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Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

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vor 10 Minuten schrieb laura:

Das Spannende dürfte die Frage werden, welche weiteren Konsequenzen sich darauf für das Verhältnis von Staat und Kirche ergeben. Und zwar nicht allein rechtlich, sondern "mental". Wenn die Kirche sich als unfähig erweist, die Missbräuche aufzuklären und bis in die Gegenwart Vertuschung stattfindet, muss der Staat reagieren. Aber kann dann die Kirche noch ihre Privilegien beanspruchen? Können staatliche Einrichtungen guten Gewissens mit kirchlichen Trägern der Jugendarbeit kooperieren? 

Hier könnte ein Mentalitätswandel im Gange sein, der erhebliche Folgen für die Kirche haben wird. 

 

Oder konkret: 

Wenn die Kirche als "gefährlich" für Kinder und Jugendliche wahrgenommen wird: Können dann noch Angebote des BDKJ in Schulen stattfinden? 

 

Zumindest ich habe nichts gegen eine viel größere Entflechtung von Kirche und Staat. Ich brauche auch keine Reliunterricht in der Schule (der sich, wie ich an meinen Kindern erlebe, inhaltlich nicht im geringsten geändert hat in den letzten 30 Jahren - deswegen darf auch meine jüngere Tochter gerne zu Philo gehen)

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vor 2 Stunden schrieb Chrysologus:

Das ist ja nun nicht das Ergebnis einer Untersuchung, sondern eine Rechtsänderung, die noch dazu kaum etwas bewirkte - was einmal verjährt ist, das ist verjährt. Würde auch kaum zu mehr Verurteilungen führen, weil man nach so vielen Jahren in der Regel kaum noch einen Beweis führen kann.

 

Da gebe ich Dir vollumfänglich recht. Ich habe es auch als unpassend empfunden, die Verjährungsfrist für Mord abzuschaffen. Das schien mir eine Maßnahme der Art "Operative Hektik ersetzt geistige Windstille" zu sein, auch wenn sich führende Juristen dafür einsetzten (nur so viel als Hinweis: Nach mehr als 30 Jahren einen Mord nachzuweisen, ist sehr schwierig, oftmals wird auf Totschlag umgeswitcht und wegen Verjährung eingestellt, eine allgemein bekannte Problematik bei Cold Cases). Ich denke, auch bei Mord ist irgendwann die Zeit gekommen, wo die Gesellschaft kein Recht mehr hat, ein in weiter Vergangenheit abgeschlossenes Tatgeschehen zu sanktionieren.

 

Die vergangenen Taten sind vergangen, verjährt, kaum mehr evident beweisbar. Da kann und will der Staat aber sicherlich nichts machen, das gibt eine furchtbar üble Beweislage mit Gutachterschlachten, in denen die Betroffenen aufgerieben werden. 

 

Aber dennoch, es geht um die Zukunft: Ich habe keinen Anlass, an den Vorkommnissen, wie sie Angelika hier verlinkt hat, zu zweifeln, es liegen ja Briefe, die eingesehen wurden, zu Grunde. Insofern könnte der Staat den betroffenen Kirchen androhen, den Status der KdÖR zu überprüfen oder die Gemeinnützigkeit in Frage zu stellen, was automatisch den Verlust der Eigenschaft als KdÖR zu Folge hätte.

 

Wie Laura schon schreibt: Was kommen wird, hängt auch davon ab, wie die Bevölkerung längerfristig reagiert. Für alles, was der Staat tut, braucht er entweder tatsächliche Mehrheiten (zur Gesetzesänderung) bzw. implizite Mehrheiten (für bisher unübliche Verwaltungsentscheidungen im Rahmen des geltenden Rechts). Und er braucht die Mehrheiten nicht nur heute, wenn die Situation am Hochkochen ist, sondern auch morgen, wo man vielleicht schon einen Teil vergessen hat. Sonst platzt das Konstrukt bei einer späteren Gerichtsverhandlung. 

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vor 11 Stunden schrieb MartinO:
vor 12 Stunden schrieb Chrysologus:

Ich würde es vorziehen, wenn da nur die hinkommen, die auch verurteilt wurden. Einsperren bei Verdacht ist nicht ganz so gut.

Ein Missbrauchsopfer im Prozess nochmals einer peinlichen Befragung durch irgendeinen Winkeladvokaten auszusetzen noch weniger.

