Mecky Geschrieben 7. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 7. Oktober 2010 Es hat mit Anmaßung nichts zu tun, wenn man die Behauptung, dass 2+2 18 ergäbe als falsch beurteilt. Es hat auch nichts mit Anmaßung zu tun, wenn man Schlüsse zurückweist, die man gar nicht ziehen kann. Es hat auch nichts mit Anmaßung zu tun, wenn ich Schlüsse über das Verhältnis von Gott und Zeit zurückweise. Kirchliche Texte sind da oft wohltuend zurückhaltend. Dass Gott "vor aller Zeit" war, ist z.B. eine paradoxe Formulierung, sehr geschickt paradox gewählt, damit man sie nicht in Wissenskategorien einreihen kann. Das geht nämlich bei Paradoxa nicht. Aus solchen Paradoxa kann man nur schließen, dass man hier vor einem Geheimnis steht, das sich der Begreifbarkeit und damit einer direkten Begrifflichkeit entzieht. Man kann es noch mal umschreiben (z.B. eben durch Paradoxa - es gibt noch mehr Möglichkeiten, z.B. Metaphern, Gleichnisse etc.), aber jede Anwendung durch logische Schlüsse werden weder dem Geheimnis, noch unserer begrenzten Sichtweise gerecht. Ein Überschreiten dieser Grenze ist in sich anmaßend. Und diese Feststellung ist nicht anmaßend, sondern ergibt sich aus der Grenzüberschreitung. Sonst kannst Du jede Kritik, sogar jede Beurteilung von Sachverhalten und jeden Schluss, als Anmaßung bezeichnen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Woge Geschrieben 9. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 9. Oktober 2010 Es hat auch nichts mit Anmaßung zu tun, wenn ich Schlüsse über das Verhältnis von Gott und Zeit zurückweise. Kirchliche Texte sind da oft wohltuend zurückhaltend ... aber jede Anwendung durch logische Schlüsse werden weder dem Geheimnis, noch unserer begrenzten Sichtweise gerecht. Ein Überschreiten dieser Grenze ist in sich anmaßend. Und diese Feststellung ist nicht anmaßend, sondern ergibt sich aus der Grenzüberschreitung. Sonst kannst Du jede Kritik, sogar jede Beurteilung von Sachverhalten und jeden Schluss, als Anmaßung bezeichnen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich auf der Grundlage kirchlicher Texte wähnte. Die eine wichtige Quelle ist für mich Thomas von Aquin, der in seiner Summa schreibt (10. Untersuchung zur Ewigkeit Gottes): "Wir nehmen die Abfolge von Früher und Später als Zeit wahr ... Was also gänzlich unveränderlich ist, kann ebensowenig, wie eine Abfolge, einen Anfang oder ein Ende haben. So meldet sich die Ewigkeit aus zwei Stücken an: Erstlich daher, dass, was in Ewigkeit steht, weder Anfang noch Ende hat, und zweitens dadurch, dass dieselbe Ewigkeit ohne Abfolge ist, indem sie ganz auf einmal im Dasein ist." Die andere Quelle ist Meister Eckharts Traktat "Von der Abgeschiedenheit", wo quasi auf Thomas von Aquin aufsetzend geschrieben wird: "Von allen Gebeten und guten Werken, die der Mensch in der Zeit wirken kann, wird Gott so wenig bewegt, als ob nirgend in der Zeit ein Gebet oder ein gutes Werk geschähe, und Gott wird gegen den Menschen dadurch so wenig huldvoller und geneigter, wie wenn das Gebet oder die guten Werke nicht vor sich gegangen wären. Nun könntest du sagen: 'So höre ich wohl, dass alles Gebet und alle guten Werke verloren sind, obwohl man doch sagt, Gott will um alle Dinge gebeten werden'. Hier sollst du recht verstehen, dass Gott im gleichen Augenblick alle Dinge ansah, wie sie geschehen sollten, und im selben Augenblick, wann und wie Er die Kreaturen erschaffen sollte. Er sah auch das geringste Gebete und gute Werk, das jemandje tun würde, und sah an, welches Gebet und