Jump to content

Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

Recommended Posts

vor einer Stunde schrieb Studiosus:

Das wurde doch schon gefühlt tausendmal durchgekaut, also die Theorie dahinter: In der kommenden Welt wird nicht mehr geheiratet. Schriftstelle bitte selber suchen. Der Priester vollzieht den Sprung in diese Welt sozusagen proleptisch, an ihm wird das bereits hier als Prägustation "ablesbar". Damit wird, ich betone in der Theorie, der zölibatäre Priester zu einer Art Symbol und Grenzgänger zwischen dem noch-menschlich Kontingenten und dem schon-englisch* Übernatürlichen.

 

Wie bereits dargelegt, kann man aber allein daraus, dass ein bestimmtes Merkmal X den Engeln oder den Menschen der künftigen Welt nicht zukommt, unmöglich folgern, dass ein heutiger Mensch, welcher das entsprechende Merkmal X ebenfalls nicht besitzt, dadurch der künftigen Welt oder den Engeln in irgendeinem relevanten Sinne auch nur einen Millimeter näherstünde oder irgendetwas "Himmlisches" präsentieren würde. Siehe dazu auch meine Ausführungen von vorhin in meinem vorletzten Beitrag. 

 

Ansonsten müsste man behaupten, dass Menschen, die keine Hüte tragen oder nicht schwimmen gehen, den Engeln und der künftigen Welt) näherstehen und etwas von ihr "ablesbar" machen, weil ja die Engel und (vermutlich) auch die Menschen in der künftigen Welt ebenfalls keine Hüte tragen und ebenfalls auch nicht schwimmen gehen.

 

Kein Mensch wird aber doch ernsthaft behaupten wollen, dass das Nicht-Tragen eines Hutes oder der Verzicht auf das Schwimmen eo ipso den Menschen Gott und der Heiligkeit auch nur ein Jota näher bringen würden, und dass es deshalb anzuraten sei, auf Hüte und Schwimmengehen (und auf Schachspielen und Musizieren usw.) zu verzichten.

 

Der Grund ist denkbar einfach: Das Nicht-Tragen von Hüten und das Nicht-Schwimmen-Gehen stellen keine (himmlischen) Güter dar, sondern reine "Negativa".

Der Mensch, der nicht schwimmt und keinen Hut trägt, hat eben nicht mehr Gotteserkenntnis, nicht mehr Heiligkeit, nicht mehr Weisheit usf. - er besitzt also keine Gemeinsamkeit mit den Engeln oder den Menschen der "himmlischen Zukunft", die in irgendeiner Weise RELEVANT wäre.

 

Zwar besitzt ein solcher Mensch in der Tat zwei Gemeinsamkeiten mit den Engeln und Menschen der künftigen Welt - eben das Nicht-Tragen von Hüten und das Nicht-Schwimmen mit den Engeln - nur sind diese beiden Gemeinsamkeiten eben völlig belanglos und "erheben" den Menschen auch nicht in irgendeiner Weise oder irgendeinem Sinne.

 

Eine Bereicherung stellt das Nicht-Vorhandensein von etwas nur dann dar, wenn dieses fragliche "Etwas" ein Übel ist oder ein Hindernis für ein Gut. Diese Bedingungen sind beim Tragen von Hüten und beim Schwimmengehen (jedenfalls normalerweise) aber ganz sicher nicht erfüllt.

 

Und hier erhebt sich die Frage: Inwiefern stellen Ehe und Sexualität denn nun Übel dar oder verhindern das Gute?

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Minuten schrieb iskander:

Und hier erhebt sich die Frage: Inwiefern stellen Ehe und Sexualität denn nun Übel dar oder verhindern das Gute?

Ehe und Familie schaffen einen exklusiven privaten Raum mit eigener Kultur (Stichwort protestantisches Pfarrhaus). Das widerspricht dem Idealtyp des katholischen Priesters, der sich mehr am Ordensleben orientiert.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wie gesagt, die hiesigen Zölibatsdiskussionen sind redundant. Hier gilt: es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Ich kann da meinerseits auch nichts Neues sagen, was nicht bereits irgendwo von Kirche oder Theologie gesagt wurde. 

 

Mir ist lediglich wichtig, Zölibat und Ehe nicht gegeneinander auszuspielen. Beides sind zeichenhafte Lebensformen, die über sich selbst hinaus weisen und zum Aufbau der Kirche beitragen. Ich wäre daher nicht dafür, diese Zeichenhaftigkeit und Eindeutigkeit dadurch aufzugeben, dass man beide Lebensformen, etwa in Gestalt verheirater Priester, einander überlagern lässt. Vorbehaltlich der in der lateinischen Kirche gnadenhalber oder um die Konversion nichtkatholischer Geistlicher zu erleichtern gewährten Ausnahmen. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

 Ich wäre daher nicht dafür, diese Zeichenhaftigkeit und Eindeutigkeit dadurch aufzugeben, dass man beide Lebensformen, etwa in Gestalt verheirater Priester, einander überlagern lässt.

Zeichenhafte Lebensformen sind ohnehin nicht unproblematisch. Gleich zwei Zeichen zu leben kann leicht zu einer Überforderung führen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 21 Minuten schrieb Merkur:

Zeichenhafte Lebensformen sind ohnehin nicht unproblematisch. Gleich zwei Zeichen zu leben kann leicht zu einer Überforderung führen.

