Sokrates Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 zum ersten Teil: Schädelbach nennt nicht die Geburtsfehler des christentums, sondern die Geburtsfehler der westlichen Variante des Christentums. damit steht er allerdings nur in der langen westlichen Tradition, die Westkirche mit dem Christentum gleichzusetzen (die entsprechende Tradition gibt es im Osten aber auch) Das mag alles sein. Das ist aber kein legitimes Argument gegen Schnädelbachs Thesen. Auch das mit der Erbsünde ist eher ein nutzloser Streit um Worte. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 Erst mal persönlich vorweg: Schnädelbach ist für mich einer der beeindruckendsten gegenwärtigen Philosophen, ich habe damals in Hamburg nach Möglichkeit keine seiner Vorlesungen verpasst. "Jemandem beim Denken zuschauen" war sein wirklich erlebbares Vorlesungsmotto. Der Professor, der mich persönlich am meisten beeindruckt hat. Nur: Spaemann kann ihm zwar in meinen Augen nicht das Wasser reichen, aber dass ist in meinen Augen kein Kriterium, inwieweit eine Philosoph publizistische Reichweite hat. Spaemann gehört mit Sicherheit zu den wenige deutschen Gegenwartsphilosophen mit einem gewissen, über die rein Fachdisziplin hinausreichenden Einfluss (neben u.a. Horkheimer, Luhmann, Blumenberg und Sloterdijk, wenn habe ich hier vergessen?) Zum weiteren hat Schnädelbach seine damalige (recht pauschale) Kritik am Christentum in meinen Augen später abgeschwächt, ich zitiere aus der Schnelle mal aus Wikipedia: Zudem betont Schnädelbach, dass im Vergleich zu den anderen Weltreligionen das Christentum zur modernen Entwicklung beitrug. So habe insbesondere die Theologie des Christentums die Aufklärung mit vorangetrieben.[78] (Es lohnt sich aber den ganzen Absatz zu lesen, er beschreibt dort ein Vertrauen in die Vernunft als sich selbstbegründende Kraft (in den Vorlesung nannte er das immer selbstreferentiell), die er wohl in einem ganz weiten Sinn selbst als "religiös" bezeichnet. Oder wenn man ihn mal über sein Verhältnis zur Musik Wagners hat sprechen hören, dann weiss man, dass ein tumber Atheismus a la Dawkins ihm völlig fremd ist. Er ist für mich das beste Beispiel, dass die "Weisheit" eines aufgeklärten Atheismus und einer aufgeklärten Religiosität vielmehr Gemeinsamkeit entdecken würden, als diese jeweils mit ihren eher naiven oder fundamentalistischen Vertretern. Lesetip: http://www.faz.net/s/RubC17179D529AB4E2BBE...n~Scontent.html Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 (Es lohnt sich aber den ganzen Absatz zu lesen, er beschreibt dort ein Vertrauen in die Vernunft als sich selbstbegründende Kraft (in den Vorlesung nannte er das immer selbstreferentiell), die er wohl in einem ganz weiten Sinn selbst als "religiös" bezeichnet. Oder wenn man ihn mal über sein Verhältnis zur Musik Wagners hat sprechen hören, dann weiss man, dass ein tumber Atheismus a la Dawkins ihm völlig fremd ist. Er ist für mich das beste Beispiel, dass die "Weisheit" eines aufgeklärten Atheismus und einer aufgeklärten Religiosität vielmehr Gemeinsamkeit entdecken würden, als diese jeweils mit ihren eher naiven oder fundamentalistischen Vertretern. Vorweg: Daß Atheisten und Religiöse Gemeinsamkeiten entdecken können, ist etwas nicht wirklich neues, und es ist auch nicht wirklich überraschend, da sie doch in der gleichen Welt leben. Es wundert mich auch nicht, daß ein Atheist sich der Wertschätzung mancher Gläubiger erfreut, wenn er den Wert der Religionen betont, sich sogar selbst als 'religiös' bezeichnet. Über Qualität sagt das wenig, was ist in Philosophie oder Religion schon ein Merkmal von Qualität, eher etwas über Sympathie oder Antipathie. Und was Wagner betrifft, so hoffe ich doch, daß er ihn nicht mag, sonst müßte ich nicht nur an seinem Musikgeschmack arge Zweifel anmelden. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Björn Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 Und was Wagner betrifft, so hoffe ich doch, daß er ihn nicht mag, sonst müßte ich nicht nur an seinem Musikgeschmack arge Zweifel anmelden. Was würde eine Vorliebe für Wagner über den Musikgeschmack hinaus aussagen? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Sokrates Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 (bearbeitet) Zum weiteren hat Schnädelbach seine damalige (recht pauschale) Kritik am Christentum in meinen Augen später abgeschwächt, ich zitiere aus der Schnelle mal aus Wikipedia: Zudem betont Schnädelbach, dass im Vergleich zu den anderen Weltreligionen das Christentum zur modernen Entwicklung beitrug. So habe insbesondere die Theologie des Christentums die Aufklärung mit vorangetrieben.[78] Sehe ich nicht so (dass er die Kritik "später abgeschwächt" hat). Diese Einschränkung war schon in seinem ursprünglichen Beitrag enthalten. Er hat dort deutlich im Schlussatz darauf hingewiesen, dass der "neuzeitliche Aufklärungsprozess [...] dabei selbst einem christlichen Gebot - dem der Wahrhaftigkeit - und damit einer "zweitausendjährigen Zucht zur Wahrheit [folgte]". Diese Idee hat er später, wie ich deinem Wiki-Link entnehme, eben noch ausgebaut. in einem eher kritisch angelegten Artikel war dafür wohl nicht der Platz. bearbeitet 9. April 2010 von Sokrates Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 (Es lohnt sich aber den ganzen Absatz zu lesen, er beschreibt dort ein Vertrauen in die Vernunft als sich selbstbegründende Kraft (in den Vorlesung nannte er das immer selbstreferentiell), die er wohl in einem ganz weiten Sinn selbst als "religiös" bezeichnet. Oder wenn man ihn mal über sein Verhältnis zur Musik Wagners hat sprechen hören, dann weiss man, dass ein tumber Atheismus a la Dawkins ihm völlig fremd ist. Er ist für mich das beste Beispiel, dass die "Weisheit" eines aufgeklärten Atheismus und einer aufgeklärten Religiosität vielmehr Gemeinsamkeit entdecken würden, als diese jeweils mit ihren eher naiven oder fundamentalistischen Vertretern. Vorweg: Daß Atheisten und Religiöse Gemeinsamkeiten entdecken können, ist etwas nicht wirklich neues, und es ist auch nicht wirklich überraschend, da sie doch in der gleichen Welt leben. Es wundert mich auch nicht, daß ein Atheist sich der Wertschätzung mancher Gläubiger erfreut, wenn er den Wert der Religionen betont, sich sogar selbst als 'religiös' bezeichnet. Über Qualität sagt das wenig, was ist in Philosophie oder Religion schon ein Merkmal von Qualität, eher etwas über Sympathie oder Antipathie. Und was Wagner betrifft, so hoffe ich doch, daß er ihn nicht mag, sonst müßte ich nicht nur an seinem Musikgeschmack arge Zweifel anmelden. Was ist in der Philosophie überhaupt "neu"? Ich habe noch keinen einzige modernen philosophischenh Beitrag oder Text gelesen, der nicht zu weiten Teilen in der Auseinandersetzung mit früheren Autoren zu den gleichen Fragestellungen besteht. Von daher ist "neu" in Bezug auf Philosophie ein ziemlich zweifelhaftes Kriterium. Ansonsten halte ich eben wenig von Fundamentalisten und Dogmatikern, egal ob in Religon oder Philosophie. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 Und was Wagner betrifft, so hoffe ich doch, daß er ihn nicht mag, sonst müßte ich nicht nur an seinem Musikgeschmack arge Zweifel anmelden. Was würde eine Vorliebe für Wagner über den Musikgeschmack hinaus aussagen? Wagner spiegelt für mich den schlechteren Teil deutsch-bürgerlicher Gefühls- und Vorstellungswelt des 19. Jh. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 9. April 2010 Melden Share Geschrieben 9. April 2010 Ansonsten halte ich eben wenig von Fundamentalisten und Dogmatikern, egal ob in Religon oder Philosophie. Und fügen wir dann noch die Politik hinzu, sind wir komplett! Kein Einwand. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
