Lissie Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Nochmal zurück zu der Hölleninterpretation als desolater psychischer Zustand im Diesseits. Ich halte diese Deutung für eine Folge davon, daß Menschen nicht mit sehr alten Texten umgehen können. Es ist unwahrscheinlich, daß sich die Bibelautoren für differenzierte psychologische Dinge interessierten, dazu ist der ganze Stil auch viel zu hölzern und unbeholfen. Strafe war eine Sprache, die damals an der Tagesordnung war, die hat man verstanden. Es ist äußerst wahrscheinlich, daß, wenn in der Bibel von schlimmen Dingen die Rede ist, die einem aufgrund eines unkorrekten Verhaltens widerfahren, eine ganz ordinäre, brutale Strafe gemeint ist. Ob das jetzt Feueröfen sind oder diese nur ein Ausdruck für starke punitive Phantasien sind, ist egal. Von psychologischem Verständnis zeugt besonders das NT so überhaupt nicht. Sonst hätte Jesus auch kaum auf die Idee kommen können, daß seine geliebten Jünger sich selber verleugnen sollen, um ihm zu folgen. Und die berühmte Ehebrecherin hätte er danach gefragt, ob sie in ihrer Ehe glücklich ist oder vielleicht den mehr liebt, mit dem diese Ehe "gebrochen" hat. Die Bibel ist psychologisch sicher interessant, aber nicht, weil sie mit großer Menschenkenntnis und psychologischem Wissen arbeitet, sondern weil sie etwas über die Psyche ihrer Macher aussagt. Zitieren
Ennasus Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Ja, mit großer Wahrscheinlichkeit. Dann stellt sich natürlich die Frage, was überhaupt von Jesus stammt. Mir fällt dazu gerade ein schönes "Gleichnis" ein. george Martin und Paul McCartney haben während der Arbeiten an der Beatles-Anthology darüber diskutiert, ob eine bestimmte Zeile in einem Lied von George Harrison oder von Ringo Starr stammt. Paul meinte, es war Ringo, George Marin meinte es wäre George gewsen. Darauf Paul "Aber ich weiss, dass es Ringo war!" George Martin: "Ich weiss, dass es George war!" Pauls Reaktion: "Da sieht man mal, wie unsicher Geschichtsschreibung ist. Wenn wir beide uns schon nicht einigen können, wer dann?" (Aus dem Gedächtnis wiedergegeben. Ich kann den Wortlaut und die Quelle aber gerne nachreichen, wenn es unbedingt notwendig ist.) Die Frage stellt sich sicher.Vor allem, weil zur damaligen Zeit die Vorstellung von Geschichtsschreibung sowieso noch mal eine ganz andere war als heute. Es gibt unter den Exegeten allerdings schon Kriterien, die für oder gegen die Authentizität von Jesusworten sprechen. Konkret hier besteht allerdings in der bibelwissenschaftlichen Forschung ein breiter Konsens darüber, dass die Deutungs-Verse nicht auf Jesus selbst zurückgehen, während das Gleichnis als genuin jesuanisch gesehen wird. Solche allegorischen Deutungen haben erst um die Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Eingang in die rabbinische Schriftauslegung gefunden und stammen aus der griechischen Tradition. In der Einheitsübersetzung steht dazu: "Ursprünglich sind die Gleichnisse Jesu nicht als Allegorien gemeint, die Zug um Zug auf die Wirklichkeit übertragen werden können, sondern sie stellen jeweils als ein Ganzes einen Grundgedanken bildhaft dar" Zitieren
Ennasus Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Wirklich nicht? Ich kenne dich zu wenig, als dass ich in deinem Leben anknüpfen könnte. Trotzdem glaube ich sicher, dass auch du das kennst, dass du bereit bist, auszuhalten, dass dich jemand verletzt oder kränkt oder so --- einfach weil du ihn gern magst und seine Geschichte kennst und verstehst, warum er zu dem geworden ist, der er ist und einfach nicht anders kann als er tut? Ja, aber was hat damit zu tun, "seine Schuld zu tragen"? Wenn ich die Umstände kenne, warum jemand so ist, wie er ist, und sich daraus ergibt, dass er