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''Der Gotteswahn'' von Richard Dawkins


NOTaROBOT

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Ich glaube jetzt weiß ich, was mich an der Diskussion stört: Ihr scheint der tiefsitzenden Meinung anzuhängen, man müsse irgendwie rechtfertigen, warum man eine bestimmte Theorie vertritt, und wie man darauf gekommen ist. Und ich denke, das ist der grundlegende Denkfehler. Eine Theorie wird einzig und allein dadurch "gerechtfertigt", dass sie einer kritischen Prüfung standhält. Die Art und Weise ihrer Entstehung ist für ihre "Rechtfertigung" vollkommen irrelevant.

 

Da stimme ich mit Dir überein - für mich ist der Versuch, eine Rechtfertigung dafür zu finden, warum man eine Theorie so und nicht anders bildet, "reiner Rationalismus", oder eben altes Begründungsdenken (= alle Theorien, die man aufstellt, oder alle Behauptungen müssen einen Grund haben - was aufgrund des Trilemmas eine unmögliche Anforderung ist). Darauf wollte ich David hinweisen, dass seine logischen Gründe, die er akzeptieren würde, sich mit ihrem Gegenteil neutralisieren würden, so dass seine Überlegungen zu nichts führen können.

 

Im Grunde genommen könnte man - rein theoretisch - sich ein Programm konstruieren, das nach dem Zufallsprinzip Theorien bildet. Dann sieht man nach, welche der Theorien man kritisch prüfen kann, und fängt an, sie kritisch zu prüfen. Diejenige, die der Prüfung nicht standhalten, werden verworfen. Die Begründung, warum man eine Theorie aufstellt lautet: Es kann keinen Grund dafür geben. Der Grund, um sie kritisch zu prüfen lautet: Weil es geht (tautologisch, die anderen hat man ja aussortiert).

 

Aber davon abgesehen steckt eine andere Frage darin, nämlich: Warum kann man über Induktion, dem Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine, besser Theorien bilden als wenn man wie oben sich ein Zufallsprogramm baut? Und diese Frage finde ich höchst legitim. Man kann darauf die Antwort geben "Wir haben noch keine bessere Heuristik gefunden". Man kann sich aber auch fragen: Welche Eigenschaften hat unser Universum, so dass wir noch keine bessere Heuristik gefunden haben? Oder: Warum gibt es keine bessere Heuristik? Und diese Frage ist umstritten, in einigen Religionen - im Christentum inzwischen sehr viel weniger als im Islam - wird ja eine andere Methode bevorzugt, nämlich die Offenbarung. Das ist auch eine Heuristik, allerdings eine, die sich oft der kritischen Prüfung entzieht. Wichtig ist, dass gegen diese Heuristik nichts einzuwenden wäre, wenn ihre Ergebnisse nicht der kritischen Prüfung entzogen wären (und das, wiederum, kann man begründen).

 

Kurz, man braucht keinen Grund dafür, eine Theorie X aufzustellen. Ob man sie auswürfelt, erträumt, zusammenfantasiert, aus alten Büchern herausdestilliert, im Brainstorming ermittelt, logisch oder alogisch konstruiert etc. pp. spielt keine Rolle. Eine Theorie ist immer eine Erwartung an die Welt. Solange die Theorie kritischer Prüfung standhält und ein Problem besser löst als die konkurrierenden Alternativen (die auch kritisch prüfbar sein müssen, versteht sich) hat man Grund genug, die Theorie zu akzeptieren. Mehr braucht man nicht. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Einwände von David gegen Induktion auch ein Teil der kritischen Prüfung sind, und damit kann und sollte man sich auseinander setzen.

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Im Grunde genommen könnte man - rein theoretisch - sich ein Programm konstruieren, das nach dem Zufallsprinzip Theorien bildet. Dann sieht man nach, welche der Theorien man kritisch prüfen kann, und fängt an, sie kritisch zu prüfen. Diejenige, die der Prüfung nicht standhalten, werden verworfen. Die Begründung, warum man eine Theorie aufstellt lautet: Es kann keinen Grund dafür geben. Der Grund, um sie kritisch zu prüfen lautet: Weil es geht (tautologisch, die anderen hat man ja aussortiert).

Unter Brüdern: Ich glaube, dass unsere Erkenntnis genau so funktioniert. (*)

 

Aber davon abgesehen steckt eine andere Frage darin, nämlich: Warum kann man über Induktion, dem Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine, besser Theorien bilden als wenn man wie oben sich ein Zufallsprogramm baut?

Meine Frage ist noch allgemeiner: Kann man das überhaupt? Und meine Antwort ist: Eher nein. Alle Beispiele, die zur Begründung einer "Induktion" gebracht werden, haben typischerweise die Form, die ich bei Sam kritisiert habe: Künstlich und uninteressant. Interessante Theorien stellen immer "warum"-Fragen, und das kann Induktion nicht.

 

Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Einwände von David gegen Induktion auch ein Teil der kritischen Prüfung sind, und damit kann und sollte man sich auseinander setzen.

Ich hatte David eher so verstanden, dass er Argumente für Induktion bringt, und bloß nicht weiß, warum sie funktioniert. Ich sage aber eher: Induktion gibt es nicht. Sie ist ein nur aus der Philosophiegeschichte verständliches Vorurteil.

 

(*)

Diese philosophische Erkenntnis ging Hand in Hand in meinen softwaretechnischen Anstrengungen vor gut 20-25 Jahren. Ich hatte damals beruflich mit "Expertensystemen" zu tun, allgemein haben wir versucht, künstliche Intelligenz in unsere Sensoren zu implemetieren. Es war die Hoch-Zeit der "Fuzzy-Logik", der "Expertensysteme", der "Forward-tracking"- und "Backward-Tracking"-"Inferenzmaschinen". Es war ein richtiger Hype damals, wahre Armeen von klugen Leuten haben vergeblich versucht, Maschinen zum "induktiven Schließen" zu bewegen. Nicht ohne Grund sind die meisten dieser Aktivitäten inzwischen sang- und klanglos eingeschlafen. Es ging einfach nicht. Der Grund ist: Um Theorien, um "etwas Neues" zu bekommen, muss man "Kreativität" in die Maschinen einbauen. Und das kann man auf zwei Arten machen: Entweder "Brute-Force", sprich: Man probiert alles aus. Oder aber ala "Monte Carlo", also zufallsbasiert. Oder einer Kombination von beiden Verfahren: Mit Hilfe von "Bewertungsfunktionen" sucht man erfolgversprechende Zweige im Suchbaum aus, und auf denen wird dann in die Tiefe gesucht. (diese Bewertungsfunktionen sind übrigens etwas, das noch einem "induktiven Prinzip" am Nächsten kommt. Aber sie sind aben auch "a posteriori", als der Theorie nachgeschaltet). Bei heutigen Schachprogrammen kann man die Vorgehensweise hervorragend beobachten. Und die sind erstaunlich kreativ. Und ist manchmal andererseits erstaunlich dumm, wie man an der berühmten Partie Fritz gegen Kasparov sehen kann, als Kasparov die programmbedingten Grenzen der Computerkreativität zeigen konnte (die allerdings in späteren Versionen behoben sein könnten).

 

Fazit: Die Methode der Erkenntnis geht immer so: Erst die Theorie. Dann ihre Bewertung durch die Fakten. Aus reinen Fakten kann man mit keiner bekannten Methode Theorien erzeugen. "Induktion" in diesem Sinne gibt es nicht.

bearbeitet von Sokrates
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pardon, habe gerade wenig Zeit. Die Antwort auf Volker kommt daher später...

