atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Ich hege gewisse Zweifel, ob der Unaussprechliche von Tomas de Torquemada oder Innocenc IV traeumt ... Berechtigte Zweifel, lieber Kater, sehr berechtigte. Ich träume nicht einmal von der Päpstin Johanna oder wenigstens von Maria Magdalena. Irgendwas mach ich wohl falsch. Vielleicht sollte ich doch Deschner doch auf meinen Nachttisch legen... So, und vielleicht findet sich jetzt ein gnädiger Kata-Mod, der uns spätestens ab da ins Tohu verfrachtet oder zumindest einen eigenen Thread gönnt, "Deschner die siebenundzwanzigeinhalbte" oder so... Bevor das in's Tohu geht. Mir wäre ein Absplittung lieber. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Aber dass es von anderer Qualität wäre, wenn wirkliche Historiker Deschners Arbeit als historisch methodengerecht ansehen und insoweit ernstnähmen, das leutet dir hoffentlich auch ein? Es geht ja um weit mehr als um einen Faktencheck (so sähe das jedenfalls ein methodengerecht und wissenschaftlich arbeitender Historiker). Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
chrk Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Danke, Inge! (fürs Absplitten und die Verteidigung meiner Träume ) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dale Earnhardt Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Es spielt überhaupt keine Rolle, ob Karlheinz Deschner von Historikern ernstgenommen wird, Danke für die Unterstützung, wine. Dale Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Doch, es spielt eine große Rolle, ob Deschner von Historikern ernstgenommen wird. Es sei denn, ihr wollt Ideologen sein und bleiben, dann nicht. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dale Earnhardt Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Aber dass es von anderer Qualität wäre, wenn wirkliche Historiker Deschners Arbeit als historisch methodengerecht ansehen und insoweit ernstnähmen, das leutet dir hoffentlich auch ein? Es geht ja um weit mehr als um einen Faktencheck (so sähe das jedenfalls ein methodengerecht und wissenschaftlich arbeitender Historiker). Liebe Inge*, ich verstehe diese Position ernsthaft nicht. Ich sage das auch ganz liebenswürdig. Aber an der Tatsache (dem Faktum), dass z.B. (ich nehme mal ein plakatives Beispiel) im 16. Jahrhundert eine Frau als Hexe zunächst gefoltert und danach verbrannt wurde und dies im Einvernehmen oder sogar auf Betreiben der katholischen Kirche erfolgte, ändert sich doch nichts, wenn mir dies von einem Historiker statt von einem Journalisten übermittelt wird. In beiden Fällen bin ich entsetzt. Es ist doch ganz simpel. Die historische, meinetwegen wissenschaftliche Einordnung, interessiert mich doch überhaupt nur am Rande in diesem Zusammenhang. Ich kann es nicht leiden, wenn unschuldige Frauen gefoltert werden. Ich kann es sogar nicht leiden, wenn schuldige Frauen gefoltert werden. Ich finde Foltern doof. Und das Verbrennen von Menschen auch. Wenn es stattgefunden hat und daran gibt es - wie an allen Fakten, die Deschner aufgelistet hat - ja keinen Zweifel (von Kleinigkeiten mal angesehen) - dann ist es historisch. Und wenn es historisch ist, dann ist es ein Kapitel in der "Kriminalgeschichte" des Christentums. Sorry. Dale *De-Eskalation (2. Teil) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Ich finde Foltern doof. Das ist eine ahistorische Position. Warum liest du dann Deschner? Weil die Lektüre dich so schön gruselt? Oder weil du dich an der Pflege von Vorurteilen delektierst? Für den an wirklicher Erkenntnis Interessierten wird die Frage nach der Einordnung der Folter in die zeitlichen Umstände schon eine Rolle spielen. Das Aufzählen von Fakten ist noch keine Geschichtsschreibung. Und dann ist Deschners Verständnis von Fakten nicht dasjenige eines Wissenschaftlers. Wenn etwa ein Mönch schreibt, bei irgendeinem Waffengang gegen "Ketzer" seien 10.000 Leute erschlagen worden, ist dies für Deschner eine Tatsache. Ein Wissenschaftler sieht hinter der Zahlenangabe eine zeittypische Darstellung, bei der es auf Präzision im heutigen Sinn nicht ankam. Obendrein weiß er, daß im Mittelalter höchst selten 10.000 Leute in einer Burg oder Stadt lebten, die Zahl also schon deshalb nicht heute üblicher Exaktheit entsprechen kann. Ich verweise dazu nochmals auf die Geschichte von den 20.000 Sklaven des Hl. Martin, die hier im Forum schon einmal ausführlich behandelt wurde. Und dann lies die Einleitung zu Deschners Kriminalgeschichte, er definiert das Werk ausdrücklich als polemische Streitschrift. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Aber dass es von anderer Qualität wäre, wenn wirkliche Historiker Deschners Arbeit als historisch methodengerecht ansehen und insoweit ernstnähmen, das leutet dir hoffentlich auch ein? Es geht ja um weit mehr als um einen Faktencheck (so sähe das jedenfalls ein methodengerecht und wissenschaftlich arbeitender Historiker). Du bist da vom Fach? Deschner trägt Fakten zusammen (zumindest sagt er das, und meines Wissens hat ihm noch niemand das Gegenteil nachweisen können) und er tut es ausdrücklich in feindlicher Absicht und er tut es, weil es sonst keiner tut. Mit so etwas machst du dir in Deutschlands beamteter Historikergilde nicht unbedingt Freunde, besonders weil es kaum Kirchenhistoriker gibt, die von der RKK unabhängig sind. Insofern tut er eine für die Geschichtswissenschaft notwendige und wichtige Arbeit, auch und gerade weil sie vielen nicht schmeckt. Genau deshalb geht es eben vor allem um einen Faktencheck. Die Geschichtswissenschaften sind immer noch Inventurwissenschaften und hier würde mich interessieren, ob die von Deschner zusammengetragenen Fakten inhaltlich korrekt sind und korrekt zitiert. Seine Wertungen sind von seinem erkenntnisleitenden Interesse diktiert, aber das ist bei den meisten Historikern auch nicht anders. Ich habe mich ein wenig mit der Konstantin-Ausstellung in Trier beschäftigt, die dort vor ein paar Jahren stattgefunden hat, und die fand ich viel peinlicher, weil sie zwar genauso einseitig war (nur in die andere Richtung), nur keine neuen Erkenntnisse hervorbrachte, sondern nur die alten Halbwahrheiten und Geschichtsklitterungen. Parteiliche Wertungen sind in den Geschichtswissenschaften leider der Normalfall und nicht die Ausnahme. Ich finde das bedauerlich und mir wäre es viel lieber, es gelänge endlich, sie auf ein theoretisches Fundament zu stellen, das unabhängig ist von aktuellen gesellschaftpolitischen Interessen, aber genau daran haben Politik und gesellschaftliche Gruppen, allen voran die RKK, kein Interesse. Da ist mir dann jemand wie Deschner sehr recht, der wenigstens auf dem Gebiet der Fakten etwas Parität wiederherstellt, auch wenn mir sein Stil beim besten Willen nicht liegt. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dale Earnhardt Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Warum liest du dann Deschner? Weil die Lektüre dich so schön gruselt? Warum liest du die Bibel? Weil die Lektüre dich so schön gruselt? Deine Kritik geht an Deschners Werk vollständig vorbei. Ich habe z.B. auch oft gelesen, dass die Eroberung des "heiligen Landes" unter Joshua vermutlich nicht genau so blutig vonstatten gegangen ist, wie es in der Bibel geschildert wird. Mag sein. Aber das Faktum, dass diese Schilderungen genau so blutig in der Bibel stehen, wie sie in der Bibel nun mal stehen, gibt mir eine kostbare Erkenntnis über die Ideologie, die dieses Buch transportiert. Dale Und was meine ahistorische Position der Folter gegenüber angeht. Ich unterstelle dir mal ganz schwer, dass wir wenigstens in dieser ahistorischen Frage einer Meinung sind, oder????? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
chrk Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 (bearbeitet) Parteiliche Wertungen sind in den Geschichtswissenschaften leider der Normalfall und nicht die Ausnahme. Ich finde das bedauerlich und mir wäre es viel lieber, es gelänge endlich, sie auf ein theoretisches Fundament zu stellen, das unabhängig ist von aktuellen gesellschaftpolitischen Interessen, aber genau daran haben Politik und gesellschaftliche Gruppen, allen voran die RKK, kein Interesse. Da ist mir dann jemand wie Deschner sehr recht, der wenigstens auf dem Gebiet der Fakten etwas Parität wiederherstellt, auch wenn mir sein Stil beim besten Willen nicht liegt. Und du meinst, der Deschner´sche Ausgleich verhilft uns zu mehr Objektivität? Es gibt m.E. gewisse Grundlagen der Geschichtswissenschaft, die mehr oder weniger unumstritten sind (nach aktuellem Wissensstand natürlich - sonst wäre es ja keine Wissenschaft). Will ich die wissen, dann kaufe ich mir ein Büchlein der Beck´schen Reihe oder, mit ein bisschen mehr Wissensdurst, eines der einschlägigen Handbücher. Aber sicher nicht zehn Bände Kriminalgeschichte. Bin ich vom Fach (oder eben mehr als nur allgemein interessiert), dann reicht mir ein Handbuch nicht, dann forste ich nach Monografien, Qualifikationsarbeiten, Aufsätzen. Dort werde ich fündig. Dafür bringt Deschner wiederum nichts, wenn er nicht abwägt und bewertet, vielleicht höchstens noch als bessere Bibliographie. Und jetzt sag mir mal bitte einer, in welche Lücke Deschner da stößt? Als Überblickswerk erschlägt er dich, als Fachpublikation ist er unsauber. Für Fakten habe ich Überblickswerke, die zählen mir vielleicht nicht jede über vierhundert Jahre zwischen Tromsö und Gibraltar verbrannte Hexe auf, geben mir aber den aktuellen Konsens über wer-wann-was und die wichtigsten abweichenden Meinungen. Will ich mich in ein Thema vergraben, knallt mir Deschner seine Fakten um die Ohren, letztendlich darf ich mich aber doch auf die Suche nach Originalarbeiten machen, wennich weiß, dass er nur das auflistet, was er für seine Darstellung brauchen kann. Also, was bringt mir Deschner? bearbeitet 11. Januar 2012 von chrk Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
