Chrysologus Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Angenommen ich hätte gebeichtet, daß ich mich selbst befriedigt habe, obwohl ich verheiratet bin.Der Pfarrer hätte zwar nichts aus dem Beichtgeheimnis verraten, aber er hätte mir vielleicht gesagt, einen Küster der onaniert brauche er nicht. Wenn er dann gefragt worden wäre, warum den der Herr XY nicht mehr als Küster in der Gemeinde tätig ist, hätte er entweder Lügen müssen oder gegen das Beichtgeheimnis verstoßen. Ein Fehler (wenn auch kein kirchenrechtlicher) liegt darin, dass der Küster so etwas seinem eigenen Pfarrer, der für ihn auch Arbeitgeber ist, beichtet. Das sollte man nicht tun. Da sind Konflikte zwischen "Forum externum" (=äußerer, rechtlicher Bereich) und "Forum internum" (= der innenmenschliche Bereich) einfach schon vorprogrammiert. Wenn ein Freund bei mir beichten will, sag ich ihm gleich, dass er doch lieber zu jemand anderem gehen möge. Ebenso bei Angestellten meines Amtsbereichs. Damit beugt man im Falle von Freunden vor, dass plötzlich wichtige Themen nicht mehr besprechbar sind, weil ich mich durch das Beichtgeheimnis befangen fühle. Und damit beugt man auch solchen Konfliktsituationen, wie Du eine beschrieben hast, vor. Heute ist man sowieso mobil. Und frühere Zeiten fanden auch ihre Lösung. Die Beichtstühlen in Wallfahrtsorten, wo man eher anonym ist, waren voll (und sind es zum Teil auch heute noch). Man sollte das vermeiden - aber aus einem freundschaftlichen Gespräch oder auch aus einem kollegialen GEspräch kann eine Beichte werden, unbeabsichtigt, aber am Ende ist es eine. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Edith1 Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Und es ist natürlich für den Beichtenden auch kein Problem, später in einem Gespräch zum Thema zu sagen: wie ich Dir ja schon einmal erzählt habe .... und das zu wiederholen, was halt wichtig ist und besprochen werden soll. Und schwupps - schon kann der Beichtvater Mecky wieder frei mitreden. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Vielleicht etwas dumm gefragt, aber gilt das auch im Falle von strafrechtlich relevanten Sachverhalten? Hat das ein Priester vielleicht sogar so etwas wie eine Anzeigepflicht? Ich meine mich zu erinnern, dass es bei Psychologen so etwas in der Art gibt... Nein. Das Beichtgeheimnis gilt absolut. Da hatten wir damals in der Vorlesung auch arge Diskussionen, so dass unser Kirchenrechtler gar nicht weiter kam... Wir hatten die wildesten Konstruktionen: was, wenn ein Beichtender dem Priester nach der Absolution wegen Vergewaltigung sagt: "So, und jetzt schnapp ich mir die Nächste!"? Was wenn ein Beichtender nur beichtet, um den Priester in so eine Zwangslage zu bringen? Was, wenn er einen Anschlag ankündigt? Hoffentlich so noch nie vorgekommen, aber theoretisch möglich! Und die bleibende Antwort unseres Profs war: Er kann die Absolution verweigern, aber sonst sind ihm die Hände gebunden... Ganz ehrlich, Absolutheit des Beichtgeheimnisses hin oder her: wenn ich an Stelle des Priesters da sitzen würde und der Beichtende mir ankündigte ein Kind zu missbrauchen... - Ich wüsste, was ich tät...! Ausgerechnet im Fernsehen gibt es eine Lösung. Da läuft manchmal ein Pfarrer rum, der in dem Fall (mutmaßlich ohne Angabe von Gründen) die Person von einem Bekannten beschatten lassen würde. OK, ist vielleicht nicht ganz ernst gemeint. Jedenfalls besteht die einzige Lösung darin, die nächste Tat zu verhindern. Kann man einen Triebtäter, der krankhaft handelt, überhaupt absolvieren? Der Schuldbegriff hier ist ja ein anderer als im Strafrecht. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Simone Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Kann man einen Triebtäter, der krankhaft handelt, überhaupt absolvieren? Der Schuldbegriff hier ist ja ein anderer als im Strafrecht. Naja, zentral ist ja erstmal die Frage: Bereut der Pönitent im Moment der Beichte seine Tat(en) und hat er zumindest den Vorsatz etwas zu ändern? Das zu beurteilen dürfte für den Priester wohl schwierig sein, aber sollte er nicht einen gewichtigen Grund haben, diese Haltung im Moment der Beichte anzuzweifeln: Was sollte dann gegen eine Absolution sprechen? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Zumal er als Bußwerk durchaus eine therapeutische Behandlung empfehlen kann. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Kann man einen Triebtäter, der krankhaft handelt, überhaupt absolvieren? Der Schuldbegriff hier ist ja ein anderer als im Strafrecht. Naja, zentral ist ja erstmal die Frage: Bereut der Pönitent im Moment der Beichte seine Tat(en) und hat er zumindest den Vorsatz etwas zu ändern? Das zu beurteilen dürfte für den Priester wohl schwierig sein, aber sollte er nicht einen gewichtigen Grund haben, diese Haltung im Moment der Beichte anzuzweifeln: Was sollte dann gegen eine Absolution sprechen? Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat - wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Simone Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat- wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Da habe ich auch mit keinem Wort bestritten, sondern ich hatte deine Frage hinsichtlich der Absolution verstanden. Natürlich MÜSSTE ein verantwortungsbewusster Priester einem bei ihm beichtenden Triebtäter genau das sagen und ihm eindringlichst raten, Hilfe in Anspruch nehmen, bzw. ihm auch anbieten, bei der Vermittlung ebensolcher zu helfen. Eine Beichte ersetzt keine Psychotherapie - ganz klar! Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat- wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Da habe ich auch mit keinem Wort bestritten, sondern ich hatte deine Frage hinsichtlich der Absolution verstanden. Natürlich MÜSSTE ein verantwortungsbewusster Priester einem bei ihm beichtenden Triebtäter genau das sagen und ihm eindringlichst raten, Hilfe in Anspruch nehmen, bzw. ihm auch anbieten, bei der Vermittlung ebensolcher zu helfen. Eine Beichte ersetzt keine Psychotherapie - ganz klar! Wenn keine Sünde vorliegt, gibt es auch keine Absolution. Der Priester kann ihn ja nicht von seiner Krankheit absolvieren, sondern nur von der Sünde. Gibt es aber in dem Fall nicht. Warum es sowas in Gottes erschaffener Welt überhaupt gibt, ist auch so ein schwieriges Problem. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Simone Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Wenn keine Sünde vorliegt, gibt es auch keine Absolution. Der Priester kann ihn ja nicht von seiner Krankheit absolvieren, sondern nur von der Sünde. Gibt es aber in dem Fall nicht. Warum es sowas in Gottes erschaffener Welt überhaupt gibt, ist auch so ein schwieriges Problem. Naja, nichtsdestotrotz ist es ja ein Unterschied, ob etwas objektiv als Sünde definiert ist oder ob jemand etwas subjektiv als Sünde empfindet. Meinst du ernsthaft, dann wäre es seelsorgerlich geschickt, dem Beichtenden zu sagen: "Das ist gar keine Sünde, weil sie nicht willentlich frei gehandelt haben! Insofern kann ich ihnen nur eine Therapie empfehlen, die Absolution aber leider nicht geben, da sie hier nicht gesündigt haben!"