 

"Induktion" im ursprünglichen Sinne bedeutete ein logisches Schlussprinzip, mit dem man von Einzelfällen zu einem allgemeinen Gesetz logisch schließen könnte. Ein solches Prinzip existiert nicht, da scheinen wir uns einig zu sein. Ihr redet aber weiter von "Induktion" als wichtigem Verfahren, mit dem die Wissenschaft angeblich Erkenntnisse gewinnt.

 

Natürlich ist induktive Schließen kein logisches Schließen. Induktion ist aber ein Komplex von Denkregeln, die wir alle anwenden und ohne die nicht nur Wissenschaft, sondern bereits die Bewältigung des Alltags unmöglich wäre.

 

Das Wesen der Induktion besteht in der Neigung, beobachtete Muster zu allgemeinen Gesetzen zu erweitern, obwohl es keinen logischen Grund dazu gibt. Wer immer wieder feststellt, dass Kupfer Strom leitet, wird irgendwann über die beobachteten, singulären Einzelfällen hinausgehen und den Allsatz aufstellen: Alles, was Kupfer ist, leitet Strom. Wer mehrfach die Wirkung von Zyankali beobachtet, wird sehr schnell auf den Allsatz "Jeder Mensch, dem eine hinreichende Menge Zynkali verabreicht wird, stirbt" kommen - obwohl es keinen logischen Grund gegen die Annahme gibt, dass Zynkali bei jedem noch nicht beobachteten Menschen völlig anders wirkt. Wer immer wieder feststellt, dass der Fall einzelner Steine sich durch eine bestimmte Gleichung - Galileis Fallgesetz - näherungsweise beschreiben lässt, wird sich bald in der Annahme gerechtfertigt fühlen, dass alle Steine (unter entsprechenden Bedingungen) dem Fallgesetz genügen, obwohl kein logischer Grund dagegen spricht, dass sich die Naturgesetze morgen ändern.

 

Könnte mal einer versuchen, mir das zu erklären? Für mich gibt es nur den (leicht erklärbaren) angeborenen Glauben, dass unsere Welt irgendwie regelmäßg und stetig ist, und ziemlich gute angeborene Strategien, solche Regeln zu erraten bzw. zu vermuten.

Das stimmt ja auch. Letztlich sind sie, und genau das hat Hume erkannt, durch unseren Glauben an die Gesetzhaftigkeit der Welt begründet. Trotzdem kann man von Schlüssen reden, sofern man unter einem Schluss nichts weiter als den regelgeleiteten Übergang von Prämissen zu einer Konklusion versteht. Ähnlich spricht man von inferences to the best explanation, also Schlüssen auf die beste Erklärung, obwohl auch diese keine logischen Schlüsse sind, sondern Wahrscheinlichkeitsschlüsse, die auf der Grundlage unserer bisherigen Annahmen über die Welt gerechtfertigt sind.

 

Ich glaube jetzt weiß ich, was mich an der Diskussion stört: Ihr scheint der tiefsitzenden Meinung anzuhängen, man müsse irgendwie rechtfertigen, warum man eine bestimmte Theorie vertritt, und wie man darauf gekommen ist. Und ich denke, das ist der grundlegende Denkfehler.

Denke ich nicht. Leider bist du auch hier von Sir Karl indoktriniert...

 

Wir alle verlangen im Alltag und in der Wissenschaft nach Begründung, Rechtfertigung, Evidenz, wenn uns eine Behauptung vorgelegt wird. Eine wissenschaftliche Behauptung, die ohne jede Evidenz daherkommt, würden wir auch dann nicht akzeptieren, wenn sie noch nicht falsifiziert ist. Man muss ja nur Theorien konstruieren, die aus irgendwelchen Gründen eine völlig andersartige, chaotische Zukunft postulieren, im Extremfall Theorien über den Weltuntergang 2012. Wir akzeptieren solche Theorien deshalb nicht, weil es von vornherein nichts gibt, was für ihre Wahrheit spricht - wir lehnen sie nicht erst dann ab, wenn sie falsifiziert wurden. Und sofern man sagen kann, dass diese Theorien der Kritik nicht standhalten, besteht die Kritik ja gerade darin, dass es nichts gibt, was für ihre Wahrheit spricht. Darum kritisieren wir sie, und nicht erst deshalb, weil wir sie positiven Tests aussetzen, denen sie nicht standhalten.

 

Eine Theorie wird einzig und allein dadurch "gerechtfertigt", dass sie einer kritischen Prüfung standhält.

Wenn du unter "Kritischer Prüfung standhalten" das noch-nicht-falsifiziert-sein verstehst, ist deine Behauptung m.E. unhaltbar. Denn erstens lassen sich einzelne Theorien im strengen Sinne nicht falsifizieren. Zweitens gibt es stets eine unendlich große Menge von noch-nicht-falsifizierten Theorien über die Zukunft, von denen aber die meisten offensichtlicher Bullshit sind. Um zu sagen, dass die meisten Bullshit sind, muss man sich aber bereits auf induktives Denken berufen.

 

Wenn du unter "kritischer Prüfung standhalten" jedoch etwas anderes als "noch nicht falsifiziert sein" verstehst, wird dein Kriterium butterweich. Außerdem hatte ich schon immer das Gefühl, das hier ein dem Münchhausentrilemma ähnlicher Regress droht. Denn widerspruchsfreie Meinungen kann man nur durch Berufung auf andere Meinungen kritisieren. Aber offenbar nicht durch Berufung auf beliebige Meinungen, sondern nur auf Meinungen die.... ja was? Gut begründet sind? Nein, das will der Kritizist ja nicht. Meinungen, die ihrerseits der Kritik durch andere Meinungen standhalten? Offenbar. Aber auf diese Weise kommt man ins Unendliche.

 

Ich halte es für sinnvoller zuzugeben, dass wir immer bereits einen Meinungskomplex über die Welt, der vor allem die Regeln der Induktion enthält, voraussetzen. Wir rechtfertigen eine Annahme, indem wir uns auf Beobachtung einerseits und andererseits auf diesen Meinungskomplex berufen. Wenn einer von der Beobachtung, dass Zyankali auf 100 Menschen tödlich wirkt, zu der Annahme übergeht, dass dies bei allen Menschen der Fall sein wird, dann ist seine Annahme gerechtfertigt durch die Beobachtung und durch unsere vorausgesetzte "Theorie der Welt", die der Welt eine besondere Gesetzmäßigkeit unterstellt.

 

Die Art und Weise ihrer Entstehung ist für ihre "Rechtfertigung" vollkommen irrelevant.

Aber das ist doch nachweisbar falsch. Wenn jemand von einem kaputten Thermometer abliest, dass es draußen 12°C sei, dann bewertest du diese These ganz anders als wenn du weißt, dass das Thermometer funktioniert. Wenn jemand behauptet, in seiner Wohnung sei ein Einbrecher gewesen, obwohl nichts fehlt und Schlösser und Fenster unversehrt sind, dann bewertest du die These ganz anders, als wenn ein Fenster eingeschlagen ist, braune Fußstapfen auf dem Boden sind etc. Wenn jemand behauptet, dass es vor 50 Millionen Jahren ein Tier mit der und der Beschaffenheit gegeben hat, und seine These mit Fossilienfunden und radiometrischer Bestimmung rechtfertigen kann, dann bewertest du die These ganz anders als wenn ein Amateur dieselbe These ohne jede Begründung aufgestellt hätte. Wenn eine Frau behauptet, sie sei vergewaltigt worden, dann sind starke Prügelspuren und Sperma des mutmaßlichen Täters im Intimbereich eine starke Evidenz dafür, dass ihre Behauptung stimmt.