chrk Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Aber das Faktum, dass diese Schilderungen genau so blutig in der Bibel stehen, wie sie in der Bibel nun mal stehen, gibt mir eine kostbare Erkenntnis über die Ideologie, die dieses Buch transportiert. Jetzt sag aber nicht, dass du diese bahnbrechende Erkenntnis Deschner verdankst: in der Bibel steht in der Tat das, was in der Bibel steht... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Und du meinst, der Deschner´sche Ausgleich verhilft uns zu mehr Objektivität? Es gibt m.E. gewisse Grundlagen der Geschichtswissenschaft, die mehr oder weniger unumstritten sind (nach aktuellem Wissensstand natürlich - sonst wäre es ja keine Wissenschaft). Nein, diese unumstrittenen Grundlagen gibt es leider nicht, oder genauer gesagt, die gibt es nur auf dem Gebiet der Datensammlung, nicht auf dem der Modellbildung. Und du hast recht, den Stand einer Wissenschaft haben die Geschichtswissenschaften nur in Teilen, eben genau auf dem Gebiet der der Datensammlung, nicht der Modellbildung. Daher schreibt ja auch jede politische weltanschauliche Richtung ihre eigene Geschichte. Also, was bringt mir Deschner? Dir vermutlich nichts, und mir, wenn man von seinen kleineren Büchern absieht, auch nichts. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
chrk Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 (bearbeitet) Daher schreibt ja auch jede politische weltanschauliche Richtung ihre eigene Geschichte. So sehr ich dir auch darin zustimme, dass eine komplett objektive Auswertung historischen Datenmaterials nicht möglich ist, ich finde doch, dass deine Kritik an der Geschichtswissenschaft da etwas zu weit geht. Denn auch wenn sie nicht faktisch objektiv sein kann, so soll sie doch versuchen zu objektivieren (also genau das, was Deschner nicht tut). Das Spannende am Basteln einer historischen Theorie ist ja gerade, dass ich auch Fakten einbauen muss, die mir nicht in den Kram passen, dass Geschichte nicht so schwarz-weiß ist, wie man sie gerne hätte. Der Nachteil ist natürlich, dass Geschichtsschreibung dadurch ein ganzes Stück mühseliger und im Ergebnis auch langweiliger wird. Natürlich ist es schöner, eine These zu haben, die wie in Erz gegossen dasteht und allen Angriffen trotzt. Stattdessen muss man sich durch immer kleinteiligere Arbeiten wühlen, die immer mehr und mehr die "Fakten" auseinander nehmen und zu Schlussfolgerungen kommen, das unter der Berücksichtung zumindest der Ansatz einer Tendenz erkennbar sein könnte, wenn man dies und das als stabile Rahmenfaktoren im untersuchten Umfeld annehmen wolle oder so... Das ist zwar nicht objektiv, bemüht sich aber zumindest um Objektivierung. Natürlich ist das langweiliger als Deschner, aber eben auch ehrlicher. bearbeitet 11. Januar 2012 von chrk Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gingganz Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 (bearbeitet) Doch, es spielt eine große Rolle, ob Deschner von Historikern ernstgenommen wird. Es sei denn, ihr wollt Ideologen sein und bleiben, dann nicht. Eine Behauptung wird ja nicht dadurch gewichtiger, dass man sie immer noch einmal wiederholt, da wäre schon eine Begründung angesagt. bearbeitet 11. Januar 2012 von Gingganz Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gingganz Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Daher schreibt ja auch jede politische weltanschauliche Richtung ihre eigene Geschichte. So sehr ich dir auch darin zustimme, dass eine komplett objektive Auswertung historischen Datenmaterials nicht möglich ist, ich finde doch, dass deine Kritik an der Geschichtswissenschaft da etwas zu weit geht. Denn auch wenn sie nicht faktisch objektiv sein kann, so soll sie doch versuchen zu objektivieren (also genau das, was Deschner nicht tut). Das Spannende am Basteln einer historischen Theorie ist ja gerade, dass ich auch Fakten einbauen muss, die mir nicht in den Kram passen, dass Geschichte nicht so schwarz-weiß ist, wie man sie gerne hätte. Der Nachteil ist natürlich, dass Geschichtsschreibung dadurch ein ganzes Stück mühseliger und im Ergebnis auch langweiliger wird. Natürlich ist es schöner, eine These zu haben, die wie in Erz gegossen dasteht und allen Angriffen trotzt. Stattdessen muss man sich durch immer kleinteiligere Arbeiten wühlen, die immer mehr und mehr die "Fakten" auseinander nehmen und zu Schlussfolgerungen kommen, das unter der Berücksichtung zumindest der Ansatz einer Tendenz erkennbar sein könnte, wenn man dies und das als stabile Rahmenfaktoren im untersuchten Umfeld annehmen wolle oder so... Das ist zwar nicht objektiv, bemüht sich aber zumindest um Objektivierung. Natürlich ist das langweiliger als Deschner, aber eben auch ehrlicher. Nun schreibt Deschner aber mit Ansage. Würde zum Beispiel ein Biologe eine Abhandlung über das Raubverhalten der Haifische verfassen und ausdrücklich darauf hinweisen, dass er das gelegentliche Liebesleben der Haifische nicht untersuchen wird, dürfte man diesem eigentlich Einseitigkeit vorwerfen? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gingganz Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Und jetzt sag mir mal bitte einer, in welche Lücke Deschner da stößt? Als Überblickswerk erschlägt er dich, als Fachpublikation ist er unsauber. Für Fakten habe ich Überblickswerke, die zählen mir vielleicht nicht jede über vierhundert Jahre zwischen Tromsö und Gibraltar verbrannte Hexe auf, geben mir aber den aktuellen Konsens über wer-wann-was und die wichtigsten abweichenden Meinungen. Will ich mich in ein Thema vergraben, knallt mir Deschner seine Fakten um die Ohren, letztendlich darf ich mich aber doch auf die Suche nach Originalarbeiten machen, wennich weiß, dass er nur das auflistet, was er für seine Darstellung brauchen kann. Also, was bringt mir Deschner? Alles was du mit Deschner negativ konnotierst kann ein anderer für sich positiv konnotieren. So what. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Aber dass es von anderer Qualität wäre, wenn wirkliche Historiker Deschners Arbeit als historisch methodengerecht ansehen und insoweit ernstnähmen, das leutet dir hoffentlich auch ein? Es geht ja um weit mehr als um einen Faktencheck (so sähe das jedenfalls ein methodengerecht und wissenschaftlich arbeitender Historiker). Liebe Inge*, ich verstehe diese Position ernsthaft nicht. Ich sage das auch ganz liebenswürdig. Aber an der Tatsache (dem Faktum), dass z.B. (ich nehme mal ein plakatives Beispiel) im 16. Jahrhundert eine Frau als Hexe zunächst gefoltert und danach verbrannt wurde und dies im Einvernehmen oder sogar auf Betreiben der katholischen Kirche erfolgte, ändert sich doch nichts, wenn mir dies von einem Historiker statt von einem Journalisten übermittelt wird. In beiden Fällen bin ich entsetzt. Es ist doch ganz simpel. Die historische, meinetwegen wissenschaftliche Einordnung, interessiert mich doch überhaupt nur am Rande in diesem Zusammenhang. Ich kann es nicht leiden, wenn unschuldige Frauen gefoltert werden. Ich kann es sogar nicht leiden, wenn schuldige Frauen gefoltert werden. Ich finde Foltern doof. Und das Verbrennen von Menschen auch. Wenn es stattgefunden hat und daran gibt es - wie an allen Fakten, die Deschner aufgelistet hat - ja keinen Zweifel (von Kleinigkeiten mal angesehen) - dann ist es historisch. Und wenn es historisch ist, dann ist es ein Kapitel in der "Kriminalgeschichte" des Christentums. Sorry. Dale *De-Eskalation (2. Teil) Im Grunde müßte man diesem Beitrag eine Perle für offen zur schaugetragene Ignoranz geben. Danke für diese Unterrichtstunde! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Marcellinus Geschrieben 11. Januar 2012 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Daher schreibt ja auch jede politische weltanschauliche Richtung ihre eigene Geschichte. So sehr ich dir auch darin zustimme, dass eine komplett objektive Auswertung historischen Datenmaterials nicht möglich ist, ich finde doch, dass deine Kritik an der Geschichtswissenschaft da etwas zu weit geht. Denn auch wenn sie nicht faktisch objektiv sein kann, so soll sie doch versuchen zu objektivieren (also genau das, was Deschner nicht tut). Das Spannende am Basteln einer historischen Theorie ist ja gerade, dass ich auch Fakten einbauen muss, die mir nicht in den Kram passen, dass Geschichte nicht so schwarz-weiß ist, wie man sie gerne hätte. Der Nachteil ist natürlich, dass Geschichtsschreibung dadurch ein ganzes Stück mühseliger und im Ergebnis auch langweiliger wird. Natürlich ist es schöner, eine These zu haben, die wie in Erz gegossen dasteht und allen Angriffen trotzt. Stattdessen muss man sich durch immer kleinteiligere Arbeiten wühlen, die immer mehr und mehr die "Fakten" auseinander nehmen und zu Schlussfolgerungen kommen, das unter der Berücksichtung zumindest der Ansatz einer Tendenz erkennbar sein könnte, wenn man dies und das als stabile Rahmenfaktoren im untersuchten Umfeld annehmen wolle oder so... Das ist zwar nicht objektiv, bemüht sich aber zumindest um Objektivierung. Natürlich ist das langweiliger als Deschner, aber eben auch ehrlicher. Nein, ich gehe sicherlich nicht zu weit. Nimm ein praktisches Beispiel, die historische Varusschlacht. Schau dir an, was dazu in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Es lief meistens auf die Theorie hinaus, die Römer wären durch diese "Schlacht" daran gehindert worden, Germanien zu romanisieren. Es sei also ein erfolgreicher