nicht anders kann, dann sehe ich da keine Schuld, die ich tragen müsste. Und selbst wenn er eine Teilschuld an seinem verhlaten hat (weil er z.B. durchaus anders könnte), sehe ich nicht, welcher Mechanismus bewirken sollte, dass die Schuld auf mich übergeht. Das ist für mich alles magisches Wortgeklingel mit dem Begriff "Schuld", bei dem so getan wird, als wäre Schuld etwas, das aus sich heraus existiert und wie ein Ball bei Müde-Matt-Marode zuspielbar ist. Da müsste man darüber reden, was "Schuld" ist.Es gibt auch innerhalb der katholischen Tradition sehr verschiedene Vorstellungen dazu. So, wie du das schreibst, dass es etwas ist, was von einem auf den anderen übergehen kann (bzw eben nicht), so seh ich das auch nicht. Sondern ich verstehe Schuld als "Fehlen". Als etwas, was einer nicht gibt (nicht geben kann), obwohl es da sein müsste, damit die Beziehung zwischen zweien "Liebe" wäre. Wo einer eben nicht zuhören kann, obwohl der andere es bräuchte, oder wo einer die Umarmung nicht schafft, nach der der andere sich sehnt usw. - da bleibt er etwas schuldig. Und der, dem er es schuldig geblieben ist, hat dann zwei grundsätzliche Möglichkeiten: er kann sagen: "Ich komme mit meinen Bedürfnissen immer zu kurz in unserer Beziehung", oder "Du tust mir immer so weh, das halte ich nicht mehr aus" oder so und abhauen --- oder er kann das durchhalten und trotzdem bleiben und einfach hoffen, dass seine Liebe groß genug ist, um zu warten, bis sich beim anderen etwas verändert. Zitieren
Ennasus Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Die Bibel ist psychologisch sicher interessant, aber nicht, weil sie mit großer Menschenkenntnis und psychologischem Wissen arbeitet, sondern weil sie etwas über die Psyche ihrer Macher aussagt. Und das, liebe Lissy, sagt mehr über dich aus als über die Bibel.... Zitieren
Stefan Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Es gibt unter den Exegeten allerdings schon Kriterien, die für oder gegen die Authentizität von Jesusworten sprechen. Woran orientieren sich diese Kriterien, wenn alles, was von Jesus überliefert wurde, durch den Filter der nachträglichen und interessengeleiteten Überlieferung gesiebt wurde? Man kann doch nur spekulieren, welche Aussage wirklich authentisch ist und sie als Massstab für die weitere Bewertung heranziehen. Wenn man sich aber schon bei der Wahl der Messlatte irrt, kann alles, was man daraus folgert, falsch sein. Und das ist doch das Problem der Theologie: Sie geht davon aus, dass Jesus Gott ist und grundsätzlich das Gute wollte, also bewertet man alle Aussagen in den Evangelien danach, ob sie dem entsprechen, was man selber als gut und göttlich ansieht. Man geht sogar soweit, seine Aussagen durch den Zeitgeist des späten 20. Jahrhunderts zu filtern und sie so zu interpretieren, als wäre Jesus ein etwas entspannterer und coolerer Drewermann. Zitieren
Stefan Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Und der, dem er es schuldig geblieben ist, hat dann zwei grundsätzliche Möglichkeiten: er kann sagen: "Ich komme mit meinen Bedürfnissen immer zu kurz in unserer Beziehung", oder "Du tust mir immer so weh, das halte ich nicht mehr aus" oder so und abhauen --- oder er kann das durchhalten und trotzdem bleiben und einfach hoffen, dass seine Liebe groß genug ist, um zu warten, bis sich beim anderen etwas verändert. Wenn es darum bei Jesus geht, warum ist davon nicht überliefert? Warum sagt Jesus nicht zu Judas "Du, Judas, meine und Gottes Bedürfnisse kommen in unserer Beziehung mit Dir immer zu kurz. Das tut uns wirklich weh, aber wir hoffen, dass sich da bei Dir etwas verändert. Das ist jetzt wirklich nich böse gemeint, wir empfinden das einfach so. Versteht Du meine Gefühle? Ach, ich weiss schon was Du antworten wirst. Ich bin ja allwissend, ich Trottel." Zitieren