 

Man kennt es ja aus der eigenen, ganz profanen Lebenswelt: Wer versucht, sich zwei Dingen vollkommen zu verschreiben, der macht leider oft keines von beiden sonderlich gut. Ausnahmen bestätigen die Regel. Frauen sollen ja dem Vernehmen nach Multitasking-fähig sein.

 

Lösung: Nur noch verheiratete Frauen zu Priestern weihen. 

 

Wer schreibt's nach Rom? 🫠

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Warum fällt es dieser Generation so schwer, sich vorzustellen, dass es Menschen gibt, die freiwillig und gerne Opfer bringen

Daran zweifele ich nicht - wenn diese Opfer einem höheren Ziel dienen.

 

Jeder Mann, der sein Eheversprechen ernst nimmt, wird im Laufe seines Ehelebens mehr als genug Opfer zu bringen haben (und hoffentlich ist er sich dessen bewußt, wenn er vor den Traualtar tritt). Aber das gemeinsame Eheleben sollte ihm diese Opfer eben wert sein, weil es das höhere Gut ist.

 

Von einer Überhöhung des preisterlichen Zölibats halte ich dagegen gar nichts. Es hat seine Ursprünge in der Vermeidung des Nepotismus (mit dem Nebeneffekt, daß kirchliches Eigentum bei Kirchens bleibt). Und es kann seinen Sinn haben in der größeren Verfügbarkeit für die Seelsorge (ob das heute noch so gegeben ist wäre eine andere Frage).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 9 Minuten schrieb Moriz:

Es hat seine Ursprünge in der Vermeidung des Nepotismus (mit dem Nebeneffekt, daß kirchliches Eigentum bei Kirchens bleibt).

 

Kennst Du die Synode von Elvira?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Stunden schrieb Merkur:
vor 6 Stunden schrieb Chrysologus:

Und in welcher Weise folgen die Kleriker Christus nun anders nach?

Sie verzichten auf eine eigene Familie und auf eine Erwerbstätigkeit. Sie sind gewissermaßen mit der Kirche verheiratet.

Nicht alle Kleriker.

Ich denke da an verheiratete, ständige Diakone. Die gehören ja ebenfalls dem Klerikaler-Stand an.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Minuten schrieb Frank:

Nicht alle Kleriker.

Ich denke da an verheiratete, ständige Diakone. Die gehören ja ebenfalls dem Klerikaler-Stand an.

 

Das geht u. a. deswegen, weil wir seit Omnium in mentem wissen, dass der Diakon - sei er ständig oder transitional - nicht in der Person Christi des Hauptes handelt, ergo Christus nicht sakramental darstellt. Ich erinnere mich an eine Äußerung von Papst Franziskus, der ebenfalls meinte, (ständige) Diakone sollten sich nicht wie Hilfspriester gerieren. Womit er recht hat. 

 

Man muss nicht alles, was neu ist, verteufeln. Die Einrichtung des ständigen Diakons ist in seiner Wiederbelebung durch das Konzil recht neu. Ich halte ihn für eine gute Sache, denn er schafft gerade das, was wir hier ja zurecht oft fordern: Durch seine spezifische Position als Ehemann und Vater und oft seinen Zivilberuf taucht er quasi problemlos in das Volk Gottes, das Laien sind, ein. Er füllt somit eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Kirchenamt und Weltdienst aus. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 4 Stunden schrieb iskander:

Wie bereits dargelegt, kann man aber allein daraus, dass ein bestimmtes Merkmal X den Engeln oder den Menschen der künftigen Welt nicht zukommt, unmöglich folgern, dass ein heutiger Mensch, welcher das entsprechende Merkmal X ebenfalls nicht besitzt, dadurch der künftigen Welt oder den Engeln in irgendeinem relevanten Sinne auch nur einen Millimeter näherstünde oder irgendetwas "Himmlisches" präsentieren würde. Siehe dazu auch meine Ausführungen von vorhin in meinem vorletzten Beitrag. 

 

Ansonsten müsste man behaupten, dass Menschen, die keine Hüte tragen oder nicht schwimmen gehen, den Engeln und der künftigen Welt) näherstehen und etwas von ihr "ablesbar" machen, weil ja die Engel und (vermutlich) auch die Menschen in der künftigen Welt ebenfalls keine Hüte tragen und ebenfalls auch nicht schwimmen gehen.

 

Kein Mensch wird aber doch ernsthaft behaupten wollen, dass das Nicht-Tragen eines Hutes oder der Verzicht auf das Schwimmen eo ipso den Menschen Gott und der Heiligkeit auch nur ein Jota näher bringen würden, und dass es deshalb anzuraten sei, auf Hüte und Schwimmengehen (und auf Schachspielen und Musizieren usw.) zu verzichten.

 

Der Grund ist denkbar einfach: Das Nicht-Tragen von Hüten und das Nicht-Schwimmen-Gehen stellen keine (himmlischen) Güter dar, sondern reine "Negativa".

Der Mensch, der nicht schwimmt und keinen Hut trägt, hat eben nicht mehr Gotteserkenntnis, nicht mehr Heiligkeit, nicht mehr Weisheit usf. - er besitzt also keine Gemeinsamkeit mit den Engeln oder den Menschen der "himmlischen Zukunft", die in irgendeiner Weise RELEVANT wäre.

