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Die katholische Kirche und der Missbrauch


Björn

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vor 19 Minuten schrieb gouvernante:

ch meinte das gar nicht symbolisch, sondern als Ausdruck einer Haltung. Bei Mord ist es uns ja auch ausreichend wichtig.

Es ist ja heute populär, rechtsstaatliche Kategorien zu negieren. - Der Kuhhandel damals, Mord nicht verjähren zu lassen, hat nur zu Prozessen geführt, die dem Rechtsfrieden nicht dienten. Und heute ist das Problem, daß ein Täter, der nach Jahrzehnten aufgrund neuer kriminaltechnischer Methoden ermittelt wird, gerade des Mordes überführt oder freigesprochen werden müßte. Das wird dann im Volk gerade nicht verstanden. 

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Man hat die Verjährung für Mord abgeschafft, weil die Naziverbrechen zu verjähren drohten. Es führt uns vom Thema weg - unverjährbares ist aus eher abstrakten Gründen nicht ohne Probleme, weswegen ich zum Teil für lange, aber eben nicht ewige Fristen bin. Zumal man hier ein Fass aufmachte, das schnell bodenlos wird: Warum sexuellen Missbrauch so hoch hängen, Vergewaltigung aber nicht, und dann warum Vergewaltigung so hoch hängen, schwere Körperverletzung jedoch nicht, etc. Das endet nicht mehr - welche einen anderen verletzende Tat ist so harmlos, dass sie noch verjähren darf? Umgekehrt will ich aber keine Prozesse wegen Beleidigung (seelischer Grausamkeit) nach Jahrzehnten, um es ins extreme zu treiben. 

 

Verjährung ist zunächst einmal schlicht ein Instrument des Rechtsfriedens nach dem Prinzip, es müsse irgendwann auch einmal gut sein. Geld muss man eben in der Zeit eintreiben und darf es nicht ewig als Forderung stehen lassen, so das du immer damit rechnen musst, dass auch nach Jahrzehnten noch die Unibib von dir ein Buch zurückhaben will, von dem du beim besten willen nicht mehr sagen kannst, ob und wann du es abgegeben hast. Und beweisen kannst du es nicht mehr - was aber nicht dein Pech sein soll, nur weil in der Datenbank der Bib ein Fehler  geschehen ist.

 

Selbst bei Mord ist es ja nun so, dass die Verfahren je länger die Tat her ist um so schwieriger werden. Bei sexuellem Mißbrauch habe ich in der Regel keine Spur, ich habe die Erinnerung eines Opfers, eine Erinnerung, die fragil ist, und die keinen objektiven Sachbeweis ergibt. Da habe ich dann einen zutiefst traumatisierten Menschen, denn  ganz gleich, ob die behauptete Tat nun so geschehen ist oder nicht, ob nur die Zuschreibung zum Täter falsch ist oder ob die Tat selbst nie geschah - die Person in der Rolle des Opfers ist verletzt und in ihrer Seele verwundet. Und ich habe einen Angeschuldigten, der nun vor das Wahl steht, ob er gesteht oder nicht. Wenn er gesteht, dann ist die Sache recht einfach. Tut er das aber nicht, so ist zu fragen, warum er das nicht tut. Ich bin auf einer Tagung einmal mit dem Kölner Offizial zusammengerasselt weil dieser verlangte, die Beschuldigten sollten es den Opfern nicht so schwer machen und einfach gestehen. Ich habe recht deutlich darauf hingewiesen, dass erstens niemand verpflichtet sei, sich selbst zu belasten, und dies schon gleich gar nicht, wenn er nichts getan habe - und ich sähe und Kirchenrechtler schon in der Pflicht, die Rechte aller zu wahren, und nicht nur derjenigen, die anklagen.