Ennasus Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Es gibt unter den Exegeten allerdings schon Kriterien, die für oder gegen die Authentizität von Jesusworten sprechen. Woran orientieren sich diese Kriterien, wenn alles, was von Jesus überliefert wurde, durch den Filter der nachträglichen und interessengeleiteten Überlieferung gesiebt wurde? Man kann doch nur spekulieren, welche Aussage wirklich authentisch ist und sie als Massstab für die weitere Bewertung heranziehen. Wenn man sich aber schon bei der Wahl der Messlatte irrt, kann alles, was man daraus folgert, falsch sein. Und das ist doch das Problem der Theologie: Sie geht davon aus, dass Jesus Gott ist und grundsätzlich das Gute wollte, also bewertet man alle Aussagen in den Evangelien danach, ob sie dem entsprechen, was man selber als gut und göttlich ansieht. Man geht sogar soweit, seine Aussagen durch den Zeitgeist des späten 20. Jahrhunderts zu filtern und sie so zu interpretieren, als wäre Jesus ein etwas entspannterer und coolerer Drewermann. Also bzgl der Kriterien könntest du Mat fragen, der weiß sicher mehr (ich hab mal was drüber gelernt - aber nicht besonders genau - und hab es nicht mehr präsent):Mir persönlich ist das zwar sehr wohl wichtig zu wissen, was wahrscheinlich original Jesuszitate sind und was nicht - für meinen Umgang mit der Bibel ist es aber nicht wichtig, weil ich die nicht selektiv nehme (zumindest bis inclusive Evangelien). Im Gegensatz zu Lissie seh ich sie voller psychologischem hilfreichem Wissen, auch in den Stellen, mit denen ihr so gar nicht könnt..... Zitieren
Ennasus Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Und der, dem er es schuldig geblieben ist, hat dann zwei grundsätzliche Möglichkeiten: er kann sagen: "Ich komme mit meinen Bedürfnissen immer zu kurz in unserer Beziehung", oder "Du tust mir immer so weh, das halte ich nicht mehr aus" oder so und abhauen --- oder er kann das durchhalten und trotzdem bleiben und einfach hoffen, dass seine Liebe groß genug ist, um zu warten, bis sich beim anderen etwas verändert. Wenn es darum bei Jesus geht, warum ist davon nicht überliefert? Warum sagt Jesus nicht zu Judas "Du, Judas, meine und Gottes Bedürfnisse kommen in unserer Beziehung mit Dir immer zu kurz. Das tut uns wirklich weh, aber wir hoffen, dass sich da bei Dir etwas verändert. Das ist jetzt wirklich nich böse gemeint, wir empfinden das einfach so. Versteht Du meine Gefühle? Ach, ich weiss schon was Du antworten wirst. Ich bin ja allwissend, ich Trottel." Grrrrrrrrrr. Ich dachte, du wolltest was verstehen. Aber ich geh jetzt wohl besser schlafen. Zitieren
Stefan Geschrieben 6. April 2007 Melden Geschrieben 6. April 2007 Grrrrrrrrrr. Ich dachte, du wolltest was verstehen. Ja. Aber ich wollte auch, dass Du mich verstehst. Und wenn mir 2000 Jahre alte Texte und Konzepte so erklärt werden, als stammten sie aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, dann werde ich skeptisch und vielleicht auch ein wenig spitzfindig. Zitieren
wolfgang E. Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Nochmal zurück zu der Hölleninterpretation als desolater psychischer Zustand im Diesseits. Ich halte diese Deutung für eine Folge davon, daß Menschen nicht mit sehr alten Texten umgehen können. Es ist unwahrscheinlich, daß sich die Bibelautoren für differenzierte psychologische Dinge interessierten, dazu ist der ganze Stil auch viel zu hölzern und unbeholfen. Strafe war eine Sprache, die damals an der Tagesordnung war, die hat man verstanden. Es ist äußerst wahrscheinlich, daß, wenn in der Bibel von schlimmen Dingen die Rede ist, die einem aufgrund eines unkorrekten Verhaltens widerfahren, eine ganz ordinäre, brutale Strafe gemeint