 

Zwar besitzt ein solcher Mensch in der Tat zwei Gemeinsamkeiten mit den Engeln und Menschen der künftigen Welt - eben das Nicht-Tragen von Hüten und das Nicht-Schwimmen mit den Engeln - nur sind diese beiden Gemeinsamkeiten eben völlig belanglos und "erheben" den Menschen auch nicht in irgendeiner Weise oder irgendeinem Sinne.

 

Eine Bereicherung stellt das Nicht-Vorhandensein von etwas nur dann dar, wenn dieses fragliche "Etwas" ein Übel ist oder ein Hindernis für ein Gut. Diese Bedingungen sind beim Tragen von Hüten und beim Schwimmengehen (jedenfalls normalerweise) aber ganz sicher nicht erfüllt.

 

Und hier erhebt sich die Frage: Inwiefern stellen Ehe und Sexualität denn nun Übel dar oder verhindern das Gute?

 

Wer die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen erfassen kann, der erfasse es.

 

(Wer nicht, der nicht)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 17 Stunden schrieb Studiosus:

Wie gesagt, die hiesigen Zölibatsdiskussionen sind redundant. Hier gilt: es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Ich kann da meinerseits auch nichts Neues sagen, was nicht bereits irgendwo von Kirche oder Theologie gesagt wurde. 

 

 

Das liegt aber daran, dass Du - und zwar nicht zum ersten mal, wenn ich dies sagen darf - im entscheidenden Fall einfach die inhaltliche Diskussion verweigerst. 🙂

 

Die Prämisse, von der Du und die Kirche offenbar ausgehen, lautet dem Anschein nach ja:

 

"Wenn ein Mensch auf dieser Welt in einer beliebigen Hinsicht so lebt wie die Engel oder die Menschen der kommenden Welt, dann ist das etwas Gutes, etwa Erhabenes, was ihn Gott in gewisser Weise näherbringt und ein Symbol für die kommende Welt darstellt; ein solcher Mensch hat schon jetzt Anteil an der 'Herrlichkeit der Auferstehung'."

 

Wenn das tatsächlich die Prämisse ist, ist sie eindeutig und unzweifelhaft falsch (und zwar auch unter Annahme der grundsätzlichen Richtigkeit der kath. Lehre). Das gilt sogar mit einem solch hohen Grad der Gewissheit, wie man ihn sonst kaum je findet und lässt sich durch eine einfache Reductio ad absurdum zeigen. Wir nehmen dazu einfach an, die entsprechende Prämisse wäre wahr und gucken, was dann rauskommt.

 

1) Wenn ein Mensch auf dieser Welt in einer beliebigen Hinsicht so lebt wie die Engel oder die Menschen der kommenden Welt, dann ist das etwas Erhabenes, und er hat jetzt schon Anteil an Auferstehung.

2) Wenn ein Mensch keinen keinen Fahrstuhl benutzt und keinen Gurkensalat anrichtet, dann lebt er in ebendieser Weise schon heute wie die Engel und die Menschen der kommenden Welt (denn diese werden doch kaum Fahrstühle benutzen oder Gurkensalat anrichten, oder?).

3) Wenn ein Mensch keinen Fahrstuhl benutzt und keinen Gurkensalat anrichtet, dann ist das etwas Erhabenes, und er hat schon jetzt Anteil an der Auferstehung.

 

Da 2) doch wohl unbestreitbar wahr ist und 3) völlig abwegig ist, aber zugleich konklusiv aus 1) und 2) folgt, ergibt sich zwingend, dass 1) falsch sein muss. Das hat auch nichts mit "Meinungen" zu tun, sondern mit simpler Logik zusammen mit der Unbestreitbarkeit von 2).

 

Wer also nicht ernsthaft behaupten möchte, dass das Anrichten eines Gurkensalates einen davon abhängt, eine höhere spirituelle Stufe zu erklimmen, und wer auch nicht elementarste logische Prinzipien für obsolet erklären möchte, dem bleibt nur ein Ausweg:

 

Die Erklärung, dass nicht 1) der eigenen Argumentation zugrundeliege, sondern eine andere Prämisse.  Die scheinbare Absurdität würde in Wahrheit also nur auf einem Missverständnis beruhen. Denn nicht die Tatsache, dass jemand in irgendeiner beliebigen Hinsicht so lebt wie die Engel oder die Menschen der künftigen Welt, lasse die entsprechende Person Anteil am Glanz der kommenden Welt haben, sondern die Tatsache, dass sie in einer bestimmten, spezifischen Weise so lebt wie die Engel und Menschen der künftigen Welt. Entscheidend sei allein, in welcher Hinsicht jemand lebt wie die Engel oder die Menschen der künftigen Welt.

 

Dann stellt sich aber eben natürlich sofort diese Fragen: In welchen Fällen genau hebt denn ein "Leben wie die Engel" den Menschen spirituell nach oben und in welchen nicht? Was sind die Kriterien? Warum zum Beispiel hat ein Mensch Anteil am Glanz der künftigen Welt, wenn er ehelos und asexuell lebt, nicht jedoch, wenn er auf das Benutzen von Fahrstühlen verzichtet?

 

Dass der Verzicht auf die Ehe (wie der verzicht auf materielle Güter) ein Opfer sein kann, ist hier jedenfalls offenbar nicht (allein gemeint). Was also dann?

