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Die Katholizität der 95 Thesen


Flo77

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... die Tradition muss immer anhand der Schrift geprüft werden.
Das funktioniert so allerdings nicht: Schrift und Kanon sind ja selbst "Produkte" der Tradition.

Allerdings dürfte das zu Zeiten Luthers noch nicht bekannt gewesen sein.

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... die Tradition muss immer anhand der Schrift geprüft werden.
Das funktioniert so allerdings nicht: Schrift und Kanon sind ja selbst "Produkte" der Tradition.

Allerdings dürfte das zu Zeiten Luthers noch nicht bekannt gewesen sein.

Das kann man so nicht sagen. Luther war sicher fromm und abergläubisch. Sein Deal mit der Hl. Anna war für seine Berufung sicher kein positives Vorzeichen. Anders als er war der Hl. Bonaventura etwa durch positive Identifikation mit seinem Hochschullehrer Alexander von Hales ins Kloster gegangen. Wir sehen hier zwei tendenziell unterschiedliche Typen (emotional-egozentrisch vs. geistig-integrativ). Für den jungen Theologen aus dem Thüringer Wald war das Erleben der säkularen Großstadt Rom sicher ein Kulturschock. Anders als er erlebte der italienische Schüler Giovanni Fidanza (Bonaventura) die geistige Metropole Paris als Horizonterweiterung. Seit dem Mittelalter hatte es bereits eine kritische Auseinandersetzung mit Schrift und Tradition gegeben, die in der Renaissance jedoch eine Säkularisierungskrise erlebte. Luther gelang es jedoch nicht, die positiven Ansätze des Mittelalters integrativ aufzugreifen.

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... die Tradition muss immer anhand der Schrift geprüft werden.
Das funktioniert so allerdings nicht: Schrift und Kanon sind ja selbst "Produkte" der Tradition.

Allerdings dürfte das zu Zeiten Luthers noch nicht bekannt gewesen sein.

Das kann man so nicht sagen. Luther war sicher fromm und abergläubisch. Sein Deal mit der Hl. Anna war für seine Berufung sicher kein positives Vorzeichen. Anders als er war der Hl. Bonaventura etwa durch positive Identifikation mit seinem Hochschullehrer Alexander von Hales ins Kloster gegangen. Wir sehen hier zwei tendenziell unterschiedliche Typen (emotional-egozentrisch vs. geistig-integrativ). Für den jungen Theologen aus dem Thüringer Wald war das Erleben der säkularen Großstadt Rom sicher ein Kulturschock. Anders als er erlebte der italienische Schüler Giovanni Fidanza (Bonaventura) die geistige Metropole Paris als Horizonterweiterung. Seit dem Mittelalter hatte es bereits eine kritische Auseinandersetzung mit Schrift und Tradition gegeben, die in der Renaissance jedoch eine Säkularisierungskrise erlebte. Luther gelang es jedoch nicht, die positiven Ansätze des Mittelalters integrativ aufzugreifen.

 

Luthers Motive für den Klostereintritt waren sicher nicht die Besten. Heute würde man jemand mit einer solchen Motivation vermutlich nicht mal ins Noviziat aufnehmen, das ist ja schlimmer als der Typ aus der Marsriegel-Werbung. Von daher war auch sein Austritt aus dem Kloster zu verstehen, da das Motiv weggefallen war.

 

Ihn mit Bonaventura zu vergleichen ist gewagt. Die Beiden lebten in verschiedenen Jahrhunderten. Zu Recht kann man Luther vorwerfen, er hätte sich zu sehr auf die Gerechtigkeit Gottes eingeschossen und nicht schon früher auf Staupitz gehört, der ihm sehr wohl etwas von Gottes Gnade zu erzählen wusste.

 

Nichtsdestotrotz hat Luther mit seinen 95 Thesen in ein Wespennest gestochen und den Ablsshandel zu Recht kritisiert. Im Nachhinein hat ihm ja das Konzil v. Trient Recht gegeben und den Verkauf von Ablässen ein für alle mal verboten. Fakt ist, dass man von seiten der Kirche die Kritik mit Machtspielchen abwürgen wollte und zu Unrecht Luther zum Hauptschuldigen an der Kirchenspaltung gemacht hat. So wurde das noch mir als Kind und Jugendlicher vermittelt.

