Chiesa Geschrieben 30. Juni 2011 Melden Share Geschrieben 30. Juni 2011 Hi @all, nach langer Zeit, in der ich hier mitgelesen habe, muß ich heute etwas loswerden, was mich seit letzten Samstag tief bewegt: Ein guter Freund meines Stiefsohnes hat sich das Leben genommen. Ganze 23 Jahre ist er alt geworden. Heute waren wir in der Friedhofskapelle, wo er aufgebahrt ist im offenen Sarg. Viele Freunde waren dort und alle haben sie den Wunsch, daß K. die Augen aufmacht und sagt, daß doch alles nur ein Scherz gewesen sei. Aber das wird nicht passieren. Obwohl ich K. nicht persönlich kannte (vielleicht hatte ich ihn mal nachts im Taxi sitzen - ich weiß es nicht mehr), geht mir dieser sinnlose Tod sehr nahe. Ein junges Leben ist ausgelöscht, weil zuviele Faktoren zusammenkamen: Er saß in U-Haft, die Freundin hat Schluß gemacht (wahrscheinlich auf Druck ihrer Familie) und sie hat schon einen Neuen. Am Tag seines Suizids wurde er auf eigenen Wunsch in eine Einzelzelle verlegt. Warum wurde diesem Wunsch stattgegeben? Warum hat man nicht besser auf ihn geschaut? Warum hatte er die Möglichkeit, sich in staatlicher Obhut in seiner Zelle zu erhängen? Warum - warum - warum...? Am Montag ist die Beerdigung. Noch nie hatte ich soviel Bammel davor zu sehen, wie der Sarg in den Boden gesenkt wird. Ich habe heute am Sarg gebetet für K., trotzdem hatte ich das Gefühl, daß ihn etwas von der Gewaltsamkeit seines Todes umgab. Der Bestatter hat sich große Mühe gegeben, die Spuren der Obduktion und der Zeit (es war in der Nacht auf Fronleichnam) zu kaschieren, und doch sah K. nicht friedlich aus. Warum mußte das passieren? Warum wurde ein junges Leben beendet? Er hatte doch noch so viel vor... Verzweifelt - Chiesa Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franciscus non papa Geschrieben 30. Juni 2011 Melden Share Geschrieben 30. Juni 2011 auf die frage nach dem "warum" gibt es zahllose und keine antwort. ein suizid ist für die aussenstehenden menschen eigentlich immer unbegreiflich. es ist weder gut, nun sich selbst vorwürfe zu machen, noch demjenigen, der nun gegangen ist. es bleibt die hoffnung auf den liebenden vater im himmel, der all das, was in jedem leben unvollkommen und fehlerhaft war, dann am ende richten wird. und mit richten meine ich weniger zu gericht sitzen und verurteilen, sondern zurechtrücken und vollkommen machen wird. tiefer, als in die hand des liebenden vaters können wir nicht fallen. deswegen auch meine sig: in te domine speravi, non confundar - ich vertraue auf dich, herr, ich werde nicht zuschanden werden. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Peter 1 Geschrieben 2. Juli 2011 Melden Share Geschrieben 2. Juli 2011 Chiesa, so ein trauriges Erlebnis, ruft immer die Frage nach dem Sinn des Lebens hervor. Er war offensichtlich verzweifelt, sah keinen Sinn mehr in seinem Leben. Die Betonung ist auf seinem Leben. Das war vielleicht auch sein Problem, nicht irgendwo dazu zu gehören oder jedenfalls nicht genug stark. Ein Verwandter beging Selbstmord weil er sich krank und einsam fühlte, es hat mich sehr getroffen,aber ich hätte so nicht helfen können, solche Menschen brauchen eine wohlgesinnte Gruppe in der sie eingebettet sind, etwas was es heute so nicht mehr gibt. Ein anderer überlebte, hat aber seine Probleme nicht ganz überwunden, er ist in einer WG, diese bedeutet ihm alles nach seiner gescheiterten Ehe. Du kannst weder die Umstände ändern noch als Einzelperson eine Komplettlösung bieten. Bei Mennoniten ( den frommen altmodischen Gemeinschaften) und bei Afrikanern ist Selbstmord ganz selten, sie haben starke Gemeinschaften! Aber unabhängig davon, ich denke der Sinn des Lebens ist es mit Gott eine lebendige Gemeinschaft zu haben, dann ergibt sich auch das mit Menschen. Liebe Grüsse-Peter Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chiesa Geschrieben 6. Juli 2011 Autor Melden Share Geschrieben 6. Juli 2011 Vielen Dank für die lieben Worte. Am Montag war Beerdigung und die kleine Friedhofskapelle war wahrscheinlich noch nie so voll. Die Musik hat K. sich noch in seinem Abschiedsbrief gewünscht und sie wurde auch gespielt. Herzzerreißend - ebenso wie sein Abschiedsbrief an die