(Abgesehen davon stellt sich wie gesagt die Frage, wieso eine Gemeinsamkeit "in der Negation" überhaupt eine Bereicherung sein kann, wenn das Negierte nicht schlecht ist oder etwas Gutes verhindert.)

 

Wer auf solche Fragen keine Antwort geben kann, muss dann entweder an einer Argumentation festhalten, die die Logik für obsolet erklärt oder alternativ impliziert, dass der Mensch Gott (in einer relevanten Weise!) ähnlicher wird, indem er keinen Gurkensalat mehr zubereitet; oder er muss zugeben, dass er (noch) keine Antwort hat. Eine andere (intellektuell redliche) Option ist nicht erkennbar. 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 18 Minuten schrieb iskander:

Das liegt aber daran, dass Du - und zwar nicht zum ersten mal, wenn ich dies sagen darf - im entscheidenden Fall einfach die inhaltliche Diskussion verweigerst. 🙂

 

Weil es meiner Ansicht nach im einen wie im anderen Fall nichts zu diskutieren gibt. Man kann, wie Du das tust, immer wieder versuchen, vom Hundertsten aufs Tausendste zu kommen und die Grundlagen anzugreifen. Es ehrt Dich, dass Du so viel Einsatz auf diese Fragen verwendest - meiner Meinung nach verschwendet. 

 

Alles, was hier im Detail aufgedröselt wird, ist bekannt. Es ist ja nicht so, als würden wir diese Gedanken zum ersten Mal denken. Es ist vor allem auch denen bekannt, die darüber im Gegensatz zu uns zu entscheiden haben. Und was das angeht befinden wir uns, so mein Eindruck, zwischenzeitlich in einer Art Erstarrung. Weder ringt man sich bisher durch, Änderungen am status quo vorzunehmen, noch ist man bereit, das Thema oder die Themen als erledigt fallen zu lassen. 

 

Solange keine Bewegung von oben geschieht - und die ist in der verfassten Kirche maßgeblich und nicht Autorenmeinungen, mögen sie auch gut durchdacht sein - bringt es nichts, darüber im Grundsatz weiter zu diskutieren. 

 

Das soll jetzt nicht böse oder nach einem Abwürgen klingen, aber so sehe ich es. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@Studiosus

 

Ich fühle mich von Dir offen gesagt ein wenig missverstanden, wobei ich das nicht böse oder als Vorwurf meine. Aber ich habe das Gefühl, dass Du der Art meiner Kritik oder Analyse nicht ganz gerecht wirst. 😉

 

Es geht bei der Kritik in meinem letzten Beitrag ja eigentlich nicht einmal (direkt) darum, ob die Kirche recht hat oder nicht, wenn sie meint, dass das zölibatäre Leben den Menschen quasi am Glanz der "künftigen Herrlichkeit" oder an der Erhabenheit der Engel teilhaben lässt.

 

Ich beschäftige mich stattdessen mit der logischen Struktur der (vermeintlichen) kirchlichen Argumentation und ihren Implikationen.

Kurz: Ich zeige auf, dass es rein logisch betrachtet unmöglich wahr sein kann, dass jede Angleichung an die Engel oder die Menschen der "künftigen Welt" dem heutigen Menschen sozusagen einen besonderen spirituellen "Glanz" verleiht, sofern wenigstens diese zwei Annahmen wahr sind:

a) Engel und Menschen der künftigen Welt dürften kaum Gurkensalat anrichten und auch kaum Fahrstühle benutzen. (Und sie dürften auch kaum putzen oder Fahrkarten für den Nahverkehr lösen.)

b) Es "erhebt" den Menschen jedoch nicht spirituell, wenn er darauf verzichtet, Gurkensalat anzurichten oder Fahrstühle zu benutzen usw. (um so etwa den Engeln oder den Menschen der künftigen Welt ähnlicher zu werden).

 

Das wäre die rein formal-logische Seite. Dabei geht es einfach darum, was aus bestimmten Annahmen folgt, egal ob diese wahr sind oder nicht.

 

Da aber auch kein (konservativer) Theologe die Aussagen a) und b) ernsthaft bezweifeln dürfte, folgt jedoch auch, dass es nicht nur unter bestimmten Voraussetzungen, sondern auch "absolut" gesehen unmöglich wahr sein kann, dass jede Angleichung an die Engel oder die Menschen der "künftigen Welt" dem heutigen Menschen einen besonderen Glanz verleihen würde. Das gilt wie gesagt auch - bzw. eben gerade - vor dem Hintergrund der kath. Annahmen über die Engel und das Leben im Jenseits.

 

Hier untersuche ich sozusagen den "Nerv" der kirchlichen Argumentation, so wie sie sich darstellt, und auch das, was diese Argumentation impliziert, sofern man nur gewisse weitere, jedoch unproblematische Annahmen trifft. Das hat mit "vom Hunderesten zum Tausendsten" zu kommen also nichts zu tun.

 

Konkret ergibt sich: Dass der Mensch, der heute ehelos lebt, schon allein deswegen einen besonderen Anteil an irgendeiner kommenden Herrlichkeit besitzt, weil die Engel und die Menschen der kommenden Welt auch ehelos leben, ist eindeutig auch und gerade innerhalb des kath. Systems ein unhaltbares Argument.

 

Und hier glaube ich eben, dass Du einen wesentlichen Punkt verfehlst. Du scheinst davon auszugehen, dass es sich da um Fragen handelt, wo man halt dieser und jener Meinung sein kann. Das ist hier aber eben gerade nicht der Fall. Hier kann man - jedenfalls rationalerweise - keine unterschiedliche Auffassungen haben.