welche Andacht Er erhören sollte; Er sah, dass du Ihn morgen eifrig anrufen und mit rechtem Ernst bitten wirst, und dieses Anrufen und Gebet wird Gott nicht morgen erhören, denn Er hat in Seiner Ewigkeit gehört, bevor du Mensch wurdest ... Es stand nie ein neuer Wille in Gott auf." Ergänzend aus Meister Eckharts Traktat "Von der Vollendung der Zeit" noch ein paar Sätze: "Könnte Gott vonder Zeit berührt werden, so wäre Er nicht Gott. Wer die Kunst und die Macht hätte, dass er die Zeit und alles, was geschah und noch geschehen wird bis ans Ende der Welt, das heranziehen könnte in ein gegenwärtiges Nu, das wäre Vollendung der Zeit, das Nu der Ewigkeit." Im übrigen drücke ich mich um die Definition des Begriffes "Zeit" (im Gegensatz zu Thomas von Aquin, der in der Summa selbiges tut und Zeit immer in Abhängigkeit von Raum sieht). Da uns seit Einstein mathematisch-physikalisch betrachtet die Relativität der Zeit (nämlich in Abhängigkeit auch von der Geschwindigkeit) bekannt ist, halte ich es lieber mit Augustinus: "Muss ich nicht darüber nachdenken, weiß ich genau, was Zeit ist, muss ich sie jemandem jedoch erklären, so scheitere ich." Wenn also Gott nicht die Zeit als solche erschaffen hat, so hat Er die Welt doch so erschaffen, dass wir etwas als Zeit wahrnehmen. Ernst gemeinte Frage, weil ich es wirklich nicht einschätzen kann: Hältst Du die Ausführungen dieser Theologen für anmaßende Grenzüberschreitung? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
wolfgang E. Geschrieben 10. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 10. Oktober 2010 (bearbeitet) Wir beschäftigen uns in der Dogmatik dieses Semester mit der "Gotteslehre" und zur Einleitung hat uns Prof. Jan Heiner Tück zwei Texte vorgestellt an denen sich m.E. die Unterschiede des griechischen (neuplaonischen) Gottesbildes und des christlichen Gottesbildes sehr schön darstellen. Der erste Text ist Hölderlins Gedicht "Hyperions Schicksalslied"*) Hyperions Schicksalslied Ihr wandelt droben im Licht Auf weichem Boden, selige Genien! Glänzende Götterlüfte Rühren euch leicht, Wie die Finger der Künstlerin Heilige Saiten. Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen die Himmlischen; Keusch bewahrt In bescheidener Knospe, Blühet ewig Ihnen der Geist, Und die seligen Augen Blicken in stiller Ewiger Klarheit. Doch uns ist gegeben, Auf keiner Stätte zu ruhn, Es schwinden, es fallen Die leidenden Menschen Blindlings von einer Stunde zur andern, Wie Wasser von Klippe Zu Klippe geworfen, Jahr lang ins Ungewisse hinab.**) Quelle *) Hinweis für die Mods. Hölderlin ist urheberrechtsfrei **) Leider gelingt es mir nicht die graphischen Gestaltung des Gedichts hieher zu übertragen.....man sollte sie aber auf sich wirken lassen weshalb es günstig ist, das Gedicht über den link aufzurufen. Auch sollte man laut lesend den Rhythmus in sich aufnehmen. Der zweite Text ist der Christushymnus Philipper 2,6-11 Habt diese Gesinnung in euch, die auch in Christus Jesus war, der in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein. Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch befunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. Einige Anmerkungen: Abschnitt I handelt von der Präexistenz ("...der in Gottesgestalt war") der Kenose (...er machte sich selbst zu nichts.... im griechischen Orginal "er entäußerte sich= ekonesen heauton".... und "erniedrigte er sich"= etapeinosen heauton) und schließlich als Klimax vom Tod am Kreuz, der in Galater 3, 13 als "Fluchtod" bezeichnet wird und den Römern als "mors turpissima" als "schändlichste Todesart" galt. Der zweite Teil aber setzt den Gegensatz in der Erhöhung ("Gott hat ihn zur höchsten Höhe erhoben.."), und der Postexistenz als Kyrios "...zur Ehre Gottes des Vaters. Hier wird m.E. deutlich gezeigt, dass die Unveränderlichkeit Gottes in der Inkarnation ihre Grenze gefunden hat und dass Gott im Sohn seine Entrückung und seine schier unüberbrückbere Distanz, die das Hölderlingedicht ausdrückt, aufgegeben hat. Im 2 Korinterbrief 8,9 drückt Paulus das so aus: ......Er der reich war wurde euretwegenarm, um euch durch seine Armut reich zu machen. Eine Entsprechung gibt es schon im Vierten Gottesknechtslied (Jes 52, 13-53,12): Freiwillig und im demütigen Gehorsam geht der Gottesknecht in den Tod, der ein Tod der Schande ist, aber in diesem Tod erwirbt er das Heil für die Vielen, weshalb er von Gott zur höchsten Höhe erhoben wird. Quelle für das Ganze: Vorlesung "Dogmatische Gotteslehre" Prof. Jan Heiner Tück; Materialblatt 1 "Annäherungen an den chrsitlichen Gottebegriff" und meine Vorlesungsmitschrift. bearbeitet 10. Oktober 2010 von wolfgang E. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Woge Geschrieben 10. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 10. Oktober 2010 Es hat auch nichts mit Anmaßung zu tun, wenn ich Schlüsse über das Verhältnis von Gott und Zeit zurückweise. Nachtrag zu meinem vorherigen Posting. Der KKK weist in 338, Bezug nehmend auf Augustinus, darauf hin, dass "die Welt begann, als sie durch das Wort Gottes aus dem Nichts geschaffen wurde. Alle existierenden Wesen, die ganze Natur, die ganze Menschheitsgeschichte wurzeln in diesem Urereignis; durch diese Genesis ist die Welt gebildet worden und hat die Zeit begonnen." Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Woge Geschrieben 11. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 11. Oktober 2010 Hier wird m.E. deutlich gezeigt, dass die Unveränderlichkeit Gottes in der Inkarnation ihre Grenze gefunden hat und dass Gott im Sohn seine Entrückung und seine schier unüberbrückbere Distanz, die das Hölderlingedicht ausdrückt, aufgegeben hat.Im 2 Korinterbrief 8,9 drückt Paulus das so aus: ......Er der reich war wurde euretwegenarm, um euch durch seine Armut reich zu machen. Hat Gott wirklich erst mit der Inkarnation Seines Sohnes die "schier unüberbrückbare" Distanz aufgegeben? Irgendwie hatte ich sowohl AT als auch NT immer so empfunden, als sei Beziehung zu den Menschen für Ihn schon immer essentiell gewesen, sogar so wichtig, dass Distanz eigentlich nicht aufkommt (außer durch den Menschen verursacht). Regelmäßig greift Er ein um der Menschen willen, immer wieder wird die Kommunikation aufgenommen. Er ist in allem und, wie Jesus Christus sagt, in uns allen. Da gibt es keine Distanz (nur unbeschreibbare Größe). Inwiefern ändert sich Gott durch die Inkarnation? Was Jesus Christus hier auf Erden gelebt hat, war die reine Gottes- und Nächstenliebe. Dass Er sich erniedrigt, ist zum einen der Gehorsam der Gottesliebe und zum anderen nicht Änderung sondern Ausdruck der Nächstenliebe (der Hirt gibt sein Leben für die Schafe). Insofern hat mir auch der hier schon angebrachte Satz gefallen, dass Gottes Liebe unveränderlich ist. Gottes Unveränderlichkeit auf die Liebe zu reduzieren, wäre m.E. aber zu kurz gegriffen - Er ist ja auch Wahrheit und Weisheit und Leben (und manches mehr), wo Er ebenso unveränderlich ist. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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