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Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

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Gegen den früheren Kardinal Hengsbach sind weitere Vorwürfe aufgetaucht. Es soll eine umfangreiche biografische Untersuchung stattfinden. Begründung finde ich interessant:

Quote

Hengsbach sei bei seinem Tod im Jahr 1991 zu einem "Ruhrgebietshelden" stilisiert worden, sagte der Essener Generalvikar Pfeffer. "Deshalb halte ich eine solche Untersuchung für so enorm wichtig, um auch darauf aufmerksam zu machen, wohin es in der katholischen Kirchen führt, wenn wir ein so massiv überzogenes Amtsverständnis haben." 

Dabei gehe es nicht nur um die Person Hengsbach, sondern auch um die systemischen Hintergründe von Machtmissbrauch in der katholischen Kirche, sagte Pfeffer weiter. "Fürs Bistum Essen ist uns sehr bewusst, dass wir uns da wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert haben."

 

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Im Leichenfleddern hat die Kirche Erfahrung, nicht erst seit Formosus. 

 

Anstatt sich wieder auf einen historischen Ansatz zu versteifen, denn das wird diese Studie tun, wäre es wichtiger, sich auf sexuellen Missbrauch als Gegenwartsproblem und Zukunftsaufgabe vorzubereiten. Derlei Untersuchungen, insbesondere zu Einzelpersonen, haben in meinen Augen keinen Mehrwert mehr. Wer eine Studie gelesenen hat, der kennt alle. Die Mechanismen, auch was Vertuschung angeht, sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Ich sehe nicht, was eine Studie zu Hengsbach an weiterem Erkenntnisgewinn bringen sollte. 

 

Mittlerweile könnte man meinen, diese ganzen Studien seien in der Hauptsache Konjunkturprogramme für Institute und Lehrstuhlmitarbeiter. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 4 Stunden schrieb Studiosus:

... wäre es wichtiger, sich auf sexuellen Missbrauch als Gegenwartsproblem ... vorzubereiten.

Stimmt. Man sollte sich der Frage stellen wie es derzeit (noch) möglich ist und wie es zukünftig bestmöglichst vermieden werden kann, dass Pädokriminelle überhaupt Priester werden können.

https://www.katholisch.de/artikel/56931-missbrauchsprozess-fulda-lange-haftstrafe-fuer-priester-gefordert

 

Hier sei der Amtskirche dringend ein psychologischer Eingangstest empfohlen .., unbedingt in Kombination mit einem Gehirn-Scan unter Verwendung geigneter optischer Reize. Denn das Handauflegen zur Vermehrung der heiligmachenden Gnade bei der Priesterweihe scheint da doch keine reproduzierbaren Ergebnisse zu zeitigen und scheint ebenso unzuverlässig zu sein wie die Gnadengaben durch die Taufe, die ja auch alle beobachtbaren menschlichen moralischen Abnormitäten unter Getauften nicht verhindern kann.

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@SteRo

 

Das stellst Du Dir zu einfach vor. Um nur einen Punkt herauszugreifen: Die meisten Männer, die Kinder sexuell missbrauchen, sind nicht pädosexuell veranlagt. Wie es in der Kirche aussieht, weiß ich nicht, aber vermutlich nicht viel anders.

 

Mit Hirnscans ist das auch so eine Sache. Es dürfte fraglich sein, ob jemand mit pädophiler Veranlagung dann irgendwelche auffälligen Aktivierungsmuster sieht. Denn wie jemand auf einen (sexuellen) Reiz reagiert, hängt auch vom Kontext ab. Ein FKK-Anhänger (m/w/d) mag beispielsweise auf einen nackten Körper des von ihm präferierten Geschlechts gar keine Reaktion zeigen, weil der Kontext unerotisch ist. Ähnliches dürfte gewöhnlich für Gynäkologen usw. gelten.

