Shubashi Geschrieben 23. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 23. Januar 2023 1 hour ago, rorro said: Also bedeutet das, daß es in meinen Augen schon einiges gibt, anderes noch gar nicht gibt - und nichts wirklich mit Lehränderungen zu tun hat. Was mich wirklich fasziniert, ist, dass Du anscheinend überhaupt keine Beziehung zwischen „Glaubwürdigkeitsanspruch“ und „Wahrheitsanspruch“ einer Lehre zu sehen scheinst. Wie soll bitte eine Kirche, der niemand etwas glaubt, beanspruchen können, dass ihre Lehren „wahr“ seien? Der antike „deus ex machina“ setzt ein ziemlich wohlwollendes, glaubensbereites Publikum voraus, um zu wirken. Wo das fehlt, braucht es zumindest einen sehr gut vermittelnde Inszenierung. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Frank Geschrieben 25. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 25. Januar 2023 Erzbistum München will in brisantem Missbrauchsfall Schadensersatz leisten Nach Köln stellt sich nun auch das Erzbistum München den gerichtlichen Schadensersatzforderungen eines Missbrauchsbetroffenen. Man wolle eine »angemessene Lösung« finden, heißt es. Experten erwarten eine Klagewelle. Vor dem Landgericht Traunstein läuft derzeit ein Zivilverfahren um Haftungsfragen für das erlittene Leid von Missbrauchsopfern. Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Erzbistum München in diesem Fall nicht auf Verjährung plädieren wird. Es sei fristgerecht eine Klageerwiderung eingereicht worden, hieß es. Das bedeutet: Die Kirche stellt sich dem Verfahren. [...] Spiegel.de 25. Januar 2023 [klick] Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 27. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 27. Januar 2023 On 1/25/2023 at 7:19 PM, Frank said: Erzbistum München will in brisantem Missbrauchsfall Schadensersatz leisten Nach Köln stellt sich nun auch das Erzbistum München den gerichtlichen Schadensersatzforderungen eines Missbrauchsbetroffenen. Man wolle eine »angemessene Lösung« finden, heißt es. Experten erwarten eine Klagewelle. Vor dem Landgericht Traunstein läuft derzeit ein Zivilverfahren um Haftungsfragen für das erlittene Leid von Missbrauchsopfern. Am Mittwoch wurde bekannt, dass das Erzbistum München in diesem Fall nicht auf Verjährung plädieren wird. Es sei fristgerecht eine Klageerwiderung eingereicht worden, hieß es. Das bedeutet: Die Kirche stellt sich dem Verfahren. [...] Spiegel.de 25. Januar 2023 [klick] Wir hatten hier ja mal eine ziemlich starke Juristenfraktion.....leider weiß ich nicht genau, wie der Verjährungsverzicht sich auswirkt (z.B. auf eine möglich 2. Instanz) und wie Schadensersatzansprüche und Schmerzensgelder sich berechnen. Eine mögliche Skala des gerichtlichen Schmerzensgeld-Verfahrens ergibt sich z.B. hier. Ich denke aber, es wäre auch im Sinne der Opfer ein Fehler, allein auf Gerichtsverfahren zu setzen - einerseits dürfte ein gerichtliches Beweiserhebungsverfahren erhebliche Ansprüche (auch kostenmäßig) stellen, zum anderen möchte sich vermutlich kaum jedes Opfer einem öffentlichen Verfahren stellen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 27. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 27. Januar 2023 vor 2 Stunden schrieb Shubashi: Ich denke aber, es wäre auch im Sinne der Opfer ein Fehler, allein auf Gerichtsverfahren zu setzen - einerseits dürfte ein gerichtliches Beweiserhebungsverfahren erhebliche Ansprüche (auch kostenmäßig) stellen, zum anderen möchte sich vermutlich kaum jedes Opfer einem öffentlichen Verfahren stellen. So gut ich das nachvollziehen kann: Damit ergeben sich diverse Probleme. Andernorts hat man mit Schlichtungsverfahren gute Erfahrungen gemacht: Man versucht, sich gütlich zu einigen und wenn das keinen Erfolg hat steht der Klageweg offen. Am Ende kann aber nur ein Gericht gegen die Vorstellungen eines Beteiligten ein Urteil fällen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 27. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 27. Januar 2023 2 minutes ago, Moriz said: So gut ich das nachvollziehen kann: Damit ergeben sich diverse Probleme. Andernorts hat man mit Schlichtungsverfahren gute Erfahrungen gemacht: Man versucht, sich gütlich zu einigen und wenn das keinen Erfolg hat steht der Klageweg offen. Am Ende kann aber nur ein Gericht gegen die Vorstellungen eines Beteiligten ein Urteil fällen. Soweit ich gelesen habe, fordert der Geschädigte 750.000 EUR Schadensersatz. Als Schmerzensgeld wäre es außerhalb jedes bisher üblichen Rahmens, als Schadensersatz müssen aber Schäden konkret, ursächlich und detailliert nachgewiesen werden. Sowas ist außerordentlich schwierig, d.h. in dieser Hinsicht wird der Kläger vermutlich enttäuscht werden. Die Frage ist also, ob jedes Opfer die Nerven hat so einen Kampf durchzustehen; so wichtig eine rechtliche Präzedenz ist - als alleiniger Weg könnte es dazu führen, dass viele Opfer gar nichts bekommen, weil zu langwierig und belastend. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 27. Januar 2023 Melden Share Geschrieben 27. Januar 2023 (bearbeitet) Die geforderten 750.000 € sind nur gerechtfertigt, wenn ein tatsächlicher Schaden in dieser Höhe nachgewiesen wird. Die in den USA üblichen Beträge lassen sich nicht vergleichen (ganz andere Rechtsphilosophie). In einem Schiedsverfahren (mein Eindruck ist, daß die hiesigen Bistümer vergleichbare Verfahren haben) kann der potentielle Schädiger natürlich auf einen gerichtsfesten Schadensnachweis verzichten und eine ihm angemessen scheinende Summe anbieten. Mein Eindruck ist, die Bistümer tun das auch. Wird diese abgelehnt, dann bleibt nur das Gerichtsverfahren. bearbeitet 27. Januar 2023 von Moriz Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 2. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 2. Februar 2023 Zur Angemessenheit der kirchlichen Zahlungen im Vergleich - klick 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 4. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 4. Februar 2023 Lesenswert: Strafbare Beteiligung an Sexualdelikten gehorsamspflichtiger Kleriker Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Wunibald Geschrieben 4. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 4. Februar 2023 Sehr lesenswert! "Das Gutachten liest sich in dieser Passage wie eine mangelhafte Hausarbeit aus studentischer Feder: Lange Ausführungen und viele Nachweise bei Banalitäten und Definitionen, aber kaum etwas an Begründung und Nachweisen, wo es „ans Eingemachte“ geht. " ... "sie verschweigen die Kriterien einer BGH-Entscheidung, aus denen sich eine Geschäftsherrenhaftung von Bischöfen ohne Weiteres ableiten lässt und die der federführende Gutachter in seiner Gesetzeskommentierung als zu weitgehend kritisiert hat, schildern vielmehr nur den Sachverhalt der Entscheidung und legen mit bloßer Behauptung fest, dass ein solches Verhalten keine Geschäftsherrenhaftung auslöst (dies entgegen der anderslautenden Entscheidung des BGH);" Da hat man es mit dem, was man glaubte, der bischöfliche Auftragsgeber wolle das so hören aber schon sehr übertrieben. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Spadafora Geschrieben 4. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 4. Februar 2023 vor 16 Minuten schrieb Wunibald: Sehr lesenswert! "Das Gutachten liest sich in dieser Passage wie eine mangelhafte Hausarbeit aus studentischer Feder: Lange Ausführungen und viele Nachweise bei Banalitäten und Definitionen, aber kaum etwas an Begründung und Nachweisen, wo es „ans Eingemachte“ geht. " ... "sie verschweigen die Kriterien einer BGH-Entscheidung, aus denen sich eine Geschäftsherrenhaftung von Bischöfen ohne Weiteres ableiten lässt und die der federführende Gutachter in seiner Gesetzeskommentierung als zu weitgehend kritisiert hat, schildern vielmehr nur den Sachverhalt der Entscheidung und legen mit bloßer Behauptung fest, dass ein solches Verhalten keine Geschäftsherrenhaftung auslöst (dies entgegen der anderslautenden Entscheidung des BGH);" Da hat man es mit dem, was man glaubte, der bischöfliche Auftragsgeber wolle das so hören aber schon sehr übertrieben. tja was erwartet man wenn man die Bewohner den Saustall selber putzen und Renovieren lässt? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