 

Aber ganz egal, ob der Beschuldigte nun einfachhin nichts sagt (was bei Kirchens extrem selten zu sein scheint), oder ob er die Tat leugnet - das Opfer muss nun in allen Einzelheiten die Tat schildern und damit nochmals durchleiden, es wird nach Details der Raumausstattung und der Kleidung, dem Aftershave des Beschuldigten und körperlichen Merkmalen befragt. Es werden weitere Zeugen vernommen - die alle nichts sicheres wissen, weil sie ja nicht dabei waren. Dann zieht der Anwalt des Beschuldigten  die Glaubwürdigkeit des Opfers in Frage, entweder ist das Opfer psychisch stabil (warum hat es dann 30 Jahre lang nichts gesagt?) oder es ist labil (dann kann man ihm aber alles einreden!). Danach kommt der Gutachter (oder zumindest einer) und stellt fest, dass die Erinnerungen auch falsche Erinnerungen sein können. Der Anwalt weist auf die riesigen Lücken in der Aussage hin - und das Gericht gewinnt nicht die nötige Sicherheit, dass die Tat geschehen ist - und spricht frei.

 

Dann haben wie ein nochmals neu und schwer verletztes Opfer (und wenn es nur Opfer falscher Erinnerungen und miserabler Therapeuten ist - aber nun glaubt man ihm ganz amtlich nicht), einen ebenfalls verletzten Angeklagten, der den Makel nie wieder los werden wird, er ist auch dann gestraft für's Leben, wenn man wegen Verjährung einstellt.

 

Nach meiner Erfahrung halte ich das für keine gute Idee - die Fristen sind mittlerweile lange genug.

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vor 7 Stunden schrieb kam:

Der Kuhhandel damals, Mord nicht verjähren zu lassen, hat nur zu Prozessen geführt, die dem Rechtsfrieden nicht dienten.

 

Wohl wahr. Ich halte das ebenfalls für eine problematische Entscheidung. Aber ich darf daran erinnern, dass der damalige BVerfG-Präsident Ernst Benda ein vehementer Verfechter der Abschaffung der Verjährung für Mord war (Verjährungsdebatte).

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vor 9 Stunden schrieb gouvernante:

Ich fände es zB schnieke, wenn Bischöfe und andere Kleriker sich stark machen würden für die (auch rückwirkende) Aufhebung von Verjährungsfristen bei Missbrauch.

 

Furchtbar. Die Abschaffung von Verjährungsfristen ruinieren letztlich die Justiz - man sieht das ganz gut an den letzten Versuchen, Täter aus der Zeit des 3. Reichs zu verurteilen. Die Gerichtsposse Demjanjuk habe ich noch in allzu guter Erinnerung. Außerdem halte ich es für angemessen, nach einer gewissen Zeit den Anspruch der Gesellschaft auf eine Strafverfolgung zu beenden - auch bei monströsen Taten.

 

Bei den hier diskutierten Verbrechen ist das Problem nicht primär die Verjährbarkeit - die Frist beginnt ja auch erst mit dem 30. Lebensjahr (Strafrecht) bzw. 21. Lebensjahr (Zivilrecht) und kann strafrechtlich bis zu 30 Jahre andauern. Das heißt, dass im Extremfall ein 59-jähriger eine Strafanzeige über eine besonders schwere Tat, die in seiner Kindheit passierte, stellen kann - anders herum kann jemand im Alter von 34 Jahren noch eine Strafanzeige stellen, falls eine weniger schwere Tat vorliegt.

 

Ich würde es eher als sinnvoll ansehen, auf Änderungen in der Gesellschaft hinzuwirken, die Bereitschaft zur Anzeige solcher Taten durch die Opfer innert der Verjährungsfrist zu stärken.

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vor 1 Stunde schrieb Lothar1962:

 

Furchtbar. Die Abschaffung von Verjährungsfristen ruinieren letztlich die Justiz - man sieht das ganz gut an den letzten Versuchen, Täter aus der Zeit des 3. Reichs zu verurteilen. Die Gerichtsposse Demjanjuk habe ich noch in allzu guter Erinnerung. Außerdem halte ich es für angemessen, nach einer gewissen Zeit den Anspruch der Gesellschaft auf eine Strafverfolgung zu beenden - auch bei monströsen Taten.

 

Bei den hier diskutierten Verbrechen ist das Problem nicht primär die Verjährbarkeit - die Frist beginnt ja auch erst mit dem 30. Lebensjahr (Strafrecht) bzw. 21. Lebensjahr (Zivilrecht) und kann strafrechtlich bis zu 30 Jahre andauern. Das heißt, dass im Extremfall ein 59-jähriger eine Strafanzeige über eine besonders schwere Tat, die in seiner Kindheit passierte, stellen kann - anders herum kann jemand im Alter von 34 Jahren noch eine Strafanzeige stellen, falls eine weniger schwere Tat vorliegt.