 

Und wenn jemand während eines Tests in einer absolut unerotischen, angespannten Stimmung ist, weil es darum geht, ihn eventuell auszusortieren, stellt sich womöglich auch keine sexuelle Reaktion ein. Dazu auch:

 

"Trotzdem kann Jorge Ponsetti über die mathematische Analyse der Reaktion auf die Bilder von nackten Körpern oder auch nur von den Gesichtern von Erwachsenen und Kindern recht verlässlich sagen: Dieser Mann ist pädophil und dieser nicht. Das klingt spektakulär, ist aber im Grund eher ein Nebengleis der Forschung.
„Diese Vorstellung, wenn man direkt ins Gehirn guckt, dann kann man Menschen sozusagen Information entreißen, die sie nicht preiszugeben bereit sind, das ist eher irrig. Weil von den Probanden wird verlangt, dass sie ganz, ganz eng zusammenarbeiten mit dem Untersuchungsleiter. Und wenn man so viel Zusammenarbeit zeigt, dann kann man die Leute auch fragen.“"

https://www.deutschlandfunk.de/paedophilie-im-hirnscan-angst-vor-der-tat-100.html

 

Ganz abgesehen hat man bei neurophysiologischen Befunden oft auch viele falsch Positive und falsch Negative, und hier wird es vermutlich auch nicht anders sein.

 

Natürlich sollte man sich dennoch bemühen, die Kandidaten psychologisch zu screenen und zu begleiten. Das wird allerdings ja offenbar auch schon getan, und derzeit sind Meldungen über neue Fälle von sexuellem Missbrauch ja selten. Das mag damit zu tun haben, dass die Opfer noch jung sind - aber vielleicht auch damit, dass es einfach wirklich (deutlich) weniger Missbrauch gibt.

 

Ganz verhindern wird sich der Missbrauch natürlich nie, aber das gilt nicht nur für die Kirche, sondern allgemein. Darüber hinaus darf sich die Kirche natürlich auch fragen, ob es einen institutionellen Rahmen gibt, der den Missbrauch begünstigt. Das war zumindest die Meinung von Richard Sipe:

 

"While his own research led him to believe that up to 50% of Catholic clergy may be in breach of the rule of mandatory celibacy, multiple instances of clerical child abuse suggested mutually protective relationships between those abusers and other clerics involved in adult sexual relationships. Sipe concluded that a long-standing clerical culture of de facto concealment of this reality had led to an agreed convention of looking-away from all such clerical sexual activity – including clerical abuse of minors.

“Sooner or later it will become broadly obvious that there is a systemic connection between the sexual activity by, among and between clerics in positions of authority and control, and the abuse of children,” he told Bishop Robert McElroy of San Diego in 2016.

“When men in authority — cardinals, bishops, rectors, abbots, confessors, professors — are having or have had an unacknowledged-secret-active-sex life under the guise of celibacy, an atmosphere of tolerance of behaviors within the system is made operative.”

The point is perfectly illustrated in the case of Dublin priest Tony Walsh, described by the Murphy report of 2009 as Ireland’s most notorious child abuser.  Walsh’s predations were known to one of Ireland’s most high profile clerics, Michael Cleary, when the two served together in Ballyfermot, Dublin, in the 1970s.  Although Cleary had a busy schedule in defending the church’s opposition to pre-marital sex to teenagers there is no evidence that he ever sought seriously to put a stop to Walsh’s abuse of children.  Much later it was revealed that Cleary by that same period had made his housekeeper his common law wife.  It is likely that Walsh was as aware of this relationship as Cleary was of Walsh’s criminal paedophilia – a classic illustration of the plausibility of the mutually protective clerical culture that Sipe describes."

https://acireland.ie/has-richard-sipe-explained-the-cover-up-of-clerical-child-sex-abuse-in-the-catholic-church/

 

Wie begründet das ist, sei dahingestellt; ich möchte es ohne eigene Wertung erwähnt haben.

bearbeitet von iskander
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vor 8 Minuten schrieb iskander:

@SteRo

 

Das stellst Du Dir zu einfach vor.

