommen Nebenkosten. Und ich denke, dass Dir besonders bei der katholischen Kirche die Nebenkosten höher erscheinen, als der Gewinn.

 

Mengenmäßig würde ich dir sogar recht geben: Mehr Dreck als Gold.

Mein Bild ist nicht: Hier in der Kirche gibt es nur das Gold der Glaubensförderung. Und außerhalb der Kirche (bzw. auch des christl. geprägten Glaubens) gibt es nur Dreck.

 

Mein Bild ist: Es gibt sowohl in der Kirche, alsauch außerhalb von ihr Gold UND Dreck.

Die entscheidenden Goldstücke gibt es allerdings in der Kirche. Damit klar ist, was ich meine, benenne ich einige dieser Goldstücke.

 

- Der Glaube an den Himmel

- Der Glaube an die (ewige) Bedeutsamkeit unseres Handelns auf Erden.

- Der Glaube an Gott - also die Vorstellung von Heil in einer Beziehungsqualität (Gegenteil wäre: Glaube an ein unpersönliches Prinzip)

 

In der Ablehnung dieser Goldstücke - auch wenn sie in bester Absicht oder gut begründet ist - sehe ich eine Gefahr, deren Auswirkungen ich in der heutgen Gesellschaft auch schon wahrzunehmen vermeine. Eine Gefahr für den Basisglauben.

Diese Gefahr ist nicht absolut (wegen der vielen Goldstücke innerhalb des prophanen Bereichs), aber dennoch wirksam. Und ich schätze sie schwerwiegender und grundlegender ein, als die Gefahr durch den Dreck innerhalb der Kirche bzw. innerhalb der Religionen allgemein.

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Zitat von lissie am 11:20 - 27.Dezember..2002

 

eine entscheidung für eine religion wäre für agnostiker [atheisten sowieso] ungefähr so absurd,


 

 

 

Für absurd halte ich solch eine Entscheidung nicht, jedoch für unehrlich. Vor allem bei der kath. Religion, mit ihrem mehr oder weniger offenem Absolutheitsanspruch. Ein Agnostiker kann meiner Meinung nach in dieser bildreich, ausschmückenden Religion nichts anderes als eine hübsche Zierart sehen  und innerhalb dieser Bilder mit dem Unwissen spielen.  - Manch einer würde bei solch einem Verhalten von Blasphemie sprechen.

 

 

Viele Grüße

Heidi

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Lieber Volker!

 

Ich sprach nicht von der Camus-Version von Sisiphos, sondern von dem antiken Mythos. Und da ist dieses ewige Stein Hoch- und Runterrollen zunächst einmal ein Fluch. Die Götter wollten Sisyphos nicht glücklich machen!

 

Natürlich kann es sein, dass Du ein Leben, in dem man nichts erreicht, und das irgendwann halt wieder vorbei ist, einen Sinn findest. Kein Wunder: Die Natur hat uns in diese Richtung hin ausgerüstet: Sinn zu suchen und  viele Verhältnisse sinnvoll zu empfinden, die in sich ziel- und zwecklos sind. Und das, obwohl die Verhältnisse keineswegs dafür sprechen.

 

Aber es geht ja um etwas anderes: Glaubst du wirklich, man könne den diesen Glauben an einen Lebens- und Handelnssinn dadurch fördern, indem du ihnen erklärst: "Dein Leben ist zwar so ergebnislos, wie das des Sisyphos, aber verlass dich mal auf deine Triebe. Die biegen das schon wieder in Ordnung! Und dann erscheint dir sogar so ein Quatsch wie Steinerollen als sinnvoll!"

 

Wohl kaum, denke ich. Allein die Fähigkeit zu verdrängen und zu verleugnen hält uns davon ab, über ein solches ergebnis- und zielloses Leben zu verzweifeln.

Gewiss - diese Toleranzgrenze, um so etwas zu ertragen ist auffällig hoch. So schnell verzweifelt ein Mensch nicht. Aber das Minus an Glaubensförderung wirkt sich trotzdem aus. Richtig dramatisch wird es erst, wenn die Glaubenszweifel so stark durchschlagen, dass ein Mensch grundlegende Teile seines Glaubens an Sinn verliert.