 

Luthi hat schon drauf verwiesen, dass nicht Luther die Betonung der Schrift überspannt hat, das waren Andere und sind es noch heute. Für Luther war die Schrift einfach ein Anker und eine Orientierung und bedauerlichweise kannten sich weder Erzbischof Albrecht v. Mainz, Magdeburg und Halberstedt noch Papst Leo X. noch Karl V. irgendwie theologisch aus noch in der heiligen Schrift. Eck hat mit ihm diskutiert, ja, aber sein Ziel war es, Luther endgültig zum Ketzer zu machen und Luther ist ihm über das Stöckchen gesprungen.

 

Die ganze Sache hat einen deja-vu-Charakter. Mir fällt dazu sowohl Ägypten und Mubarak als auch das Memorandum der Theologen ein.

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Luther war sicher fromm und abergläubisch.

Nichtsdestotrotz hat Luther mit seinen 95 Thesen in ein Wespennest gestochen ...

Vielleicht solltet ihr das alles mal mit Lutherischen diskutieren. Aus der Sicht eines Historikers hat dieses Mönchlein eine Menge ein Gang gesetzt, und wenn das auch sicherlich nicht die innere Ursache war, so war es doch mehr als nur ein äußerer Anlaß. In der Folge wurde fast ganz Deutschland protestantisch und man hat 30 Jahre einen ziemlich üblen Krieg geführt bei dem vergeblichen Versuch, das rückgängig zu machen.

bearbeitet von Marcellinus
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theologie-der-vernunft.de

Luther war sicher fromm und abergläubisch.

Nichtsdestotrotz hat Luther mit seinen 95 Thesen in ein Wespennest gestochen ...

Vielleicht solltet ihr das alles mal mit Lutherischen diskutieren. Aus der Sicht eines Historikers hat dieses Mönchlein eine Menge ein Gang gesetzt, und wenn das auch sicherlich nicht die innere Ursache war, so war es doch mehr als nur ein äußerer Anlaß. In der Folge wurde fast ganz Deutschland protestantisch und man hat 30 Jahre einen ziemlich üblen Krieg geführt bei dem vergeblichen Versuch, das rückgängig zu machen.

 

Nicht nur als Protestant bin stolz auf Luther. Auch wenn er mit dazu geführt hat, den christlichen Glaube wieder zu einer Buchreligion bzw. einem Geseztesglaube zu machen, von dem gerade die Glaubensgegner nicht ablassen wollen. Ich sehe in ihm einen Meilenstein auf dem Weg, das schöpferische Wort, das er in der Schrift suchte, wieder mündig dort wahrzunehmen zu können, wo es am Anfang von Kanon und Kirche verstanden wurde: im natürlichen Werden/dem heute wissenschaftlich erklärten Lebensfluss.

 

Man kann ihn aber auch für den 30jährigen Krieg verantwortlich machen wollen und den Ablasshandel oder andere Absurditäten wieder einführen, die auch heute teilweise von kirchlich-konservativer Autorität vorgeschrieben werden. Dann hat man wenigstens einen neuen Grund, den Glaube abzulehnen bzw. als absurd anzusehen.

 

Gerhard

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Ich finde, dass Luther einfach nur etwas überbewertet wird.

 

So ist es. Richtig schlimm finde ich, wer sich alles auf ihn beruft und was ihm alles in die Schuhe geschoben wird. Fast alle evangelische Denominationen sind direkt oder indirekt aus dem Anglikanertum oder der Reformierten Kirche der Schweiz (Züricher Reformation) entstanden. Allein die Kirchen Augsburger Bekenntnisses gehen auf Luthers Reformation zurück.

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Wir waren ja bis These 20 gekommen.

 

Ich springe jetzt etwas und setze bei These 29 ein: Luther stellt in Frage, ob überhaupt alle Seelen aus dem Fegefeuer befreit werden wollen (Paschalis und Severin hätten sich angeblich dagegen verwahrt).