 

Das Denken in Rechtfertigung, in Evidenz ist ein unverzichtbarer Teil der theoretischen Vernunft.

bearbeitet von Julian A.
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Das Wesen der Induktion besteht in der Neigung, beobachtete Muster zu allgemeinen Gesetzen zu erweitern, obwohl es keinen logischen Grund dazu gibt. Wer immer wieder feststellt, dass Kupfer Strom leitet, wird irgendwann über die beobachteten, singulären Einzelfällen hinausgehen und den Allsatz aufstellen: Alles, was Kupfer ist, leitet Strom. Wer mehrfach die Wirkung von Zyankali beobachtet, wird sehr schnell auf den Allsatz "Jeder Mensch, dem eine hinreichende Menge Zynkali verabreicht wird, stirbt" kommen - obwohl es keinen logischen Grund gegen die Annahme gibt, dass Zynkali bei jedem noch nicht beobachteten Menschen völlig anders wirkt. Wer immer wieder feststellt, dass der Fall einzelner Steine sich durch eine bestimmte Gleichung - Galileis Fallgesetz - näherungsweise beschreiben lässt, wird sich bald in der Annahme gerechtfertigt fühlen, dass alle Steine (unter entsprechenden Bedingungen) dem Fallgesetz genügen, obwohl kein logischer Grund dagegen spricht, dass sich die Naturgesetze morgen ändern.

Sorry, hast du jemals einen Menschen getroffen, der so vorgeht? Glaubst du im Ernst, dass Newton nach dieser Methode sein Fallgesetz erfunden hat?

 

Trotzdem kann man von Schlüssen reden, sofern man unter einem Schluss nichts weiter als den regelgeleiteten Übergang von Prämissen zu einer Konklusion versteht. Ähnlich spricht man von inferences to the best explanation, also Schlüssen auf die beste Erklärung, obwohl auch diese keine logischen Schlüsse sind, sondern Wahrscheinlichkeitsschlüsse, die auf der Grundlage unserer bisherigen Annahmen über die Welt gerechtfertigt sind.

Ich bin (siehe Nachtrag zu meinem letzten Beitrag) inzwischen sicher, dass es keinen "regelgeleiteten Übergang von Prämissen zu einer Konklusion" gibt. Man muss immer eine "Hypothesengeneriermaschine" einbauen. EIne Art "Kreativitätsmotor".

 

Leider bist du auch hier von Sir Karl indoktriniert...

 

;) Ich denke eher, dass ich zu der begründeten Überzeugung gekommen bin, dass "Sir Karl" hier recht hat.

 

[...]

 

Wenn du unter "Kritischer Prüfung standhalten" das noch-nicht-falsifiziert-sein verstehst, ist deine Behauptung m.E. unhaltbar.

Selbstverständlich ist mein Begriff von "kritisch prüfen" nicht derartig eingeschränkt. (Und selbstverständlich ist der Poppersche Begriff von "kritisch prüfen" ebenfalls nicht so eingeschränkt).

 

Wenn du unter "kritischer Prüfung standhalten" jedoch etwas anderes als "noch nicht falsifiziert sein" verstehst, wird dein Kriterium butterweich.

Nicht weicher als dein "Induktionskriterium". Warum der Regress nicht groht, lasse ich erst mal außen vor. Das ist ein Komplex für sich, der zu weit führen würde. Selbstverständlich haben wir Kriterien, was geht und was nicht. Da gebe ich dir recht. Und diese Kriterien dienen dazu, kritisch unsere Theorien zu prüfen.

 

Die Art und Weise ihrer Entstehung ist für ihre "Rechtfertigung" vollkommen irrelevant.

Aber das ist doch nachweisbar falsch. Wenn jemand von einem kaputten Thermometer abliest, dass es draußen 12°C sei, dann bewertest du diese These ganz anders als wenn du weißt, dass das Thermometer funktioniert. Wenn jemand behauptet, in seiner Wohnung sei ein Einbrecher gewesen, obwohl nichts fehlt und Schlösser und Fenster unversehrt sind, dann bewertest du die These ganz anders, als wenn ein Fenster eingeschlagen ist, braune Fußstapfen auf dem Boden sind etc. Wenn jemand behauptet, dass es vor 50 Millionen Jahren ein Tier mit der und der Beschaffenheit gegeben hat, und seine These mit Fossilienfunden und radiometrischer Bestimmung rechtfertigen kann, dann bewertest du die These ganz anders als wenn ein Amateur dieselbe These ohne jede Begründung aufgestellt hätte. Wenn eine Frau behauptet, sie sei vergewaltigt worden, dann sind starke Prügelspuren und Sperma des mutmaßlichen Täters im Intimbereich eine starke Evidenz dafür, dass ihre Behauptung stimmt.

Sorry, aber genau das sind Beispiele für kritische Prüfung von Hypothesen. Sie haben immer die Form: "Wenn das und das wahr ist, dann muss: ...". Logik (und zwar die klassische) wird zusammen mit Vorwissen und Empirie dazu verwendet, um vorgegebene Theorien kritisch zu prüfen.

 

Das Denken in Rechtfertigung, in Evidenz ist ein unverzichtbarer Teil der theoretischen Vernunft.

Ich denke, dass deine "Rechtfertigung" eher einer "kritischer Prüfung" entspricht. Deine Beispiele deuten darauf hin. Der Fehler in deinem "induktiven" Ansatz ist der, dass du nicht einsehen willst, wie wichtig der "kreative" Teil beim Ideenerzeugen ist, dass Ideen, Theorien logisch gesehen immer a priori zur Empirie sein müssen. Induktion dagegen nicmmt an, es gäbe ein Verfahren, um Theorien a posteriori aus Beobachtungen zu erzeugen. Das ist, so bion ich sicher, falsch.

bearbeitet von Sokrates
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Im Grunde genommen könnte man - rein theoretisch - sich ein Programm konstruieren, das nach dem Zufallsprinzip Theorien bildet. Dann sieht man nach, welche der Theorien man kritisch prüfen kann, und fängt an, sie kritisch zu prüfen. Diejenige, die der Prüfung nicht standhalten, werden verworfen. Die Begründung, warum man eine Theorie aufstellt lautet: Es kann keinen Grund dafür geben. Der Grund, um sie kritisch zu prüfen lautet: Weil es geht (tautologisch, die anderen hat man ja aussortiert).

Unter Brüdern: Ich glaube, dass unsere Erkenntnis genau so funktioniert. (*)

 

Aber davon abgesehen steckt eine andere Frage darin, nämlich: Warum kann man über Induktion, dem Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine, besser Theorien bilden als wenn man wie oben sich ein Zufallsprogramm baut?

Meine Frage ist noch allgemeiner: Kann man das überhaupt? Und meine Antwort ist: Eher nein. Alle Beispiele, die zur Begründung einer "Induktion" gebracht werden, haben typischerweise die Form, die ich bei Sam kritisiert habe: Künstlich und uninteressant. Interessante Theorien stellen immer "warum"-Fragen, und das kann Induktion nicht.

(...)