 

Aber schon bevor es so weit kommt, greifen andere, weniger auffällige und dramatische, aber trotzdem destruktive Prozesse.

Mit geschwächtem Glauben an den Sinn des Lebens und Handelns sinkt die z.B. Frustrationstoleranz. Das allgemeine Gefühl der Sinnlosigkeit setzt sich hierbei ins Konkrete um. "Es hat ja doch keinen Sinn, bringt nichts..."

 

Der Umschwung ins Dramatisch kann dann durchaus noch kommen. Z.B. wenn man dann anhand einer konkreten Arztdiagnose den Tod vor Augen gestellt bekommt. Dann muss das bisschen Restlebenszeit und -Kraft das ganze Sinnbedürfnis auffangen. Also wendet man sich kleineren, schließlich kleinsten Zielen zu. Immer weniger. Manchmal lässt sich aber nicht mehr verdrängen, dass diese Ziele immer bescheidener und immer weniger befriedigend werden. Bis man dann tatenlos im Bett liegen muss und es keine sinnvoll erscheinenden Ziele mehr gibt.

 

Du sagst, dass Religion hier nicht hilft. Ich kenne Menschen, die zumindest sagen, dass es hilft, den Blick zu weiten und in der Erwartung zu leben, den verstorbenen Ehemann wieder zu sehen. Oder die sich darauf vorbereiten, vor Gott zu treten mit ihrem ganzen Leben.

 

Offensichtlich hat zumindest bei diesen Menschen der christlich geprägte Glaube eine aufbauende Wirkung.

 

Liegt Dir schon auf der Zunge: "Illusion!"?

 

Ich sag auch gleich meine Interpretation dazu: Der Mensch ist daraufhin geschaffen, in dieser Weise zu leben und zu denken. Es entspricht seinen Anlagen. Und diese Anlagen sind sinnvoll, denn sie führen den Menschen durch sein Leben und geben ihm eine Ahnung von dem Heil, das ihn erwartet.

 

Du sprichst davon, dass ein Mensch seinen Sinn sich selbst geben kann. Und was heißt das? Es heißt nichts anderes, als dass Menschen entdeckt haben, dass man besser und sinngläubiger leben kann, wenn man seinen Anlagen entsprechend lebt. In diesem Sinne kann man etwas für den Sinnglauben tun. "Machen" kann man den Sinn allerdings nicht. Er ist vorhanden, oder nicht. Der Unterschied liegt daran, ob wir unser Leben an ihm orientieren, oder nicht.

 

Dieses "Sich-Sinn-Geben" ist nichts anderes, als sein Leben seinen Anlagen anzupassesn. Wenn man nun sagt: "Tja, deine Anlagen gaukeln dir die ganze Zeit zwar vor, es gäbe Sinn, aber das ist nur eine Illusion!", dann kommt man doch in den Sisyphos wieder hinein - und zwar als Fluch. Der Gedanke: "Alles Sinngefühl, das ich mir geben kann, baut auf einer Illusion auf!", ist destruktiv. Sich an einem Sinn zu orientieren, an den man nicht mehr glauben kann, ist nicht durchhaltbar. Und diese Haltung läuft, wenn auch nicht bewusst und nicht immer durchschlagend dramatisch, auf eine Absurdität hinaus.

 

Du sagst, dass in der Frage des Leids Religion keinen Sinn macht. Ich staune und sage genau das Gegenteil: Gerade in leidvollen Augenblicken brauche ich nichts anderes so sehr, wie die Hoffnung, dass diese Erfahrung nicht alles ist. Dies ist auch eine gute Basis, um gelassen anzupacken bei dem Versuch, die Ursache des Leidens (z.B. eines Misserfolges) zu beseitigen.

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Lieber Mecky,

 

>Der Mensch ist daraufhin geschaffen, in dieser Weise zu leben und zu denken. Es entspricht seinen Anlagen. <

 

Nein. Der Mensch (oder sagen wir lieber: sehr viele Menschen) wird dazu ERZOGEN. Inwiefern das tatsächlich einer inneren Notwendigkeit und seinen Anlagen entspricht, ist dahingestellt.

 

Eine Behauptung ohne Beleg und ohne Begründung.