ist. Ob das jetzt Feueröfen sind oder diese nur ein Ausdruck für starke punitive Phantasien sind, ist egal. Von psychologischem Verständnis zeugt besonders das NT so überhaupt nicht. Sonst hätte Jesus auch kaum auf die Idee kommen können, daß seine geliebten Jünger sich selber verleugnen sollen, um ihm zu folgen. Und die berühmte Ehebrecherin hätte er danach gefragt, ob sie in ihrer Ehe glücklich ist oder vielleicht den mehr liebt, mit dem diese Ehe "gebrochen" hat. Die Bibel ist psychologisch sicher interessant, aber nicht, weil sie mit großer Menschenkenntnis und psychologischem Wissen arbeitet, sondern weil sie etwas über die Psyche ihrer Macher aussagt. Hallo Lissie ich möchte auf Deinen Einwand der mangelnden Menschenkenntnis und fehlenden Psychologie in der Bibel mit einer Betrachtung meiner “Lieblingsgeschichte“ nämlich der der Ehebrecherin (Joh. 8, 1-11) antworten. Ich gebe dabei aus dem Stehgreif eine Auslegung aus einem Vortrag von Drewermann wieder, die ich noch auf Tonband habe. Da ist der Mann aus Nazareth der vom Beginn seines Wirkens wegen seiner unkonventionellen Ansichten und Auslegungen misstrauisch beobachtet wird und den man lieber heute als morgen loswerden würde. Da ist eine Frau offenbar des Ehebruchs überführt und deshalb zu töten. Und da ist eine Horde strafwütiger Männer, die nach der Rache des gekränkten Stolzes und des verletzten “Eigentumsanspruches“ schreit. Dabei muss man berücksichtigen, dass so eine Steinigung den “unschätzbaren Vorteil“ hatte, sich an der Rechtsdurchsetzung beteiligen zu können, ohne eine unmittelbar zuordenbare Tötungshandlung zu setzen. Man kann es vergleichen mit der Vorgangsweise bei Erschießungskommandos. Man gab Gewehre aus von denen eines nur eine Platzpatrone enthielt, sodass sich jeder der an der Hinrichtung Beteiligten für sich die theoretische Rechtfertigung finden konnte, an der Tötung eigentlich nicht mitgewirkt zu haben. Jesus befindet sich in einer scheinbar nicht auflösbaren “lose lose“ Situation: Sagt er: ja so ist es, Gesetz ist nun einmal Gesetz und daher ist sie des Todes, macht er seine ganze bisher aufgebaute Lehre von der Liebe, vom Verzeihen und dass das Gesetz (der Sabbat) dem Menschen zu dienen habe und nicht der Mensch dem Gesetz zu Makulatur und Geschwätz. Er kann nur mehr zurückgehen in seine Zimmermannswerkstatt, weil er in der Grenzsituation seine Glaubwürdigkeit verloren hat. Spricht er sich aber gegen die Hinrichtung aus leugnet er das Gesetz des Mose. Er kann die Frau nicht retten, ist aber selber des Todes. Bei der Heilung des Gelähmten am Sabbat, hat er sich mit der Güterabwägung noch Herausreden können…….aber hier bei einer überführten Ehebrecherin. Und da gelingt es ihm mit einem Satz den Schutzschild der Anonymität der nach “Gerechtigkeit“ schreienden Männerschar aufzubrechen. Mit dem „ Ja aber…….“Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“……wird die Tötungshandlung wieder konkret und auf die handelnde Person bezogen. Und mit dieser Personifizierung zwingt er die Männer zum Rückzug. Ich empfinde das als psychologische Meisterleistung und Drewermann meint, dass dies zu schaffen eines der größten Wunder ist, die Jesus gewirkt hat. Aber sagst Du, dann hat er die Frau ohne nach den Gründen ihrer Tat zu fragen weggeschickt……. Ich sage er hat ihr aufgetragen nicht mehr zu sündigen und hat nicht gesagt “geh und verhalte dich wie es das Gesetz befiehlt“. Und das ist nicht Spitzfindigkeit sondern ein entscheidender Unterschied: Für Sünde gilt im Gegensatz zur Gesetzesverletzung entscheidend die subjektive Schuldkomponente; ob etwas Sünde ist, ist letztlich eine Gewissensentscheidung des Einzelnen. Das gilt auch wenn eine Handlung offiziell als Sünde angesehen wird. Und das ist nicht die Ausrede eines Liberalen, sondern die offizielle Aussage der deutschen und österreichischen Bischöfe z.B. zur Empfängnisverhütung (Königssteiner und Maria Troster Erklärung). 1 Zitieren