Fazit: Die Methode der Erkenntnis geht immer so: Erst die Theorie. Dann ihre Bewertung durch die Fakten. Aus reinen Fakten kann man mit keiner bekannten Methode Theorien erzeugen. "Induktion" in diesem Sinne gibt es nicht.

Das Problem ist, wenn wir immer erst die Theorie hätten und dann die Bewertung durch die Fakten, würde dies bedeuten, daß man einfach Theorien erfinden würde bzw. müßte, die man dann an der Welt überprüft.

 

Theorien = deduktives Vorgehen.

Empirie = induktives Vorgehen.

 

Die empirische Wissenschaft geht von der Induktion zur Deduktion über.

Die theoretische Wissenschaft geht von der Theorie aus, die oft auf anderen Theorien basiert.

Notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für die Falsifikation ist das Aufzeigen eines Falles, der sich nicht mit der Regel (Theorie) vereinbaren läßt und damit auch den Induktions-Schluss widerlegt.

 

Induktion ist ein logischer Schluss, wie auch der Analogieschluss.

Es handelt sich aber bei beiden um keinen Schluss, der zwingend ist (vielleicht verwirrt dies hier einige).

Basis der Empirie ist die Induktion und die Induktion gehört zur doxastischen Logik.

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Habe mal bei Wiki geschaut und eine Liste einiger induktiven Schlüsse gefunden:

In der logischen Untersuchung des Induktionsschlusses gibt es eine starke Tradition eines wahrscheinlichkeitslogischen Ansatzes. Carnap unterscheidet in seiner Arbeit Induktive Logik und Wahrscheinlichkeit fünf Haupttypen der induktiven Verallgemeinerung:

 

* den direkten Schluss,

* den Voraussageschluss,

* den Analogieschluss,

* den inverseren Schluss und

* den Allschluss.

 

Vertreter der Wahrheitsdiskussion wie z.B. Popper (1989) oder Hume bezweifeln die Möglichkeit, durch induktive Verallgemeinerung die Wahrheit wissenschaftlicher Hypothesen begründen zu können. Hume war der erste, der sich mit dem Induktionsproblem auseinandergesetzt hat. Er konnte zeigen, dass jeder Versuch einer induktiven Verallgemeinerung einem Zirkelschluss erliegen muss, denn laut Hume stößt man bei jeder induktiven Verallgemeinerung letztlich auf unerlaubte logische Operationen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Induktion_(Denken)

 

 

Wenn es sich bei dieser Aufzählung tatsächlich um induktive Schlüsse handelt, bleibt wenig Spielraum für nicht induktive Schlüsse bei der empirischen Überprüfung einer Theorie.

 

Wenn wir eine Theorie falsifzieren, dann tun wir dies, in dem wir eine Regel (die in der Theorie formuliert wurde: "Immer dann, wenn...") auf die Probe stellen, in dem wir diese anhand eines konkreten Falles (Experiment) überprüfen.

Bestätigt das Experiment die Theorie nicht, weil die Vorhersage nicht erfüllt wurde, dann haben wir einen Fall, der nicht mit der "Immer dann, wenn..." Regel übereinstimmt.

Beobachtung sagt uns doch nur dann etwas aus, wenn wir davon ausgehen, daß jedes Experiment oder jede Beobachtung unter gleichen Bedingungen auch die gleichen Resultate liefern wird.

Damit setzen wir die Gleichförmigkeit der Welt voraus, zu der wir selbst nur wegen eines induktiven Schlusse gelangen: "Es war bisher so und daher glauben wir, daß es auch weiterhin so sein wird"

Und diese Gleichförmigkeit, die wir zur Falsifikation voraussetzen müssen, ist das Axiom, welches wir für die Induktion benötigen.

 

Wie will man eine Theorie über ein Verhalten aufstellen, wenn man diesen Verhalten nicht induktiv als eine regelmäßig auftretendes Verhalten "erkennt"?

 

Wenn ich z.B. eine Theorie habe, in der die Eigenschaften des Wasserstoffatoms eine Rolle spielen, dann setze ich voraus, daß jedes Wasseratom, welches ich entdecken werde, die gleichen Eigenschaften haben wird.

 

Die Enttäuschung, die sich einstellt, wenn sich diese Erwartung als falsch herausstellt, ist der eigentliche Motor der Wissenschaft.

Jede Falsifikation führt zur neuen Erkenntnissen, während die Bewährung zu mehr Sicherheit führt.

 

Diese Win-Win-Ausrichtung macht die Wissenschaft so wertvoll.

 

Richtig ist allerdings, daß man mit einem induktiven Schluss nicht verifizieren kann.

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Sorry, hast du jemals einen Menschen getroffen, der so vorgeht? Glaubst du im Ernst, dass Newton nach dieser Methode sein Fallgesetz erfunden hat?

Natürlich sind die Prozesse in unserem Hirn ein Stück weit fuzzy, aber trotzdem läuft es so: Wir entdecken, dass sich beobachtbare Regularitäten durch allgemeine Gesetzesaussagen beschreiben lassen und rechtfertigen aufgrund unserer induktiven Erwartung die Hypothese, dass diese Gesetze für alle Fälle gelten. Das Auffinden der Gesetzesaussage kannst du meinethalben als kreativen Prozess beschreiben. Entscheidend ist aber, dass die Theorie-Kreation kein willkürlicher, freier Prozess ist, denn der größte Teil der logisch möglichen Theorien ist aufgrund unseres induktiven Denkens von vornherein inakzeptabel. Insofern kann man eben doch von einem nicht-willkürlichen, regelhaften Prozess sprechen.

 

Wie gesagt: Die Menge T der Theorien, die zum jetzigen Zeitpunkt mit der Beobachtung konsistent sind, enthält unendlich viele Elemente. Darunter unzählige Theorien, die für die Zukunft einen ganz anderen Verlauf der Welt als für die Vergangenheit postulieren, und die bis jetzt möglicherweise sogar gut funktioniert haben. In Wirklichkeit halten wir nur einen winzigen Teil der Theorien überhaupt für diskutabel, nämlich diejenigen, die der Welt eine kontinuierliche Gesetzmäßigkeit unterstellen. Die Beschränkung des Theorienraumes geschieht zu 99,9999...% durch induktiven Glauben, nicht durch kritische Prüfung.

 

Wir suchen gewissermaßen, besonders in der Physik, stets nach der einfachsten Kurve, die durch alle Punkte führt. Und das, obwohl völlig chaotische Kurven, die durch alle Punkte führen, logisch gesehen ebenso zulässig wären. Für Galileis Befunde gab es unendlich viele mathematische Beschreibungen. Dass er sich für eine ganz bestimmte entschieden hat, zeigt, dass Theorieentwicklung kein "freier" Prozess ist, sondern von ganz bestimmten (induktiven) Vorannahmen gesteuert.

 

Nicht weicher als dein "Induktionskriterium". Warum der Regress nicht groht, lasse ich erst mal außen vor.

 

Ein Regress taucht dann nicht auf, wenn wir akzeptieren, dass die begründeten Annahmen in der Wissenschaft letztlich auf Annahmen zurückführen, die nicht begründet sind. In einem gewissen Sinne ist ein "Fundamentalismus" in der Wissenschaft unvermeidbar.

 

Wie gesagt: Am Grunde des begründeten Glaubens liegt der 'unbegründete Glaube'. Wobei das religiöser klingt als es gemeint ist. Es geht einfach darum, dass wir immer bereits mit Annahmen beginnen, und dass Begründung eben darin besteht, dass wir andere Annahmen plausibel machen, indem wir uns auf die, die wir schon vertreten, berufen.