Einsperren ohne Prozess ist nicht gut, den Opfern eine peinliche Zeugenaussage zumuten auch nicht - da bleibt doch eigentlich nur noch, die ganze Sache unter den Teppich zu kehren...

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vor 54 Minuten schrieb Lothar1962:
vor 15 Stunden schrieb Marcellinus:

Von Jahrzehntelanger Vertuschung, dem Verschieben in andere Vereine kann hier mangels Organisationsgrad einfach keine Rede sein.

 

Oh doch. Es gibt die verschiedenen Sportbünde, außerdem haben fast alle Vereine Kontakt zu ihren "Konkurrenzvereinen". Möglicherweise läuft das auch weniger auf offizieller Ebene, eher auf "Sachbearbeiterniveau".

 

Du sprichst eher vom Profisport? Egal, wenn es dort ebenfalls solche Strukturen gibt (was ich nicht beurteilen kann), dann gehört ihnen genauso nachgegangen wie in Kirchen oder Schulen. Und wenn sich die Organisationen als reformunfähig oder -unwillig herausstellen, gehören sie genauso geschlossen wie die Odenwald-Schule. 

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vor 43 Minuten schrieb Marcellinus:

Du sprichst eher vom Profisport?

 

Nein. Vom Feld-, Wald- und Wiesensport.

 

 

vor 43 Minuten schrieb Marcellinus:

dann gehört ihnen genauso nachgegangen wie in Kirchen oder Schulen.

 

Unbedingt. Ich hoffe, dass das jetzt angestoßen wird. Das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ist auch in der Gesellschaft nicht gerne gesehen und man hat jahrzehntelang nichts hören und sehen wollen, mein Vater erzählte mal, dass bei solchen Vorkommnissen in früher Zeit üblicherweise nicht bestritten wurde, dass das passierte, aber dass es eigentlich gesellschaftlich völlig klar war, dass der/die Jugendliche bzw. das Kind daran schuld war, durch "Verführung". Auch eine Art, damit umzugehen.

 

vor 43 Minuten schrieb Marcellinus:

Und wenn sich die Organisationen als reformunfähig oder -unwillig herausstellen, gehören sie genauso geschlossen wie die Odenwald-Schule. 

 

Wenn die Gesellschaft funktioniert, wird man das nicht aktiv machen müssen, dann disqualifizieren sich diese Einrichtungen von ganz alleine. 

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vor 34 Minuten schrieb Lothar1962:

 

Unbedingt. Ich hoffe, dass das jetzt angestoßen wird. Das Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ist auch in der Gesellschaft nicht gerne gesehen und man hat jahrzehntelang nichts hören und sehen wollen, mein Vater erzählte mal, dass bei solchen Vorkommnissen in früher Zeit üblicherweise nicht bestritten wurde, dass das passierte, aber dass es eigentlich gesellschaftlich völlig klar war, dass der/die Jugendliche bzw. das Kind daran schuld war, durch "Verführung". Auch eine Art, damit umzugehen.

 

 

Wenn die Gesellschaft funktioniert, wird man das nicht aktiv machen müssen, dann disqualifizieren sich diese Einrichtungen von ganz alleine. 

Nur zeigt dein Beispiel, daß die Gesellschaft eben nicht funktioniert.

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vor 5 Stunden schrieb Chrysologus:

Was genau erwartest du wird der Staat über das Münchener Gutachten hinaus finden?

 

Ich erwarte nicht, dass der Staat über das Münchener Gutachten hinaus etwas findet.

Ich hätte dem Zitat wohl etwas mehr Kontext geben müssen. Da wird meine Erwartung dann wohl klarer. Deshalb hole ich das jetzt nach:

 

Zitat

Die Betroffenenvertretung bei der Deutschen Bischofskonferenz sagt mit Recht, es werde endlich Zeit für Entscheidungen und mutiges Handeln. Seit zwölf Jahren gibt es in Deutschland die berechtigte Forderung nach einer wirklich unabhängigen, wissenschaftlich seriösen staatlichen Untersuchung beider Kirchen und der einschlägigen Sportverbände. Das Münchner Gutachten hat endgültig klargemacht: Es ist jetzt Zeit, der Staat muss ran!

