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Amoklauf von Emsdetten


Touch-me-Flo

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Auch das Kunze-Gedicht ist ja so eine Art Mythos. Was Kunze ausspricht ist ja nicht nur Kunzes Privatgedanke, sondern lebt ja irgendwie in jedem Menschen.

Halt, Stopp. Das ist aber nur ein Auszug aus einem langen Text, der sich mit einem gaaanz anderen Thema beschäftigt.

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Ich habe mir auch den Abschiedsbrief angeschaut. Verflixt und zugenäht, das muss doch jemand gemerkt haben. Das kann überhaupt nicht sein, dass das unbemerkt blieb. Und das heißt; da gibt es jetzt einige Leute, die sich ganz schön Vorwürfe machen, dass sie nichts getan haben. Das wird nicht an die Öffentlichkeit kommen, weil diese Leute aus Scham schweigen werden. Und damit verpasst man die einzige Chance, so etwas künftig zu verhindern: Man müsste die Mechanismen studieren, warum Menschen, die so etwas merken, nichts tun. Und man müsste Institutionen schaffen, bei denen sich Lehrer oder Mitschüler Rat holen können, wenn sie so etwas merken.
Ich bin erschrocken, als ich das hier gelesen habe. Das sind doch x Hilferufe im Internet - hat da niemand reagiert? z.B.
So vertraut er sich bereits im Juni 2004 der Website www.das-beratungsnetz.de an: „Diese Angst schlägt so langsam in Wut um. Ich fresse die ganze Wut in mich hinein, um sie irgendwann auf einmal rauszulassen, und mich an all den Arschl**hern zu rächen, die mir mein Leben versaut haben!" Dann wird er konkreter: „Für die, die es noch nicht genau verstanden haben: Ja, es geht hier um Amoklauf!"

Ich weiß nicht, wie dieses Beratungsnetz funktioniert und ob man wirklich etwas hätte tun können. Aber bei so einem Posting müssten doch alle Alarmglocken läuten und man müsste dringend aktiv werden.

Offensichtlich waren seine Postings und seine HP einigen Leuten bekannt.

Was ich mich frage, ist, ob es nicht eine Einrichtung geben müsste, an die man sich wenden kann, wenn man über solche Gedanken stolpert. Die von sich aus versucht, Kontakt aufzunehmen mit jemandem, der offensichtlich dermaßen verzweifelt ist?

Oder gibt es das schon?

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Ich habe mir auch den Abschiedsbrief angeschaut. Verflixt und zugenäht, das muss doch jemand gemerkt haben. Das kann überhaupt nicht sein, dass das unbemerkt blieb. Und das heißt; da gibt es jetzt einige Leute, die sich ganz schön Vorwürfe machen, dass sie nichts getan haben. Das wird nicht an die Öffentlichkeit kommen, weil diese Leute aus Scham schweigen werden. Und damit verpasst man die einzige Chance, so etwas künftig zu verhindern: Man müsste die Mechanismen studieren, warum Menschen, die so etwas merken, nichts tun. Und man müsste Institutionen schaffen, bei denen sich Lehrer oder Mitschüler Rat holen können, wenn sie so etwas merken.
Ich bin erschrocken, als ich das hier gelesen habe. Das sind doch x Hilferufe im Internet - hat da niemand reagiert? z.B.
So vertraut er sich bereits im Juni 2004 der Website www.das-beratungsnetz.de an: „Diese Angst schlägt so langsam in Wut um. Ich fresse die ganze Wut in mich hinein, um sie irgendwann auf einmal rauszulassen, und mich an all den Arschl**hern zu rächen, die mir mein Leben versaut haben!" Dann wird er konkreter: „Für die, die es noch nicht genau verstanden haben: Ja, es geht hier um Amoklauf!"

Ich weiß nicht, wie dieses Beratungsnetz funktioniert und ob man wirklich etwas hätte tun können. Aber bei so einem Posting müssten doch alle Alarmglocken läuten und man müsste dringend aktiv werden.