 

Es wird, meine ich, auch langsam Zeit, einmal dem religiösen Sinn des Lebens auf den Pelz zu rücken, statt immer nur uns A&As Sinn-Beliebigkeit zu unterstellen.

 

Bitte, gib doch einmal einen Überblick darüber, was genau der Sinn eines Menschenlebens aus religiöser Sicht ist.

 

Liebe Grüße

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Liebe Ute!

 

Da hast du was falsch verstanden. Sobald ich einen Sinn nennen würde, wäre er nicht mehr religiös, sondern ein Teil dieser Welt. Ich sprach aber nicht von dem religiösen Sinn des Lebens, sondern davon, dass der Mensch an einen Sinn glaubt, den er nicht benennen kann. Selbst Sisyphos wird unterstellt, dass er glücklich sein könne, obwohl er dazu verflucht ist, sein ergebnisloses Werk wieder und wieder zu wiederholen.

Einen Sinn zu benennen, wäre Fundamentalismus.

Einen Sinnglauben in sich vorzufinden ist realistisch und gut beobachtet.

Den Sinnglauben als einen Glauben an eine Realität zu qualifizieren, ist die Voraussetzung, dass der Sinnglaube unbeschadet bleibt.

Den Sinnglauben zu fördern ist allgemein-religiös.

Den Sinnglauben durch christliche Vorstellungen, Rituale, Bezug zu Jesus Christus etc. zu fördern, ist Christentum.

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Sehr geschickt ausgewichen, Mecky. Kompliment!

 

Ihr glaubt also an irgendeinen Sinn, den Ihr aber nicht benennen könnt, weil das Fundamentalismus wäre. Und das fördert Ihr dann religiös.

 

Ihr hab doch noch viel weniger als wir ........ *???*

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Liebe Ute!

 

Das ist kein Ausweichen, sondern ein Beschreiben einer menschlichen Realität. Auch wenn Menschen keinen konkreten Sinn in ihrem Leben benennen können, können sie an einen Sinn glauben.

 

Stell dir mal einen Menschen vor, der nicht (oder kaum) mehr an einen Sinn glauben kann. Ich hab solche Menschen schon erlebt, und es war ein trauriges Bild, das sich meinen Augen bot.

 

Was diesen Menschen fehlt, ist nicht ein Wissen, und auch nicht die Kenntnis eines benennbaren Sinnes. Jeden Einzelsinn, den du einem solchen Menschen nennst, schlägt er dir aus der Hand. Manche von ihnen sind ziemlich intelligent. Und gegen ihre Argumentation, die durchaus in sich schlüssig sein kann, ist wirklich kein Kraut gewachsen.

 

Was diesen Menschen fehlt, ist der allgemeine Glaube an einen Sinn. Und dieser ist nicht benennbar. Erst, wenn sie diesen Glauben (wieder-)entdecken, kann sich bei ihnen etwas bessern.

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>> Auch wenn Menschen keinen konkreten Sinn in ihrem Leben benennen können, können sie an einen Sinn glauben. << (Mecky)

 

Der Mensch kann selbst an einen Unsinn glauben. Warum sollte er da nicht an einen Sinn glauben können?

 

Das Besondere am Glauben ist, daß er keiner rationalen Gründe bedarf. Er bedient nicht den Verstand, sondern das Gefühl.

 

Mit dem Glauben verhält es sich ähnlich wie mit der Liebe. In beiden Fällen handelt es sich um irrationale Phänomene. Insofern überrascht es mich nicht, wenn jemand den Sinn, an den er glaubt, nicht konkret benennen und beschreiben kann.

 

Die Gläubigkeit scheint ein unbeschreibliches Gefühl zu vermitteln. Wenn dem so ist, kann es nicht ausbleiben, daß Ungläubigen dieses Gefühl fremd bleibt.

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Lieber Cano!

 

Immerhin bist du schon recht nahe an dem, was ich sagen wollte. Wenn auch nicht ganz.