Ennasus Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Grrrrrrrrrr. Ich dachte, du wolltest was verstehen. Ja. Aber ich wollte auch, dass Du mich verstehst. Und wenn mir 2000 Jahre alte Texte und Konzepte so erklärt werden, als stammten sie aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, dann werde ich skeptisch und vielleicht auch ein wenig spitzfindig. Da diese 2000 Jahre alten Texte von menschlichen Erfahrungen sprechen, muss es möglich sein, sie auch in moderner Sprache zu formulieren.Sie verwenden eine andere Sprache, u.a. weil die Menschen damals das psychologische Vokabular und empirische Wissen der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht hatten. Statt dessen haben sie ein unglaubliches Gespür für eine Bildersprache, die diese Erfahrungen eigentlich noch viel genauer widergibt. Wer sich auf die Bilder einlässt, merkt schnell, wie genau sie zu seinen Erfahrungen passen. Da du dich aber weigerst, das zu tun und dich ausgesprochen begriffstutzig anstellst und gleichzeitig aber fragst, habe ich halt versucht, es dir in einer Sprache zu erklären, von der ich gehofft habe, dass es deutlicher wird, was gemeint ist. Allerdings: wenn es das in deinem Kopf einfach nicht geben darf, dass die Texte richtig sind, dann ist das halt so. Dann hör ich einfach wieder auf mit den Erklärungsversuchen . Zitieren
andre... Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Ich denke, Jesus hat exemplarisch vorgelebt, was es heißt, so für andere da zu sein, dass der Kreislauf von: "du tust mir weh - ich schlag zurück" unterbrochen wird. Indem er eben nicht zurückgeschlagen hat und ausgehalten hat, dass ihm Unrecht getan worden ist, hat er "die Schuld der andern" getragen.Das klingt nicht sehr einleuchtend. Ich kann's auch nicht nachvollziehen. Wenn Jesus das ihm angetane Unrecht ohne Gegenschlag annimmt, könnte man das z.B. so deuten, das er seinen Richtern und Henkern damit signalisiert: Dadurch, dass ich eure Tat quasi unkommentiert erdulde, sie also nicht als Unrecht bezeichne, ist sie auch kein Unrecht mehr. Er spricht also seine Mörder frei und vergibt ihnen ("denn sie wissen nicht, was sie tun"). Man könnte diesen Freispruch auch noch ausdehnen auf all jene, die irgendwie auch nur entfernt damit zu tun hatten - Judas, das johlende Volk, welches vor Pontius Pilatus seinen Tod forderte usw. Was ich aber beim besten Willen nicht erkennen kann, inwiefern dieser Freispruch von Schuld darüber hinaus - also pauschal für die gesamte Spezies Mensch - gültig ist. Davon hat Jesus m.W. nichts gesagt, und das "Hineinexegieren" dessen halte ich für unzulässig - außerdem beißt sich diese Pauschalentschuldung mit der unverminderten Überpräsenz des Themas "Schuld & Sünde" in der kirchlichen Lehre und Praxis. André Zitieren
andre... Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Das Unkraut-Gleichnis ... Da geht es eigentlich um was ganz anderes: darum, dass es uns nicht zusteht bzw wir das sinnvollerweise gar nicht können, darüber zu urteilen, wer oder was von dem, was wächst, Unkraut ist und was Weizen. ... Es geht drum, dass wir Menschen uns nicht anmaßen sollen, zu beurteilen, wer gut und wer böse ist. Aber genau das tun sie doch von Anfang an. Die Protagonisten reden doch von Anfang an von Unkraut und Weizen (böse und gut) und sie reißen das Unkraut nur deswegen nicht aus, weil es - und da stimme ich dir zu - rein praktisch unmöglich ist, nicht etwa, weil sie es nicht erkennen können. Wenn überhaupt, dann könnte man es so deuten: Solange das Böse das Gute nicht überwuchert und erdrückt, müssen wir es nicht in übertriebener Intoleranz und hysterischem Reinlichkeitswahn ausreißen, ansonsten müssten wir uns selbst ausreißen, denn niemand ist völlig frei von "Unkraut", ansonsten werfe derjenige den ersten Stein. Aber in Wirklichkeit sehe ich darin kein Gleichnis, sondern eine praktische Anweisung, wie sie die Bibel ja viele enthält. Jesus tritt hier als Lehrer auf, dies soll wohl einmal mehr seine allumfassende Kompetenz und Weisheit demonstrieren. André Zitieren