 

Ich würde es eher als sinnvoll ansehen, auf Änderungen in der Gesellschaft hinzuwirken, die Bereitschaft zur Anzeige solcher Taten durch die Opfer innert der Verjährungsfrist zu stärken.

Nun ja. In den USA hat es ja so eine Änderung gegeben: Bei Prominenten und Wohlhabenden werden nach Jahrzehnten echte oder angebliche Verfehlungen angezeigt. Für die Anzeigeerstatter ist das ziemlich risikolos, die Angezeigten verlieren ihren guten Ruf, ihre Stellung und viel Geld. Und momentan stammen die Delikte noch aus einer Zeit, als es keine Handyfotos und -filmchen gab. 

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vor 9 Stunden schrieb Chrysologus:

Verjährung ist zunächst einmal schlicht ein Instrument des Rechtsfriedens nach dem Prinzip, es müsse irgendwann auch einmal gut sein.

 

Das Empfinden in der Bevölkerung ist nach meinem Gefühl ein anderes, insbesondere bei Taten, die ein psychisches Trauma hinterlassen können und daher langfristig wirken.

 

Ich mag mich irren, aber vermißt wird der Staat als "Anwalt" des Geschädigten. Rechtsfrieden kann nur entstehen, wenn dieser Frieden von den Seiten mehrheitlich so gewünscht wird, sonst ist es das Recht des Stärkeren.

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vor einer Stunde schrieb rorro:

 

Das Empfinden in der Bevölkerung ist nach meinem Gefühl ein anderes, insbesondere bei Taten, die ein psychisches Trauma hinterlassen können und daher langfristig wirken.

 

Ich mag mich irren, aber vermißt wird der Staat als "Anwalt" des Geschädigten. Rechtsfrieden kann nur entstehen, wenn dieser Frieden von den Seiten mehrheitlich so gewünscht wird, sonst ist es das Recht des Stärkeren.

 

Hinzu kommt, dass es zwei Seiten in dieser Gleichung gibt, nämlich nicht nur den Täter, sondern auch sein Opfer. Es einmal gut sein zu lassen, mag für den ehemaligen Täter ja ein Ausdruck des Rechtsfriedens sein. Nur bezweifle ich, dass das auch für jene gilt, die ihm zu Opfer fielen. In mancherlei Hinsicht erscheint mir unser Rechtssystem so sehr auf die Täter konzentriert zu sein, dass jene, die auf der anderen Seite dieser Gleichung stehen, die Opfer, in Gefahr sind quasi unter den Tisch zu fallen. Letztlich bezieht der Rechtsstaat einen Gutteil seiner Akzeptanz in der breiten Bevölkerung daraus, dass er an Stelle des Einzelnen Unrecht zwar nicht wieder gut macht, aber doch die Täter der Tat entsprechend bestraft. Entsteht das Gefühl, dass dem nicht mehr so ist, besteht die Gefahr, dass Fälle von Selbstjustiz bis hin zur Blutrache die Folge sein werden. In gewisser Weise, nebenbei angemerkt, sind die sogenannten Ehrenmorde auch nichts anderes. 

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vor 34 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

Hinzu kommt, dass es zwei Seiten in dieser Gleichung gibt, nämlich nicht nur den Täter, sondern auch sein Opfer. Es einmal gut sein zu lassen, mag für den ehemaligen Täter ja ein Ausdruck des Rechtsfriedens sein. Nur bezweifle ich, dass das auch für jene gilt, die ihm zu Opfer fielen.

Ganz gewiss nicht - ein Recht nicht mehr zu bekommen, weil man zu spät dran ist, ist immer Mist. Ganz gleich, ob es um einen Umtausch, eine Prüfungsanmeldung, eine Rückzahlung, eine Sozialhilfe oder eine Strafanzeige geht. Wenn man nicht bereit ist, das auszuhalten, dann muss man sich vom Gedanken der Ersitzung und Verjährung ganz und gar verabschieden - mit allen unschönen Folgen.