 

Dass der Glaube nicht den Verstand bedient, sondern das Gefühl, ist zwar teilweise richtig (auch nicht ganz). Der Glaube an den Sinn von Leben und Handeln entspringt der menschlichen Existenz und ENTSPRINGT nicht der Ratio, sondern der Beobachtung der menschlichen Existenz. Dabei spielen natürlich Gefühle eine Rolle, insofern sie etwas über das Wesen der Menschen aussagen. Gemeint sind allerdings weniger einzelne Gefühle, sondern eher eine Grundgestimmtheit für Gefühle, die das Wesen des Menschen beschreibt.

 

Weil Gefühle aber nicht direkt das Wesen des Menschen beschreiben, das ja zunächst einmal ein Suchbegriff ist, denn keiner könnte mir begrifflich festmachen, was denn das Wesen des Menschen sei. Ebenso unbestimmt wie das Wesen des Menschen ist demzufolge auch der Glaube an das Wesen des Menschen.

 

Wie unbestimmt das Wesen des Menschen ist, zeigt sich z.B. in Abtreibungsdiskussionen, wo sich die Diskutanten eben nie darauf einigen können, was eigentlich den Menschen ausmacht.

 

Irrational würde ich das nicht nennen. Irrational ist eigentlich etwas, was der Logik oder der Wahrnehmung widerspricht.

 

Glaube ist, wenn ich diese Beschreibung (bei aller Unbestimmtheit) nicht allein als etwas Faktisches hinnehme, sondern wenn ich das, was dem Menschen von seiner Existenz her entspringt, als richtungsgebend und auf-ein-Ziel-hinweisend annehme: Dass die Richtung, die das Menschsein vorgibt, tatsächlich auch ein REALES Ziel beschreibt.

 

Falls Du in Deinem letzten Abschnitt mit "Ungläubigen" in Wirklichkeit "Unreligiöse" gemeint hast, liegst du falsch. Das Gefühl, dass das Leben einen Sinn hat, ist nicht auf religiöse Menschen begrenzt.

Dieses Gefühl ist lediglich bei Leuten zerstört, die eben keinen Sinn mehr in ihrem Leben und Handeln sehen.

Richtig scheint mir eher, dass die A&A's es ablehnen, dieses Gefühl (und dahinter: die menschliche Existenz) als Ausgangsbild ihres Menschen- und Weltbildes zu akzeptieren. Sie gehen davon aus, dass dieses Gefühl eines von den trügerichen, illusionserzeugenden ist. Es gebe eine Richtung vor, die ein Ziel suggeriere, das real nicht vorhanden sei.

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Gestern sah ich einen Film über einen Fluß in Alsaka, in dem Bären zur Laichzeit Lachse zu fangen pflegen. Da die Lachse nach dem Ablaichen sterben, scheint der Sinn ihres Lebens darin zu liegen, sich zu vermehren. Viele gelangen jedoch gar nicht erst zum Laichplatz, weil sie vorher von den Bären gefangen und bei lebendigem Leibe gefressen werden. Der Sinn dieser Lachse scheint darin zu liegen, anderen Tieren als Nahrung zu dienen.

 

Es sieht ganz so aus, als habe der Schöpfer seine ganze Schöpfung unter das Motto "Fressen und gefressen werden" gestellt. Auch der Mensch macht da keine Ausnahme. Er frißt und wird gefressen, wenn auch im übertragenen Sinne, vor allem, was das Gefressenwerden angeht. Nicht nur das tierische Leben funktioniert immer nur auf Kosten anderer.

 

Am Ende seines Lebens steht man immer als Verlierer da. Insofern kann man schon zufrieden sein, wenn man während seines Lebens den Eindruck hatte, zu den Gewinnern zu zählen. Wenn ich mir am Ende des Lebens sagen kann "Schade, daß es vorbei ist", kann es so unsinnig nicht gewesen sein. Erst recht, wenn andere dies sagen.

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Klare Gewichtung: Das Ganze mag vielleicht noch einen Sinn geben, von dem das gefressene Individuum aber nicht viel hat. Das Fressen und Gefressenwerden ist die präferierte Aufgabe des Lebens. Man ist am Leben, um eine Weile zu fressen, bis man selbst in irgendeiner Weise gefressen wird.

 

Mögliche Schlussfolgerungen sind:

- I'd rather be a hammer then a nail. Also hämmern!

- Du kannst so viel fressen, wie du willst, am Ende kostet's dich selbst.