 

Wenn Du mir in diesem Punkt nicht ohne jeden Vorbehalt und vollumfänglich zustimmst, dann bitte ich Dich, mir zu sagen - und das meine ich ernst und nicht rhetorisch -, ob Du grundlegende logische Prinzipien anerkennst. Also solche wie diejenigen, die man für eine Reductio ad absurdum benötigt, oder solche wie: "Wenn alle X die Eigenschaft E haben und Y ein X ist, dann hat Y auch die Eigenschaft E."

Falls Du die Logik anerkennst und dennoch an der Richtigkeit meiner Argumentation zweifelst, würde ich Dich bitten, mir entweder zu erklären, wo ich Deiner Meinung nach einen formalen logischen Fehler gemacht habe, oder wieso Du die Wahrheit der obigen Sätze a) und/oder b) bezweifelst.

 

Oder anders formuliert: Falls Du nicht akzeptierst, dass mein Argument gültig ist, möchte ich Dich bitten, mir zu sagen, welche Prämisse(n) Du für falsch hältst oder wieso Du die formal-logische Gültigkeit des Schlusses in Abrede stellst.

 

Ich beanspruche hier wohlgemerkt nicht, die kirchliche Lehre, nach der das zölibatäre Leben den Menschen am Glanz der Ewigkeit teilhaben lässt, widerlegt zu haben. Ich sage nur, dass die Argumentation der Kirche, so wie sie sich mir - und m.E. auch dem unbedarften Leser im allgemeinen - darzustellen scheint, im Rahmen der kath. Gedankenwelt unmöglich gültig sein kann.

 

Das mag wie gesagt daran liegen, dass die Kirche anders es anders meint, als es (für mich) den Anschein hat. Dann aber stellt sich eben die Frage, wie die Kirche an dieser Stelle denn tatsächlich argumentiert. Und dass andere Leute auch schon darüber nachgedacht haben, nutzt mir wenig, wenn mir niemand die Resultate der entsprechenden Denkanstrengungen mitteilt und ich sie auch nicht einigermaßen leicht selbständig recherchieren kann. (Wie gesagt habe ich mir immerhin entsprechende Enzykliken angesehen.)

 

Dass wir diese entscheidenden Frage schon lange abgehandelt hätten, wüsste ich nicht. Allerdings hast Du einmal (wenn ich Dich richtig verstanden habe) sinngemäß die These vertreten, dass Sexualität eine schmutzige Sache sei, die den Menschen sozusagen "herabziehe".

 

Falls die Kirche in diesem Sinne argumentieren sollte (was aber mit den zitierten Formulierungen nicht übereinzustimmen scheint und also wohl ein andere Argument wäre), wäre ihre Lehre zumindest in sich stimmig. Denn wenn Sex den Menschen im spirituellen Sinne "verunreinigt", dann steht der asexuelle Mensch Gott und den Engeln naheliegenderweise tatsächlich in einem positiven, in einem relevanten Sinne näher als jemand, der ein Sexualleben hat. So wie überhaupt die gesamte Sexuallehre der Kirche viel mehr Sinn ergibt, wenn man die Prämisse von der "schmutzigen" Sexualität akzeptiert.

 

Es bleieben dann allerdings noch zwei Schwierigkeiten:

 

Erstens müsste man begründen, wieso Sexualität etwas Schlechtes ist, was den Menschen verunreinigt. Allerdings mag die kath. Kirche hier auch Argumente ins Feld führen, die ihr selbst plausibel erscheinen, auch wenn sie jedem Außenstehenden extrem schwach vorkommen mögen.

 

Die zweite Schwierigkeit ist aber gravierender: Die kath. Kirche ist zumindest offiziell von der Verächtlichmachung der Sexualität gründlich abgerückt. Im Gegenteil wird die Sexualität von Päpsten wie JPII gepriesen (m.E. sogar geradezu überhöht und glorifiziert). Man müsste kirchlicherseits also einmal mehr und auch radikal umschwenken, um die alte Vorstellung von der sexuellen Tätigung, die den Menschen entwürdigt und verdirbt, erneut in sein argumentatives Reservoir einbauen zu können.

 

Zitat

Und was das angeht befinden wir uns, so mein Eindruck, zwischenzeitlich in einer Art Erstarrung. Weder ringt man sich bisher durch, Änderungen am status quo vorzunehmen, noch ist man bereit, das Thema oder die Themen als erledigt fallen zu lassen. 

 

Falls Du damit etwas ähnliches zum Ausdruck bringen willst wie ich gerade, würde ich Dir (folgerichtig) sogar zustimmen. Manche Teile der heutigen kath. Lehre wirken wie ein Haus, dem das tragende Fundament weggenommen wurde, ohne das Haus jedoch auch mitabzureißen. Das ergibt wenig Sinn. Entweder man hätte alles stehenlassen oder alles abreißen müssen. So ist das Haus windschief und wirkt wie ein Spukhaus.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