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vor 43 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

 

Hinzu kommt, dass es zwei Seiten in dieser Gleichung gibt, nämlich nicht nur den Täter, sondern auch sein Opfer. Es einmal gut sein zu lassen, mag für den ehemaligen Täter ja ein Ausdruck des Rechtsfriedens sein. Nur bezweifle ich, dass das auch für jene gilt, die ihm zu Opfer fielen. In mancherlei Hinsicht erscheint mir unser Rechtssystem so sehr auf die Täter konzentriert zu sein, dass jene, die auf der anderen Seite dieser Gleichung stehen, die Opfer, in Gefahr sind quasi unter den Tisch zu fallen. Letztlich bezieht der Rechtsstaat einen Gutteil seiner Akzeptanz in der breiten Bevölkerung daraus, dass er an Stelle des Einzelnen Unrecht zwar nicht wieder gut macht, aber doch die Täter der Tat entsprechend bestraft. Entsteht das Gefühl, dass dem nicht mehr so ist, besteht die Gefahr, dass Fälle von Selbstjustiz bis hin zur Blutrache die Folge sein werden. In gewisser Weise, nebenbei angemerkt, sind die sogenannten Ehrenmorde auch nichts anderes. 

Noch haben wir halbwegs ein aufgeklärtes Strafrecht. Wenn es jetzt nach dem Gefühl der Opfer gehen soll, wäre in der Tat eine Abkehr von hunderten von Jahren europäischer Rechtstradition die Folge. Wer damit liebäugelt, muß wissen, was er befördert. 

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vor 14 Minuten schrieb kam:

Noch haben wir halbwegs ein aufgeklärtes Strafrecht. Wenn es jetzt nach dem Gefühl der Opfer gehen soll, wäre in der Tat eine Abkehr von hunderten von Jahren europäischer Rechtstradition die Folge. Wer damit liebäugelt, muß wissen, was er befördert. 

 

Im Gegenteil: die Abkehr tritt ein, wenn die Opfer das Gefühl hätten, es würde ihnen nicht Recht gesprochen. Denn Recht sollte immer nach 2 Seiten gesprochen werden: in eine Form der Bestrafung für den Täter, und eine Form der Genugtuung für das Opfer, das nämlich das ihm zugefügte Unrecht auch gesühnt wird. Das ist natürlich immer ein Balanceakt. Wenn sich aber erst einmal der Eindruck verbreitet, es zähle mehr der Täter den das Opfer, dann erst kommt es zur Abkehr von der europäischen Rechtstradition. Das Recht lebt von seiner gesellschaftlichen Akzeptanz. Andernfalls wird es ignoriert und ist tot.

bearbeitet von Mistah Kurtz
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vor 14 Minuten schrieb gouvernante:

ein schwieriges Argument.

 

Leichte Argumente wären hier auch fehl am Platz. Außerdem schrieb ich noch "nach meinem Gefühl", daher wäre eine inhaltlich vollständige Zitierweise schon diskursfördernd.

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vor 26 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

 

Im Gegenteil: die Abkehr tritt ein, wenn die Opfer das Gefühl hätten, es würde ihnen nicht Recht gesprochen. Denn Recht sollte immer nach 2 Seiten gesprochen werden: in eine Form der Bestrafung für den Täter, und eine Form der Genugtuung für das Opfer, das nämlich das ihm zugefügte Unrecht auch gesühnt wird. Das ist natürlich immer ein Balanceakt. Wenn sich aber erst einmal der Eindruck verbreitet, es zähle mehr der Täter den das Opfer, dann erst kommt es zur Abkehr von der europäischen Rechtstradition. Das Recht lebt von seiner gesellschaftlichen Akzeptanz. Andernfalls wird es ignoriert und ist tot.

Schon. Nur muß das Opfer dann beizeiten seinen Teil dazu tun und zB bei der Polizei aussagen. Jahrzehntelanges Zuwarten führt nur zu einer überflüssigen Mehrbelastung von Polizei und Justiz und am Ende steht oft ein Freispruch mangels Beweisen. 

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vor 28 Minuten schrieb Mistah Kurtz:

Das Recht lebt von seiner gesellschaftlichen Akzeptanz. Andernfalls wird es ignoriert und ist tot.