Das glaube ich nicht. Denn wenn der Mensch zur Heiligkeit berufen ist, dann müssen die, deren Pflicht es ist die entsprechende Lehre zu verkünden, diese Heiligkeit auch garantiert vorleben können. Wobei "vorleben" natürlich immer meint, dass nichts, aber auch gar nichts nach Außen hin den Schein des Unvermögens hervorrufen kann, weil mit dem geringsten Anschein des Unvermögens unweigerlich Zweifel an der Offenbarung Gottes gesät wird. Für solche aber, die im Dienste Gottes stehen und durch ihr Tun Zweifel an der Offenbarung Gottes sähen, wäre es besser nie geboren worden zu sein.

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vor 7 Minuten schrieb SteRo:

Das glaube ich nicht. Denn wenn der Mensch zur Heiligkeit berufen ist, dann müssen die, deren Pflicht es ist die entsprechende Lehre zu verkünden, diese Heiligkeit auch garantiert vorleben können.

 

Nur hast Du halt eine solche Garantie nicht, sondern Du kannst höchstens Risiken minimieren. Das ist eben so im Leben, auch wenn man es sich anders wünschen würde.

(Wenn man es biblisch ausdrücken möchte: Unter den 12 Aposteln Jesus gab es einen Judas Iskariot. Und "vorbildhaft" waren die anderen Apostel zu ihren Lebzeiten im Sinne des christlichen Ideals auch nicht unbedingt alle.)

bearbeitet von iskander
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vor 1 Minute schrieb iskander:

 

Nur hast Du halt eine solche Garantie nicht, sondern Du kannst höchstens Risiken minimieren. Das ist eben so im Leben, auch wenn man es sich anders wünschen würde.

(Wenn man es biblisch ausdrücken möchte: Unter den 12 Aposteln Jesus gab es einen Judas Iskariot. Und "heilig" waren die anderen Apostel zu ihren Lebzeiten im Sinne des christlichen Ideals auch nicht unbedingt alle.)

Ich muss diese Garantie durch/von anderen auch nicht haben, aber viele andere brauchen das Vorbild des Predigers schon, das Vorbild das garantiert nicht erschüttert wird durch das Tun des Predigers.

Mir scheint, du verstehst gar nicht worum es hier geht.

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Wir hatten, meines Wissens, einen eigenen Thread dafür, aber nenne es jetzt einfach mal „Missbrauch in einer ziemlich katholischen Kirche“

 

Erzbischof Welby, von Canterbury, ist zurückgetreten.

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vor 20 Minuten schrieb Shubashi:

Missbrauch in einer ziemlich katholischen Kirche“

 

 

So etwas gibt es nicht: Entweder eine Kirche ist katholisch, wie die lateinische Ecclesia sui iuris und die anderen - mittlerweile wieviele? - 27 (?) Kirchen eigenen Rechts oder sie sind nicht katholisch. Tertium non datur. Man kann auch nicht ein bisschen schwanger sein. 

 

vor 20 Minuten schrieb Shubashi:

Erzbischof Welby, von Canterbury, ist zurückgetreten.

 

Das ist zu begrüßen. Auch die Schnelligkeit. Es hat schon Vorteile, wenn man keinen Papst hat, dem man seinen Amtsverzicht erst anbieten muss. 

 

 

Und die Quintessenz aus diesem Vorgang: Die Anglikanische Kirche, die ja einigen als Vorbild für die katholische Kirche hinsichtlich Fortschrittlichkeit gilt, hat genau dieselben Probleme und Strukturen ausgebildet wie die viel gescholtene katholische. Und das trotz weiblicher Vikare, offen schwul lebender Minister und Bischöfe, keinem Zölibat, laxer Moraltheologie usw. 

bearbeitet von Studiosus
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hat die anglikanische Kirche auch Täter Jahrzehnte lang versetzt und nichts getan und hat der Erzbischof wie Johannes Paul II. azcgh prominente Gistliche vor der Gerechtigkeit geschützt

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vor 55 Minuten schrieb Studiosus:

 

So etwas gibt es nicht: Entweder eine Kirche ist katholisch, wie die lateinische Ecclesia sui iuris und die anderen - mittlerweile wieviele? - 27 (?) Kirchen eigenen Rechts oder sie sind nicht katholisch. Tertium non datur. Man kann auch nicht ein bisschen schwanger sein. 