- Es gibt keine Verantwortung, höchstens ein Verantwortungsgefühl. Dem kann man zwar sentimental nachhängen, aber wichtiger ist es eigentlich, möglichst lange zu den Fressern zu zählen.

- Sollte man von Anfang an auf der Schattenseite stehen, so dass von vornherein mehr an einem nagt, als man selbst nagen kann, sollte man den Prozess abkürzen.

- Großflächig gesehen wäre das größte Glück die Zerstörung der Erde. Wieviel Gefressenwerden könnte dadurch vermieden werden.

 

Glücklicherweise ist aber das Sinngefühl bei den meisten Menschen dann doch stärker, als die Vorstellung des Fressens- und Gefressenwerdens. Es kann allerdings geschwächt werden, wenn man die Fressdynamik in den Vordergrund schiebt und zur grundlegende Dynamik der Welt aufbauscht.

 

Dein Beitrag bestärkt mich noch einmal in dem, was ich Lissie geschrieben habe: Religiöser Unglaube ist auf die Dauer destruktiv. Die Qualifikation des Menschen (wenn auch im Lachsbild) als Fresser und Fressopfer erzeugt ein destruktives Menschenbild.

 

Sicherlich kannst Du, Cano, der Destruktion einiges entgegensetzen. Zum Beispiel deinen (wenn auch nicht rational begründbaren) Humanismus. Aber da steckt eine Dynamik drin: Auch der Humanismus zersetzt sich langsam, wenn nicht neben die rationale Nichtbegründbarkeit ein Vertrauen in das Gefühl besteht, dass er begründet ist (auch wenn wir diese Begründung argumentativ niemals durchhalten können).

 

So verbleiben in Dir zwei widersprüchliche Prinzipien:

Einerseits das humanistische Prinzip

Andererseits das weltbildhafte Fressen- und Gefressenwerden.

Welcher von diesen beiden verdient nun den Vorzug?

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mecky.>Dein Beitrag bestärkt mich noch einmal in dem, was ich Lissie geschrieben habe: Religiöser Unglaube ist auf die Dauer destruktiv. <

 

nein, nur ehrlich.

 

> Die Qualifikation des Menschen (wenn auch im Lachsbild) als Fresser und Fressopfer erzeugt ein destruktives Menschenbild.<

 

nein, ein ehrliches.  

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Zitat von Mecky am 11:25 - 28.Dezember..2002

So verbleiben in Dir zwei widersprüchliche Prinzipien:

Einerseits das humanistische Prinzip

Andererseits das weltbildhafte Fressen- und Gefressenwerden.

Welcher von diesen beiden verdient nun den Vorzug?

Da ich Grund zu der Annahme habe, daß jeder nur einmal lebt, und dann nie wieder, ziehe ich das vor, dem auch jene, die gefressen werden, den Vorzug geben würden: ich möchte zu den Fressern gehören. Daraus resultiert die Bereitschaft, humanistische Prinzipien mit schöner Regelmäßigkeit hintanzustellen. Ich habe dabei zwar manchmal ein schlechtes Gewissen, aber insgesamt kann ich ganz gut damit leben, mindestens so gut, wie jene Christen, die ihre christlichen Prinzipien mit schöner Regelmäßigkeit christliche Prinzipien sein lassen. Vermutlich sogar besser, da mir niemand zu Auflage gemacht hat, meinen Nächsten wie mich selbst zu lieben.  

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Ach Lissie, ach Cano,

 

da sind wir wieder bei den Postings angelangt, die mich traurig machen können.

 

@Lissie,

falls falls Du sagen willst, es ist ehrlich, aber nicht destruktiv, widerspreche ich. Es kann höchstens ehrlich UND destruktiv sein.

 

@Cano

Es ist etwas anderes, spontan den eigenen Vorteil dem Humanismus vorzuziehen, als diesen Vorzug als richtig zu deklarieren. In sofern besteht ein Unterschied zwischen Dir und einem Christ, der sich seiner Sündigkeit bewusst ist.