o_aus_h Geschrieben 22. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 22. Februar 2023 Der Bayerische Rundfunk berichtet: Ratzinger hat 1986 als Chef der Glaubenskongregation unterschrieben, dass der Priester H. die Messe mit Traubensaft zelebrieren durfte. Das Erzbistum hatte diese Sondererlaubnis wegen „absoluter Alkoholunverträglichkeit“ beantragt und auch geschrieben, dass H. „im alkoholisiertem Zustand“ Sexualstraftaten an Kindern begangen habe. H. war da auch bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Er wurde trotzdem weiter im Gemeindedienst eingesetzt. Priester H. war der Fall, den Ratzinger jedenfalls zu seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising nicht gekannt haben will – ich vermute, es war auch der Fall, bei dem durch ein Protokoll nachgewiesen wurde, dass Ratzinger anwesend war, als bei einer Sitzung genau dieser Fall besprochen wurde. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Studiosus Geschrieben 22. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 22. Februar 2023 (bearbeitet) Nur ist dieses neue Zeugnis höchstens ein Beweis dafür, dass Joseph Ratzinger 1986 in seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation mit etwaigen Straftaten des Priesters H. konfrontiert wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Für seine Zeit als Erzbischof von München und Freising ist damit keine Änderung der ursprünglichen Zusammenhänge verbunden. Außerdem dürfte das keine besondere Relevanz mehr haben. Joseph Ratzinger besitzt seit dem 31.12.22 keine ladungsfähige Adresse mehr in hoc mundo. bearbeitet 22. Februar 2023 von Studiosus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
o_aus_h Geschrieben 22. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 22. Februar 2023 vor 8 Stunden schrieb Studiosus: Nur ist dieses neue Zeugnis höchstens ein Beweis dafür, dass Joseph Ratzinger 1986 in seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation mit etwaigen Straftaten des Priesters H. konfrontiert wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Für seine Zeit als Erzbischof von München und Freising ist damit keine Änderung der ursprünglichen Zusammenhänge verbunden. Das behauptet der BR auch nicht, wobei ich nicht sicher bin, ob sich Benedikt bei seiner schriftlichen Aussage des Nicht-Kennens ausdrücklich nur auf seine Zeit als Erzbischof bezog. Joseph Ratzinger war aber vermutlich nicht der einzige Mitarbeiter der Glaubenkongregation, der jenes Schreiben aus München gelesen hatte. Wenn da niemand auf die Idee kam, dass ein vorbestrafter Missbrauchstäter gar keine Gemeindedienste mehr abhalten sollte, kann man sich schon fragen, ob eben mindestens noch 1986 bewiesener Missbrauch in den Augen dieser zentralen vatikanischen Behörde kein signifikantes Problem für ein Pfarramt war. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 23. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 23. Februar 2023 Wer keien Zeit hat (wie etwa ich), die münsteraner Studie zu lesen - hier findet sich eine Rezension - mit einigen klaren Aussagen zu hier vieldiskutierten Themen: Zur den Risikofaktoren, Opfer zu werden, zählen: Kinder aus „vulnerablen Gruppen“ (S. 323): Waisen, Geflüchtete und Kinder, die zu Hause misshandelt wurden innerhalb des seelsorglichen Vollzugs die Beichte, die bis 1980 regelmäßiger Bestandteil der Glaubenspraxis bei praktizierenden Katholik:innen war familiäre oder quasi-familiäre Kontexte (der Priester als "Onkel" in einer Familie) Strukturelle Probleme im Umgang der Kirchenleitung mit dem Thema: Der Zölibat und das Priesterideal lassen an die Stelle einer eigenen Familie die Mitbrüder und den Bischof als Familienersatz erscheinen, die sich gegenseitig unterstützen – daraus erklärt sich auch zu einem Teil die Vertuschung und/oder Verharmlosung des sexuellen Missbrauchs durch Bischof und Mitbrüder, die sich in Solidarität mit dem Täter übten. Abschließend: Zitat Im Fazit wird ein katholisches Milieu dafür verantwortlich gemacht, die Grenzen des Sagbaren bestimmt zu haben und damit Missbrauch nicht nur nicht verhindert, sondern auch Scham und Sprachlosigkeit im Hinblick auf Sexualität befördert zu haben. Der Sittlichkeitskosmos des katholischen Milieus ließ Kinder zu leichten Opfern werden. Die Täter brauchten aufgrund ihrer Amtsstellung kaum Angst vor Aufdeckung zu haben. Die Haltung der Institution war somit „intrinsisch täterfreundlich“ (S. 536). Und: Zitat Ein zu konstatierender Rückgang der Missbrauchsfälle seit Mitte der 1980er-Jahre wird auf die Rückläufigkeit der Kirchenbindung und eine Aufweichung des katholischen repressiven Milieus zurückgeführt. Meine Anmerkung: Das hat die Münsteraner Aufarbeitungskommission auf der Basis eines weit schlechteren Datenmaterials erarbeitet als wir das hier haben - aber ich sehe hier nichts anderes. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gerhard Ingold Geschrieben 25. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 25. Februar 2023 Frankreich: Justiz stellt Ermittlungen gegen Kardinal trotz Missbrauchs ein (msn.com) Verjährung soll nach Forderungen aufgehoben werden. Nach meiner Sicht, ist Missbrauch von Kindern wie Mord. Die Opfer sind lebenslänglich traumatisiert. Wie bei Mord sollte daher die Verjährung beseitigt werden. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 26. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 26. Februar 2023 (bearbeitet) vor 18 Stunden schrieb Gerhard Ingold: Frankreich: Justiz stellt Ermittlungen gegen Kardinal trotz Missbrauchs ein (msn.com) Verjährung soll nach Forderungen aufgehoben werden. Nach meiner Sicht, ist Missbrauch von Kindern wie Mord. Die Opfer sind lebenslänglich traumatisiert. Wie bei Mord sollte daher die Verjährung beseitigt werden. Das ist auch eine zu pauschale Aussage. Sexueller Missbrauch kann im schlimmsten Fall äußerst schwerwiegende Folgen haben, in manchen Fällen hingegen sind keine weiteren Folgen feststellbar, und andere Fälle wieder liegen dazwischen. Der Missbrauch durch Geistliche gehört vermutlich eher zu den schweren, weil er gewöhnlich in besonderer Weise auch als Grenzüberschreitung erlebt wird und irritiert (so würde ich das zumindest vermuten). Das Problem ist hier auch, dass die Botschaft, dass man als opfer eines Missbrauchs für sein ganzes Leben schwer traumatisiert sein muss, ebenfalls destruktiv sein kann. Sie ist eine Botschaft der Katastrophe und der Hoffnungslosigkeit. Welche Auswirkungen sexueller Missbrauch hat, hängt aber wohl von unterschiedlichen Faktoren ab. Die Frage, in welchem Ausmaß der Missbrauch in seinen jeweiligen Formen zu Problemen führt, scheint zudem (nicht nur wissenschaftlich, sondern auch politisch) umstritten zu sein, wie etwa die "Rind et al. controversy" nahelegt: https://en.wikipedia.org/wiki/Rind_et_al._controversy (Ich würde Interessierten raten, den ganzen Artikel zu lesen, nicht nur die Zusammenfassung, vor allem auch den Abschnitt "Academic criticism and response".) bearbeitet 26. Februar 2023 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gerhard Ingold Geschrieben 26. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 26. Februar 2023 vor 3 Stunden schrieb iskander: Das ist auch eine zu pauschale Aussage. Sexueller Missbrauch kann im schlimmsten Fall äußerst schwerwiegende Folgen haben, in manchen Fällen hingegen sind keine weiteren Folgen feststellbar, und andere Fälle wieder liegen dazwischen. Der Missbrauch durch Geistliche gehört vermutlich eher zu den schweren, weil er gewöhnlich in besonderer Weise auch als Grenzüberschreitung erlebt wird und irritiert (so würde ich das zumindest vermuten). Das Problem ist hier auch, dass die Botschaft, dass man als opfer eines Missbrauchs für sein ganzes Leben schwer traumatisiert sein muss, ebenfalls destruktiv sein kann. Sie ist eine Botschaft der Katastrophe und der Hoffnungslosigkeit. Welche Auswirkungen sexueller Missbrauch hat, hängt aber wohl von unterschiedlichen Faktoren ab. Die Frage, in welchem Ausmaß der Missbrauch in seinen jeweiligen Formen zu Problemen führt, scheint zudem (nicht nur wissenschaftlich, sondern auch politisch) umstritten zu sein, wie etwa die "Rind et al. controversy" nahelegt: https://en.wikipedia.org/wiki/Rind_et_al._controversy (Ich würde Interessierten raten, den ganzen Artikel zu lesen, nicht nur die Zusammenfassung, vor allem auch den Abschnitt "Academic criticism and response".) Die Rind-Studie wurde gemäß Artikel von pädophilen Befürwortern missbraucht. Mir zeigt die Studien ein mal mehr, dass Psychologie keine exakte Wissenschaft ist. Das bestätigt meine Erfahrung: Schon damals während meiner dritten Ausbildung (1984-1987) gab es ca. 500 unterschiedliche psychologische Richtungen. Was Traumata im Unterbewusstsein für Auswirkungen haben, ist ein weites Feld. Nun bin ich nicht Psychiater, sondern nur Pflegefachmann Psychiatrie. Meine Erfahrungen mit vielen Boderline-Erkrankten sehe ich entsprechend kritisch. Bei diesen Boderline-Erkrankten stand immer Wohlstandsverwahrlosung (eine Form von Misshandlung), Misshandlungen und Missbräuche im Hintergrund. Andere, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, können später unter Rückenschmerzen ohne Befund, Magenschmerzen ohne Befund, Depressionen, Alkoholismus, andere Suchterkrankungen usw. leiden. Verdrängte Traumata sind nicht aus der Welt, wenn man sich der Verletzungen der Kindheit nicht mehr bewusst ist. Darum bin ich wie so oft hin und her gerissen, wenn es um Strafen oder eben um Aufhebung von Verjährung geht. Ich tendiere im Moment eher zur Aufhebung von Verjährung. Das kann sich aber bei mehr fundierten Wissen ändern. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 (bearbeitet) Ich halte Verjährungsfristen prinzipiell für sehr sinnvoll. Die Aufklärung eines Verbrechens wird mit der Zeit nämlich nicht einfacher und die Bewertung der individuellen Schuld erst recht nicht. Sonst kommt es zu so problematischen Urteilen wie unlängst hierzulande, wo eine Frau, die in jungen Jahren als Sekretärin in einen KZ gearbeitet hatte (arbeiten musste?) mit 97 wegen Beihilfe zum Mord verknackt wurde (übrigens nach Jugendstrafrecht, was das Ganze erst recht ad absurdum führt). Nach so einer langen Zeit halte ich eine rechtliche Aufarbeitung für sehr problematisch, man sollte andere Wege finden. Die Südafrikanischen Wahrheitskommissionen sind z.B. ein interessantes Beispiel. So etwas könnte ich mir auch zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen vorstellen. Dazu kommt, daß es vielen Opfern um die (ideelle) Anerkennung ihres Leides geht und die Bestrafung der Täter zweitrangig ist. Aber das ist weder Aufgabe noch eigentliches Ziel des Strafrechtes. bearbeitet 28. Februar 2023 von Moriz Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 (bearbeitet) vor 29 Minuten schrieb Moriz: Die Südafrikanischen Wahrheitskommissionen sind z.B. ein interessantes Beispiel. Da muss ich nun sagen, dass ich in diesem