? Ich denke nicht, dass es im Urteil des Priesters liegt, ob jemand sich schuldig fühlen muss oder nicht, sondern das ist eine Gewissenssache, die sich wohl kaum mit einer Definition von Sünde regeln lässt! Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Die Sündendefinition der lateinischen Kirche ist auch nicht die einzige katholische, der Blick auf die Unierten kann da hilfreich sein. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat- wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Da habe ich auch mit keinem Wort bestritten, sondern ich hatte deine Frage hinsichtlich der Absolution verstanden. Natürlich MÜSSTE ein verantwortungsbewusster Priester einem bei ihm beichtenden Triebtäter genau das sagen und ihm eindringlichst raten, Hilfe in Anspruch nehmen, bzw. ihm auch anbieten, bei der Vermittlung ebensolcher zu helfen. Eine Beichte ersetzt keine Psychotherapie - ganz klar! Zusatz: Ich bin kein Priester, aber das ist doch eine Grundsatzfrage, über die sich ein Priester, der das Studium bestanden hat, schon im klaren sein muß. Wenn er einen Kranken losspricht, ohne daß es eine Sünde gibt, würde er ja ein Art magischen Hokuspokus betreiben statt ein Sakrament zu spenden. Diese Dinge sind aber vielleicht in der Realität dann schwerer zu unterscheiden, als es sich hier hinschreiben läßt. Es wäre vielleicht auch taktisch nicht gut: Der Patient muß unbedingt einen Arzt aufsuchen, der Priester muß also alles unterlassen, was den da hinführenden Leidensdruck mildert. Schon deswegen also keine Absolution. Das richtige Problem dahinter ist aber dann noch das: Wenn man sich das wirklich vorstellt, kann es gut sein, daß der Priester u.U in einen Gewissenskonflikt kommt. Was macht er dann? Er muß ja schließlich einem Gewissen folgen. Das könnte dann bedeuten: Beichtgeheimnis verletzen und Job an den Nagel hängen und Strafe auf sich nehmen. Das wünsche ich keinem, in so einen Konflikt zu kommen. Am Besten kommt man vielleicht raus, wenn man mit dem Patienten sofort in die Psychiatrie fahren und den selber erzählen lassen könnte. Das ist schon sowas wie ein griechische Tragödie.. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Die Sündendefinition der lateinischen Kirche ist auch nicht die einzige katholische, der Blick auf die Unierten kann da hilfreich sein. Bin neugierig. Gibt es einen Link? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Wenn keine Sünde vorliegt, gibt es auch keine Absolution. Der Priester kann ihn ja nicht von seiner Krankheit absolvieren, sondern nur von der Sünde. Gibt es aber in dem Fall nicht. Warum es sowas in Gottes erschaffener Welt überhaupt gibt, ist auch so ein schwieriges Problem. Naja, nichtsdestotrotz ist es ja ein Unterschied, ob etwas objektiv als Sünde definiert ist oder ob jemand etwas subjektiv als Sünde empfindet. Meinst du ernsthaft, dann wäre es seelsorgerlich geschickt, dem Beichtenden zu sagen: "Das ist gar keine Sünde, weil sie nicht willentlich frei gehandelt haben! Insofern kann ich ihnen nur eine Therapie empfehlen, die Absolution aber leider nicht geben, da sie hier nicht gesündigt haben!"? Ich denke nicht, dass es im Urteil des Priesters liegt, ob jemand sich schuldig fühlen muss oder nicht, sondern das ist eine Gewissenssache, die sich wohl kaum mit einer Definition von Sünde regeln lässt! Das habe ich mit meinem Nachtrag auch angesprochen. Wenn allerdings alles klar so ist wie im "Gedankenexperiment", dann darf er es nicht. Er würde sonst die Spendung eines Sakramentes vorspiegeln, wo es keines gibt. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Und es ist natürlich für den Beichtenden auch kein Problem, später in einem Gespräch zum Thema zu sagen: wie ich Dir ja schon einmal erzählt habe .... und das zu wiederholen, was halt wichtig ist und besprochen werden soll.Und schwupps - schon kann der Beichtvater Mecky wieder frei mitreden. Damit wären wir rechtlich aus dem Schneider. Aber das ist bei einer Freundschaft eben nicht alles. Das Verfahren ist artifiziell. Es ist doof, etwas zu wiederholen, was ursprünglich ein Bekenntnis war. Und was geschieht, wenn er keinen Anlass zu einer Wiederholung nutzt? Mein Unwille, Freunde zu bebeichten ist natürlich kein unumstößliches Dogma. Aber es ist einfach nicht gut innerhalb einer Freundschaft. Es gibt genug Grenzfälle. Zum Beispiel Erstkommunionbeichten. Da habe ich Kinder bei mir, die von mir unterrichtet wurden und oft noch weiterhin werden. Manche von ihnen werde ich auch noch zum Ministranten ausbilden. Und manche Kinder haben viel Vertrauen in mich. Hier ist es natürlich einfacher - ich führe mit den Kindern schließlich keine Freundschaft auf Augenhöhe. Aber auch dieses Verhältnis kann ja gelegentlich weit über eine Lehrer-Schüler-Beziehung hinausgehen. Prägnantes, wenn auch konstruiertes, Beispiel: Der Vater eines Kindes hat sich erhängt. Das Kind hat ihn entdeckt. Ein schlimmes Trauma - das Kind hat seinen Vater sehr geliebt. Und dann komm ich in die Klasse und sehe dem Vater nicht nur ähnlich, sondern habe ähnliche Bewegungen an mir und drücke mich in ähnlicher Weise aus. Wenn das Kind mit mir spricht oder mich einfach anstrahlt: WEN spricht sie an und mit wem spricht sie da? Natürlich bebeichte ich das Kind. Alles andere wäre auch ein bitterer Affront und würde das Trauma gewaltig verschärfen. Eine solche Ablehnung (im Gegensatz zu den Klassenkameraden!), das würde alle Ängste des Kindes bestärken. Also bebeichten. Da muss ich mich damit abfinden, dass es eben eine Beichte unter problematischen Vorbedingungen gibt. Chancen und Risiken sind darin verborgen, aber die Chancen bilden, selbst wenn ich sie optimal nutzen würde, kein wirkliches Gegengewicht und keinen Schutz vor den Risiken. Kannst Du verstehen, mit welch mulmigem Gefühl ein Priester in so eine Beichte hinein geht? Die Beziehung (sachlicher, rechtlicher aber auch emotionaler Art) spielt immer eine gewaltige Rolle bei so etwas Intimem, wie der Beichte. Und manche Formen von Beziehung (Vorgesetztenverhältnis, Freundschaft, aber auch Schwärmerei) sind einfach nicht geeignet. Ich vermeide solche Situationen, wann immer es geht. Und bisher haben alle meine Freunde dies respektiert. Und auch andere, deren Dienstvorgesetzter ich war. Und die meisten, die sowieso viel mit mir zu tun haben (z.B. Pfarrgemeinderäte, Sekretärinnen ...) kämen von selbst schon nicht auf die Idee, bei mir zu beichten. Gelegentlich gebe ich Tipps, welche Pfarrer (oder Gelegenheiten) ich für beichtgeeignet halte. Und wie gesagt: Die allermeisten Menschen haben da selbst das entsprechende Gespür. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat- wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Den Einleitungssatz hätte ich umgestellt: "Sünde im Sinne von Schuld ..." Es gibt nämlich noch ein ganz anderes, und viel tiefgreifenderes Verständnis von Sünde, das nicht unbedingt etwas mit Schuld, sondern mit der Dramatik des Lebens zu tun hat: Sünde als Entfernung von Gott. Und darunter kann man heftig leiden, auch wenn man gar nicht weiß, worunter man leidet und wenn man an dieser Gottferne kaum selbst schuld ist. Die von Dir genannten Kriterien sind natürlich von eigenem