Obwohl ich Dir nicht abkaufe (was Du auch glücklicherweise nicht behauptet hast), dass Du Dein eigenes Vorzugsprinzip immer durchhältst. Eigentlich halte ich dich für stark genug, gelegentlich dich anknabbern (wenn auch nicht gleich fressen) zu lassen und z.B. wider alles Vorteilsdenken Sachen auf Deine Kappe zu nehmen und durchzutragen. (Vermutung von mir).

 

Den Grund für Eure Einstellung habt ihr beide gleichmütig ausgesprochen: Lissie die Ehrlichkeit, Cano die Grundlosigkeit.

 

Es gibt keinen anderen Fundort für einen Grund zur Hoffnung, als in euren Anlagen. Aber die wollt (oder könnt) ihr als Grund nicht anerkennen. Dahinter vermute ich die spezifisch neuzeitliche Illusionsangst, die ich auch bei fast allen anderen A&A's zu vernehmen vermeine.

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Lieber Mecky,

 

Humanismus kann man völlig rational begründen. Es basiert auf einer Reihe ganz einfachen Tatsachen: Ich existiere und habe einen Willen zum Leben. Neben mir existieren andere Menschen, denen es genauso geht, und die mir nicht nur in dieser Hinsicht ähnlich sind. Wenn ich mit den Anderen zusammen arbeite, dann geht für uns vieles besser, als wenn ich es alleine tue, also kooperiere ich mit den Anderen. Usw. usf.

 

Diese Art der Moral beruht auf Tatsachen und logischen Ableitungen, ich sehe also kein Problem und muss an keiner Stelle an irgend etwas Metaphysisches glauben oder an einen Sinn außerhalb des Universums.

 

Der Unterschied, der daraus folgt: Deine Moral beruht auf unbegründeten Geboten, meine auf begründeten (begründbaren) Regeln. Deine Moral kann, wie aus Euthyphrons Dilemma ersichtlich, nicht wirklich anders begründet werden als meine auch, letztlich, aber meist wird bei Geboten darauf verzichtet. Jesus ist ein typisches Beispiel dafür, in der Begrpredigt redet er über Gebote, aber seine einzige "Begründung" ist die von Lohn und Strafe im Jenseits, was keine Begründung ist, sondern Despotie.

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Religiöser Unglaube ist nicht destruktiv, weil er nichts zerstört, was da ist. Er ist ehrlich, wie lissie schrieb.

 

Religiöser Glaube (besonders der an einen verschwommenen, unnenn- und unbeschreibbaren Sinn) ist dagegen ein Kartenhaus, bei dem man weder Anzahl noch Material der Karten kennt. (Nur die Form! ;-) )

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Lieber Volker!

 

Deine Begründung für den Humanismus ist, so wie du sie gebracht hast, deutlich zu schwach. Wer sagt denn, dass ich mich danach richten soll, wie es meinen Mitmenschen geht, die genau so fühlen wie ich? Cano richtet sich auch nicht in jedem Falle danach. Denn im Ernstfall ist doch das Hemd näher als die Jacke. Gegen diese Argumentation hilft keine Logik. Vielleicht muss ich ergänzen: Humanismus lässt sich nicht LOGISCH begründen.

 

Richtig (allerdings in einem anderen Sinne) finde ich dagegen deinen Ansatzpunkt: Du setzest wie ich bei der Struktur des Menschen an. Dies hat aber nur wirkliche Konsequenz, wenn man der Struktur des Menschen auch Kompetenz zubilligt - was (hier unterscheide ich) nicht logisch begründbar ist, sondern lediglich durch Vertrauen. Hier bedarf es bereits eines Glaubens an die Struktur des Menschen.

 

Du kannst einem überzeugten SS-KZ-Wärter gegenüber deine Logik nicht durchsetzen. Erst, wenn es dir gelingt, ihn vom WERT des Menschen zu überzeugen (und hier geht es in den Glaubensbereich hinein), hast du eine Chance.

 

In dem Moment aber, wo Du den Menschen und sein Wesen als Erkenntnisprinzip akzeptierst, ergeben sich eine Menge Konsequenzen.

 

Mit Deiner Eutryphonauslegung rennst du übrigens gegen Windmühlen an, die ich nicht aufgestellt habe. Nachdem ich Dir über meine Feuerbachinterpretation geschrieben habe, hatte ich eigentlich gehofft, dass Dir das klar ist. Er vertritt eine Heteronomie, die ich sowieso nicht teile. Diese widerlegst du - was ich auch tun würde. Keine äußere, heteronome Norm hat wirkliche Kraft. Da sind wir sowieso einig.