https://noe.orf.at/stories/3214874/
das ist der Grund warum sich die überalterten Orden endlich aus der Sozialarbeit zurückziehen sollten
Für die greisen Schwestern waren das völlig normale Erziehungsmethoden
Ich sehe das immer wieder bei der Qualitätskontrolle in Behinderteneinrichtungen da herrschen Zustände wie Anfang der 70er Jahre  wobei ich sagen muß Kardinal Schönborn tut dass menschenmöglichste um das zu beenden Heute ist die Caritas hier am fortschrittlichsten und wagt sich an Themen die andere Träger sich nicht zu trauen  das HDB(Haus der Barmherzigkeit)

wo  vor 20 Jahren ein Skandal auf den andern folgte ist heute Mustergültig und expandiert aber die positive Entwicklung begann erst als die Ordensschwestern weg waren
wobei das nichts mit der theologischen oder kirchenpolitischen  Position zu tun hat
die Piusbruderschaft betreibt in Deutschland ein modernes Altenheim das mehrfach ausgezeichnet wurde 
 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Am 6.7.2023 um 16:59 schrieb Studiosus:

Und auch ohne hohe theologische Spekulation dürfte der Eindruck, den der ehelose Priester auf die Welt macht, nachvollziehbar sein: Oh, da ist einer, der sich und sein ganzes Leben allein auf Gott gebaut hat. Der keinen Plan B hat, wie man ihn sich in unseren unsicheren Zeiten gerne zurecht legt. Der alles verlassen hat, um ganz seinem Gott zu dienen. Logisch, schließlich verzichtet er auf Einiges von dem, was man gemeinhin für erfüllend im Leben hält: Partnerschaft, leibliche Familie, Sexualität. Diesen Effekt würde ich nicht zu niedrig taxieren.

 

Dazu vielleicht auch noch eine Anmerkung.

 

Dass ein Mensch allein dadurch, dass sie keine Ehe führen und keine Sexualität ausleben, eine Art besonderer Glanz oder eine besondere Erhabenheit zukäme, folgt aus dem Gesagten nicht. (Sonst müsste ja jeder Hagestolz (sofern er nur asexuell lebt) ipso facto von einem besonderen "Glanz" umgeben sein - einfach nur, weil er in diesem Punkt so "lebt wie die Engel".)

 

Etwas anderes ist dies: Wenn jemand um einer "höheren Sache willen" einen besonderen Verzicht übt (auf was auch immer!) eine besondere Hingabe an den Tag legt oder ein besonderes Vertrauen auf Gott zeigt (in Deinen Sätzen sind alle diese Aspekte da), dann kann dies durchaus ein glaubwürdiges Zeugnis sein. Derjenige zeigt sozusagen, wie ernst es ihm ist.

 

Auf den Zölibat bezogen heißt das: Wer diesen freiwillig und gut lebt und dabei froh und nicht verkniffen wirkt, der mag durchaus glaubwürdig ein Ideal verkörpern und damit ein Zeichen setzen.

 

Was aber ist mit Leuten, die den Zölibat nicht gerne "mitmachen" und für ihn vielleicht auch nicht wirklich geeignet sind, ihn aber mitnehmen "müssen", weil sie Priester werden/sein wollen? Und die sich dann vielleicht mehr oder weniger "durchquälen", in manchen Fällen auch mit "Ersatzbefriedigungen" wie exzessivem Alkohol- oder Pornographie-Konsum? Oder die heimlich (oder auch nicht so heimlich) einen(n) Geliebte(n) haben?

 

Und damit wären wir wieder bei der Frage, wie häufig der Pflicht-Zölibat tatsächlich gut und glaubwürdig gelebt wird, und ob das häufig genug ist, damit er als "großes Zeichen göttlicher Berufung" erscheinen mag, und nicht etwa als ein Kuriosum oder gar als Ausdruck weit verbreiteter Heuchelei.

 

Und hier kann ich nur einen Punkt wiederholen, den viele Befürworter des Pflichtzölibates einfach nicht sehen wollen:

 

Nicht das Verkünden eines Ideals, sondern die Umsetzung eines Ideals wird von den Menschen als respektables oder beeindruckendes Zeichen gesehen.

 

Der Zölibat ist nur dann potentiell ein "großes Zeichen", wenn er auch (einigermaßen) so funktioniert, wie er funktionieren soll.

bearbeitet von iskander
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 15 Minuten schrieb iskander:

Dass ein Mensch allein dadurch, dass sie keine Ehe führen und keine Sexualität ausleben, eine Art besonderer Glanz oder eine besondere Erhabenheit zukäme, folgt aus dem Gesagten nicht.

 

Könnte es sein, daß nur die kath. Hierarchie das glaubt? 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Könnte es sein, daß nur die kath. Hierarchie das glaubt? 

 

Das weiß ich nicht, offen gesagt. Ich verstehe die kath. Position an dieser Stelle nicht einmal; ich weiß also gar nicht, was die Hierarchie genau glaubt. Mir fallen im Wesentlichen drei Möglichkeiten ein:

 

 

a) Gelebte Sexualität ist zwar kein Übel; dennoch verleiht schon das Leben in völliger Asexualität "per se" dem Menschen eine besondere Teilhabe an der "Herrlichkeit der künftigen Welt", einfach nur, weil weil ja auch die Engel (und die "Auferstandenen") asexuell leben.

 

Problem 1:  Nach der gleichen Logik sind dann auch Leute mit schweren physischen Einschränkungen oder Missbildungen, die nie irgendwelchen sexuellen Aktivitäten nachgehen können, in besonderer Weise "erhaben", denn auch diese leben dann ja in dieser Hinsicht "wie die Engel".