 

 

Das ist zu begrüßen. Auch die Schnelligkeit. Es hat schon Vorteile, wenn man keinen Papst hat, dem man seinen Amtsverzicht erst anbieten muss. 

 

 

Und die Quintessenz aus diesem Vorgang: Die Anglikanische Kirche, die ja einigen als Vorbild für die katholische Kirche hinsichtlich Fortschrittlichkeit gilt, hat genau dieselben Probleme und Strukturen ausgebildet wie die viel gescholtene katholische. Und das trotz weiblicher Vikare, offen schwul lebender Minister und Bischöfe, keinem Zölibat, laxer Moraltheologie usw. 

so und noch einmal eine Antwort, der Erzbischof  hatte den Anstand wegen eines konkreten Fall zurückzutreten. Diese Courage hat kein Papst und kein katholischer Bischof

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30 minutes ago, Studiosus said:

Das ist zu begrüßen. Auch die Schnelligkeit. Es hat schon Vorteile, wenn man keinen Papst hat, dem man seinen Amtsverzicht erst anbieten muss.

 

Die Schnelligkeit war wohl auch relativ - Welby soll den Täter, einen ehrenamtich für die Kirche tätigen Anwalt (John Smyth), persönlich gekannt haben, lange vor 2013. Und hat gesagt, dass ihm die Taten erst mit seiner Ernennung bekannt wurden, aber auch dann keine Untersuchung eingeleitet. 2017 gab es eine ausführliche Doku auf Channel 4 dazu, worauf Welby wieder nicht reagierte.

https://www.bbc.com/news/articles/c4gvpyzxvjpo

https://www.archbishopofcanterbury.org/news/news-and-statements/john-smyth-review-personal-statement-archbishop-canterbury

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Ich will mich persönlich gar nicht auf Welby einschießen, man könnte jeden beliebigen anderen Namen dafür einsetzen. Pikant ist natürlich, dass es sich hier um den Erzbischof von Canterbury handelt. 

 

Aber das einmal beiseite. Was mich im größeren Kontext Missbrauch und Kirche interessiert, ist eher Folgendes: Uns wurde vor allem in Deutschland seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle durch Kleriker, also spätestens seit 2011, ein angeblich wissenschaftliches Narrativ unterbreitet, es gäbe kirchliche, mithin dezidiert katholische Risikofaktoren oder zumindest Abweichungen von der Gesamtgesellschaft, was Missbrauch in der katholischen Kirche angeht. Das halte ich, nicht erst mit dem Welby-Rücktritt, für widerlegt. Das hat schon die Meldung über Missbrauch in der evangelischen Kirche in Deutschland widerlegt. Überall brechen die Eiterherde auf, auch bei den Gemeinschaften, die doch alles, was man gerne als katholischen Risikofaktor identifiziert (Zölibat, Sexualmoral, stramme Hierarchie, reine Männerbünde), gerade nicht haben. Mich führt das zur Konklusion, dass es so etwas wie ein missbrauchsbegünstigendes katholisches Set an Risikofaktoren schlichtweg nicht gibt. Jedenfalls keines, das wesentlich unterschieden wäre von Risikofaktoren, die es in allen Organisationen und in der ganzen Gesellschaft gibt. 

 

Und mich zur Frage bringt: Warum halten gewisse Kreise an dieser objektiv falschen Problembeschreibung fest? Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier im Windschatten des Missbrauchsskandals Kirchenpolitik gemacht werden soll. 

bearbeitet von Studiosus
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36 minutes ago, Studiosus said:

Ich will mich persönlich gar nicht auf Welby einschießen, man könnte jeden beliebigen anderen Namen dafür einsetzen. Pikant ist natürlich, dass es sich hier um den Erzbischof von Canterbury handelt. 