 

In Deutschland gibt es noch ein tief sitzende "Korrektheit" des kategorischen Imperativs. Diese wird zunehmend unterhöhlt durch die vielleicht nur gefühlte Tatsache, daß "die da oben" (bspw. Dieselskandal) immer leicht wegkommen, währen der Normalo die Härte des Staates spürt.

 

In anderen Regionen der Welt gibt es diese Ehrfurcht vor dem Staat nicht. Wenn der Staat nicht liefert, liefere ich ihm auch nicht (m.E. nach sehr nachvollziehbar).

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vor 2 Minuten schrieb kam:

Schon. Nur muß das Opfer dann beizeiten seinen Teil dazu tun und zB bei der Polizei aussagen. Jahrzehntelanges Zuwarten führt nur zu einer überflüssigen Mehrbelastung von Polizei und Justiz und am Ende steht oft ein Freispruch mangels Beweisen. 

 

Jetzt wären noch ein paar rudimentäre Kenntnisse der Traumapsychologie sinnvoll und diese Aussage wird rund.

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vor 14 Minuten schrieb kam:

Schon. Nur muß das Opfer dann beizeiten seinen Teil dazu tun und zB bei der Polizei aussagen. Jahrzehntelanges Zuwarten führt nur zu einer überflüssigen Mehrbelastung von Polizei und Justiz und am Ende steht oft ein Freispruch mangels Beweisen. 

 

Da stimme ich zu. 

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vor 4 Stunden schrieb rorro:

 

Jetzt wären noch ein paar rudimentäre Kenntnisse der Traumapsychologie sinnvoll und diese Aussage wird rund.

 

Nein, diese Kenntnisse haben erst einmal damit nichts zu tun (und ich vermute mal, kam hat sie).

 

Eine vernünftige (straf)rechtliche Aufklärung von Taten ist abhängig von einer möglichst guten Beweislage. Unabhängig davon, welche Gründe dazu führten, dass keine Verfolgung der Taten erfolgte. Nach mehreren verstrichenen Jahrzehnten (die ja bereits nach der derzeitigen Rechtslage möglich sind) wird diese Beweislage immer dünner. Irgendwann ist sie so dünn, dass man nicht mehr verurteilen kann. Dann gibt es einen ellenlangen Prozess, an dessen Ende vorhersehbar (!) ein Freispruch erfolgt. Dann ist nichts gewonnen.

 

Wenn Du mit Deinem Hinweis auf die Traumapsychologie sagen willst, dass man eben keine früheren Anzeigen erreichen kann, dann wird man in Kauf nehmen müssen, dass die Taten entweder verjährt sind oder abschließend aufgrund dünner Beweislage nicht mehr ordentlich geführt werden können (mancher Prozessverlauf, bei dem man den Anschein hat, dass sich niemand wirklich auf eine Beweiswürdigung einlassen will und versucht wird, den Beschuldigten zur Zustimmung zu einem Strafbefehl zu drängen, deutet auf diese Problematik hin). Damit löst man das Problem nicht. Das kann nur dadurch gelöst werden, dass möglichst zeitnahe eine Anzeige erfolgt. Dass das mit teilweise sehr schwer überwindbaren Schwierigkeiten verbunden ist, dürfte hier in diesem Forum Allgemeinwissen sein.

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vor 32 Minuten schrieb Chrysologus:

Die Forderung nach einer Aufhebung aller Verjährungsfristen betont in den meisten Fällen die wichtige Rolle der verhängten Strafe für das Opfer. Es geht um Genugtuung, darum, dass der Täter leiden solle, weil das Opfer gelitten habe. 