 

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Aus dem Schreiben von Benedikt  XVI. zum Beginn des Priester Jahres 2009:

"Leider gibt es auch Situationen, die nie genug beklagt werden können, in denen es die Kirche selber ist, die leidet, und zwar wegen der Untreue einiger ihrer Diener. Die Welt findet dann darin Grund zu Anstoß und Ablehnung. Was in solchen Fällen der Kirche am hilfreichsten sein kann, ist weniger die eigensinnige Aufdeckung der Schwächen ihrer Diener, als vielmehr das erneute und frohe Bewußtsein der Größe des Geschenkes Gottes, das in leuchtender Weise Gestalt angenommen hat in großherzigen Hirten, in von brennender Liebe zu Gott und den Menschen erfüllten Ordensleuten, in erleuchteten und geduldigen geistlichen Führern."

 

Der komplette Text hier

 

Könnte diese Einstellung etwas mit dem Verhalten beim Thema Missbrauch und Aufklärung zu tun haben? 

 


 

 

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vor 10 Minuten schrieb Die Angelika:

Könnte diese Einstellung etwas mit dem Verhalten beim Thema Missbrauch und Aufklärung zu tun haben? 

Natürlich hat sie es. 

Und natürlich ist es auch die Rolle des Priesters bei den Sakramenten, die ja das Heil Gottes "verbindlich" vermitteln. 

Provokant gefragt: Wenn - laut Sakramententheologie - Sakramente unabhängig vom Spender das Heil "rechtssicher" vermitteln, muss die Kirche ein möglichst großes Interesse daran haben, die Sakramentenspendung flächendeckend sicherzustellen. Und die Sakramente unabhängig vom Spender "funktionieren", ist es auch weitestgehend egal, ob dieser Spender eine integre Person ist oder nicht.

 

Und daraus ergibt sich dann das logische Interesse, Fehltritte von Priestern gerne auch mal "unter den Tisch" zu kehren. 

Oder möchte man etwa, dass jemand die Sakramente nicht empfangen kann, nur weil der Herr Pfarrer irgendwann mal - nicht ganz sicher bewiesene - seltsame Verhaltensweisen gegenüber Minderjährigen gezeigt haben soll? 

 

Dass ich diese Sichtweise nicht teile, dürfte klar sein. Aber sie ist zumindest in sich schlüssig... 

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vor 44 Minuten schrieb Moriz:

Nur zeigt dein Beispiel, daß die Gesellschaft eben nicht funktioniert.

 

Die Gesellschaft hat auch jahrhundertelang bei anderen Problemen nicht funktioniert. Beispielsweise hat man in früherer Zeit Depressive sehr gerne als faul stigmatisiert. Glücklicherweise ist das heute langsam in Änderung begriffen, nicht erst, aber auch mit angestoßen, durch Robert Enke.

 

Dass Menschen dazu neigen, von ihrem persönlich prägenden Umfeld - dazu gehören Familie, Kirchen, Parteien, Vereine,... jegliche "schwerere Schuld" fernzuhalten, falls nötig und nicht anders machbar, durch Ignoranz, ist wohl unveränderbar im Menschen angelegt. Was aber nicht unbedingt angelegt sein muss, ist das Ausblenden von ganz bestimmten Vorkommnissen. Psychische Erkrankungen und bestimmte neurologische Erkrankungen bedeuten nicht, dass derjenige "blöde" ist und von Irrenschließern, Zuchtmeistern und einem Irrenarzt in einem Irrenturm eingesperrt werden müssen und sexueller Missbrauch von Kindern ist weder eine Kleinigkeit (was man an den Lebensgeschichten der Betroffenen unschwer erkennen kann), noch eine Folge von aufreizendem Verhalten oder aufreizender Kleidung. Es kommt zwar immer noch vor, dass Gerichte hier eine Mitschuld unterstellen (wie vor einiger Zeit in der Schweiz, aber auch in München vor etwa 15 Jahren), aber das geht dann wie ein Lauffeuer durch die Presse. Eine Ent-Schuldigung ist einem Täter auf diese Weise praktisch nicht mehr möglich (es sei denn, vor sich selber, aber das kann erst mal egal sein).

 

Ja, auch zukünftig werden Kindesmissbrauch und Kindesmisshandlung ignoriert werden, möglicherweise wird sogar das eine oder andere Tötungsdelikt ignoriert. Aber es wird weniger Fallkonstellationen geben, die bereits von vorne herein der Ignoranz anheimfallen. Davon bin ich überzeugt.