 

Problem 2: Wenn jede (auch negative) Gemeinsamkeit mit den Engeln oder den Menschen der "künftigen Welt" den jetzigen Menschen "emporhebt", besitzen auch Leute, die nie einen Gurkensalat zubereiten, einen besonderen Glanz, denn auch sie haben ja eine Besonderheit mit den Engeln und den Menschen der künftigen Welt gemein.

 

 

b) Gelebte Sexualität ist ein Übel. Deswegen sind die Menschen, die sie meiden, erhabener, einfach weil sie von dem Übel Abstand haben (so wie auch Engel und die Menschen der künftigen Welt).

 

Problem: Zumindest offiziell ist diese Lehre schon eindeutig überwunden.

 

 

c) Sexualität ist kein Übel und und es ist auch nicht das asexualle Leben als solches, welches dem Menschen einen besonderen "Glanz" verleiht; sondern es ist der bewusste Verzicht auf Sexualität aus Opferbereitschaft "für das höhere Gut".  Entsprechendes gilt dann auch etwa für den Verzicht auf materielle Güter um des Ideals willen.

 

Problem: Das mag auch zur kath. Lehre gehören, aber diese Lehre geht offenbar über diesen Gedanken hinaus und beinhaltet, dass das asexuelle Leben nicht nur wegen der Tugend des Verzichtes, sondern auch "per se" und wegen der Ähnlichkeit mit der Seinsweise der Engel und der Menschen der künftigen Welt eine besondere Herrlichkeit beinhaltet.

 

 

Wie gesagt: Hier endet mein Verständnis. Das mag wie gesagt daran liegen, dass ich sie nicht recht begreife. Aber richtig erklären konnte oder wollte sie mir bisher auch noch keiner...

Oder vielleicht gibt es da auch nicht zu erklären, und diese ganze Lehre ist auch in sich selbst verworren und widersprüchlich. Demnach würde sie nicht nur dem Außenstehenden merkwürdig erscheinen, sondern sie wäre nicht einmal in sich selbst konsistent und stimmig. Und vielleicht ist mein ganzes Bemühen, diese Lehre  und andere Lehren und ihre jeweiligen Begründungen logisch analysieren zu wollen, von vornherein verfehlt, weil es da einfach nichts gibt, was auch nur in sich selbst logisch wäre.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 7 Minuten schrieb iskander:
vor 54 Minuten schrieb Marcellinus:

Könnte es sein, daß nur die kath. Hierarchie das glaubt? 

 

Das weiß ich nicht, offen gesagt. Ich verstehe die kath. Position an dieser Stelle nicht einmal; ich weiß also gar nicht, was die Hierarchie genau glaubt.

 

Ich habe eine andere Erklärung: Gelebte Sexualität ist einfach nur ein Teil zwischenmenschlicher Beziehungen und ein notwendiger Teil zu ihrer Reproduktion. Sie kann Spaß machen, oder eine Last sein, wie alles anderen in menschlichen Beziehungen auch. 

 

Die christliche Kirche ist von Anfang an dominiert worden von einer kleinen Minderheit von Leuten, die Sexualität für ein triebgesteuertes Übel hielten, und es daher sich als Verdienst anrechneten, dieses zu unterdrücken. Die daraus folgenden Lebensweise haben sie in den darauf folgenden Jahrhunderten versucht, allen Menschen aufzuzwingen, denen sie habhaft werden konnten, interessanterweise, ohne sich selbst sehr darum zu scheren. Es war also von Anfang an vor allem eine Vorstellung, die sich auf andere bezog. Nun ist es mit der Macht vorbei, und übrig geblieben ist nur eine Karikatur von Moral, die niemand außerhalb dieser Kirche noch ernst nimmt. Für die Hierarchie selbst hat es eh nie gegolten.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb Marcellinus:

 

Könnte es sein, daß nur die kath. Hierarchie das glaubt? 

 

Nein, das glauben sie nicht. Sag ich jetzt einfach, obwohl ich nicht zur katholischen Hierarchie gehöre. 

 

Allein der Umstand, ehelos und sexuell inaktiv zu leben (das machen freiwillig oder umständehalber auch Menschen, die keinen Ehepartner oder Sexualpartner "abbekommen" oder daran einfach nicht interessiert sind) reicht noch nicht, um den Zölibat zum eschatologischen Zeichen für die Kirche und die Welt zu machen. Da war iskander schon auf der richtigen Spur. Der Zölibat gewinnt seinen Wert, weil er für das Reich Gottes bzw. auf das Reich Gottes hin als freiwilliger Verzicht auf Ehe, Familie und Sexualität gewählt wird.

 

Diese Freiwilligkeit, den Verzicht zu wählen, sehe ich auch dann gegeben, wenn diese Lebensform dem Kandidaten sozusagen nicht natürlich zuwächst, sondern er an der Ingewaltnahme seiner sexuellen Lust arbeiten muss. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, der Zölibat ist erst dann tatsächlich ein Opfer und damit in seiner Zeichenhaftigkeit besonders eindrücklich, wenn der Kandidat sich in gleicher Weise auch hätte vorstellen können, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Auf etwas zu verzichten, was man von vornherein nicht will, entbehrt des Verzichtscharakters. Deshalb haben einige Bischöfe früher nach der Devise gehandelt, nur Kandidaten zu weihen, die auch gute Familienväter geworden wären (das sind freilich Erfahrungswerte und keine offiziellen kirchlich Vorschriften). 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Studiosus:

Der Zölibat gewinnt seinen Wert, weil er für das Reich Gottes bzw. auf das Reich Gottes hin als freiwilliger Verzicht auf Ehe, Familie und Sexualität gewählt wird.