Lissie Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Wirklich nicht? Ich kenne dich zu wenig, als dass ich in deinem Leben anknüpfen könnte. Trotzdem glaube ich sicher, dass auch du das kennst, dass du bereit bist, auszuhalten, dass dich jemand verletzt oder kränkt oder so --- einfach weil du ihn gern magst und seine Geschichte kennst und verstehst, warum er zu dem geworden ist, der er ist und einfach nicht anders kann als er tut? Ja, aber was hat damit zu tun, "seine Schuld zu tragen"? Wenn ich die Umstände kenne, warum jemand so ist, wie er ist, und sich daraus ergibt, dass er nicht anders kann, dann sehe ich da keine Schuld, die ich tragen müsste. Und selbst wenn er eine Teilschuld an seinem verhlaten hat (weil er z.B. durchaus anders könnte), sehe ich nicht, welcher Mechanismus bewirken sollte, dass die Schuld auf mich übergeht. Das ist für mich alles magisches Wortgeklingel mit dem Begriff "Schuld", bei dem so getan wird, als wäre Schuld etwas, das aus sich heraus existiert und wie ein Ball bei Müde-Matt-Marode zuspielbar ist. Da müsste man darüber reden, was "Schuld" ist.Es gibt auch innerhalb der katholischen Tradition sehr verschiedene Vorstellungen dazu. So, wie du das schreibst, dass es etwas ist, was von einem auf den anderen übergehen kann (bzw eben nicht), so seh ich das auch nicht. Sondern ich verstehe Schuld als "Fehlen". Als etwas, was einer nicht gibt (nicht geben kann), obwohl es da sein müsste, damit die Beziehung zwischen zweien "Liebe" wäre. Wo einer eben nicht zuhören kann, obwohl der andere es bräuchte, oder wo einer die Umarmung nicht schafft, nach der der andere sich sehnt usw. - da bleibt er etwas schuldig. Und der, dem er es schuldig geblieben ist, hat dann zwei grundsätzliche Möglichkeiten: er kann sagen: "Ich komme mit meinen Bedürfnissen immer zu kurz in unserer Beziehung", oder "Du tust mir immer so weh, das halte ich nicht mehr aus" oder so und abhauen --- oder er kann das durchhalten und trotzdem bleiben und einfach hoffen, dass seine Liebe groß genug ist, um zu warten, bis sich beim anderen etwas verändert. Wo in der Bibel finde ich Hinweise dazu, daß nur das, was Du da beschreibst mit Schuld gemeint ist und nicht etwa auch das Übertreten von Gottes Gesetzen? Und unabahängig davon, was Schuld ist: Wie konnte es Jesus gelingen, diese Schuld der anderen auf sich zu nehmen, indem er sich kreuzigen ließ und damit selber große Schuld auf sich lud? (Ich finde, das war gegenüber seinen Freunden und seiner Familie rücksichtslos.) Zitieren
andre... Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 als wäre Schuld etwas, das aus sich heraus existiert und wie ein Ball bei Müde-Matt-Marode zuspielbar ist. Eine Form von Exorzismus sozusagen. Zitieren
Lissie Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Das Unkraut-Gleichnis ... Da geht es eigentlich um was ganz anderes: darum, dass es uns nicht zusteht bzw wir das sinnvollerweise gar nicht können, darüber zu urteilen, wer oder was von dem, was wächst, Unkraut ist und was Weizen. ... Es geht drum, dass wir Menschen uns nicht anmaßen sollen, zu beurteilen, wer gut und wer böse ist. Dann haben sich ja auch die "Warnungen" Jesu vor einem falschen Leben und Sünde erübrigt, weil wir ja nicht beurteilen können, was was ist. Zitieren