 

 

 

Das ist ein extrem verzerrte Sicht. Es geht um den alten Grundsatz, dass die Strafe der Tat angemessen sein soll. Dieser Grundsatz blickt in beide Richtungen: einerseits soll damit eine allzu grausame und der Tat nicht angemessene Bestrafung vorgebeugt werden; andererseits aber soll auch die Strafe dem, was einem anderen angetan wurde, entsprechen. Das ist eine Form der Balance. Geht die Balance verloren, schwindet die Achtung vor dem Rechtsstaat. Auch hier wieder in beide Richtungen: einerseits bei den Tätern, die bei allzu milder Strafe über den Rechtsstaat nur lachen (dafür gibt es gerade in der Gegenwart etliche Beispiele); andererseits bei den Opfern, die nicht mehr das Gefühl haben, dass auch ihnen Recht gesprochen wird. Literarisch kommt mir da Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" in den Sinn:

Zitat

"Verstoßen, antwortete Kohlhaas [...] nenne ich den, dem der Schutz der Gesetze versagt ist! [...] und wer mir ihn versagt, der stößt mich zu den Wilden der Einöde hinaus; er gibt mir, wie wollt Ihr das leugnen, die Keule, die mich selbst schützt, in die Hand." - Kleist: Michael Kohlhaas, Kapitel 6

 

Es liegt im Interesse einer jeglichen Gemeinschaft, jenen, denen Unrecht widerfuhr, wenn schon das Unrecht selbst nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, dann doch zumindest eine der Tat entsprechende Genugtuung widerfahren zu lassen. Andernfalls wird der Wille, sich selber dem Recht zu unterstellen, geschwächt. Auch hier gibt es genügend Beispiele - in der Literatur, als auch in der realen Geschichte - welche bösen Folgen das auf Dauer haben kann.

 

Was die Kirche selbst anbelangt, ihre "Milde", was die Täter anbelangt, ist in meinen Augen eine Katastrophe. Die Auswirkungen dieser Katastrophe werden erst in den nächsten Jahren so richtig spürbar werden, das können wir meines Erachtens noch gar nicht richtig erfassen. 

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vor 2 Stunden schrieb Lothar1962:

Eine vernünftige (straf)rechtliche Aufklärung von Taten ist abhängig von einer möglichst guten Beweislage. Unabhängig davon, welche Gründe dazu führten, dass keine Verfolgung der Taten erfolgte. Nach mehreren verstrichenen Jahrzehnten (die ja bereits nach der derzeitigen Rechtslage möglich sind) wird diese Beweislage immer dünner. Irgendwann ist sie so dünn, dass man nicht mehr verurteilen kann. Dann gibt es einen ellenlangen Prozess, an dessen Ende vorhersehbar (!) ein Freispruch erfolgt. Dann ist nichts gewonnen.

 

Ich nehme an Du weißt, daß  immer noch ein Staatsanwalt entscheidet, ob ein Strafverfahren anstrengt wird. Mitnichten wird jede Strafanzeige verfolgt. Und wenn die Beweislage sehr dünn ist, kommt es zu keinem Prozeß.

 

Insofern ist dieses Dein Argument einfach falsch.

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vor 6 Minuten schrieb rorro:

Und wenn die Beweislage sehr dünn ist, kommt es zu keinem Prozeß.

 

Ich habe - gerade, wenn dem Beschuldigten Verbrechen an Kinder zur Last gelegt werden - nicht diesen, sicherlich lehrbuchkonformen Eindruck.

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vor 5 Stunden schrieb Mistah Kurtz:

 

Das ist ein extrem verzerrte Sicht. Es geht um den alten Grundsatz, dass die Strafe der Tat angemessen sein soll. Dieser Grundsatz blickt in beide Richtungen: einerseits soll damit eine allzu grausame und der Tat nicht angemessene Bestrafung vorgebeugt werden; andererseits aber soll auch die Strafe dem, was einem anderen angetan wurde, entsprechen. Das ist eine Form der Balance. Geht die Balance verloren, schwindet die Achtung vor dem Rechtsstaat. Auch hier wieder in beide Richtungen: einerseits bei den Tätern, die bei allzu milder Strafe über den Rechtsstaat nur lachen (dafür gibt es gerade in der Gegenwart etliche Beispiele); andererseits bei den Opfern, die nicht mehr das Gefühl haben, dass auch ihnen Recht gesprochen wird. Literarisch kommt mir da Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" in den Sinn:

 

Es liegt im Interesse einer jeglichen Gemeinschaft, jenen, denen Unrecht widerfuhr, wenn schon das Unrecht selbst nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, dann doch zumindest eine der Tat entsprechende Genugtuung widerfahren zu lassen. Andernfalls wird der Wille, sich selber dem Recht zu unterstellen, geschwächt. Auch hier gibt es genügend Beispiele - in der Literatur, als auch in der realen Geschichte - welche bösen Folgen das auf Dauer haben kann.