 

Zu den beiden Heiligen habe ich nichts hilfreiches gefunden - generell würde ich davon ausgehen, daß Zuwendungen an bereits Erlöste in den Kirchenschatz wandern und so anderen Bedürftigen zugewendet werden. Meine Kinder lassen es sich z.B. immer noch nicht nehmen selbst für Jesus Christus noch Fürbittkerzen auszustecken. Daß der Allmächtige diese Opfer verfallen lässt, kann ich mir kaum vorstellen.

 

Der KKK erwähnt die Möglichkeit zuviele Ablässe zuzuwenden gar nicht. :unsure:

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These 30 finde ich gewagt.

 

Ob der Einzelne tatsächlich nicht in der Lage ist die Tiefe seiner Reue zu erkennen erinnert mich ein wenig ans Brathähnchen. Wenn man tief genug bohrt ist es meiner Meinung nach völlig unmöglich eine "echte Reue" zu wecken.

 

Die Kirche unterscheidet heute noch zwischen der vollkommenen Reue (aus Liebe zu Gott) und der unvollkommenen Reue (aus Furcht vor Gott) - auch eine sehr subjektive Sache.

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Wir waren ja bis These 20 gekommen.

 

Ich springe jetzt etwas und setze bei These 29 ein: Luther stellt in Frage, ob überhaupt alle Seelen aus dem Fegefeuer befreit werden wollen (Paschalis und Severin hätten sich angeblich dagegen verwahrt).

 

Zu den beiden Heiligen habe ich nichts hilfreiches gefunden - generell würde ich davon ausgehen, daß Zuwendungen an bereits Erlöste in den Kirchenschatz wandern und so anderen Bedürftigen zugewendet werden. Meine Kinder lassen es sich z.B. immer noch nicht nehmen selbst für Jesus Christus noch Fürbittkerzen auszustecken. Daß der Allmächtige diese Opfer verfallen lässt, kann ich mir kaum vorstellen.

 

Der KKK erwähnt die Möglichkeit zuviele Ablässe zuzuwenden gar nicht. :unsure:

Wenn man, wie heute ja meistens üblich, das Fegefeuer nicht als eine Art mittelalterlichen Schuldturm ansieht, in dem der Schuldner vermodern muss, damit sich der Gläubiger wenigstens an seinem Leid erfreuen kann, wenn er schon keine Schadenersatzzahlung bekommt, sondern als Ort der reinigung, dann ist es widersinnig, wenn jemand, der der Reinigung bedarf, diesen Ort vorzeitig verlassen darf oder soll.

Ich habe darauf schon früher hingewiesen: So wie das Fegefeuer heute meistens angesehen wird, ist Ablass eigentlich ziemlich widersinnig. Irgendeinen Sinn hat der Ablass nur, wenn man das Fegefeuer als Schuldturm ansieht, aber dazu ist dann wiederum eine sehr mittelalterliche Gottesvorstellung nötig, weshalb das heute kaum mehr jemand so sieht.

 

Nebenbei bemerkt: Dass irgendwelche mittelalterlichen Heiligen nicht aus dem fegefeuer wollten, glaub ich sofort. In einer Zeit, in der man das Leid als Selbstzweck angesehen hat, ist das nur logisch. Je mehr ich leide umso besser, auch das ein gedanke, den außer ein paar durchgedrehten "Sühneseelen" heute keiner mehr versteht.

 

Werner

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Wenn man, wie heute ja meistens üblich, das Fegefeuer nicht als eine Art mittelalterlichen Schuldturm ansieht, in dem der Schuldner vermodern muss, damit sich der Gläubiger wenigstens an seinem Leid erfreuen kann, wenn er schon keine Schadenersatzzahlung bekommt, sondern als Ort der reinigung, dann ist es widersinnig, wenn jemand, der der Reinigung bedarf, diesen Ort vorzeitig verlassen darf oder soll.

Ich habe darauf schon früher hingewiesen: So wie das Fegefeuer heute meistens angesehen wird, ist Ablass eigentlich ziemlich widersinnig. Irgendeinen Sinn hat der Ablass nur, wenn man das Fegefeuer als Schuldturm ansieht, aber dazu ist dann wiederum eine sehr mittelalterliche Gottesvorstellung nötig, weshalb das heute kaum mehr jemand so sieht.