Punkt eher skeptisch bin. Ich halte es schon für angemessen und richtig, Verbrechen auch zu bestrafen. Alles andere läuft m.E. auch auf eine Missachtung des Opfers hinaus. Man muss eben das rechte Maß finden. Zu viel Härte ist sicher falsch, aber zu viel milde auch. Im Kontext von sexuellem Missbrauch würde ich das eben auch differenziert sehen, und darum ging es mir ursprünglich. Wenn jemand ein fünfjähriges Kind ins Gebüsch zieht und brutal vergewaltigt, ist das m.E. ein schwere Verbrechen, und da wäre ich auch dafür, dass das - wenn überhaupt - erst nach sehr langer Zeit verjährt. Andererseits: Wenn jemand etwas mit einem Jugendlichen macht, was er vielleicht erst hätte machen dürfen, wenn der Jugendliche noch zwei Monate älter gewesen wäre, und wenn der Jugendliche das aber gut fand, auch im Nachhinein in Ordnung findet und auch keine Anzeichen von Leid zeigt: Soll man das dann wirklich noch 30 Jahre später verfolgen? bearbeitet 28. Februar 2023 von iskander 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 vor 3 Minuten schrieb iskander: Im Kontext von sexuellem Missbrauch würde ich das eben auch differenziert sehen, und darum ging es mir ursprünglich. Wenn jemand ein fünfjähriges Kind ins Gebüsch zieht und brutal vergewaltigt, ist das m.E. ein schwere Verbrechen, und da wäre ich auch dafür, dass das - wenn überhaupt - erst nach sehr langer Zeit verjährt. Sowas gehört sofort angezeigt - schon alleine um die Beweise zu sichern. Gut, das wird man gemacht haben, ohne den Täter ermitteln zu können (eher ungewöhnlich, denn Kindesmissbrauch findet weitestgehend im sozialen Umfeld statt, der "böse, fremde Mann" ist wohl eher die Ausnahme). Sollte der Täter später doch noch ermittelt werden können (z.B. durch eine nachträgliche DNA-Untersuchung von Tatspuren), dann wäre ggf. zu argumentieren, warum z.B. eine schwere oder gar gefährliche Körperverletzung verjährt sein sollte, Missbrauch aber nicht. vor 8 Minuten schrieb iskander: Andererseits: Wenn jemand etwas mit einem Jugendlichen macht, was er vielleicht erst hätte machen dürfen, wenn der Jugendliche noch zwei Monate älter gewesen wäre, und wenn der Jugendliche das aber gut fand, auch im Nachhinein in Ordnung findet und auch keine Anzeichen von Leid zeigt: Soll man das dann wirklich noch 30 Jahre später verfolgen? Dies muß vom Gericht individuell bewertet werden. Dazu ist es nötig, dem Gericht den nötigen Spielraum zu lassen und z.B. keine zu hohe Mindeststrafe vorzusehen. (Es gibt da doch diesen Bundesstaat in den USA, für den schon das Foto der Brust einer Jugendlichen unter 16 als Kinderpornografie gilt und zwingend erheblich bestraft werden muß. Was auch die dummen Fünfzehnjährigen trifft, die ihrem Freund ein 'oben ohne'-Foto über soziale Netzwerke zukommen lassen.) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Moriz Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 vor 13 Minuten schrieb iskander: Da muss ich nun sagen, dass ich in diesem Punkt eher skeptisch bin. Ich halte es schon für angemessen und richtig, Verbrechen auch zu bestrafen. Alles andere läuft m.E. auch auf eine Missachtung des Opfers hinaus. Man muss eben das rechte Maß finden. Zu viel Härte ist sicher falsch, aber zu viel milde auch. In sofern sind die südafrikanischen Wahrheitskommissionen tatsächlich ein schlechtes Beispiel. Aber die waren eine Möglichkeit, auch schwerste Verbrechen aufzuklären und zu einer Befriedung der Bevölkerung beizutragen (es ging wohl häufig auch um schwere Körperverletzung und Mord). Andererseits wachsen mit der Zeit unweigerlich die Probleme, zu einem gerechten Urteil zu kommen und mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen ist am Ende auch niemandem geholfen. Deswegen halte ich angemessene Verjährungsfristen für sinnvoll. Darüber hinaus müssen andere Wege der Aufarbeitung gefunden werden. Die katholische Kirche geht da meiner Meinung nach mit gutem Beispiel voran. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 (bearbeitet) vor 46 Minuten schrieb Moriz: (Es gibt da doch diesen Bundesstaat in den USA, für den schon das Foto der Brust einer Jugendlichen unter 16 als Kinderpornografie gilt und zwingend erheblich bestraft werden muß. Was auch die dummen Fünfzehnjährigen trifft, die ihrem Freund ein 'oben ohne'-Foto über soziale Netzwerke zukommen lassen.) In den USA gilt in manchen Bundesstaaten ein 18-Jähriger, der mit seiner 17-jährigen Freundin schläft, als "sex offender", der auf öffentliche Listen oder u.U. sogar ins Gefängnis kommt. Das zeigt halt, dass man auch vorsichtig sein muss, nicht auf der anderen Seite vom Pferd herunterzufallen. Ich finde es grundsätzlich sehr gut, dass man das Thema sexuellen Missbrauch heutzutage ernster nimmt als früher, aber man muss die Sache auch mit dem notwendigen Augenmaß angehen. Vor einiger Zeit gab es auch den Fall eines 17-Jährigen Amerikaners, der behauptet, von einer Schauspielerin "missbraucht" worden und dadurch schwer traumatisiert worden zu sein. Wenn seine Schilderung stimmt, würde ich sagen, dass er einfach "verführt" wurde, und in Europa wäre er höchstwahrscheinlich niemals auf die Idee gekommen, sich als Opfer oder gar schwer traumatisiert zu fühlen. (Wenn er sich denn wirklich traumatisiert fühlt; manche meinen auch, ihm ginge es um Publicity und Geld.) Das soll nicht zynisch klingen, aber ich denke, man kann manche Dinge auch übertreiben, und damit tut man dann letztlich auch niemandem einen Gefallen. vor 46 Minuten schrieb Moriz: Sollte der Täter später doch noch ermittelt werden können (z.B. durch eine nachträgliche DNA-Untersuchung von Tatspuren), dann wäre ggf. zu argumentieren, warum z.B. eine schwere oder gar gefährliche Körperverletzung verjährt sein sollte, Missbrauch aber nicht. Hier würde ich umgekehrt fragen, warum jemand, der einen anderen Menschen lebenslang in den Rollstuhl bringt, ohne jegliche Strafe davonkommen soll, nur weil es ihm gelungen ist, seine Schuld einige Jahre vor der Justiz zu verstecken. Ich hielte es zwar für absurd, wenn man nach vielen Jahren jemanden noch verfolgt, der mal einen Kaugummi geklaut hat, aber bei Aktionen, mit denen man anderen Menschen absichtlich und brutal (schwer) schädigt, wäre ich persönlich nicht so großzügig mit Verjährungen. vor 40 Minuten schrieb Moriz: In sofern sind die südafrikanischen Wahrheitskommissionen tatsächlich ein schlechtes Beispiel. Aber die waren eine Möglichkeit, auch schwerste Verbrechen aufzuklären und zu einer Befriedung der Bevölkerung beizutragen (es ging wohl häufig auch um schwere Körperverletzung und Mord). Die Frage wäre für mich, wieso es zu einer Befriedung nötig ist, Schwerverbrecher ungestraft fortkommen zu lassen. Sollte die weiße Minderheit wirklich so viel Sympathie für diese Leute empfinden, dass sie mit Nachdruck auf deren Straflosigkeit besteht? Dann kann es aus meiner Sicht ohnehin keine echte Befriedung geben, welche diesen Namen verdient. vor 40 Minuten schrieb Moriz: Andererseits wachsen mit der Zeit unweigerlich die Probleme, zu einem gerechten Urteil zu kommen und mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen ist am Ende auch niemandem geholfen. Wenn nicht genügend Beweise da sind, kann ohnehin keine Anklage erhoben werden werden. Aber abgesehen davon würde ich wie gesagt eine Strafverfolgung nach bei "weniger gravierenden" Taten nach Jahrzehnten auch nicht für sinnvoll halten. bearbeitet 28. Februar 2023 von iskander Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Studiosus Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 Ich denke, dass man hier eine gewisse Mitte finden und auch wahren sollte. Natürlich sind schwerste Verbrechen, die Vergewaltigungen von