Trauernden. K. war ein Mensch, der sich von allen allein gelassen fühlte, das wurde deutlich in den Worten des Briefes. Er sah sich zum Schluß als Kriminellen, der es nicht wert sei, daß Gott ihn erhörte und der es auch nicht wert sei, daß wir um ihn trauern. Er wisse zwar nicht, ob es einen Himmel und eine Hölle gebe, aber wenn, dann sei ja ziemlich klar, wohin er käme. Ich glaube, alle waren erschüttert, als sie diese Worte vernahmen. Der Pfarrer verstand jedoch, diese Fehleinschätzung zu korrigieren, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Mich hat diese Trauerfeier sehr berührt und ich bin mir sicher, daß K. an diesem Tag unter uns war. Seine sterbliche Hülle haben wir der Erde übergeben, seine Seele ist jetzt frei und bei Gott. Sicher hat er sich einiges anhören dürfen dafür, daß er seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hat, aber ihm wurde verziehen. Wenn ich das nicht glauben könnte, wäre das Leben ohne Sinn... In Trauer - Chiesa Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
GermanHeretic Geschrieben 6. Juli 2011 Melden Share Geschrieben 6. Juli 2011 ich bin mir sicher, daß K. an diesem Tag unter uns war. Selbstverständlich war er das. So kurz das Leben auch sein und wie wenig man auch in den Augen der großen Geschichte geleistet haben mag, die Folgen der eigenen Handlungen verbleiben in der Welt. Und die Leute, die einen kennen, erinnern sich an die Handlungen, besonders die, die ihr Leben beeinflußt hat. Und dabei behält man gerade die guten Handlungen im Hinterkopf. Im Gedächtnis der Freunde und (gut gesinnten) Verwandten ist daher auch der in den Augen der Welt oder auch seinen eigenen Geringste ein großer Mensch. Vieh stirbt, die Freunde sterben Endlich stirbt man selbst Doch was ewig bleibt ist der Tatenruhm Den man im Guten sich gewann. (Des Hohen Lied) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chiesa Geschrieben 6. Juli 2011 Autor Melden Share Geschrieben 6. Juli 2011 So kurz das Leben auch sein und wie wenig man auch in den Augen der großen Geschichte geleistet haben mag, die Folgen der eigenen Handlungen verbleiben in der Welt. Und die Leute, die einen kennen, erinnern sich an die Handlungen, besonders die, die ihr Leben beeinflußt hat. Und dabei behält man gerade die guten Handlungen im Hinterkopf. Im Gedächtnis der Freunde und (gut gesinnten) Verwandten ist daher auch der in den Augen der Welt oder auch seinen eigenen Geringste ein großer Mensch. Vieh stirbt, die Freunde sterben Endlich stirbt man selbst Doch was ewig bleibt ist der Tatenruhm Den man im Guten sich gewann. (Des Hohen Lied) Das trifft genau den Punkt. Vielen Dank dafür. Chiesa Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chiesa Geschrieben 8. Juli 2011 Autor Melden Share Geschrieben 8. Juli 2011 Nun führ ich den Thread doch weiter (nachdem ich ihn wiedergefunden habe): Gestern war ich - zugegebenermaßen leider zwischen Tür und Angel - auf dem Friedhof und habe noch Blumen auf´s Grab gelegt. Ein einziges Blumen- und Blütenmeer mit vielen, vielen Sonnenblumen. Mein Stiefsohn sagte mir gestern Abend, daß K. sich gewünscht hätte, immer viele Blumen auf seinem Grab zu haben. Ich glaube, ich werde ihm diesem Wunsch erfüllen. Ich komm ja oft genug in die nahe Kreisstadt und kann mir ein Viertelstündchen abknapsen... Auf dem Weg der Besserung - Chiesa P.S.: Danke auch für die vielen aufmunternden PNs Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
bruno Geschrieben 10. Juli 2011 Melden Share Geschrieben 10. Juli 2011 "Gott des Lebens und des Todes, voll Schmerz und Entsetzen suchen wir nach Worten, nach Trost und Hilfe. Mit diesem abgebrochenen Leben wissen wir uns keinen Rat. Traurig und machtlos legen wir es in deine Hände und vertrauen es deiner Liebe an. Wir glauben daran, dass du uns entgegenkommst, wenn wir nicht mehr weiterwissen. So bitten wir Dich: Nimm sie/ihn auf in deine Arme. Gib ihm Frieden, den sie/er suchte. Komm uns zu Hilfe, damit wir einander trösten und beistehen können. Stärke in uns das Vertrauen, dass wir ihn wieder sehen bei dir, dem Vater aller Menschen." Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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