 

Nebenbei bemerkt: Dass irgendwelche mittelalterlichen Heiligen nicht aus dem fegefeuer wollten, glaub ich sofort. In einer Zeit, in der man das Leid als Selbstzweck angesehen hat, ist das nur logisch. Je mehr ich leide umso besser, auch das ein gedanke, den außer ein paar durchgedrehten "Sühneseelen" heute keiner mehr versteht.

So wie ich den KKK verstanden habe, wird nicht gelehrt, daß der Ablass bzw. das Fürbittgebet die "Zeit" verkürzt (Zeit ist ohnehin ein sehr zweifelhafter Begriff in diesem Zusammenhang), sondern daß beides dem Verstorbenen den Reueprozess leichter macht.

 

Das war der Grund warum ich These 21 bis 28 übersprungen habe, weil die von Luther kritisierte Verquickung von Kirchenstrafen (wie der zeitlich begrenzten Exkommunikation wie sie in der alten Kirche üblich war) und Reinigungsprozess heute de facto obsolet ist. Das Fegefeuer als Ort in dem noch nicht abgebüßte Kirchenstrafen mit abgeleistet werden müssen, scheint mir in dieser Form heute höchstens noch Volksglaube zu sein, aber nicht mehr offizielles Lehrgut.

 

Was ich bei mir noch nicht völlig korrigiert habe (und was - mea culpa - in meinen früheren Postings zum Thema Gericht nicht sauber herausgearbeitet war), ist die Lehre, daß es aus dem Purgatorium nur einen Weg heraus gibt: in den Himmel. Ich war lange Zeit der Meinung, daß es beim Jüngsten Gericht durchaus auch noch Unbußfertige geben könnte, die aus dem Purgatorium in die Hölle wandern.

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So wie ich den KKK verstanden habe, wird nicht gelehrt, daß der Ablass bzw. das Fürbittgebet die "Zeit" verkürzt (Zeit ist ohnehin ein sehr zweifelhafter Begriff in diesem Zusammenhang), sondern daß beides dem Verstorbenen den Reueprozess leichter macht.

Auch das scheint mir sehr merkwürdig und weit hergeholt.

Was bedeutet "leichter machen"?

Es erleichtern, Reue zu empfinden? Wenn das möglich ist, warum macht Gott das nicht einfach? Hier gilt ja das mit dem freien Willen nicht mehr.

Oder geht es darum, dass der reueprozess schmerzlich ist und die Schmerzen sollen erleichtert werden? Dann sind wir wieder beim mittelalterlichen Schuldturm.

Gott hat rein gar nichts von den Schmerzen, außer er erfreut sich wie ein mittelalterlicher Gläubiger daran.

Warum sollte man ihm dann aber diese Freude durch einen Ablass nehmen? Wenn Gott aber keine Freude dran hat, warum lässt er dann zu, dass es geschieht, wenn es doch offensichtlich möglich ist, es zu vermeiden?

 

Irgendwie ist das in meinen Augen vollkommen unlogisch, von vorn bis hinten.

Logisch ist es nur mit einer mittelalterlichen Denkweise, die mir völlig fremd ist.

Ich denke daher, dass diese ganze Idee eine mittelalterliche ist, die man heute ins Museum stellen sollte.

 

Werner

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Nebenbei:

 

St. Severin lebte kurz vor 400, St. Paschalis starb kurz vor 900.

 

Beides also Heilige, aus der Zeit vor der Pest.

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So wie ich den KKK verstanden habe, wird nicht gelehrt, daß der Ablass bzw. das Fürbittgebet die "Zeit" verkürzt (Zeit ist ohnehin ein sehr zweifelhafter Begriff in diesem Zusammenhang), sondern daß beides dem Verstorbenen den Reueprozess leichter macht.

Auch das scheint mir sehr merkwürdig und weit hergeholt.

Was bedeutet "leichter machen"?

Es erleichtern, Reue zu empfinden? Wenn das möglich ist, warum macht Gott das nicht einfach? Hier gilt ja das mit dem freien Willen nicht mehr.

Oder geht es darum, dass der reueprozess schmerzlich ist und die Schmerzen sollen erleichtert werden? Dann sind wir wieder beim mittelalterlichen Schuldturm.

Gott hat rein gar nichts von den Schmerzen, außer er erfreut sich wie ein mittelalterlicher Gläubiger daran.