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vor 11 Minuten schrieb laura:

Wenn - laut Sakramententheologie - Sakramente unabhängig vom Spender das Heil "rechtssicher" vermitteln, muss die Kirche ein möglichst großes Interesse daran haben, die Sakramentenspendung flächendeckend sicherzustellen. Und die Sakramente unabhängig vom Spender "funktionieren", ist es auch weitestgehend egal, ob dieser Spender eine integre Person ist oder nicht.

 

Wobei sich einige Leute nun fragen werden, ob eine Organisation, die so viel Aufwand in die aktive Ignoranz von entsprechenden Taten steckte, überhaupt noch "das Heil" vermitteln kann und/oder will - wo sie doch so viel Unheil gefördert bzw. nicht verhindert hat. 

 

vor 11 Minuten schrieb laura:

Dass ich diese Sichtweise nicht teile, dürfte klar sein. Aber sie ist zumindest in sich schlüssig... 

 

Ja, die RKK steckt offenbar noch in einer anderen gesellschaftlichen "Realität" fest. Bis heute.

 

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vor 35 Minuten schrieb Die Angelika:

Aus dem Schreiben von Benedikt  XVI. zum Beginn des Priester Jahres 2009:

Der komplette Text hier

 

Abgesehen davon, dass der Text fürchterlich schwulstig und aus meiner Sicht schon fast peinlich ist, fällt mir auf, dass der Papst ausschließlich auf das "Leid der Kirche" rekurriert, nicht aber auf das individuelle Leid der Gläubigen, die durch fehlhandelnde Priester in ihrem Leben beeinträchtigt werden und die einen Anspruch auf Aufklärung haben könnten.

 

Mag sein, dass eine solche Einstellung in früherer Zeit nicht beanstandet wurde, aber im Jahr 2009 ist das dann doch etwas daneben.

 

vor 35 Minuten schrieb Die Angelika:

Könnte diese Einstellung etwas mit dem Verhalten beim Thema Missbrauch und Aufklärung zu tun haben? 

 

Da steckt ein gemeinsames Prinzip dahinter, ja.

 

 

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vor 25 Minuten schrieb Lothar1962:
vor 40 Minuten schrieb laura:

Dass ich diese Sichtweise nicht teile, dürfte klar sein. Aber sie ist zumindest in sich schlüssig... 

 

Ja, die RKK steckt offenbar noch in einer anderen gesellschaftlichen "Realität" fest. Bis heute.

 

Eine andere Sichtweise ist Sakramententheologisch nicht möglich. Denn wir sind alle Sünder, auch die Sakramentenspender. Von daher kann Sakramentenspendung nur unabhängig von der Disposition des Spenders gültig sein. Ob es Sünder gibt, von denen ich keine Sakramente empfangen möchte ist eine andere Frage.

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vor 27 Minuten schrieb Lothar1962:

Wobei sich einige Leute nun fragen werden, ob eine Organisation, die so viel Aufwand in die aktive Ignoranz von entsprechenden Taten steckte, überhaupt noch "das Heil" vermitteln kann und/oder will - wo sie doch so viel Unheil gefördert bzw. nicht verhindert hat. 

 

Die 'aktive Ignoranz' ist, wie Du oben schon geschrieben hast, ein allgemeines gesellschaftliches Problem. Von daher halte ich Herangehensweisen, die nur auf die spezifisch kirchliche Situation eingehen von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

Im Umgang mit Sünde und Sündern, auch mit eigenen Sünden, hat die Kirche eigentlich zwei Jahrtausende Erfahrung - ich halte Umkehr nicht nur für nötig sondern auch für möglich.

Und: Wer in Kirche nur (noch) die missbrauchsvertuschende Großorganisation sieht, der ist von den Erfahrungsmöglichkeiten des Heils in ihr sowieso weit weg.

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vor 31 Minuten schrieb Moriz:

Eine andere Sichtweise ist Sakramententheologisch nicht möglich.

 

Das meinte ich nicht. Das sehe ich wie Du, obwohl ich den Begriff der "Gültigkeit von Sakramenten" weder mag, noch nutze, noch theologisch für sinnvoll halte. 

 

vor 31 Minuten schrieb Moriz:

Ob es Sünder gibt, von denen ich keine Sakramente empfangen möchte ist eine andere Frage.