Kindern durch Priester beinhalten, härter zu verfolgen und zu bestrafen als konsensuelle Beziehungen zwischen Heranwachsenden und Klerikern, auch wenn keine Volljährigkeit nach dem Gesetz vorliegt. Das soll es ja tatsächlich auch geben. Und das muss der Staat nach seinen Rechtsvorgaben judizieren. Ein ganz anderes Thema ist es, dass gerade Priester auch den Maßgaben ihrer Kirche gerecht werden sollten. So vor allem der Zölibatsverpflichtung. Und hier ist eben auch eine konsensuelle Beziehung oder eine "Verführung", die direkt nicht das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung verletzt, ein veritables Problem. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder natürlich sowieso, das dürfte unstrittig sein. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gerhard Ingold Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 vor 1 Stunde schrieb Studiosus: Ich denke, dass man hier eine gewisse Mitte finden und auch wahren sollte. Natürlich sind schwerste Verbrechen, die Vergewaltigungen von Kindern durch Priester beinhalten, härter zu verfolgen und zu bestrafen als konsensuelle Beziehungen zwischen Heranwachsenden und Klerikern, auch wenn keine Volljährigkeit nach dem Gesetz vorliegt. Das soll es ja tatsächlich auch geben. Und das muss der Staat nach seinen Rechtsvorgaben judizieren. Ein ganz anderes Thema ist es, dass gerade Priester auch den Maßgaben ihrer Kirche gerecht werden sollten. So vor allem der Zölibatsverpflichtung. Und hier ist eben auch eine konsensuelle Beziehung oder eine "Verführung", die direkt nicht das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung verletzt, ein veritables Problem. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder natürlich sowieso, das dürfte unstrittig sein. Man sollte sich vor allem in Opfer von Missbrauch oder Misshandlung einfühlen. Was ich bei Patienten erlebt habe, war immer erschütternd. Mädchen gaben sich oft selbst die Schuld und bestraften sich teils mit kleinen Schnitten an Armen. Das heißt, Frauen reagierten meist mit Autoaggression und Männer eher mit Aggression auf Mitmenschen. Sowohl als auch versuchten sie ihre innere Leere mit sexuellen Eskapaden, Prostitution, Drogen und Alkohol zu kompensieren. Missbrauchs- und Misshandlungsopfer (Wohlstandverwahrlosung ist auch Misshandlung) gehörten zudem zu den meist schwierigen Patienten. Sie hatten teils Halluzinationen, die schnell wieder verschwanden, Depressionen usw. Was man Menschen mit Missbrauch und Misshandlung antut, verfolgt Opfer ihr ganzes Leben. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
iskander Geschrieben 28. Februar 2023 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2023 vor 2 Stunden schrieb Studiosus: Ein ganz anderes Thema ist es, dass gerade Priester auch den Maßgaben ihrer Kirche gerecht werden sollten. So vor allem der Zölibatsverpflichtung. Und hier ist eben auch eine konsensuelle Beziehung oder eine "Verführung", die direkt nicht das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung verletzt, ein veritables Problem. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder natürlich sowieso, das dürfte unstrittig sein. Denkwürdigerweise scheinen einige Priester sexuelle Interaktionen mit Kindern, die keinen Geschlechtsverkehr beinhaltet haben (sondern "nur" so was wie gemeinsames Masturbieren), nicht als Zölibatsbruch gesehen zu haben. Und formal ist das ja auch korrekt. Sie haben ja nicht geheiratet, sondern "nur" gegen ihre Keuschheits-Pflicht verstoßen. Wobei ich damit nicht die Verantwortung auf die Kirche schieben möchte; sie dürfte kaum gesagt haben, dass der sexuelle Missbrauch besser sei als eine Heirat ohne Dispens. Aber die Leute biegen sich die Sachen teils halt auch zurecht. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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