Befreiungskampf der Germanen gewesen. Ziemlich viel Spekulation auf der Basis von ein paar hundert Münzen, einer Reitermaske und einen Bericht bei Tacitus, findest du nicht? Keine soziologische Analyse der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, der Chancen einer Kolonisierung des rechtsrheinischen Germaniens. Bis vor wenigen Jahren wurden alle Berichte ignoriert, die auf ununterbrochene Aktivitäten römischer Truppen im "freien" Germanien verwiesen, bis 2008 durch die Entdeckungen des Schlachtfeldes am Harzhorn langsam nicht mehr zu übersehen war, was man schon immer hatte wissen können: Die Varusschlacht war ein Debakel von eher begrenzter Bedeutung, und die Tatsache, daß man nur zwei der drei Legionsadler (innerhin!) wieder zurückgewinnen konnte, wird die römische Militärführung mehr geschmerzt haben als der Verlust der Soldaten. Wie konnte es zu solch einer grotesken Fehleinschätzung kommen? Ganz einfach! Außerwissenschaftliche Wertungen, man könnte es auch bösartig dumpfen Nationalismus nennen. Die Germanen als edle Vorfahren der Deutschen besiegen die pösen Besatzungstruppen und vertreiben sie auf ewig aus unserer Heimat. Hat mit Wissenschaft gar nichts, mit Propaganda aber viel zu tun; denn weder sind die Germanen die Vorfahren der Deutschen allein, noch waren die Römer Besatzungstruppen. "Die" Germanen gab es als politische Einheit gar nicht. Es gab gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten, aber die beschränkten sich nicht auf die rechtsrheinischen Gebiete. Die Varusschlacht war auch keine Schlacht, sondern ein Hinterhalt eines einzelnen Stammes, ein Erfolg zudem, den sie nicht wiederholen konnten, als der Überraschungseffekt weg war. Harzhorn ist ein schönes Beispiel dafür. Es sollte mich nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren langsam aber sicher die Zahl der getöteten Legionäre nach unter korrigiert wird, schließlich haben einzelne Truppenteile überlebt. Es spricht auch viel dafür, daß Varus seinen Tross nicht dabei gehabt hat, ihn per Schiff zurückgeschickt hat. Schließlich war er eigentlich auf dem Weg in sein Winterlager und die Römer habe Lasten nie gern auf dem Land transportiert, im unwegsamen Germanien schon gar nicht. Man könnte das noch lange vertiefen, zB versuchen, die letztlich mißlungene Kolonisierung Britanniens mit der Lage in Germanien einerseits und in Gallien anderseits zu vergleichen, um zu einem strukturell begründeten Urteil zu kommen, daß nicht von der gegenwärtigen Stimmungslage abhängig ist. Ähnliche Problemfälle findest du in den Geschichtswissenschaften zu Hauf. Daher mein Fazit: Die Geschichtswissenschaften befinden sich noch im Stadium der Inventurwissenschaften, weit davon entfernt, über nachprüfbare Modelle von Zusammenhängen zu verfügen, und das liegt beileibe nicht daran, daß das prinzipiell nicht ginge, sondern daran, daß noch zuviele Interessen dem entgegenstehen. So bleibt Geschichtswissenschaft in ihren Wertungen bis auf weiteres Weltanschauung in Beispielen. 4 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Daher schreibt ja auch jede politische weltanschauliche Richtung ihre eigene Geschichte. So sehr ich dir auch darin zustimme, dass eine komplett objektive Auswertung historischen Datenmaterials nicht möglich ist, ich finde doch, dass deine Kritik an der Geschichtswissenschaft da etwas zu weit geht. Denn auch wenn sie nicht faktisch objektiv sein kann, so soll sie doch versuchen zu objektivieren (also genau das, was Deschner nicht tut). Das Spannende am Basteln einer historischen Theorie ist ja gerade, dass ich auch Fakten einbauen muss, die mir nicht in den Kram passen, dass Geschichte nicht so schwarz-weiß ist, wie man sie gerne hätte. Der Nachteil ist natürlich, dass Geschichtsschreibung dadurch ein ganzes Stück mühseliger und im Ergebnis auch langweiliger wird. Natürlich ist es schöner, eine These zu haben, die wie in Erz gegossen dasteht und allen Angriffen trotzt. Stattdessen muss man sich durch immer kleinteiligere Arbeiten wühlen, die immer mehr und mehr die "Fakten" auseinander nehmen und zu Schlussfolgerungen kommen, das unter der Berücksichtung zumindest der Ansatz einer Tendenz erkennbar sein könnte, wenn man dies und das als stabile Rahmenfaktoren im untersuchten Umfeld annehmen wolle oder so... Das ist zwar nicht objektiv, bemüht sich aber zumindest um Objektivierung. Natürlich ist das langweiliger als Deschner, aber eben auch ehrlicher. Nein, ich gehe sicherlich nicht zu weit. Nimm ein praktisches Beispiel, die historische Varusschlacht. Schau dir an, was dazu in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Es lief meistens auf die Theorie hinaus, die Römer wären durch diese "Schlacht" daran gehindert worden, Germanien zu romanisieren. Es sei also ein erfolgreicher Befreiungskampf der Germanen gewesen. Ziemlich