 

Sorry, aber genau das sind Beispiele für kritische Prüfung von Hypothesen. Sie haben immer die Form: "Wenn das und das wahr ist, dann muss: ...". Logik (und zwar die klassische) wird zusammen mit Vorwissen und Empirie dazu verwendet, um vorgegebene Theorien kritisch zu prüfen.

Aha... Vorwissen.

 

Nun, vielleicht ist der Unterschied zwischen unseren Positionen gar nicht so groß. Meine Position ist eben, dass unser "Vorwissen" u.a. den Glauben an eine relativ kontinuierliche Gesetzmäßigkeit der Welt miteinschließt, weshalb viele Theorien und Annahmen von vornherein unplausibel erscheinen. Wir begründen konkrete Annahmen und Theorien, indem wir uns auf Beobachtung und auf dieses Vorwissen berufen. Das ist der Grund, weshalb wir eine Theorie, die das Vershwinden der Welt im übernächsten Jahr vorsieht, zum Beispiel nicht akzeptieren würden, obwohl sie mit der bisherigen Beobachtung völlig konsistent ist.

 

Ich denke, dass deine "Rechtfertigung" eher einer "kritischer Prüfung" entspricht.

Wenn ich sage: "Vor 50 Millionen Jahren hat ein Tier von der und der Beschaffenheit gelebt, denn wir haben diese Knochenbefunde und diese Altersbestimmung", dann ist das jawohl wohl genau das, was man als Evidenz oder Begründung bezeichnet. Und hier ist auch völlig klar, wie bei meinen anderen Beispielen, dass die Annahme keine kreative Erfindung, sondern eine regelhafte (induktive) Schlussfolgerung aus den Befunden ist.

bearbeitet von Julian A.
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Das Problem ist, wenn wir immer erst die Theorie hätten und dann die Bewertung durch die Fakten, würde dies bedeuten, daß man einfach Theorien erfinden würde bzw. müßte, die man dann an der Welt überprüft.

Ganz genau. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass Erkenntnis so und nur so funktioniert. Das ist auch die Quintessenz aus dem Kantschen Ansatz der "Kategorien a priori".

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Die Beschränkung des Theorienraumes geschieht zu 99,9999...% durch induktiven Glauben, nicht durch kritische Prüfung.

Woher weißt du das?

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Die Beschränkung des Theorienraumes geschieht zu 99,9999...% durch induktiven Glauben, nicht durch kritische Prüfung.

Woher weißt du das?

Einfache Überlegung. Wie gesagt: Die Menge der Theorien, die zu einem beliebigen Zeitpunkt mit der Beobachtung konsistent sind, ist immer unendlich. Die Theorien, die tatsächlich in Betracht gezogen werden, sind nur eine winzige Teilklasse davon. Alle Theorien, die z.B. für die Zukunft einen völlig anderen Verlauf als für die Vergangenheit vorsehen, oder die nicht versuchen, eine (möglichst) einfache Kurve durch die gegebenen Punkte zu finden, werden als inakzeptabel angesehen.

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Das Problem ist, wenn wir immer erst die Theorie hätten und dann die Bewertung durch die Fakten, würde dies bedeuten, daß man einfach Theorien erfinden würde bzw. müßte, die man dann an der Welt überprüft.

Ganz genau. Ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass Erkenntnis so und nur so funktioniert. Das ist auch die Quintessenz aus dem Kantschen Ansatz der "Kategorien a priori".

Ich glaube nicht, daß das funktioniert oder der Fall ist.

Schon die Überzeugung, daß sich die Eigenschaften der Atome nicht gleich morgen wieder ändern und wenn sie es doch tun, dafür dann ein Grund vorliegen muss, basiert auf Induktion.

Ohne Induktion würden wir das Ungewöhnliche gar nicht feststellen, denn erst durch den Widerspruch zu einem induktiven Schluss, wird eine Beobachtung ungewöhnlich.

Induktion ist quasi so grundlegend, daß man gar nicht mehr erkennt, daß man sie quasi überall vornimmt.

Wenn wir Theorien nur einfach erfinden würden, dann wären sie auch weit absurder - schon die Formung der Theorien wird durch unsere Erwartungshaltungen bestimmt.

Du hast allerdings dahingehend recht, daß es a prioris gibt, die Veranlagung zum induktiven Denken ist uns quasi a priori mitgegeben.

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Die Beschränkung des Theorienraumes geschieht zu 99,9999...% durch induktiven Glauben, nicht durch kritische Prüfung.

Woher weißt du das?

Einfache Überlegung. Wie gesagt: Die Menge der Theorien, die zu einem beliebigen Zeitpunkt mit der Beobachtung konsistent sind, ist immer unendlich. Die Theorien, die tatsächlich in Betracht gezogen werden, sind nur eine winzige Teilklasse davon. Alle Theorien, die z.B. für die Zukunft einen völlig anderen Verlauf als für die Vergangenheit vorsehen, oder die nicht versuchen, eine (möglichst) einfache Kurve durch die gegebenen Punkte zu finden, werden als inakzeptabel angesehen.

Sorry. Ich behaupte, dass diese "einfache Überlegung" falsch ist. Die Beschränkung des Theorienraumes kommt zunächst einmal da her, wie unser Gehirn gebaut ist. Das bedeutet: In unserem Gehirn sind schon einmal hochkomplexe Theorien über die Welt vorimplementiert, verbunden mit einer großen Anzahl von Theorieerzeuguzngsalgorithmen. Diese Theorien und Algorithmen können auf eine 2 Millionen Jahre lange Geschichte zurückblicken. Und sind selbstverständlich insofern nicht "frei". Das was du als "induktoiven Glauben" bezeichnest, ist in Wahrheit eine äußerst wohlerprobte Theorie darüber, wie die Welt funktioniert. Entstanden ist diese Theorieerzeugungsmaschine nach genau dem Verfahren, das ich geschildert habe: Mutation und Selektion (=kritische Prüfung). Und diese Theorieerzeugungsmaschine ist so gut, dass sie in inzwischen in der Introspektion wie eine "Induktionsmaschine" aussieht. (So wie manche Effekte der Evolution wie eine Lamarckesche Evolution aussehen - Stichwort: Baldwin-Effekt).

 

Überhaupt scheint mir das eine wichtige Parallele zu sein: "Induktion" und "Lamarcksche Evolution". Beides ist verführerisch, und es sieht auf den ersten Blick so aus, als würde das so stattfinden. Aber bei genauerer Betrachtung lässt sich alles auf einen darwinistischen Mechanismus zurückführen.

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Schon die Überzeugung, daß sich die Eigenschaften der Atome nicht gleich morgen wieder ändern und wenn sie es doch tun, dafür dann ein Grund vorliegen muss, basiert auf Induktion.

Diese Überzeugung ist in unserem Gehirn vorprogrammiert. Und zwar als Resultat von Millionen Jahren Evolution.

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Die Beschränkung des Theorienraumes geschieht zu 99,9999...% durch induktiven Glauben, nicht durch kritische Prüfung.

Woher weißt du das?