Offensichtlich waren seine Postings und seine HP einigen Leuten bekannt.

Was ich mich frage, ist, ob es nicht eine Einrichtung geben müsste, an die man sich wenden kann, wenn man über solche Gedanken stolpert. Die von sich aus versucht, Kontakt aufzunehmen mit jemandem, der offensichtlich dermaßen verzweifelt ist?

Oder gibt es das schon?

 

Das ist da eine sehr schwerblütige Gegend, da ... Emsdetten, Salzbergen, Geeste, Rheine, Lingen, Meppen... Ich weiß nicht, ob es die richtige Reihenfolge ist, aber da ist sehr wenig los. Und Torfstechen ist nicht so das Gelbe vom Ei. Selbst das gibt es nicht mehr viel.

Gruß

Ullr

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Also, seine Aussagen ueber die Sinnlosigkeit des Lebens stimmen ja schon. Am Ende bleibt davon nichts uebrig. Und zwischen Geburt und Tod ist ein gefaehrlich hoher Anteil des Lebens unangenehm und einfach sinnlose Schufterei. Von diesem Standpunkt aus gesehen, ist das Leben ziemlich wegwerfbar. Die Frage nach dem Sinn des Lebens zu beantworten, muss jeder selber. Und das muss man lernen, und das muss einem beigebracht werden. Da hat in diesem Fall irgendetwas gefehlt - was ganz wichtiges, und das muss man vor allem den Eltern (und teilweise dem Rest der Gesellschaft, z.B. den Lehrern) vorwerfen. Eine humoristische Antwort waere z.B. das der Sinn des Lebens in Sex, Drogen und Rock-and-Roll liegt. Da Drogen fuer mich nicht besonders interessant sind, und ich eigentlich klassische Musik eher mag, ist der Sinn des Lebens fuer mich also ganz klar. Das haengt natuerlich vom Individuum ab; bei Mecky kann ich mir eher vorstellen, das das Sinn des Lebens im Rock-and-Roll liegt <_<

 

Ich hab's oben schon mal gesagt, und ich sage es jetzt nochmal: Angeblich ist der junge Mann in "ganz normalen Verhaeltnissen" aufgewachsen. Wenn sich keiner mit dem jungen Mann jemals ueber die Philosophie des Lebens unterhalten hat, und wenn er so etwas im Internet schreibt und seine Eltern merken nichts, und wissen nichts ueber seine Waffensammlung, und kuemmern sich nicht drum, dann sind das keine normalen Verhaeltnisse, sondern totale Verwahrlosung. Den Rest seines Umfelds (Verwandte, Bekannte, Lehrer u.s.w.) trifft auch eine Schuld, aber eine kleinere. Die Eltern vor allem gehoeren eigentlich wegen fahrlaessiger Beihilfe zum Totschlag fuer 10 Jahre eingelocht; da sie aber schon durch die Ereignisse schwer genug bestraft worden sind, ist von einer Haftstrafe abzusehen. Und obwohl diese Aussage (wie bei mir ueblich) ziemlich flapsig formuliert ist, liegt hier glaube ich die Antwort: Die Eltern sind am meisten schuld, und das Umfeld ist es ebenfalls, aber weniger.

 