GermanHeretic Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Ich denke, Jesus hat exemplarisch vorgelebt, was es heißt, so für andere da zu sein, dass der Kreislauf von: "du tust mir weh - ich schlag zurück" unterbrochen wird. Indem er eben nicht zurückgeschlagen hat und ausgehalten hat, dass ihm Unrecht getan worden ist, hat er "die Schuld der andern" getragen.Das klingt nicht sehr einleuchtend. Ich kann's auch nicht nachvollziehen. Natürlich ist das nachvollziehbar. Wenn sich eine Gewaltspirale nicht ewig weiterdrehen soll, muß man sie halt mal unterbrechen, z.B. indem einer der Beteiligten an irgendeiner Stelle zurücksteckt. Leider taugt Jesus als Exempel hier gar nicht, denn was hat ihm das Zurückstecken gebracht? Die Hinrichtung. Hätte er gesagt, "Ja scheiße, tut mir leid, ich hab eure religiösen Gefühle verletzt, tut mir leid, kommt nicht wieder vor", dann hätte Pilatus ihn vielleicht laufen lassen können. Heutzutage gäb's dann nach §166 StGB maximal eine Bewährungsstrafe. Zitieren
andre... Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Und da gelingt es ihm mit einem Satz den Schutzschild der Anonymität der nach “Gerechtigkeit“ schreienden Männerschar aufzubrechen. Mit dem „ Ja aber…….“Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“……wird die Tötungshandlung wieder konkret und auf die handelnde Person bezogen. Und mit dieser Personifizierung zwingt er die Männer zum Rückzug. Ich empfinde das als psychologische Meisterleistung ... Da gebe ich dir allerdings recht, das war in der Tat recht pfiffig. André Zitieren
andre... Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Ich denke, Jesus hat exemplarisch vorgelebt, was es heißt, so für andere da zu sein, dass der Kreislauf von: "du tust mir weh - ich schlag zurück" unterbrochen wird. Indem er eben nicht zurückgeschlagen hat und ausgehalten hat, dass ihm Unrecht getan worden ist, hat er "die Schuld der andern" getragen. Das klingt nicht sehr einleuchtend.Ich kann's auch nicht nachvollziehen.Natürlich ist das nachvollziehbar. Wenn sich eine Gewaltspirale nicht ewig weiterdrehen soll, muß man sie halt mal unterbrechen ... Ja, soweit war mir das auch klar, aber das von mir fett hevorgehobene ergibt sich daraus nicht. André Zitieren
Lissie Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 (bearbeitet) Jesus befindet sich in einer scheinbar nicht auflösbaren "lose lose" Situation: Sagt er: ja so ist es, Gesetz ist nun einmal Gesetz und daher ist sie des Todes, macht er seine ganze bisher aufgebaute Lehre von der Liebe, vom Verzeihen und dass das Gesetz (der Sabbat) dem Menschen zu dienen habe und nicht der Mensch dem Gesetz zu Makulatur und Geschwätz. Er kann nur mehr zurückgehen in seine Zimmermannswerkstatt, weil er in der Grenzsituation seine Glaubwürdigkeit verloren hat. Spricht er sich aber gegen die Hinrichtung aus leugnet er das Gesetz des Mose. Er kann die Frau nicht retten, ist aber selber des Todes. Bei der Heilung des Gelähmten am Sabbat, hat er sich mit der Güterabwägung noch Herausreden können…….aber hier bei einer überführten Ehebrecherin. Und da gelingt es ihm mit einem Satz den Schutzschild der Anonymität der nach "Gerechtigkeit" schreienden Männerschar aufzubrechen. Mit dem „ Ja aber……."Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie"……wird die Tötungshandlung wieder konkret und auf die handelnde Person bezogen. Und mit dieser Personifizierung zwingt er die Männer zum Rückzug. Ich empfinde das als psychologische Meisterleistung und Drewermann meint, dass dies zu schaffen eines der größten Wunder ist, die Jesus gewirkt hat. Ja, ich kenne dieses Argument und es ist auch was dran. Aber den Nachsatz an die Frau hätte er sich sparen können. Er hat sie auf taktisch nicht unkluge Weise davor gerettet, ermordet zu werden. Bei sich selber, bei seiner eigenen Ermordung, hat er leider nicht zu so einem taktischen Kniff gegriffen, sondern die volle Wahrheit über alles gestellt. Bei der Ehe"brecherin" hätte ihn aus psychologischer Sicht diese Wahrheit auch interessieren müssen: "Wen liebt sie?". Nicht nur "mit wem ist sie verheiratet? ". (Immerhin hat diese Geschichte, wenn auch nicht alleine, fast zweitausend Jahre Elend über Menschen gebracht, die falsch verheiratet waren). Das ist bitte nicht als Vorwurf zu verstehen, ich bin ausdrücklich nicht der Meinung, daß Jesus (bzw. die Autoren, die ihn geschrieben haben) das alles hätte leisten können müssen, ich habe nur etwas dagegen, zuviel von unserem heutigen Verständnis und Wissen in diese Geschichten hineinzuinterpretieren. Man muß es ja auch im Gesamtzusammenhang sehen: Es gibt genug Stellen in der Bibel, wo Jesus nicht zu taktischem Vorgehen gezwungen ist, sondern ehrlich sprechen kann, z.B. mit seinen Jüngern. Von denen er übrigens "Selbstverleugnung" verlangt, ein Verhalten, das nach heutigem Wissen eindeutig unter das fällt, was Susanne als ein falsches Leben mit schlimmen Folgen beschreibt. Ich habe nichts gegen die Bibel, genausowenig, wie ich etwas gegen ein medizinisches Heilbuch aus dem alten Persien habe. Ich habe nur etwas dagegen, wenn alles, was darin beschrieben wird, als für heute noch brauchbar und mit heutigem Wissen übereinstimmend, erklärt wird. Wenn in einem alten Buch von Aderlaß bei hohem Fieber die Rede ist, dann ist das keine Metapher für Antibiotika. bearbeitet 7. April 2007 von Lissie Zitieren
platon Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 "Es gibt keinen Gott, sagt der Tor in seinem Herzen"... steht irgendwo in der Bibel... Und Sodomiten haben den Tod nicht "verdient", wollen einige geschrieben sehen. Wer weiterliest ist klüger. Es müßte eigentlich heißen, er hat den geistigen Tod verdient, also die Hölle. Israel hat auch den Tod verdient, aber Jahwe, Gott will sie zur Erkenntnis der Sünde bringen, sich als ihr Gott zeigen, indem er ihr die Sünden vor Augen führt und ihr vergibt.... Zitieren
Domingo Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 (bearbeitet) "Es gibt keinen Gott, sagt der Tor in seinem Herzen"... steht irgendwo in der Bibel... Wer zu seinem Nächsten "Du Tor" sagt, ist des höllischen Feuers schuldig. Das steht auch irgendwo in der Bibel. bearbeitet 7. April 2007 von Domingo Zitieren
platon Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Wer die Bibel liest, ist klüger.... Zitieren
Squire Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Natürlich ist das nachvollziehbar. Wenn sich eine Gewaltspirale nicht ewig weiterdrehen soll, muß man sie halt mal unterbrechen, z.B. indem einer der Beteiligten an irgendeiner Stelle zurücksteckt. Das ist aber m.E. mit "Sünde der der Welt auf sich nehmen" nicht gemeint. Es geht dabei nur mittelbar um ein rational nachvollziehbares Verhalten. In erster Linie handelt es sich um die Beschreibung eines religiösen Opfers. Solche Opferhandlungen lassen sich sich nicht mit der Logik normaler gesellschaftlicher Beziehungen erklären, sondern nur mit der Struktur des religiösen Denkens/Empfindens. Zitieren
Gast Claudia Geschrieben 7. April 2007 Melden Geschrieben 7. April 2007 Ja, aber in unserem Gedankenspiel ging es doch darum, dass die Menschen erkennen, dass sie dieses Buch nicht mehr brauchen als andere Bücher. Ja, genau darum ging es mir auch. Ich wollte sagen, daß es sehr wohl Bücher gibt, die mehr gebraucht werden als andere. Und daß viele Leute eben solche Bücher auch sehr wichtig nehmen, als moralischen Anstoß, als Diskussionsgrundlage, als Lebensbegleiter, als was auch immer. Zitieren
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