 

Das meinte ich auch nicht - ist aber natürlich auch ein wichtiger Punkt.

 

Nein, ich meinte damit, dass die Kirche deswegen die Vorhaben totschweigt, um den Leuten keinen Anstoß zu geben, in der Hoffnung darauf, dass sie das entsprechende Fehlverhalten auch als entweder unwesentlich oder gar durch äußere Umständen verursacht ansieht. Eine solche Einschätzung mag früher hingenommen worden sein, heute funktioniert das nicht mehr.

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vor 30 Minuten schrieb Moriz:

Die 'aktive Ignoranz' ist, wie Du oben schon geschrieben hast, ein allgemeines gesellschaftliches Problem.

 

Natürlich.

 

vor 30 Minuten schrieb Moriz:

Von daher halte ich Herangehensweisen, die nur auf die spezifisch kirchliche Situation eingehen von vorne herein zum Scheitern verurteilt.

 

Das sehe ich anders. Klar ist: Zustände, die in der bürgerlichen Gesellschaft hingenommen werden, wird man in der Kirche nicht sehr umfangreich bekämpfen können (und wollen). Allerdings sehe ich ebenso, dass die Zustände der aktiven Ignoranz sich in der RKK zu einem solch monströsen Umfang aufgehäuft haben, dass man ohne Verweise auf andere Kirchen, die Zivilgesellschaft oder Ähnlichem nachfragen muss, wie es gerade in der Kirche zu einer solchen Häufung gekommen sein konnte. Und da spielen kirchenspezifische Situationen durchaus eine Rolle - zumindest bei der Vertuschung. 

 

vor 30 Minuten schrieb Moriz:

Im Umgang mit Sünde und Sündern, auch mit eigenen Sünden, hat die Kirche eigentlich zwei Jahrtausende Erfahrung - ich halte Umkehr nicht nur für nötig sondern auch für möglich.

 

Umkehr ist immer nötig und möglich, und im stark erweiterten Sinne betrifft das ja nicht nur Gläubige, sondern jeden Menschen. Diejenigen, die keine Christen sind, sprechen nur üblicherweise nicht von Sünden, sondern z.B. vom Paradigmenwechsel. Von Gedankensystemen und Verhaltensmustern sollte man sich trennen, wenn sie einem mehr Ärger als Nutzen einbringen. Als Mensch, nicht nur als Christ. 

 

 

vor 30 Minuten schrieb Moriz:

Und: Wer in Kirche nur (noch) die missbrauchsvertuschende Großorganisation sieht, der ist von den Erfahrungsmöglichkeiten des Heils in ihr sowieso weit weg.

 

Ja. Versteh mich nicht falsch: Ich freue mich über alle, die im letzten Jahr aus der RKK in unsere Kirche eingetreten sind, weil sie das Heil in ihrer RKK nicht mehr erfahren konnten. So, wie es aussieht, werden es dieses Jahr noch mehr, möglicherweise tritt auch der eine oder andere einer EKD-Kirche oder einer Ostkirche bei (letzteres, meine ich, auch bereits vernommen zu haben).

Ich verstehe Deine Aussage so, als dass Du diese Menschen als Glieder der RKK auch dann, wenn sie eigentlich gläubig sind, abgeschrieben hast - was aber letztlich dazu führen wird, dass noch weniger Menschen die RKK als herausgehobene christliche Kirche verstehen werden, sondern als Mitbewerberin im Wettbewerb der Glaubensvermittler. 

Kann man so sehen, dürfte aber dazu führen, dass die RKK damit mehr Probleme bekommen wird, ihre Leute zusammen zu halten. 

 

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vor 2 Stunden schrieb Lothar1962:
vor 3 Stunden schrieb Moriz:

Und: Wer in Kirche nur (noch) die missbrauchsvertuschende Großorganisation sieht, der ist von den Erfahrungsmöglichkeiten des Heils in ihr sowieso weit weg.

[...]

Ich verstehe Deine Aussage so, als dass Du diese Menschen als Glieder der RKK auch dann, wenn sie eigentlich gläubig sind, abgeschrieben hast - was aber letztlich dazu führen wird, dass noch weniger Menschen die RKK als herausgehobene christliche Kirche verstehen werden, sondern als Mitbewerberin im Wettbewerb der Glaubensvermittler. 