 

Aber das einmal beiseite. Was mich im größeren Kontext Missbrauch und Kirche interessiert, ist eher Folgendes: Uns wurde vor allem in Deutschland seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle durch Kleriker, also spätestens seit 2011, ein angeblich wissenschaftliches Narrativ unterbreitet, es gäbe kirchliche, mithin dezidiert katholische Risikofaktoren oder zumindest Abweichungen von der Gesamtgesellschaft, was Missbrauch in der katholischen Kirche angeht. Das halte ich, nicht erst mit dem Welby-Rücktritt, für widerlegt. Das hat schon die Meldung über Missbrauch in der evangelischen Kirche in Deutschland widerlegt. Überall brechen die Eiterherde auf, auch bei den Gemeinschaften, die doch alles, was man gerne als katholischen Risikofaktor identifiziert (Zölibat, Sexualmoral, stramme Hierarchie), gerade nicht haben. Mich führt das zur Konklusion, dass es so etwas wie ein missbrauchsbegünstigendes katholisches Set an Risikofaktoren schlichtweg nicht gibt. 

 

Ehrlich gesagt, halte ich das für kein „wissenschaftliches Narrativ“, tlw. wurde anfangs durchaus darauf hingewiesen, dass die kirchlichen Fälle nicht über dem gesellschaftlichen Durchschnitt solcher Verbrechen liegen.

Die Theorie vom verbrechensträchtigen Zölibat war wohl eher eine medial geteilte Vermutung, auf der anderen Seite stand die offensichtliche hierarchische Bereitschaft zur Vertuschung und Nichtuntersuchung - die sich dann aber auch in anderen Institutionen und Kirchen fand. Im Gegenteil gab es in den letzten Jahren Hinweise, dass z.B. die evangelische Kirche sich durchaus vor einer Untersuchung eigener Fälle hinter der katholischen versteckt hat.

Ich denke, es geht eher um den allgemeinen Unwillen praktisch jeder Institution Machtstrukturen und deren MIssbrauch zu hinterfragen.

bearbeitet von Shubashi
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vor 8 Minuten schrieb Shubashi:

Ich denke, es geht eher um den allgemeinen Unwillen praktisch jeder Institution Machtstrukturen und deren MIssbrauch zu hinterfragen.

 

Mit dieser Interpretation kann ich schon deutlich mehr anfangen. Und ich teile den Eindruck, dass es anderen Institutionen - nicht nur kirchlichen, man denke auch an Missbrauch in staatlichen Kinderheimen - durchaus nicht ganz ungelegen kam, dass der Fokus hauptsächlich oder ausschließlich auf der katholischen Kirche lag. 

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vor 36 Minuten schrieb Studiosus:

Mich führt das zur Konklusion, dass es so etwas wie ein missbrauchsbegünstigendes katholisches Set an Risikofaktoren schlichtweg nicht gibt. Jedenfalls keines, das wesentlich unterschieden wäre von Risikofaktoren, die es in allen Organisationen und in der ganzen Gesellschaft gibt. 

 

Das halte ich für einen Irrtum. Richtig ist, es passiert nicht nur in der kath. Kirche. Aber richtig ist eben auch, es passiert nicht überall,  und vor allem nicht überall in der gleichen Weise. Es braucht spezielle Faktoren, die nicht nur die Taten selbst, sondern auch deren Vertuschung über lange Zeit ermöglichen, und das ist eben nicht überall der Fall. Allerdings ist eines auch richtig: Wo es Macht gibt, da gibt es auch Machtmißbrauch. Wie der Missbrauch dann aussieht, hat aber wieder mit den besonderen Eigentümlichkeiten der jeweiligen Organisation zu tun. 

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vor 18 Minuten schrieb Shubashi:

Ehrlich gesagt, halte ich das für kein „wissenschaftliches Narrativ“

 

Es ist natürlich nicht wissenschaftlich, weil schlichtweg die viel beschworene Empirie für bestimmte Aussagen über Kausalzusammenhänge (z. B. die zölibatäre Lebensform sei missbrauchsfördend) fehlt. Aber viele öffentliche, kirchliche Akteure tragen dieses Narrativ immer noch vor sich her wie eine Monstranz (so etwa die Funktionäre von BDKJ oder ZDK). 