 

Nur glaubt das selbst die Mehrheit der Katholiken nicht mehr. Wenn es noch jemand glaubt, kann es also nur die kath. Hierarchie sein (und natürlich du!), und genau das war mein Punkt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Ich habe eine andere Erklärung [...]

 

 

 

Das wird der Wahrheit vermutlich ziemlich nahekommen. Ich versuche halt, sozusagen die "offiziellen Verlautbarungen" dennoch irgendwie zu analysieren, aber wie ich beschrieben habe, komme ich da mit meinem Latein an ein Ende.

 

vor 3 Stunden schrieb Studiosus:

Deshalb haben einige Bischöfe früher nach der Devise gehandelt, nur Kandidaten zu weihen, die auch gute Familienväter geworden wären (das sind freilich Erfahrungswerte und keine offiziellen kirchlich Vorschriften). 

 

Ich erinnere mich an eine Passage in dem Buch von David Bergers Buch "Der heilige Schein":

 

"... In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an ein Gespräch mit einem hohen Kirchenfürsten, der mich kurz nach Publikation des römischen Dokuments [zur homosexuellen Veranlagung von Priesteramtskandidaten] zum Tee eingeladen hatte, um mich in meiner Arbeit als Herausgeber von Theologisches zu bestärken. Irgendwann kamen wir auf das Thema »Homosexualität und Priestertum« zu sprechen. Dabei versicherte er mir voller Pathos, er lege seine Hände dafür ins Feuer, dass er noch niemals einen homosexuell veranlagten Mann zum Priester geweiht habe. Es sei ihm ein zentrales Anliegen, genauestens darauf zu achten, dass die Priester seiner Diözese gesunde und natürliche Männer seien, die unter anderen Umständen auf jeden Fall eine Familie gegründet hätten.

Ich kannte etliche Priester, die von ihm geweiht worden waren, wusste daher auch, dass der Anteil homosexuell Veranlagter unter ihnen genauso erstaunlich hoch war wie in anderen europäischen Diözesen auch."

 

Was auch immer man sonst von Berger halten mag - ich tendiere dazu, diese Aussage für glaubwürdig zu halten. Des Weiteren ist auch naheliegend, was Berger etwas später sagt:

 

"... Welcher junge Mann, der unbedingt Priester werden möchte, wird angesichts dieser Lage noch offen mit seinen Ausbildern reden, um mit ihnen speziell auf ihn zugeschnittene Wege zu suchen, wie er den Zölibat leben kann? Welcher Priester; der homosexuell veranlagt ist, wird sich seinem Bischof oder anderen Mitbrüdern anvertrauen, damit diese ihm helfen können, mit seiner Homosexualität verantwortungsvollumzugehen?
Wer klug ist und wem sein Beruf etwas bedeutet, der wird es unter den derzeitigen Umständen nicht tun."

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 57 Minuten schrieb iskander:

Dabei versicherte er mir voller Pathos, er lege seine Hände dafür ins Feuer, dass er noch niemals einen homosexuell veranlagten Mann zum Priester geweiht habe. Es sei ihm ein zentrales Anliegen, genauestens darauf zu achten, dass die Priester seiner Diözese gesunde und natürliche Männer seien, die unter anderen Umständen auf jeden Fall eine Familie gegründet hätten.

 

Da ist natürlich auch viel Episkopen-Prosa dabei. Bischöfe, konservativ oder liberal, sagen viel, wenn der Tag lang ist. Von absoluten Sicherheiten würde ich im Gegensatz zu diesem ungenannten Bischof nicht reden. Diese Sicherheit hat auch die Kirche selbst nie behauptet, wie aus ihrem eigenen Zeremoniell der Priesterweihe hervorgeht. Dort befragt (bzw. befragte, ich spreche hier vom alten Usus der Priesterweihe) der weihende Bischof den Ausbilder im Rahmen eines vorgeschriebenen Dialogs, ob die Kandidaten würdig seien. Zur Antwort kam dann: "Soweit menschliche Gebrechlichkeit es erkennen lässt, weiß ich und bezeuge ich, dass sie würdig sind". Der aktuelle Ritus wirft da schon eher mit Sicherheiten um sich, denn da heißt es an selber Stelle sinngemäß: "Das Volk und die Verantwortlichen wurden befragt, sie sind würdig."

 

Die frühere Kirche war da meines Erachtens etwas realistischer unterwegs, da sie noch darum wusste, dass man den Leuten - und auch Priesteramtskandidaten - nur vor den Kopf schauen kann. 

bearbeitet von Studiosus
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 10 Stunden schrieb Studiosus:

Der aktuelle Ritus wirft da schon eher mit Sicherheiten um sich, denn da heißt es an selber Stelle sinngemäß: "Das Volk und die Verantwortlichen wurden befragt, sie sind würdig."

Leider unkorrekt zitiert. Der Text, den der Regens in der Liturgie zu antworten hat, lautet (mit der selben Vorsicht in aktuellerer Sprache): "Das Volk und die Verantwortlichen wurden befragt; ich bezeuge, dass sie für würdig gehalten werden."

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...