 

Was die Kirche selbst anbelangt, ihre "Milde", was die Täter anbelangt, ist in meinen Augen eine Katastrophe. Die Auswirkungen dieser Katastrophe werden erst in den nächsten Jahren so richtig spürbar werden, das können wir meines Erachtens noch gar nicht richtig erfassen. 

Ich habe damit ein grundsätzliches Problem, weil eine Wiedergutmachung eben nicht mehr möglich ist: Ein Ermordeter bleibt tot, ein als Kind Missbrauchter, der dadurch noch als Erwachsener psychische Schäden hat, verliert sie nicht ohne weiteres dadurch, dass sein mittlerweile alter und kranker Peiniger bestraft wird. (Ja, ich kenne das Gegenbeispiel des Films "Sleepers"; das Buch endet jedoch auch für die Opfer tragisch, obwohl ihnen die Rache gelungen ist.)

 

Die Strafe für einen Verbrecher, ob zehn Jahre Gefängnis, ob lebenslänglich, ob Kastrieren, Erschießen, Erhängen oder bei lebendigem Leib Stück für Stück die Haut abreißen, befriedigt ein Opfer nur kurzfristig. Ein  Zurückdrehen der Geschichte ist imho fast nicht möglich, sondern nur ein Verhindern der Wiederholung.

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Wie hoch ist eigentlich der geschätzte Anteil an Erwachsenen, die sexuellen Missbrauch an Kindern betreiben, in der Normalbevölkerung?

 

In der Regel, so habe ich mal gehört, wird mindestens eines meiner Kinder im Klassenzimmer statistisch gesehen sexuell missbraucht.

 

Und natürlich weiß ich nicht, welches.

 

Durchschnitt in Klassenstärke: So 20 minus.

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vor 21 Stunden schrieb MartinO:

Ich habe damit ein grundsätzliches Problem, weil eine Wiedergutmachung eben nicht mehr möglich ist: Ein Ermordeter bleibt tot, ein als Kind Missbrauchter, der dadurch noch als Erwachsener psychische Schäden hat, verliert sie nicht ohne weiteres dadurch, dass sein mittlerweile alter und kranker Peiniger bestraft wird. (Ja, ich kenne das Gegenbeispiel des Films "Sleepers"; das Buch endet jedoch auch für die Opfer tragisch, obwohl ihnen die Rache gelungen ist.)

 

Die Strafe für einen Verbrecher, ob zehn Jahre Gefängnis, ob lebenslänglich, ob Kastrieren, Erschießen, Erhängen oder bei lebendigem Leib Stück für Stück die Haut abreißen, befriedigt ein Opfer nur kurzfristig. Ein  Zurückdrehen der Geschichte ist imho fast nicht möglich, sondern nur ein Verhindern der Wiederholung.

 

Mistah hat doch geschrieben: "wenn schon das Unrecht selbst nicht mehr rückgängig gemacht werden kann"! Ich verstehe daher Deinen Einwand nicht.

 

Es gehe um Genugtuung, nicht um Wiedergutmachung, die unmöglich ist. Es geht um Anerkennung der erlittenen Schäden. Genugtuung bedeutet ein Maß, bei dem es genug ist, nicht gut. 

 

Wenn der Staat als Anwalt - durch seinen, wie er passend heißt, Staatsanwalt - aufgrund einer Verjährung nicht mehr aktiv werden kann, wird Genugtuung für das Opfer nicht mehr möglich.

 

Wir reden ja nicht von Ladendiebstahl oder Beleidigung, sondern von allerschwersten Verletzungen der persönlichen Integrität.

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vor 13 Minuten schrieb rorro:

Es geht um Anerkennung der erlittenen Schäden.

Das dürfte das Zentrale sein - neben der Hilfe beim Umgang mit diesen Schäden. Zum Anerkennen des Schadens gehört zumindest im kirchlichen Kontext auf auch der Eingeständnis des Versagens der Institution, die den Täter erst in die Lage gebracht hat, zu verletzen.

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