Einfache Überlegung. Wie gesagt: Die Menge der Theorien, die zu einem beliebigen Zeitpunkt mit der Beobachtung konsistent sind, ist immer unendlich. Die Theorien, die tatsächlich in Betracht gezogen werden, sind nur eine winzige Teilklasse davon. Alle Theorien, die z.B. für die Zukunft einen völlig anderen Verlauf als für die Vergangenheit vorsehen, oder die nicht versuchen, eine (möglichst) einfache Kurve durch die gegebenen Punkte zu finden, werden als inakzeptabel angesehen.

Sorry. Ich behaupte, dass diese "einfache Überlegung" falsch ist. Die Beschränkung des Theorienraumes kommt zunächst einmal da her, wie unser Gehirn gebaut ist. Das bedeutet: In unserem Gehirn sind schon einmal hochkomplexe Theorien über die Welt vorimplementiert, verbunden mit einer großen Anzahl von Theorieerzeuguzngsalgorithmen. Diese Theorien und Algorithmen können auf eine 2 Millionen Jahre lange Geschichte zurückblicken.

Ich bestreite ja gar nicht, dass man die induktive Methode als eine grobe Theorie der Welt bezeichnen kann. Im Gegenteil. Ich sage aber, dass diese Theorie, da sie nun mal da ist, die entscheidende Grundlage unserer wissenschaftlichen Unternehmungen ist. Jede unserer konkreten, einzelnen Theorien wird im Lichte unseres Vertrauens in das Vorhandensein von gleichbleibenden, relativ einfachen Gesetzmäßigkeiten in der Welt evaluiert.

 

Und natürlich ist unserer induktiver Verstand durch Evolution entstanden. Auch das habe ich nirgendwo bestritten. Ich bestreite nur, dass man die Selektionsprozesse, die zur Bildung unseres Verstandes geführt haben mit unserer heutigen Erkenntnisweise gleichsetzen kann.

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Einwurf:

 

Es scheint, als ob wir hier auch zum Teil den alten "angelsächsischen Positivismusstreit" nachvollziehen.

Also ich bin kein Positivist ;)

 

Übrigens ist der Artikel ziemlich schlecht. Gerade Otto Neurath hat das Konzept einer "reinen Protokollsprache" nämlich als erster kritisiert. Er hat auch schon in den 30ern einen schönen Aufsatz über den späteren Sir Karl mit dem Titel "Pseudorationalismus der Falsifikation" geschrieben ;)

bearbeitet von Julian A.
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Auch das habe ich nirgendwo bestritten. Ich bestreite nur, dass man die Selektionsprozesse, die zur Bildung unseres Verstandes geführt haben mit unserer heutigen Erkenntnisweise gleichsetzen kann.

Die Argumente, mit denen du das bestreitest, leuchten aber nicht ein. Insbesondere bleibt die Frage offen: Wie kann Neues enstehen. Woher kommen neue Theorien über die Welt? Und da ist eben meine Hypothese: Das Gehirn erzeugt viele verschiedene Deutungshypothesen. (Natürlich nur im Rahmen des ererbten Musters). Und aus diesen Deutungshypothesen sortiert es diejenigen Hypothesen aus, die "am besten" sind. Das ist eine vollständig darwinistische Theorie der Erkenntnis, allerdings arbeitet sie eben auf Ebene der "Meme". Ich sehe keinen anderen, "induktiven" Mechanismus, der Vergleichbares leisten könnte.

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Auch das habe ich nirgendwo bestritten. Ich bestreite nur, dass man die Selektionsprozesse, die zur Bildung unseres Verstandes geführt haben mit unserer heutigen Erkenntnisweise gleichsetzen kann.

Die Argumente, mit denen du das bestreitest, leuchten aber nicht ein. Insbesondere bleibt die Frage offen: Wie kann Neues enstehen. Woher kommen neue Theorien über die Welt?

Darauf habe ich ja schon mehrfach geantwortet. Wir sammeln Beobachtungsdaten über die Welt und suchen nach allgemeinen Theorien, welche diese Daten beschreiben bzw. erklären. Die Suche nach einer Theorie ist aber alles andere als "frei", sondern sie ist durch die Beschaffenheit der Beobachtungsbefunde und vor allem durch unsere induktive Erwartung stark eingeschränkt.

 

Unser induktiver Verstand ist seinerseits ein Produkt der Evolution. Die evolutionäre Entstehung unseres Verstandes durch Mutation und Ausmerzung von Genen war aber etwas ganz anderes als die Entwicklung von wissenschaftlichen Theorien beim Menschen.

bearbeitet von Julian A.
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Schon die Überzeugung, daß sich die Eigenschaften der Atome nicht gleich morgen wieder ändern und wenn sie es doch tun, dafür dann ein Grund vorliegen muss, basiert auf Induktion.

Diese Überzeugung ist in unserem Gehirn vorprogrammiert. Und zwar als Resultat von Millionen Jahren Evolution.

Ich glaube nicht, daß in unserem Gehirn konkrete Ansichten über die Natur der Atome vorprogrammiert sind, sondern bestimmte Prinzipien des Erkennens, wie z.B. das induktive Denken.

bearbeitet von Sam_Naseweiss
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Schon die Überzeugung, daß sich die Eigenschaften der Atome nicht gleich morgen wieder ändern und wenn sie es doch tun, dafür dann ein Grund vorliegen muss, basiert auf Induktion.

Diese Überzeugung ist in unserem Gehirn vorprogrammiert. Und zwar als Resultat von Millionen Jahren Evolution.

 

Oder, anders gesagt: Als eine Folge von einer seit Jahrmillionen laufenden kritischen Prüfung, bei der sich diese Grundannahme als allen alternativen Annahmen als überlegen erwiesen hat.

 

Und bei der Evolution haben wir tatsächlich den Fall, den ich als hypothetisch geschildert habe: Einen Zufalls-Generator, der Hypothesen über die Welt produziert, blind, planlos, gedankenlos, sozusagen "ohne Sinn und Verstand". Man kann jede angeborene Ontologie als eine Erwartung an die Welt betrachten, bei der in der Evolution diejenigen Erwartungen statistisch häufiger eliminiert werden, die schlechter zur Welt passen als die der Konkurrenten. Die "Passung" besteht hier in der Fähigkeit, überlebende Nachkommen zu haben (= die Selektion als "Instanz der kritischen Prüfung" zu überleben).

 

Oder, wie Konrad Lorenz sinngemäß gesagt hat: Der Affe, der nicht erwartet, dass seine Welt aus einem dreidimensionalen Raum besteht, ist mit großer Sicherheit ganz schnell tot vom Baum gefallen und gehört daher nicht zu unseren Vorfahren.

 

Man kann nicht sagen, welche Hypothese über die Welt wahr ist, sondern man kann nur sagen, welche Hypothese besser zur Welt passt als die konkurrierenden Alternativen. Während es in der Evolution schlicht ums Überleben geht - die kritische Prüfung besteht darin, überlebende Nachkommen zu haben - ist dies in der Wissenschaft durch ein Instrumentarium von Prüfungen durch kritische Methoden ersetzt worden, aber um grundlegenden Prinzip wurde nichts geändert. So kann man z. B. eine Hypothese (= Erwartung an die Welt, wie die Welt funktioniert) inzwischen auch durch logische Überlegungen widerlegen, ohne dass dafür Lebewesen sterben müssen. Beispiel Galileo Galilei: Er hat einen logischen Widerspruch in der Annahme gefunden, dass schwere Gegenstände schneller fallen als leichte Gegenstände - und erkannt, dass letztlich nur eine empirische Prüfung wirklich die Erkenntnis bringt, ob diese Annahme auch tatsächlich falsifiziert worden ist.