 

Das kreide ich zum Teil auch den Autoren der MHG-Studie an, die es sich nicht verkneifen konnten, z. B. über den Zölibat als Risikofaktor in ihrer Arbeit zu spekulieren. Ich schreibe spekulieren, weil es nichts anderes war als Spekulation. 

bearbeitet von Studiosus
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Im Gegensatz zu vielen (den meisten?) Tätern in der Katholika, scheint es sich bei Smyth um einen pathologischen Überzeugungstäter zu handeln. Die schiere Menge der Opfer deutet mMn jedenfalls darauf hin.

 

Was in der Angelikanischen Kirche ebenso funktioniert hat, wie in der Katholika ist der Vertuschungsreflex, den die Hierarchie hier wie dort nunmal begünstigt.

 

 

bearbeitet von Flo77
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vor 18 Minuten schrieb Flo77:

Was in der Angelikanischen Kirche ebenso funktioniert hat, wie in der Katholika ist der Vertuschungsreflex, den die Hierarchie hier wie dort nunmal.begünstigt.

 

Das soll keinesfalls entschuldigend klingen, aber das scheint mir doch ein Indiz dafür zu sein, dass der Hang zur Vertuschung gewissermaßen "menschlich" ist. Schon ein Kind wird die Scherben von Omas Lieblingsvase, die es kaputt gemacht hat, erstmal unter den Teppich kehren, anstatt das Problem transparent aufzuarbeiten. Und je größer und angesehener die Institution, desto größer auch der Widerwille, Probleme zu benennen und Schuld zu bekennen. Mir scheint das kein genuin kirchliches Problem zu sein. Das läuft bei Konzernen genauso.

 

Dass der Hierarchie inzwischen durch die Hierarchie selbst (will sagen: durch Papst und römische Kurie) genauer auf die Finger geschaut wird und Missbrauchsvertuschung ein kanonisches Vergehen darstellt, das die Amtsenthebung nach sich ziehen kann, begrüße ich sehr. 

 

Oder anders gesagt: Wäre Welby katholischer Bischof wäre er nach den neueren kanonischen Maßgaben jetzt wohl auch weg vom Fenster. Unabhängig von seiner Bereitschaft zum Rücktritt. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 3 Minuten schrieb Studiosus:

Dass der Hierarchie inzwischen durch die Hierarchie selbst (will sagen: durch Papst und römische Kurie) genauer auf die Finger geschaut wird und Missbrauchsvertuschung ein kanonisches Vergehen darstellt, das die Amtsenthebung nach sich ziehen kann, begrüße ich sehr. 

Das betrifft aber nur den Umgang.

 

Die Motivation der Täter bleibt davon ja unberührt. Und da wird es den pathologischen Täter mit entsprechender psychosexueller Störung in allen möglichen Szenarien geben und da wird kein Szenario vor gefeit sein, aber aus den Untersuchungen, die in der RKK gemacht wurden, waren diese Täter - wenn ich es richtig in Erinnerung habe - in der Minderheit.

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vor 22 Stunden schrieb Studiosus:

Und die Quintessenz aus diesem Vorgang: Die Anglikanische Kirche, die ja einigen als Vorbild für die katholische Kirche hinsichtlich Fortschrittlichkeit gilt, hat genau dieselben Probleme und Strukturen ausgebildet wie die viel gescholtene katholische. Und das trotz weiblicher Vikare, offen schwul lebender Minister und Bischöfe, keinem Zölibat, laxer Moraltheologie usw. 

 

Zitat

Und mich zur Frage bringt: Warum halten gewisse Kreise an dieser objektiv falschen Problembeschreibung fest? Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier im Windschatten des Missbrauchsskandals Kirchenpolitik gemacht werden soll. 

 

Deine Argumentation aber ist nun selbst aber nicht gerade sonderlich wissenschaftlich.

 

Zum einen genügt die Feststellung, dass es auch in der anglikanischen Kirche überhaupt Missbrauch gibt, für sich genommen ja noch gar nicht als Argument, dass es keine spezifisch kath. Faktoren gibt, die den Missbrauch begünstigen. Denn wenn in der anglikanischen Kirche - bei Berücksichtigung der jeweiligen Größenverhältnisse - des Missbrauch deutlich seltener sein sollte, wäre dies zumindest ein Indiz dafür, dass es eben doch spezifische Faktoren geben könnte, die in der kath. Kirche wirksam sind. Vor allem anderen wäre also erst einmal zu etablieren, dass es tatsächlich in der kath. Kirche auch nicht mehr Missbrauch - oder auch Vertuschung - gibt als anderswo.