Ich würde ja davon ausgehen, daß jemand, der 'eigentlich gläubig' ist, auch in der RKK mehr sieht als eine 'missbrauchsvertuschende Großorganisation'.

Wobei ich es durchaus für möglich halte, daß es Manchen relativ egal ist, in welcher der Kirchen sie ihren Glauben leben. Fürchte aber, daß sie beim Wechsel vom Regen in die Traufe kommen könnten. (Wie sieht die Missbrauchsstatistik der AKK der letzen Jahrzehnte im Vergleich zur RKK aus?)

bearbeitet von Moriz
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vor 2 Stunden schrieb Lothar1962:

Abgesehen davon, dass der Text fürchterlich schwulstig und aus meiner Sicht schon fast peinlich ist, fällt mir auf, dass der Papst ausschließlich auf das "Leid der Kirche" rekurriert, nicht aber auf das individuelle Leid der Gläubigen, die durch fehlhandelnde Priester in ihrem Leben beeinträchtigt werden und die einen Anspruch auf Aufklärung haben könnten.

 

Mag sein, dass eine solche Einstellung in früherer Zeit nicht beanstandet wurde, aber im Jahr 2009 ist das dann doch etwas daneben.

 

Ich sehe eher Deine Sichtweise als daneben an. Denn wenn Benedikt hier von Kirche schreibt, meint er die gesamte Kirche, die zu >99% aus Laien besteht. Diese leidet, nicht der Kirchenapparat.

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vor 2 Stunden schrieb Moriz:

m Umgang mit Sünde und Sündern, auch mit eigenen Sünden, hat die Kirche eigentlich zwei Jahrtausende Erfahrung - ich halte Umkehr nicht nur für nötig sondern auch für möglich.

 

Ja, im Umgang mit Sünde und Sündern hat die Kirche (und da meine ich wieder nicht exklusiv die rk Kirche) zwei Jahrtausende Erfahrung, die Menschheit allerdings auch. 

Das große Problem ist, dass negative Erfahrungen im Gedächtnis besser haften bleiben als positive.

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vor 2 Stunden schrieb Lothar1962:

Klar ist: Zustände, die in der bürgerlichen Gesellschaft hingenommen werden, wird man in der Kirche nicht sehr umfangreich bekämpfen können (und wollen).

"Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. 43 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein" Mk. 10, 42-43 (zitiert von [klick])

 

Machtmissbrauch (um den geht es immer bei sexualisierter Gewalt) darf es in der Kirche nicht geben.

Wenn Machtmissbrauch - besonders in dieser Form - gesellschaftlich hingenommen wird, muss es für die Kirche heissen diesen in der Kirche umfänglich bekämpfen zu wollen, muss es der Kirche gelingen diesen zu bekämpfen.

Von daher gilt was Rainer M. Schiessler bereits ganz zu Beginn des Missbrauchsskandal in der Kirche sagte: "sexueller Missbrauch ist immer schlimm und er ist besonders schlimm wenn er bei uns passiert."

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vor 2 Minuten schrieb Frank:

Machtmissbrauch (um den geht es immer bei sexualisierter Gewalt) darf es in der Kirche nicht geben.

Damit hast Du sowas von Recht - und legst gleichzeitig den Finger tief in die Wunde.

 

Wenn es hierzulande noch eine Organisation gibt, die auf Hierarchie und die damit verbundene Macht setzt, dann ist das die RKK, die formal noch im Absolutismus steckt. Und damit ist auch ein erhebliches Maß an Machtmissbrauch möglich, auch in sexueller Hinsicht.

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vor 1 Stunde schrieb Moriz:

Ich würde ja davon ausgehen, daß jemand, der 'eigentlich gläubig' ist, auch in der RKK mehr sieht als eine 'missbrauchsvertuschende Großorganisation'.

Wobei ich es durchaus für möglich halte, daß es Manchen relativ egal ist, in welcher der Kirchen sie ihren Glauben leben. Fürchte aber, daß sie beim Wechsel vom Regen in die Traufe kommen könnten. (Wie sieht die Missbrauchsstatistik der AKK der letzen Jahrzehnte im Vergleich zu R KK aus?)

 

Na ja Moriz, ich denke, dass es eine Frage der persönlichen Leidensfähigkeit- oder -willigkeit ist.