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Schon die Überzeugung, daß sich die Eigenschaften der Atome nicht gleich morgen wieder ändern und wenn sie es doch tun, dafür dann ein Grund vorliegen muss, basiert auf Induktion.

Diese Überzeugung ist in unserem Gehirn vorprogrammiert. Und zwar als Resultat von Millionen Jahren Evolution.

 

Oder, anders gesagt: Als eine Folge von einer seit Jahrmillionen laufenden kritischen Prüfung, bei der sich diese Grundannahme als allen alternativen Annahmen als überlegen erwiesen hat.

Was aber das zukünftige Vertrauen in diese Grundannahme nicht rechtfertigt, ohne sie bereits vorauszusetzen. -->Metainduktion.

 

Denn aus der bisherigen Bewährung unserer induktiven Grundannahmen folgt gar nichts für dessen zukünftigen Erfolg, es sei denn, wir setzen sie schon voraus.

 

 

Und bei der Evolution haben wir tatsächlich den Fall, den ich als hypothetisch geschildert habe: Einen Zufalls-Generator, der Hypothesen über die Welt produziert, blind, planlos, gedankenlos, sozusagen "ohne Sinn und Verstand". Man kann jede angeborene Ontologie als eine Erwartung an die Welt betrachten, bei der in der Evolution diejenigen Erwartungen statistisch häufiger eliminiert werden, die schlechter zur Welt passen als die der Konkurrenten. Die "Passung" besteht hier in der Fähigkeit, überlebende Nachkommen zu haben (= die Selektion als "Instanz der kritischen Prüfung" zu überleben).

 

Oder, wie Konrad Lorenz sinngemäß gesagt hat: Der Affe, der nicht erwartet, dass seine Welt aus einem dreidimensionalen Raum besteht, ist mit großer Sicherheit ganz schnell tot vom Baum gefallen und gehört daher nicht zu unseren Vorfahren.

 

Man kann nicht sagen, welche Hypothese über die Welt wahr ist, sondern man kann nur sagen, welche Hypothese besser zur Welt passt als die konkurrierenden Alternativen. Während es in der Evolution schlicht ums Überleben geht - die kritische Prüfung besteht darin, überlebende Nachkommen zu haben - ist dies in der Wissenschaft durch ein Instrumentarium von Prüfungen durch kritische Methoden ersetzt worden, aber um grundlegenden Prinzip wurde nichts geändert. So kann man z. B. eine Hypothese (= Erwartung an die Welt, wie die Welt funktioniert) inzwischen auch durch logische Überlegungen widerlegen, ohne dass dafür Lebewesen sterben müssen. Beispiel Galileo Galilei: Er hat einen logischen Widerspruch in der Annahme gefunden, dass schwere Gegenstände schneller fallen als leichte Gegenstände - und erkannt, dass letztlich nur eine empirische Prüfung wirklich die Erkenntnis bringt, ob diese Annahme auch tatsächlich falsifiziert worden ist.

Wie gesagt: Ich leugne ja gar nicht, dass unser induktiver Verstand durch einen blinden Mutations- und Ausleseprozess entstanden ist. Ich bestreite aber, dass die heutige Theorie-Kreation des Menschen immer noch nach denselben Prinzipien wie die biologische Evolution abläuft. Das ist m.E. eindeutig falsch, und zwar gerade deshalb, weil wir Theorien auf der Grundlage unseres evolutionär gewachsenen, induktiven Verstandes aufstellen. Die Erschaffung einer Theorie ist ein regelhafter, angeleiteter Prozess, und zwar angeleitet durch zwei Faktoren: Die Beobachtung und die induktiven Erwartungen. Es ist nicht willkürlich und beliebig, mit welchen Theorien wir eine gegebene Beobachtung beschreiben, sondern es hängt von den Regeln unseres Verstandes und den Inhalten der Beobachtung ab.

 

Im Übrigen sollte man sich eines hinter die Ohren schreiben: Nur weil etwas durch Evolution entsteht, muss es nicht nach den gleichen Prinzipien funktionieren. Die geistigen Apparate, die nötig sind, um einen Roman zu schreiben, haben sich evolutionär entwickelt, aber es wäre absurd zu behaupten, dass die Erschaffung eines Romans nur ein blindes Mutieren ist. Das wäre Vulgär-Memetik.

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Wie gesagt: Ich leugne ja gar nicht, dass unser induktiver Verstand durch einen blinden Mutations- und Ausleseprozess entstanden ist. Ich bestreite aber, dass die heutige Theorie-Kreation des Menschen immer noch nach denselben Prinzipien wie die biologische Evolution abläuft. Das ist m.E. eindeutig falsch, und zwar gerade deshalb, weil wir Theorien auf der Grundlage unseres evolutionär gewachsenen, induktiven Verstandes aufstellen. Die Erschaffung einer Theorie ist ein regelhafter, angeleiteter Prozess, und zwar angeleitet durch zwei Faktoren: Die Beobachtung und die induktiven Erwartungen. Es ist nicht willkürlich und beliebig, mit welchen Theorien wir eine gegebene Beobachtung beschreiben, sondern es hängt von den Regeln unseres Verstandes und den Inhalten der Beobachtung ab.

Wissenschaftlicher Wissenserwerb ist ein wechselseitiger Prozeß von Induktion und Deduktion. Eine Theorie ist ein Modell von Zusammenhängen, im günstigen Fall beruhend auf Tatsachenbeobachtungen, manchmal leider auch ohne. Auf der Basis einer solchen Theorie machen wir neue Beobachtungen, die unsere Theorie dann entweder bestätigen oder widerlegen. Wenn sie unsere Theorie bestätigen, ist es gut, wenn nicht ... nun, da unterscheiden sich die verschiedene Arten geistiger Betätigung von einander. Ein Wissenschaftler bekommt für seine Entdeckung den Nobelpreis, ein Theologe wird vielleicht entlassen. Und hier wird, denke ich, klar, daß es sich beim menschlichen Wissenserwerb um einen sozialen Prozeß handelt, und in dem ist das Interessen an Wissen nur eines von vielen Motiven.

 

So ist es kein Zufall, daß die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse im 19. und 20. Jh. gewonnen wurden, einmal, weil keine Erkenntnis ohne Grundlagen möglich ist, und weil es eine Atmosphere geistiger Freiheit braucht. Wie sehr das von den Gesellschaften abhängt, in denen die Wissenschaftler arbeiten, sieht man sowohl an der Evolutionstheorie als auch an der Erfindung des Telefons. Beide wurden jeweils von mehreren fast gleichzeitig entwickelt. Und geistige Freiheit hängt auch immer davon ab, wofür man Freiheit beansprucht. So hatten Astrophysiker im 19. Jh. keine Einschränkungen zu befürchten, ganz im Gegenteil zu ihren Vorgängern im 16. und 17. Jh.

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Ich leugne ja gar nicht, dass unser induktiver Verstand durch einen blinden Mutations- und Ausleseprozess entstanden ist. Ich bestreite aber, dass die heutige Theorie-Kreation des Menschen immer noch nach denselben Prinzipien wie die biologische Evolution abläuft. Das ist m.E. eindeutig falsch, und zwar gerade deshalb, weil wir Theorien auf der Grundlage unseres evolutionär gewachsenen, induktiven Verstandes aufstellen. Die Erschaffung einer Theorie ist ein regelhafter, angeleiteter Prozess, und zwar angeleitet durch zwei Faktoren: Die Beobachtung und die induktiven Erwartungen. Es ist nicht willkürlich und beliebig, mit welchen Theorien wir eine gegebene Beobachtung beschreiben, sondern es hängt von den Regeln unseres Verstandes und den Inhalten der Beobachtung ab.
du hast da aber mmn eine etwas eigenartige vorstellung von evolution. ich würde sagen, die ähnlichkeiten und gemeinsamkeiten zu/mit rational erstellten theorien und plänen sind erstaunlich.