Warum sollte man ihm dann aber diese Freude durch einen Ablass nehmen? Wenn Gott aber keine Freude dran hat, warum lässt er dann zu, dass es geschieht, wenn es doch offensichtlich möglich ist, es zu vermeiden?

 

Irgendwie ist das in meinen Augen vollkommen unlogisch, von vorn bis hinten.

Logisch ist es nur mit einer mittelalterlichen Denkweise, die mir völlig fremd ist.

Ich denke daher, dass diese ganze Idee eine mittelalterliche ist, die man heute ins Museum stellen sollte.

Backsteinwände nach dem Sinn des Lebens zu fragen macht mehr Sinn als mit Dir über Religion zu reden.

 

Erkenntnis und Reue sind IMMER schmerzliche Prozesse, die zumeist auch noch von Scham und Wut begleitet werden - warum sollten wir nicht mithelfen diesen Prozess zu erleichtern? Zumal: Gott leidet ohnehin mit (und geteiltes Leid ist halbes Leid...).

 

Du schreibst zwar, daß Dir das mittelalterliche Denken fremd sei - davon gelöst hast Du dich allerdings auch nicht.

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Nebenbei:

 

St. Severin lebte kurz vor 400, St. Paschalis starb kurz vor 900.

 

Beides also Heilige, aus der Zeit vor der Pest.

Es geht um deren Heiligenlegenden, mehr nicht. Zu Zeiten Severins gab es noch gar kein fegefeuer.

 

Werner

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So wie ich den KKK verstanden habe, wird nicht gelehrt, daß der Ablass bzw. das Fürbittgebet die "Zeit" verkürzt (Zeit ist ohnehin ein sehr zweifelhafter Begriff in diesem Zusammenhang), sondern daß beides dem Verstorbenen den Reueprozess leichter macht.

Auch das scheint mir sehr merkwürdig und weit hergeholt.

Was bedeutet "leichter machen"?

Es erleichtern, Reue zu empfinden? Wenn das möglich ist, warum macht Gott das nicht einfach? Hier gilt ja das mit dem freien Willen nicht mehr.

Oder geht es darum, dass der reueprozess schmerzlich ist und die Schmerzen sollen erleichtert werden? Dann sind wir wieder beim mittelalterlichen Schuldturm.

Gott hat rein gar nichts von den Schmerzen, außer er erfreut sich wie ein mittelalterlicher Gläubiger daran.

Warum sollte man ihm dann aber diese Freude durch einen Ablass nehmen? Wenn Gott aber keine Freude dran hat, warum lässt er dann zu, dass es geschieht, wenn es doch offensichtlich möglich ist, es zu vermeiden?

 

Irgendwie ist das in meinen Augen vollkommen unlogisch, von vorn bis hinten.

Logisch ist es nur mit einer mittelalterlichen Denkweise, die mir völlig fremd ist.

Ich denke daher, dass diese ganze Idee eine mittelalterliche ist, die man heute ins Museum stellen sollte.

Backsteinwände nach dem Sinn des Lebens zu fragen macht mehr Sinn als mit Dir über Religion zu reden.

 

Erkenntnis und Reue sind IMMER schmerzliche Prozesse, die zumeist auch noch von Scham und Wut begleitet werden - warum sollten wir nicht mithelfen diesen Prozess zu erleichtern? Zumal: Gott leidet ohnehin mit (und geteiltes Leid ist halbes Leid...).

 

Du schreibst zwar, daß Dir das mittelalterliche Denken fremd sei - davon gelöst hast Du dich allerdings auch nicht.

Mag sein, dass Wände bequemer sind als ich, aber Gott hat hoffentlich auch an unbequemen Menschen mehr Freude als an Backsteinwänden.

 

Natürlich ist Erkenntnis und Reue schmerzlich.

Die Frage ist aber die: Wenn es möglich ist, qua Ablass diese Schmerzen verschwinden zu lassen, bzw. gar nicht erst auftreten zu lassen, warum leidet Gott dann mit, wie du schreibst, anstatt sie gar nicht erst auftreten zu lassen? Das macht nur Sinn, wenn man (und das habe ich als mittelalterliches Denken bezeichnet), wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Das tut aber doch heute keiner mehr.