Dass Opfer das kaum noch anders sehen können, dürfte verständlich sein. Dass es bisweilen auch Angehörigen von Opfern so geht, ebenfalls. 

Opfer werden vermutlich ohnehin Schwierigkeiten haben, überhaupt noch glauben zu können. 

 

Ich denke allerdings nicht, dass die Thematik Missbrauch und Vertuschung der einzige Grund für eine Konversion sind. Ich vermute eher ein Konglomerat an Gründen, irgendetwas ist halt dann der Auslöser, der es einem verunmöglicht, weiter in der bisherigen Gemeinschaft bleiben zu können.

 

Mit etwas Bauchschmerzen beobachte ich die Verknüpfung des Gedankens der Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung von Missbrauch mit der Sorge um Mitgliederverlust. Das kommt bei mir etwas schräg an. Es sollte mMn um umfassende Aufarbeitung von Missbrauch und umfassende Aufarbeitung von Missbrauch und umfassende Aufarbeitung von Missbrauch gehen und um sonst gar nichts. Wenn diese Arbeit dann zur Folge hat, dass Kirche ihre Mitglieder halten oder sogar wieder gewinnen oder sogar neue gewinnen kann, dann ist das schön. Wenn nicht, dann bleibt die Aufarbeitung trotzdem richtig

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vor 8 Minuten schrieb Die Angelika:

Mit etwas Bauchschmerzen beobachte ich die Verknüpfung des Gedankens der Notwendigkeit einer umfassenden Aufarbeitung von Missbrauch mit der Sorge um Mitgliederverlust.

Diese Verknüpfung sehe ich nicht.

Allerdings sind das die beiden großen Themen, die der Kirchenhierarchie derzeit Sorge bereiten weswegen es mich nicht wundert, wenn sie auch zusammen genannt werden.

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vor 47 Minuten schrieb rorro:

 

Ich sehe eher Deine Sichtweise als daneben an. Denn wenn Benedikt hier von Kirche schreibt, meint er die gesamte Kirche, die zu >99% aus Laien besteht. Diese leidet, nicht der Kirchenapparat.

 

In der von mir zitierten Sprache schreibt Benedikt freilich von der gesamten Kirche. Er schreibt aber in einer Weise von ihr, die den Einzelnen nicht mehr in den Blick nimmt. 

Das durch die "Schwächen ihrer Diener" am einzelnen Kirchenglied verursachte Leid soll zugunsten der Kirche als Gesamt nicht 'eigensinnig' aufgedeckt werden. Eigensinnig scheint mir hier im Sinne von egoistisch verwendet zu werden. Nein, dieses Leid des Einzelnen soll zugunsten des gesamten Leibs Kirche zugedeckt bleiben, der Blick von den Schwächen ihrer Diener (deren Dienst damit nicht einmal in Frage gestellt wird) weg hin zu den "großherzigen Hirten" usw.

 

Klartext:

Es hilft der Gesamtkirche nichts, das Leid des Einzelnen anzuschauen. Am hilfreichsten ist, wegzuschauen und auf das Positive zu sehen.

 

Ich zitiere den Text jetzt bewusst nochmals:

 

Zitat

"Leider gibt es auch Situationen, die nie genug beklagt werden können, in denen es die Kirche selber ist, die leidet, und zwar wegen der Untreue einiger ihrer Diener. Die Welt findet dann darin Grund zu Anstoß und Ablehnung. Was in solchen Fällen der Kirche am hilfreichsten sein kann, ist weniger die eigensinnige Aufdeckung der Schwächen ihrer Diener, als vielmehr das erneute und frohe Bewußtsein der Größe des Geschenkes Gottes, das in leuchtender Weise Gestalt angenommen hat in großherzigen Hirten, in von brennender Liebe zu Gott und den Menschen erfüllten Ordensleuten, in erleuchteten und geduldigen geistlichen Führern."

 

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vor 21 Minuten schrieb Moriz:

Damit hast Du sowas von Recht - und legst gleichzeitig den Finger tief in die Wunde.

 

Wenn es hierzulande noch eine Organisation gibt, die auf Hierarchie und die damit verbundene Macht setzt, dann ist das die RKK, die formal noch im Absolutismus steckt. Und damit ist auch ein erhebliches Maß an Machtmissbrauch möglich, auch in sexueller Hinsicht.

 

 

Und das ist das, was mit systemischen Ursachen gemeint ist.

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