 

zuerst mal ist biologische evolution kein blinder mutations-prozess. evolution hat in phasen stattgefunden wobei jede neuere phase von der vorhergehenden abhängig war. zuerst kam die DNA-RNA transkription. dann die organisation und regulierung der zelle, die ohne schritt 1 nicht denkbar wäre. dann die vielzeller, dann die „body plans“ (hox-gene), alles ohne die vorhergehenden schritte nicht denkbar. dann die unzähligen mutationen der „body plans“ , die den individuen selektionsvorteile oder –nachteile verschafften ohne die "body-plans" grundsätzlich zu ändern.

 

oder ein anderes beispiel – das protein collagen hält unsere körper zusammen. ohne collagen würden wir schlicht und ergreifend auseinanderfallen. collagen ist in jedem vielzelligen tier enthalten, in quallen, schwämmen und menschen, und es unterscheidet sich keinen deut in den verschiedenen organismen. hier hat die evolution nicht blind herummutiert, sondern collagen wird seit urzeiten gleich hergestellt. mutationen wären ja auch sofort tödlich und haben daher keine chance.

 

und genau so läufts doch auch in der wissenschaft, findest du nicht? ein jurist oder gesetzesgeber kann auf dem aufbauen, was die verfassung und die gesetze eines landes bereits festgelegt haben, er kann punktuell schwächen ausmerzen und mehr gerechtigkeit schaffen. er muss nicht jedesmal bei null anfangen. er kann sich auch mal irren und seine gesetzesänderung kostet ihm den job als politiker und wird rückgängig gemacht (vergleichbar mit einer fehlgeschlagenen mutation). darüber hinaus sind "trial & error" und deduktion eigentlich noch viel verbreiteter als induktion. und in bestimmten computer-modellen wird dies sogar entsprechend programmiert (muss mich in nächster zeit darüber schlau machen, bei bedarf kann ich ja was posten dazu), dh. die lösung wird nicht mit einer linearen formel errechnet, sondern durch deduktion werden verschiedene lösungsmöglichkeiten determiniert und die beste daraus selektioniert. seeeehr ähnlich wie draussen in der natur die mutation/selektion abläuft.

 

grüssle, phyllis

bearbeitet von phyllis
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Ich leugne ja gar nicht, dass unser induktiver Verstand durch einen blinden Mutations- und Ausleseprozess entstanden ist. Ich bestreite aber, dass die heutige Theorie-Kreation des Menschen immer noch nach denselben Prinzipien wie die biologische Evolution abläuft. Das ist m.E. eindeutig falsch, und zwar gerade deshalb, weil wir Theorien auf der Grundlage unseres evolutionär gewachsenen, induktiven Verstandes aufstellen. Die Erschaffung einer Theorie ist ein regelhafter, angeleiteter Prozess, und zwar angeleitet durch zwei Faktoren: Die Beobachtung und die induktiven Erwartungen. Es ist nicht willkürlich und beliebig, mit welchen Theorien wir eine gegebene Beobachtung beschreiben, sondern es hängt von den Regeln unseres Verstandes und den Inhalten der Beobachtung ab.
du hast da aber mmn eine etwas eigenartige vorstellung von evolution. ich würde sagen, die ähnlichkeiten und gemeinsamkeiten zu/mit rational erstellten theorien und plänen sind erstaunlich.

 

zuerst mal ist biologische evolution kein blinder mutations-prozess. evolution hat in phasen stattgefunden wobei jede neuere phase von der vorhergehenden abhängig war. zuerst kam die DNA-RNA transkription. dann die organisation und regulierung der zelle, die ohne schritt 1 nicht denkbar wäre. dann die vielzeller, dann die „body plans“ (hox-gene), alles ohne die vorhergehenden schritte nicht denkbar. dann die unzähligen mutationen der „body plans“ , die den individuen selektionsvorteile oder –nachteile verschafften ohne die "body-plans" grundsätzlich zu ändern.

 

oder ein anderes beispiel – das protein collagen hält unsere körper zusammen. ohne collagen würden wir schlicht und ergreifend auseinanderfallen. collagen ist in jedem vielzelligen tier enthalten, in quallen, schwämmen und menschen, und es unterscheidet sich keinen deut in den verschiedenen organismen. hier hat die evolution nicht blind herummutiert, sondern collagen wird seit urzeiten gleich hergestellt. mutationen wären ja auch sofort tödlich und haben daher keine chance.

 

und genau so läufts doch auch in der wissenschaft, findest du nicht? ein jurist oder gesetzesgeber kann auf dem aufbauen, was die verfassung und die gesetze eines landes bereits festgelegt haben, er kann punktuell schwächen ausmerzen und mehr gerechtigkeit schaffen. er muss nicht jedesmal bei null anfangen. er kann sich auch mal irren und seine gesetzesänderung kostet ihm den job als politiker und wird rückgängig gemacht (vergleichbar mit einer fehlgeschlagenen mutation). darüber hinaus sind "trial & error" und deduktion eigentlich noch viel verbreiteter als induktion. und in bestimmten computer-modellen wird dies sogar entsprechend programmiert (muss mich in nächster zeit darüber schlau machen, bei bedarf kann ich ja was posten dazu), dh. die lösung wird nicht mit einer linearen formel errechnet, sondern durch deduktion werden verschiedene lösungsmöglichkeiten determiniert und die beste daraus selektioniert. seeeehr ähnlich wie draussen in der natur die mutation/selektion abläuft.

 

grüssle, phyllis

 

Dass Mutationen, sofern sie sich überhaupt als nützlich erweisen, sozusagen aufeinander aufbauen können, habe ich nicht bestritten. Trotzdem sind Mutationen letztlich ein nicht-intentionaler Zufallsprozess, und da sehe ich eine unüberbrückbare Disanalogie zwischen Mutationen und dem Schreiben eines Romans oder der Kreation einer wissenschaftlichen Theorie.

 

Vor allem kann man nicht leugnen, dass Theorie-Gestaltung angeleitet ist durch unsere induktiven "Vorurteile" über die Welt. Denn, noch mal: Zu jedem beliebigen empirischen Datum kannst du dir unendlich viele Nonsens-Theorien ausdenken, die aber trotzdem in sich konsistent sind und zur Beobachtung passen. Die tatsächliche Wahl der Theorie ist durch unseren Verstand geleitet, der induktiv arbeitet.

bearbeitet von Julian A.
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prozesse und entwicklungen gehorchen physischen, chemischen und thermodynamischen gesetzen. nicht-intentional ist doch nicht dasselbe wie zufall. ist die ölkatastrophe im golf von mexiko nicht-intentional? wollen wir doch hoffen. ist es zufall? wohl kaum....

 

adaptives manchmal geradezu optimales verhalten bei tieren entstand aus zwängen und notwendigkeit. theorien oft ebenso. natürlich ist die relation nicht 1:1 aber die gemeinsamkeiten sind zweifellos vorhanden.

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