Ich finde die Idee von Reue und Erkenntnis ja gut, aber dazu gehört dann halt auch, wie du richtig schreibst, der betreffende Schmerz. Deshalb ist der Ablass doch kontraproduktiv, denn er verhindert Reue und Erkenntnis. AUßer natürlich, wenn reue und erkenntnis auch ohne Schmerz möglich ist, aber dann stellt sich wie gesagt die Frage, warum gott auf diesen unnötigen Schmerzen besteht.

 

Jetzt klarer was ich meine?

 

Werner

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Jetzt klarer was ich meine?

Nicht wirklich. Schmerz ist doof. Er wird schon besser durch eine tröstende Hand, gelindert durch einen kalten Waschlappen oder ganz abgeschaltet durch ein Schmerzmittel.

 

Aber er bringt einen so oder so nicht um.

 

Er gehört nunmal dazu und es gibt das ein oder andere Mittel zur Linderung das wir auch dann beisteuern können, wenn Gott uns diese Linderung nicht völlig verschafft. Der Verstorbene ist nunmal auch vor Gott nicht menschenseelenallein.

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Jetzt klarer was ich meine?

Nicht wirklich. Schmerz ist doof. Er wird schon besser durch eine tröstende Hand, gelindert durch einen kalten Waschlappen oder ganz abgeschaltet durch ein Schmerzmittel.

 

Aber er bringt einen so oder so nicht um.

 

Er gehört nunmal dazu und es gibt das ein oder andere Mittel zur Linderung das wir auch dann beisteuern können, wenn Gott uns diese Linderung nicht völlig verschafft. Der Verstorbene ist nunmal auch vor Gott nicht menschenseelenallein.

Das ist alles schön und richtig. Wenn es aber Schmerzmittel gibt, dann stellt sich doch wirklich die Frage, warum Gott, der allmächtige und barmherzige, trotzdem die Menschen leiden lässt, und zwar die Menschen, die schon Gnade vor ihm gefunden haben, die zu den Gerechten gehören. Die Theodizee zieht hier nicht mehr, es geht ja um Leben nach dem Tod.

Ich könnte es verstehen, wenn es notwendiger Schmerz wäre, aber er ist ja nicht notwendig, es gibt ja ein Schmerzmittel.

 

Werner

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Natürlich ist Erkenntnis und Reue schmerzlich.

Die Frage ist aber die: Wenn es möglich ist, qua Ablass diese Schmerzen verschwinden zu lassen, bzw. gar nicht erst auftreten zu lassen, warum leidet Gott dann mit, wie du schreibst, anstatt sie gar nicht erst auftreten zu lassen? Das macht nur Sinn, wenn man (und das habe ich als mittelalterliches Denken bezeichnet), wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Das tut aber doch heute keiner mehr.

Ich finde die Idee von Reue und Erkenntnis ja gut, aber dazu gehört dann halt auch, wie du richtig schreibst, der betreffende Schmerz. Deshalb ist der Ablass doch kontraproduktiv, denn er verhindert Reue und Erkenntnis. AUßer natürlich, wenn reue und erkenntnis auch ohne Schmerz möglich ist, aber dann stellt sich wie gesagt die Frage, warum gott auf diesen unnötigen Schmerzen besteht.

 

Jetzt klarer was ich meine?

 

Ja. Ich möchte mit einem Beispiel antworten:

 

Du beaufsichtigst ein Kind, und während du kurz einmal unaufmerksam bist, fällt es eine Mauer hinunter und stirbt. Die Eltern sind schockiert und wütend, als sie das mitbekommen.

 

Du bist kreidebleich und verzweifelt. Warum habe ich das Kind nur aus den Augen gelassen? Es tut dir leid. Die Schuld schmerzt dich.

 

Plötzlich kommt der Vater des Kindes auf dich zu, legt dir die Hand auf die Schulter und meint:

"Ich verurteile dich nicht. Ich möchte dir helfen, wie du wieder frohen Mutes weiter leben kannst!"

 

Dieser Vater ist wie ein Angehöriger, der für einen Verstorbenen betet, um ihm in seiner verzweifelten, schmerzhaften Scham über seine Schuld beizustehen.

 

Nicht mehr und nicht weniger ...