Wert. Ich habe nur immer die Befürchtung, dass sie einseitig ein moralisches Verständnis von Sünde (im Gegensatz zu einem dramatischen und existenziellen Verständnis) überbetonen - oder sogar als einzige Alternative erscheinen lassen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Wenn keine Sünde vorliegt, gibt es auch keine Absolution. Ich würde sagen: Wenn kein Schuldbekenntnis vorliegt. Von der Existenz von Sünden bin ich im Normalfall (nicht Säugling, nicht im Koma oder dement) sowieso überzeugt. Sogar bei Frauen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 (bearbeitet) Und es ist natürlich für den Beichtenden auch kein Problem, später in einem Gespräch zum Thema zu sagen: wie ich Dir ja schon einmal erzählt habe .... und das zu wiederholen, was halt wichtig ist und besprochen werden soll.Und schwupps - schon kann der Beichtvater Mecky wieder frei mitreden. Damit wären wir rechtlich aus dem Schneider. Aber das ist bei einer Freundschaft eben nicht alles. Das Verfahren ist artifiziell. Es ist doof, etwas zu wiederholen, was ursprünglich ein Bekenntnis war. Und was geschieht, wenn er keinen Anlass zu einer Wiederholung nutzt? Mein Unwille, Freunde zu bebeichten ist natürlich kein unumstößliches Dogma. Aber es ist einfach nicht gut innerhalb einer Freundschaft. Es gibt genug Grenzfälle. Zum Beispiel Erstkommunionbeichten. Da habe ich Kinder bei mir, die von mir unterrichtet wurden und oft noch weiterhin werden. Manche von ihnen werde ich auch noch zum Ministranten ausbilden. Und manche Kinder haben viel Vertrauen in mich. Hier ist es natürlich einfacher - ich führe mit den Kindern schließlich keine Freundschaft auf Augenhöhe. Aber auch dieses Verhältnis kann ja gelegentlich weit über eine Lehrer-Schüler-Beziehung hinausgehen. Prägnantes, wenn auch konstruiertes, Beispiel: Der Vater eines Kindes hat sich erhängt. Das Kind hat ihn entdeckt. Ein schlimmes Trauma - das Kind hat seinen Vater sehr geliebt. Und dann komm ich in die Klasse und sehe dem Vater nicht nur ähnlich, sondern habe ähnliche Bewegungen an mir und drücke mich in ähnlicher Weise aus. Wenn das Kind mit mir spricht oder mich einfach anstrahlt: WEN spricht sie an und mit wem spricht sie da? Natürlich bebeichte ich das Kind. Alles andere wäre auch ein bitterer Affront und würde das Trauma gewaltig verschärfen. Eine solche Ablehnung (im Gegensatz zu den Klassenkameraden!), das würde alle Ängste des Kindes bestärken. Also bebeichten. Da muss ich mich damit abfinden, dass es eben eine Beichte unter problematischen Vorbedingungen gibt. Chancen und Risiken sind darin verborgen, aber die Chancen bilden, selbst wenn ich sie optimal nutzen würde, kein wirkliches Gegengewicht und keinen Schutz vor den Risiken. Kannst Du verstehen, mit welch mulmigem Gefühl ein Priester in so eine Beichte hinein geht? Die Beziehung (sachlicher, rechtlicher aber auch emotionaler Art) spielt immer eine gewaltige Rolle bei so etwas Intimem, wie der Beichte. Und manche Formen von Beziehung (Vorgesetztenverhältnis, Freundschaft, aber auch Schwärmerei) sind einfach nicht geeignet. Ich vermeide solche Situationen, wann immer es geht. Und bisher haben alle meine Freunde dies respektiert. Und auch andere, deren Dienstvorgesetzter ich war. Und die meisten, die sowieso viel mit mir zu tun haben (z.B. Pfarrgemeinderäte, Sekretärinnen ...) kämen von selbst schon nicht auf die Idee, bei mir zu beichten. Gelegentlich gebe ich Tipps, welche Pfarrer (oder Gelegenheiten) ich für beichtgeeignet halte. Und wie gesagt: Die allermeisten Menschen haben da selbst das entsprechende