Das traurigste ist, dass unsere Gesellschaft meist hochgradig redundant ist: Wenn ein Satz Verantwortlicher ausfaellt oder nicht in der Lage ist, seine Verpflichtung zu erfuellen, dann kuemmern sich andere drum. Wir haben z.B. in der Schule unseres Sohnes zwei Kinder aus aermsten Verhaeltnissen (die Eltern sind Mexikanische Landarbeiter, und illegal in den USA). Die Mutter ist Analphabetin und spricht ueberhaupt kein Englisch, der Vater ist nur wenig besser, aber er versucht es. Aber die Eltern kuemmern sich wundervoll um die Kinder, und sind hervorragend - nur mit dem Geld, dem Englischen, den Buechern, und so, da hapert's erheblich. Also kuemmern sich die anderen Eltern in der Schule, und die Lehrer, darum dass den zwei Kindern alles ermoeglicht wird. Wenn Fussballsaison ist, dann werden passende Schuhe gefunden. Wenn die beidem im Englischen hinterherhinken, dann arbeiten die Lehrer freiwillig waehrden der Sommerferien und machen Nachhilfekurse mit den Kindern. Der Sohn ist in der vierten Klasse, und da muss man den Computer benutzen koennen, aber da hapert es bei ihm mit dem Tippen. Also habe ich der Familie einen neuen Computer zusammengeschraubt, und dadrauf die noetigen Lernprogramme installiert, und den benutzen sie jetzt zu Hause. Als der Kleine mal beim Fussball einen Ball voll auf die Nase gekriegt hat und ins Krankenhaus musste, haben andere Eltern ihn hingebracht (die Eltern haben immer Angst, bei solchen Dingen erwischt zu werden, und wegen ihres illegalen Immigrations-Status aus dem Land geworfen zu werden).

 

Im Fall dieses Sebastians haben die Eltern ganz klar total versagt. Der unglueckliche Zufall ist, dass anscheinend alle anderen Mitglieder des Gesellschaft (welche zusammen eine Art Trapez bilden) ebenfalls versagt haben. Teilweise ist das einfach ein ungluecklicher Zufall. Teilweise ist das sicher ein Symptom einer gewissen gesellschaftlichen Haltung: Man ist nicht mehr fuer andere verantwortlich, man will sich nicht drum kuemmern.

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Was mich viel mehr interessiert: Woher hatte er das Schwarzpulver????

Das wäre mal interessant herauszufinden.

Schwarzpulver kann jeder, der nicht ganz verblödet ist, selber herstellen.

Hatte der denn Schwarzpulver oder eine effektiven, zB Nitro-, Sprengstoff. Dann wäre es interessant. Aber zu kaufen gibt's alles, die Waffen hatte er ja wohl auch illegal erworben.

Dann mach mal....

So einfach ist das nämlich nicht. Du kannst z. B. nicht jede Kohle nehmen. Und das Mischungsverhältnis sollte auch stimmen. Wenn das so ein Spaziergang wäre, dann würden die Schützen ja auch ihr Pulver selber mischen.

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Eine humoristische Antwort waere z.B. das der Sinn des Lebens in Sex, Drogen und Rock-and-Roll liegt. Da Drogen fuer mich nicht besonders interessant sind, und ich eigentlich klassische Musik eher mag, ist der Sinn des Lebens fuer mich also ganz klar. Das haengt natuerlich vom Individuum ab; bei Mecky kann ich mir eher vorstellen, das das Sinn des Lebens im Rock-and-Roll liegt

Ich bin für alle drei! <_<

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Es gab in den 80er Jahren mal ein Fernsehspiel in versch.Teilen: Tod eines Schülers. Es ging um den Selbstmord eines Abiturienten, der sich vor einen Zug geworfen hat. Der erste Teil erzählte die Geschichte vom Selbstmord über die Polizeiermittlung, die Eltern wurden verständigt, die Beerdigung. Dort stellte der Pfarrer Fragen der Mitschuld. Die nächsten Teile behandelten jeweils die Mitschuld von Eltern, Lehrer, Mitschüler, Freundin. Jeweils für sich gesehen hat zwar jeder Fehler gemacht, aber man würde sie nicht katastrophal nennen. Die Summe der einzelnen Komponenten aber ließen dem jungen Mann keine Wahl. Er sah keinen Sinn mehr in seinem Leben. Ich finde diesen Mehrteiler kann man gerne wiederholen, vllt mit einer anschließenden Diskussion von Eltern, Pädagogen und Betroffenen. Das wäre ein simpler aber vllt effektiver Schritt.

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Also derartige Gedanken hatten wir doch alle einmal gehabt. Die gehören zur Selbstfindung. Die meisten von uns haben diese "Gedanken" auch ohne fremde Hilfe überwunden.