 

Dahinter scheint mir Unkenntnis zu stehen, wie Gebote (z.B. der Bibel) entstehen. Die Verfestigung zu heteronomen Normen ist sekundär. Primär ist die Beobachtung der Auswirkung von Handlungen: Manche Handlungen werden als schädlich entlarvt. Die Entdeckung solcher Zusammenhang verlief geschichtlich.

Übrigens: Weil die Geschichte Menschen in unterschiedliche Lebenslage bringt, sind auch viele Gebote veränderlich, wie sich z.B. in der Diskrepanz zwischen den alttestamentlichen Geboten und der Bergpredigt zeigt.

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>> Es ist etwas anderes, spontan den eigenen Vorteil dem Humanismus vorzuziehen, als diesen Vorzug als richtig zu deklarieren. In sofern besteht ein Unterschied zwischen Dir und einem Christ, der sich seiner Sündigkeit bewusst ist. << (Mecky)

 

Lieber Mecky,

 

ich bin weder Humanist, noch deklariere ich hier etwas als richtig. Christ bin ich ebenfalls nicht. Dennoch bin ich mir meiner Sündigkeit (oder Sündhaftigkeit) bewußt. Hin und wieder verhalte ich mich so, daß ich mir spätestens bei rückblickender Betrachtung sagen muß, daß ich mich falsch verhalten habe.

 

In Reinkultur bin ich nur eines: Mensch. Und da ich nichts kenne, was über dem Menschen steht, geht mein Denken auch nicht über den Menschen hinaus, wobei ich, ebenso wie Du, bei der Struktur des Menschen ansetze. Im Gegensatz zu Dir leite ich allerdings auch alles aus der Struktur des Menschen ab, so daß ich keinen begründeten Anlaß sehe, die übernatürlichen Phänome, die für religiöse Menschen Realitäten darstellen, nicht als ausschließlich durch die Struktur des Menschen bedingt zu betrachten. Mit anderen Worten: es liegt in der Natur (oder Struktur) des Menschen, daß er sich mit der der immanenten Welt allein nicht zufrieden gibt, weil er aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten in der Lage ist, sich eine transzendente Welt zu schaffen. Daß der Mensch diese transzendente Welt geschaffen hat, sagt über deren tatsächliche Existenz rein gar nichts aus. Die Schaffung dieser Welt sagt lediglich aus, daß der Mensch die Vorteile erkannt hat, die sich aus ihrer Schaffung ergeben. Es handelt sich mithin um eine Aussage über die Struktur des Menschen, eines Wesens, das danach trachtet, aus all seinen Anlagen und aus allen Gegebenheiten individuellen und/oder allgemeinen Nutzen zu ziehen, wobei ihm notfalls alle Mittel recht sind.

 

>> Den Grund für Eure Einstellung habt ihr beide gleichmütig ausgesprochen: Lissie die Ehrlichkeit, Cano die Grundlosigkeit. <<

 

Die Grundlosigkeit ist ja nicht anderes als die Basis der Ehrlichkeit. Wenn es keinen Grund gibt, einen bestimmten Sachverhalt als gegeben anzunehmen, dann nimmt man ihn ehrlicherweise auch nicht an.

 

>> Es gibt keinen anderen Fundort für einen Grund zur Hoffnung, als in euren Anlagen. Aber die wollt (oder könnt) ihr als Grund nicht anerkennen. Dahinter vermute ich die spezifisch neuzeitliche Illusionsangst, die ich auch bei fast allen anderen A&A's zu vernehmen vermeine. <<

 

Es ist in der Tat eine Frage der Veranlagung. Man muß schon entsprechend gestrickt sein, um entgegen aller Anhaltspunkte, die dafür sprechen, daß sich die Hoffnung nicht erfüllt, etwas erhoffen zu können. Es hat nichts mit Illusionsangst zu tun, wenn man derartige Hoffnungen nicht hegt. Eher mit Realitätssinn und intellektueller Redlichkeit.

 

Herzliche Grüße

 

Cano

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