ultramontanist Geschrieben 10. April 2010 Melden Share Geschrieben 10. April 2010 "....Die katholische Kirche schließt aber - und das verschweigt wiederum Schnädelbach - jeden als Ketzer aus, der lehrt, dass nur die das Heil erlangen, die sich als Christen bekennen und der Kirche angehören...." Kann jemand sagen seit wann das so ist? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 10. April 2010 Melden Share Geschrieben 10. April 2010 "....Die katholische Kirche schließt aber - und das verschweigt wiederum Schnädelbach - jeden als Ketzer aus, der lehrt, dass nur die das Heil erlangen, die sich als Christen bekennen und der Kirche angehören...." Kann jemand sagen seit wann das so ist? Ich wüßte nicht, dass das überhaupt so ist. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
ultramontanist Geschrieben 11. April 2010 Melden Share Geschrieben 11. April 2010 "....Die katholische Kirche schließt aber - und das verschweigt wiederum Schnädelbach - jeden als Ketzer aus, der lehrt, dass nur die das Heil erlangen, die sich als Christen bekennen und der Kirche angehören...." Kann jemand sagen seit wann das so ist? Ich wüßte nicht, dass das überhaupt so ist. Zumindest Pater Leonard Feeney hat vor 60 Jahren mit der Kirche Ärger bekommen, weil er „extra Ecclesiam nulla salus“ als Dogma betrachtete. http://de.wikipedia.org/wiki/Leonard_Feeney Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Guido Geschrieben 11. April 2010 Melden Share Geschrieben 11. April 2010 Der oben verlinkte Aufsatz von Spaemann ist eine Replik (von mehreren Repliken verschiedener Autoren) auf eine "kulturelle Bilanz" von 2000 Jahren Christentum, gezogen von Herbert Schnädelbach in der ZEIT, Ausgabe 20/2000. Unter dem Titel "Der Fluch des Christentums" zählte Schädelbach damals die "7 Geburtsfehler" dieser Religion auf: 1. Die Erbsünde 2. Die Rechtfertigung als blutiger Rechtshandel 3. Der Missionsbefehl 4. Der christliche Antijudaismus 5. Die christliche Eschatologie 6. Der Import des Platonismus 7. Der Umgang mit der historischen Wahrheit. Da fällt mir aber gleich mal ein gravierender systematischer Fehler auf. Die Erbsünde kann gar kein Geburtsfehler des Christentums sein, weil sie keine allgemeine christliche Lehre ist. Die westliche Erbsündenlehre geht auf Augustinus zurück und wird von der Othodoxie schon immer abgelehnt. Punkt zwei ist auch westliches Sondergut (Anselm v.C.) Komisch, dass 8. Die restriktive Sexual- und Ehemoral 9. Die autoritäre Kirchenstruktur fehlen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
AdG Geschrieben 11. April 2010 Melden Share Geschrieben 11. April 2010 (bearbeitet) "....Die katholische Kirche schließt aber - und das verschweigt wiederum Schnädelbach - jeden als Ketzer aus, der lehrt, dass nur die das Heil erlangen, die sich als Christen bekennen und der Kirche angehören...." Kann jemand sagen seit wann das so ist? Ich wüßte nicht, dass das überhaupt so ist. Zumindest Pater Leonard Feeney hat vor 60 Jahren mit der Kirche Ärger bekommen, weil er „extra Ecclesiam nulla salus“ als Dogma betrachtete. http://de.wikipedia.org/wiki/Leonard_Feeney Die Feeneyiten leugnen in ihrer restriktiven Auffassung die Möglichkeit des Heils bei Unkenntnis der Notwenigkeit von Taufe und Kirche. bearbeitet 11. April 2010 von AdG Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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