 

Dies halte ich für eine Illusion. Nein, wir haben diese Gedanken in einem Kontext überwunden. Und wir verdanken diesem Kontext sehr stark, dass diese Gedanken nicht zu einem desaströsen Lebensgefühl wurden. Heute, nachdem wir schon Dinosaurier sind, tragen wir diesen Kontext zum großen Teil in uns. Aber selbst dies genügt meistens nicht. Wir brauchen nämlich auch Symbole von außen, die uns das Leben lebenswert erscheinen lassen.

 

Thofis Zeilen von Kunze zeigen wirklich einen Mythos - und zwar einen ziemlich üblen. Mythen haben dummerweise die Eigenschaft, in allen Menschen in irgend einer Form präsent zu sein. Und Sebastians Katastrophenmythos ist wirklich (eben in irgend einer Form) in jedem Menschen vorhanden. Er gehört irgendwie zum Menschsein dazu.

 

Glücklicherweise existieren im Menschen normalerweise viele widersprüchliche solcher Mythen nebeneinander. Je nach Laune wird uns der eine oder andere Mythos zur Leitlinie. Und diese Mythen sind sehr mächtig, insbesondere, wenn sie von außen noch gefüttert werden. Sebastians Desastermythen wurden ja prima durch alles bestätigt. Und in dem ganzen Abschiedsbrief habe ich nur eine einzige Stelle gefunden (wo er all denen dankt, die ihm was bedeutet haben), die in eine positive Richtung geht.

 

Das Problem sind meiner Meinung nach nicht die Computerspiele, sondern die Mythen, die er damit gefüttert hat. Andere spielen die gleichen Spiele, aber nicht als Mythenfutter. Oder sie haben zumindest genügend Futter für andere, positive Mythen. Den Barbiemythos, den Honeymoonmythos, den Tellerwäscher-wird-Milliardär-Mythos oder sonst irgendwas.

 

Ich befürchte, dass bei Sebastian in den letzten Monaten seines Lebens ein Sterben positiver Mythen eingesetzt hat. Götterdämmerung sozusagen. Und so was wirkt dann wie die Dementoren von Harry Potter. Und die meisten nennen diese Götterdämmerung "Ernüchterung" und legen Wert darauf, dass dies wahrhaft realistisch sei. Als ob man nach einem schönen Schwips ausnüchtert und wieder auf den Boden der Tatsachen käme. Aber ich denke es anders: Es ist die Konfrontation mit Negativmythen. Die Hoffnungslosigkeit ist nicht faktischer Tatbestand, sondern wird erst durch die Person erzeugt, die in den Negativmythen verfangen ist.

 

Sebastian war nicht der Typ für den Sex-Drogen-Rock'n-Roll-Mythos. Diese Dinge vermochten bei ihm keine Mythen zu füttern.

 

Ich befürchte, dass auch seine Eltern nicht einfach nur schlechte Eltern waren, sondern schlicht hilflos vor ihm standen. Ich kenne genügend "missratene Früchtchen", die ansonsten proppere Eltern zum Wahnsinn treiben. Ganz sicher machen alle Fehler. Aber was soll man den machen, wenn der Sprössling einen nicht mehr ranlässt? Was tun, wenn man womöglich selbst mit Negativmythen zu kämpfen hat? Oder noch schlimmer: Wenn es einem selbst an positiven Mythen ermangelt? (Dies halte ich für grausam).

 

An dem Amoklauf sieht man, finde ich, ganz gut, wie sehr Menschen von ihren Mythen geprägt werden. Hätte ich nicht die unaussprechlichen Mythen der Musik (auch Rock'n Roll. Aber kurz vor der Himmeltüre werden mich dann doch Queen und Beethoven empfangen...), hätte ich nicht die Mythen meiner eigenen Leistungsfähigkeit und hätte ich nicht die Mythen einer Zukunft und eines Sinns, der Bestand hat ... ich könnte auch nicht garantieren, wie es mit mir weitergeht. Und wie ich andere dann präge schon gar nicht.

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