 

Zweitens wäre zu fragen, ob es in der Vergangenheit gemeinsame Faktoren gegeben haben kann. Beispielsweise hat die Anglikanische Kirche doch relativ lange an einer ähnlichen Sexualmoral wie die kath. Kirche festgehalten. Offen schwul lebende Geistliche beispielsweise gibt es auch dort noch nicht lange. Es wäre also durchaus möglich, dass ein Gutteil derjenigen, die in der anglikanischen Kirche sexuellen Missbrauch begangen haben, in ihrer Jugend von einer ähnlichen Sexualmoral geprägt worden sind, wie sie heute die kath. Kirche, nicht aber so sehr die anglikanische auszeichnet. 

 

Drittens müssen auch vergleichbare Zahlen nicht zwingend auf genau die gleichen ursächlichen Faktoren hindeuten. Es wäre beispielsweise möglich, dass es spezifische Risiko-Faktoren sowohl auf katholischer wie anglikanischer Seite gibt, die etwa gleich schwer wiegen.

 

(Viertens müsste man institutionelle Besonderheiten berücksichtigen, um Zahlen vergleichen zu können. Wenn beispielsweise eine Kirche deutlich mehr Schulen, an denen Kleriker arbeiten, betreibt als die andere Schule, bestehen natürlich auch mehr Missbrauchsmöglichkeiten.)

 

Sofern solche Punkte nicht einmal im Ansatz geklärt sind - in der Tat noch nicht einmal die relative Häufigkeit von sexuellem Missbrauch in den jeweiligen Kirchen in Betracht gezogen wird - ist die Behauptung, dass bereits die bloße Existenz von Fällen von sexuellem Missbrauch in der anglikanischen Kirche die These widerlege, dass es neben allgemeinen Risikofaktoren auch spezifisch katholische Risikofaktoren geben könne, offenkundig völlig unhaltbar. Dasselbe gilt natürlich für die Behauptung, dass der Verdacht auf spezifisch kath. Faktoren eine "objektiv falsche" Problembeschreibung darstelle. 

 

(Im Übrigen gibt es ja auch konkrete Gründe für den Verdacht, dass es spezifisch kath. Risikofaktoren geben könnte. In einer deutschen Studie, die wir hier auch schon diskutiert hatten, zeigte sich beispielsweise, dass verheirateten Diakonen viel seltener sexueller Missbrauch als Priestern vorgeworfen wurde - auch unter Berücksichtigung der Anzahl der verh. Diakone und der Priester.)

 

Ich wundere mich ehrlich gesagt, dass ich das überhaupt schreiben muss. Liegt das nicht alles auf der Hand? Handelt es sich hier nicht samt und sonders um banale Selbstverständlichkeiten?

 

Ohne jemandem zu nahe treten wollen, habe ich bei vielen Anhängern und Apologeten der kath. Kirche den Eindruck, dass sie alles, was bei Nacht und Nebel auch nur die  entfernteste Ähnlichkeit mit einem Argument hat, sofort dankbar aufnehmen und auf jede kritische Prüfung verzichten.

bearbeitet von iskander
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Am 12.11.2024 um 17:39 schrieb Studiosus:

Mich führt das zur Konklusion, dass es so etwas wie ein missbrauchsbegünstigendes katholisches Set an Risikofaktoren schlichtweg nicht gibt. Jedenfalls keines, das wesentlich unterschieden wäre von Risikofaktoren, die es in allen Organisationen und in der ganzen Gesellschaft gibt.

Der Fall, um den es geht, betrifft keinen Kleriker, sondern einen Barrister, der anscheinend auch für ultrakonservative christliche Lobbygruppen tätig war (lt. Wikipedia). Der Sachverhalt scheint wenig geeignet zu sein, um etwas in diesem Sinne zu widerlegen.

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