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wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Nimm' einfach das "per se" heraus und denke an die Situationen, in denen Schmerz (physischer oder psychischer) Dich auf Wichtigeres/Grundlegenderes hingewiesen hat, und Du hast evtl einen Interpretationsschlüssel, der Dir hilft.

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wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Nimm' einfach das "per se" heraus und denke an die Situationen, in denen Schmerz (physischer oder psychischer) Dich auf Wichtigeres/Grundlegenderes hingewiesen hat, und Du hast evtl einen Interpretationsschlüssel, der Dir hilft.

In diesem Fall ist dann das Schmerzmittel (Ablass) aber kontraproduktiv.

 

Werner

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Natürlich ist Erkenntnis und Reue schmerzlich.

Die Frage ist aber die: Wenn es möglich ist, qua Ablass diese Schmerzen verschwinden zu lassen, bzw. gar nicht erst auftreten zu lassen, warum leidet Gott dann mit, wie du schreibst, anstatt sie gar nicht erst auftreten zu lassen? Das macht nur Sinn, wenn man (und das habe ich als mittelalterliches Denken bezeichnet), wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Das tut aber doch heute keiner mehr.

Ich finde die Idee von Reue und Erkenntnis ja gut, aber dazu gehört dann halt auch, wie du richtig schreibst, der betreffende Schmerz. Deshalb ist der Ablass doch kontraproduktiv, denn er verhindert Reue und Erkenntnis. AUßer natürlich, wenn reue und erkenntnis auch ohne Schmerz möglich ist, aber dann stellt sich wie gesagt die Frage, warum gott auf diesen unnötigen Schmerzen besteht.

 

Jetzt klarer was ich meine?

 

Ja. Ich möchte mit einem Beispiel antworten:

 

Du beaufsichtigst ein Kind, und während du kurz einmal unaufmerksam bist, fällt es eine Mauer hinunter und stirbt. Die Eltern sind schockiert und wütend, als sie das mitbekommen.

 

Du bist kreidebleich und verzweifelt. Warum habe ich das Kind nur aus den Augen gelassen? Es tut dir leid. Die Schuld schmerzt dich.

 

Plötzlich kommt der Vater des Kindes auf dich zu, legt dir die Hand auf die Schulter und meint:

"Ich verurteile dich nicht. Ich möchte dir helfen, wie du wieder frohen Mutes weiter leben kannst!"

 

Dieser Vater ist wie ein Angehöriger, der für einen Verstorbenen betet, um ihm in seiner verzweifelten, schmerzhaften Scham über seine Schuld beizustehen.

 

Nicht mehr und nicht weniger ...

Und wie bringst du in deinem Beispiel den Ablass unter, den ich für mich selbst erwerbe?

 

Werner

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Wenn der Nichtaufpasser sagt: "Ich will ja alles, was mir nur möglich ist, tun, damit Du und Deine Frau sehen, wie furchtbar mir das ist!", dann wird es dem Vater vielleicht leichter fallen, diese vergebenden Worte zu sprechen. Nach Deinem dritten Selbstmordversuch nach vorhergehender Selbstauspeitschung wird zumindest die Ernsthaftigkeit Deines Schuldbewusstseins offensichtlich sein. Auch wenn Dir wahrscheinlich jeder sagen wird, dass Selbstauspeitschung und Selbstmord nicht das geeignete Mittel sind, die Schmerzen der Eltern über ihren Verlust zu trösten.

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wenn man Schmerzen als per se gut ansieht.

Nimm' einfach das "per se" heraus und denke an die Situationen, in denen Schmerz (physischer oder psychischer) Dich auf Wichtigeres/Grundlegenderes hingewiesen hat, und Du hast evtl einen Interpretationsschlüssel, der Dir hilft.

In diesem Fall ist dann das Schmerzmittel (Ablass) aber kontraproduktiv.

 

Werner

Hängt davon ab, wie wörtlich Du Schmerzmittel nimmst.

Jedes Bild hat seine Grenzen, ich gehe davon aus, daß Du das weißt und berücksichtigst.

Wenn wir aber beim Bild des Schmerzes und des Schmerzmittels bleiben: denk bei "Schmerzmittel" einfach an jemand, der Deine Hand hält, während Dein Zahnarzt eien Wurzelbehandlung macht. Kontraproduktiv ist anders.

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