viel Spekulation auf der Basis von ein paar hundert Münzen, einer Reitermaske und einen Bericht bei Tacitus, findest du nicht? Keine soziologische Analyse der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse, der Chancen einer Kolonisierung des rechtsrheinischen Germaniens. Bis vor wenigen Jahren wurden alle Berichte ignoriert, die auf ununterbrochene Aktivitäten römischer Truppen im "freien" Germanien verwiesen, bis 2008 durch die Entdeckungen des Schlachtfeldes am Harzhorn langsam nicht mehr zu übersehen war, was man schon immer hatte wissen können: Die Varusschlacht war ein Debakel von eher begrenzter Bedeutung, und die Tatsache, daß man nur zwei der drei Legionsadler (innerhin!) wieder zurückgewinnen konnte, wird die römische Militärführung mehr geschmerzt haben als der Verlust der Soldaten. Wie konnte es zu solch einer grotesken Fehleinschätzung kommen? Ganz einfach! Außerwissenschaftliche Wertungen, man könnte es auch bösartig dumpfen Nationalismus nennen. Die Germanen als edle Vorfahren der Deutschen besiegen die pösen Besatzungstruppen und vertreiben sie auf ewig aus unserer Heimat. Hat mit Wissenschaft gar nichts, mit Propaganda aber viel zu tun; denn weder sind die Germanen die Vorfahren der Deutschen allein, noch waren die Römer Besatzungstruppen. "Die" Germanen gab es als politische Einheit gar nicht. Es gab gewisse kulturelle Gemeinsamkeiten, aber die beschränkten sich nicht auf die rechtsrheinischen Gebiete. Die Varusschlacht war auch keine Schlacht, sondern ein Hinterhalt eines einzelnen Stammes, ein Erfolg zudem, den sie nicht wiederholen konnten, als der Überraschungseffekt weg war. Harzhorn ist ein schönes Beispiel dafür. Es sollte mich nicht wundern, wenn in den nächsten Jahren langsam aber sicher die Zahl der getöteten Legionäre nach unter korrigiert wird, schließlich haben einzelne Truppenteile überlebt. Es spricht auch viel dafür, daß Varus seinen Tross nicht dabei gehabt hat, ihn per Schiff zurückgeschickt hat. Schließlich war er eigentlich auf dem Weg in sein Winterlager und die Römer habe Lasten nie gern auf dem Land transportiert, im unwegsamen Germanien schon gar nicht. Man könnte das noch lange vertiefen, zB versuchen, die letztlich mißlungene Kolonisierung Britanniens mit der Lage in Germanien einerseits und in Gallien anderseits zu vergleichen, um zu einem strukturell begründeten Urteil zu kommen, daß nicht von der gegenwärtigen Stimmungslage abhängig ist. Ähnliche Problemfälle findest du in den Geschichtswissenschaften zu Hauf. Daher mein Fazit: Die Geschichtswissenschaften befinden sich noch im Stadium der Inventurwissenschaften, weit davon entfernt, über nachprüfbare Modelle von Zusammenhängen zu verfügen, und das liegt beileibe nicht daran, daß das prinzipiell nicht ginge, sondern daran, daß noch zuviele Interessen dem entgegenstehen. So bleibt Geschichtswissenschaft in ihren Wertungen bis auf weiteres Weltanschauung in Beispielen. Ich habe Dir eben eine Perle gegeben für Deine Mühe dieses hervoragenden Beitrages. Ergänzen möchte ich noch, daß auch eine römische Siedlung bei uns im Kreis Gießen gefunden wurde, bei Bibertal, obwohl es hieß, daß ab dem Limes schluß sei. Der Limes ist übrigens gar nicht soweit entfernt von Gießen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 aber mit einer historisch einfach unbrauchbaren Methodik an die Sache ran geht und deshalb nicht rezipiert wird. Wovon träumst du eigentlich nachts? Dale Nicht von Deschner jedenfalls. *grusel* Grusel? Das schreibt jemand, der an den christlichen Gott glaubt? Oder vermutlich Mitglied der katholischen Kirche ist. Interessant. Soweit mir bekannt ist, hat Deschner bisher noch niemanden auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen und hat auch noch nie die Menschheit ausgelöscht oder andere, kleinere Pogrome organisiert und angeordnet. Da verschieben sich hier ja ein wenig die Maßstäbe, oder? Und was dieses unfassbar sackdämliche Historikerargument gegen Deschner angeht: Ich akzeptiere Fakten zur Not auch von Privatpersonen. Dale Hallo? "Sackdämlich" ist es wohl eher, so wie du gerade an die Decke zu gehen, nur weil in Frage gestellt wird, ob Deschner von Historikern ernstgenommen wird. Gerne darfst du ihn ja trotzdem ernst nehmen, aber deine Frage an chrk, wovon er eigentlich nachts träumt, geht dann leider auch an dich. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob Karlheinz Deschner von Historikern ernstgenommen wird, sondern ob die Tatsachen, die er bringt stimmen. Gisela Friedrichsen wird auch nicht von Richtern und Juristen "ernstgenommen" aber ihre Berichte aus den Gerichssälen sind einfach erstklassig. Deschner verarbeitet -wie Friedrichsen- allgemein zugängliche Informationen und macht die spröde Materie für jeden lesbar. Das ist es, was Gläubige wie DerGeist (der noch nicht mal Historiker ist) umtreibt, dass diese ganze Story allgemein bekannt wird. Bis jetzt wurde Deschner noch kein schwerwiegender Fehler, eine Verdrehung der Tatsachen, eine mutwillige Fehlinterpretation nachgewiesen, kleinere Fehler, Zahlendreher, Namensverwechselungen, auch mal einer verkehrten Information aufgesessen zu sein, den Historiker möchte ich sehen, dem das in seinem Fachgebiet nicht passiert. Ich habe es sehr sorgfältig bei "Abermals krähte der Hahn" vor rund 40 Jahren überprüft, weil ich da meinen Lebenskompass neu justiert habe, nichts habe ich gefunden. Und damals war eine -relativ- sorgfältige Überprüfung viel schwieriger als heute. Ich habe anhand eines zweiten Buches von einem Geschichtsprof. (Reinhardt) eine Passage überprüft, Deschner geht mit Papst Alexander VI wesentlich fairer und sachlicher um als Reinhardt. Ich habe seine Angaben mit Sir Steven Runcimans "Geschichte der Kreuzzüge" verglichen, auch hier keine Abweichungen. Und Runciman ist letztendlich genauso entsetzt über die Story, die er schreibt, und man merkt, dass es ihm schwerfällt. Aber keine Tatsachen, die bei Deschner anders geschildert werden als bei Runciman. Kürzer, selbstverständlich. Aber nicht durch Kürzungen verdreht. Hat sich chrk oder Du ähnlich mit Deschner beschäftigt? Ich habe mir per Fernleihe mal das Kompendium aus Schwerte bestellt, mal sehen, ob sich da wirklich etwas anderes ergibt als Deschner in seiner Replik im fünften Band der "Kriminalgeschichte des Christentums" erwidert. Volker hat schon geschrieben, aber ich will es jetzt mal selber wissen. Und das wird das letzte Mal sein, dass ich mir wg. solcher Anwürfe Arbeit. wine Na dann bist Du wohl immer noch der Meinung, daß die kath. Kirche schuld an den Hexenverfolgungen seien; oder die kath. Kirche die Ursache für den Holocaust sei oder oder oder... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
chrk Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Nein, ich gehe sicherlich nicht zu weit. Nimm ein praktisches Beispiel, die historische Varusschlacht. Schau dir an, was dazu in den letzten Jahren veröffentlicht wurde. Es lief meistens auf die Theorie hinaus, die Römer wären durch diese "Schlacht" daran gehindert worden, Germanien zu romanisieren. Es sei also ein erfolgreicher Befreiungskampf der Germanen gewesen. Ziemlich viel Spekulation auf der Basis von ein paar hundert Münzen, einer Reitermaske und einen Bericht bei Tacitus, findest du nicht? Ich sage jetzt mal nichts über Althistoriker. Dieser Münzensortiererei konnte ich noch nie viel abgewinnen... Nein, im Ernst: ich kenne mich da in der Tat zu wenig aus (Alte Geschichte an sich und Varus im Besonderen), um hier einen Überblick über die Forschungsdiskussion zu haben, deshalb glaube ich dir deine Darstellung. Dennoch scheint mir dein Ideologie-Argument immer weniger zuzutreffen. Ich beobachte gewissermaßen ein Auflösen solcher seltsam fester Kriterien (Römer=Usurpatoren, Germanen=Helden). Für die frühe Neuzeit habe ich einen etwas besseren Einblick, und da ist m.E. genau das im Gange, dass nach ganz neuen Kriterien gefragt wird, um historisches Verhalten beschreiben und einordnen zu können. Das stellt für mich schon eine gewisse Objektivierbarkeit da, die auch den eigenen Standpunkt viel mehr relativiert. Daher mein Fazit: Die Geschichtswissenschaften befinden sich noch im Stadium der Inventurwissenschaften, weit davon entfernt, über nachprüfbare Modelle von Zusammenhängen zu verfügen, und das liegt beileibe nicht daran, daß das prinzipiell nicht ginge, sondern daran, daß noch zuviele Interessen dem entgegenstehen. Und wie ginge das deiner Meinung nach? Was könnte denn den Sprung über die Inventarwissenschafts-Grenze ermöglichen? Was sind für die im Zusammenhang mit geisteswissenschaftlicher Arbeit "nachprüfbare Modelle"? Das dem zu viele Interessen entgegenstehen, halte ich, bei aller Rücksicht auf die menschliche Unfähigkeit zur absoluten Neutralität, für doch ein bisschen zu viel Verschwörungstheorie (die böse Kirche, die bösen 68er, die bösen Medien...). Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Ergänzen möchte ich noch, daß auch eine römische Siedlung bei uns im Kreis Gießen gefunden wurde, bei Bibertal, obwohl es hieß, daß ab dem Limes schluß sei. Der Limes ist übrigens gar nicht soweit entfernt von Gießen. Das wundert mich nicht, und wenn man genau nachsehen würde, würde man sicher eine Vielzahl von Belegen für solche römischen Siedlungen jenseits des Limes finden, und auch feststellen, daß sie schon lange bekannt sind. Inventurwissenschaft eben! Sie haben nur nicht ins theoretische Bild gepaßt. Sicher hat es römische Politiker und Militärs gegeben, die von einer Eroberung und Kolonisierung von Germania Magna geträumt haben, aber eine realistische Option war das nie, und zwar schon aus geografischen Gründen. Die