Gespür. Die Erfahrungen sind da sicher sehr unterschiedlich. Ich habe mit 17 Jahren als lutherischer einen Priester kennengelernt, der mir in vielen Bereichen sehr weitergeholfen hat. Daraus ist auch eine Freundschaft entstanden, die bis heute anhält. Es war mir aber immer klar, daß er da dann eine ganz bestimmte Rolle innehat, die mit dem normalen Umgang nichts zu tun hat. Das ist ja äußerlich schon so. Ich war da etwas älter, aber ich denke, Kinder können vielleicht besonders gut mit verschiedenen Rollenverhalten umgehen. Jemandem in so einer Situation zu helfen, ist natürlich an sich schon kein Zuckerschlecken.. Befürchtest Du, daß das Kind die eine vaterähnliche Figur mit der Gottvaterfigur zu sehr durcheinanderbringt? PS: Vergaß zu erwähnen, daß ich Konvertit bin und der Typ da auch eine wesentliche Rolle dabei gespielt hat. bearbeitet 20. Oktober 2010 von Inigo Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Wenn keine Sünde vorliegt, gibt es auch keine Absolution. Ich würde sagen: Wenn kein Schuldbekenntnis vorliegt. Von der Existenz von Sünden bin ich im Normalfall (nicht Säugling, nicht im Koma oder dement) sowieso überzeugt. Sogar bei Frauen. Korrekter Einwand Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Schuld im Sinne der Sünde liegt dann vor, wenn die Tat- wissentlich - willentlich - bewußt - und frei begangen wurde. Jemand, der krankhaft handelt, handelt nicht frei. Das ist keine Beichte in dem Sinne. So jemand braucht einen Arzt und keinen Priester. Den Einleitungssatz hätte ich umgestellt: "Sünde im Sinne von Schuld ..." Es gibt nämlich noch ein ganz anderes, und viel tiefgreifenderes Verständnis von Sünde, das nicht unbedingt etwas mit Schuld, sondern mit der Dramatik des Lebens zu tun hat: Sünde als Entfernung von Gott. Und darunter kann man heftig leiden, auch wenn man gar nicht weiß, worunter man leidet und wenn man an dieser Gottferne kaum selbst schuld ist. Die von Dir genannten Kriterien sind natürlich von eigenem Wert. Ich habe nur immer die Befürchtung, dass sie einseitig ein moralisches Verständnis von Sünde (im Gegensatz zu einem dramatischen und existenziellen Verständnis) überbetonen - oder sogar als einzige Alternative erscheinen lassen. Davon kannst Du doch aber niemanden lossprechen. Ich bin sehr dafür, daß wir gerade in der modernen Welt wieder lernen sollten, den "priesterlichen Menschen" - wie Alfred Delp SJ das gerade in Haft vor seiner Hinrichtung das beschreibt - als Geschenk zu betrachten. Ich habe selber den Unterschied erlebt, wie eine Welt mit oder ganz ohne so etwas aussieht. Aber es ist doch auch falsch, von dem Priester eine Erwartung zu entwickeln, die er nicht erfüllen kann. Die Erfahrung der Ferne Gottes gehört dazu, die kann man nicht durch eine Lossprechung ändern, man kann nur den Rahmen schaffen, in dem Gott agieren kann. Was man auch erst sehr viel später lernt: Es sind oft nicht die großen Erlebnisse, die das Leben langfristig wirklich besser machen. "Gott ist uns oft näher, als wir denken": Vor 20 Jahren konnte ich damit nicht viel anfangen. Heute weiß ich, wie sehr das stimmt. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Befürchtest Du, daß das Kind die eine vaterähnliche Figur mit der Gottvaterfigur zu sehr durcheinanderbringt? In diesem Beispiel würde ich andere Dinge befürchten. Vaterfiguren und Gottesbilder laufen sowieso ziemlich oft quer durcheinander. Ich würde das Problem eher darin sehen, dass ein solches Kind Schwierigkeiten hätte, die Vaterfigur von mir zu trennen. So sehr ein Pfarrer im mediteranen Raum auch "Padre" genannt wird: Im realen Leben kann er diese Rolle einfach nicht einnehmen. Das dem Kind schonungsvoll beizubringen wäre nicht Sache eines Gesprächs, sondern ein Prozess. Und den zu gestalten, wäre nicht einfach. So zwischen Skylla und Carybdis. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Davon [sünde als Entfernung von Gott] kannst Du doch aber niemanden lossprechen. Ich sowieso nicht. Aber genau das ist ein wesentliches Anliegen der Beichte: Die Trennung zwischen Gott und dem Menschen durch Versöhnung und Gottes Zuwendung zu heilen. Das ist meiner Meinung nach sogar noch viel, viel tiefer, als das Befreien von moralischer Schuld. Es sei denn, jemand ist verbogen und fühlt sich als "abgrundtief böse". Aber da habe ich dann schon wieder Schwierigkeiten, mich in solche "abgrundtiefen" Superlative hineinzuversetzen. Außerdem finde ich das sehr angeberisch, der "Böseste aller Menschen" sein zu wollen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 @Inigo: ich habe keinen link für Dich, zumindest in keiner westeuropäischen Sprache. Aber das östliche Verstädnis geht stark in die Richtung dessen, was Mecky als "existentielles Verständnis" beschreibt. Sünde ist (Fehl-)Haltung, ja "Krankheit zum Tode", und in der göttlichen Liturgie wird um die Vergebung der "bewußten und unbewußten Sünden" gebetet. Es ist einfach ein grundlegend anderes Vedrständnis als die verrechtlichte westliche Sichtweise. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franciscus non papa Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 ist es denn wirklich notwendig, sich da immer ganz in den poenitenten hineinfinden zu können. auch wenn es nur um vermeintliche schuld geht - es kann doch die zusprechung der vergebung für diesen menschen notwendig und heilsam sein. bisweilen muss man wohl die dinge auch einfach mal der gnade gottes überlassen dürfen und können. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inigo Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Befürchtest Du, daß das Kind die eine vaterähnliche Figur mit der Gottvaterfigur zu sehr durcheinanderbringt? In diesem Beispiel würde ich andere Dinge befürchten. Vaterfiguren und Gottesbilder laufen sowieso ziemlich oft quer durcheinander. Ich würde das Problem eher darin sehen, dass ein solches Kind Schwierigkeiten hätte, die Vaterfigur von mir zu trennen. So sehr ein Pfarrer im mediteranen Raum auch "Padre" genannt wird: Im realen Leben kann er diese Rolle einfach nicht einnehmen. Das dem Kind schonungsvoll beizubringen wäre nicht Sache eines Gesprächs, sondern ein Prozess. Und den zu gestalten, wäre nicht einfach. So zwischen Skylla und Carybdis. Das ist eine Projektion dann und normal, wenn das Kind das tut. Das ist dann nicht schlecht, sondern gut und hilft dem Kind, darüber hinwegzukommen. Das sind die Selbstheilungskräfte der Seele. Es sollte nur nicht ewig dauern. Falls das Kind einen psychologischen Betreuer hat (was angezeigt ist), könnte man sich mit dem ja regelmäßig austauschen. Kinder kommen mit dem Tod sehr oft besser klar als wir. Ansonsten: wollen wir es für die Nacht langsam abklingen lassen? War nett mit euch Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 20. Oktober 2010 Melden Share Geschrieben 20. Oktober 2010 Solange Du als Beichtvater nicht einen notorischen Skrupulanten vor Dir hast, wirst Du gut daran tun, ernstzunehmen, was der Beichtende als Sünde benennt und empfindet (selbst wenn Du dazu eine andere Meinung hast). Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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