römische Zivilisation beruhte auf Wasserwegen für den Warentransport, da man keine Pferdegeschirre besaß, mit denen man große Lasten über Straßen hätte ziehen können. Auf Straßen, so wichtig sie waren, marschierten Legionen, ritt man auf Pferden oder reiste in der Kutsche. Schwere Waren wurden mit Schiffen und Kähnen die Küste entlang oder über Flüsse transportiert. Städte wurden an diesen Küsten oder Flüssen gebaut, und jede dieser Städte hatte einen Hafen. Das ist der Grund, warum die Römerstädte wie Perlen an der Schnur an Rhein, Mosel und Donau liegen. Die weiten Flächen Germaniens wurden erst ab dem ausgehenden Mittelalter besiedelt (Binnenkolonisierung). Nach Osten war Germanien ohne natürlich Grenze (wenn man mal von Ural absieht, aber der lag nun wirklich außerhalb der Reichweite des Römischen Reiches). Keine Armee der damaligen Welt hätte ein solches Reich schützen können. Außerdem besaßen die römische Zivilisation zwar ein beeindruckendes Integrationsvermögen, aber an den meisten der rechtsrheinischen Stämme versagte es. Gleiches kann man übrigens in Britannien beobachten, wo doch natürliche Grenzen vorhanden waren, und das Land viel kleiner. An den Pikten bissen sich auch römische Kolonisatoren die Zähne aus und zogen sich hinter den Hadrianswall zurück, und nach dem Rückzug der Römer von der Insel verschwanden auch die letzten Reste von Romanisierung, während sie zB in Gallien trotz der Völkerwanderung erhalten blieb. Das kulturelle Gefälle zu Britannien und Germanien war einfach zu groß. Das war der eigentliche Grund, warum die Romanisierung Germaniens scheiterte, nicht ein einzelne verlorene Schlacht, die im 19. Jh. aus nationalistischen Gründen hochgejubelt wurde. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Donnerwetter, da hat sich Wine aber den Richtigen rausgesucht Runciman war ein Gelehrter nach altem Standard, der an der Verwendung neuerer methodischer Ansätze nicht interessiert war. In seinem Privatleben war er als Exzentriker bekannt, als Ästhet, Anekdotenerzähler, Anhänger des Okkultismus und Freund von Aristokraten und Politikern in vielen Ländern. http://de.wikipedia.org/wiki/Steven_Runciman Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
atheist666 Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 Es spielt überhaupt keine Rolle, ob Karlheinz Deschner von Historikern ernstgenommen wird, sondern ob die Tatsachen, die er bringt stimmen. Gisela Friedrichsen wird auch nicht von Richtern und Juristen "ernstgenommen" aber ihre Berichte aus den Gerichssälen sind einfach erstklassig. Deschner verarbeitet -wie Friedrichsen- allgemein zugängliche Informationen und macht die spröde Materie für jeden lesbar. Herzlichen Glückwunsch! Jetzt weiß ich endlich welchen Stellenwert Alice Schwarzer's Kommentare aus dem Gerichtssaal in der BLÖD haben. Danke für diese Erhellung, denn jetzt weiß ich auch welchen Stellenwert Deschner hat. Und das Ganze in geballter form von einem Deschneristen-soviel gelacht habe ich selten Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 11. Januar 2012 Melden Share Geschrieben 11. Januar 2012 (bearbeitet) Ich sage jetzt mal nichts über Althistoriker. Dieser Münzensortiererei konnte ich noch nie viel abgewinnen... Nein, im Ernst: ich kenne mich da in der Tat zu wenig aus (Alte Geschichte an sich und Varus im Besonderen), um hier einen Überblick über die Forschungsdiskussion zu haben, deshalb glaube ich dir deine Darstellung. Dennoch scheint mir dein Ideologie-Argument immer weniger zuzutreffen. Ich beobachte gewissermaßen ein Auflösen solcher seltsam fester Kriterien (Römer=Usurpatoren, Germanen=Helden). Für die frühe Neuzeit habe ich einen etwas besseren Einblick, und da ist m.E. genau das im Gange, dass nach ganz neuen Kriterien gefragt wird, um historisches Verhalten beschreiben und einordnen zu können. Das stellt für mich schon eine gewisse Objektivierbarkeit da, die auch den eigenen Standpunkt viel mehr relativiert. Die Varus-Euphorie ist nun wirklich noch nicht lange her, obwohl ich gedacht hatte, diese nationalistischen Kategorien hätten wir hinter uns. Und wie ginge das deiner Meinung nach? Was könnte denn den Sprung über die Inventarwissenschafts-Grenze ermöglichen? Was sind für die im Zusammenhang mit geisteswissenschaftlicher Arbeit "nachprüfbare Modelle"? Es gab während meines Geschichtsstudiums Ende der 70er Jahre ein Entwicklung der Geschichtswissenschaft hin zu einer historischen Sozialwissenschaft, die sich mehr um längerfristige Entwicklungen als um punktuelle Ereignisse und Personen bemühte. Besonders in Frankreich war man da sehr rührig. In Deutschland ist das offenbar zwischen den verschiedenen Fronten der akademischen Welt zerrieben worden und Ereignisgeschichte feiert fröhliche Urstände. Das dem zu viele Interessen entgegenstehen, halte ich, bei aller Rücksicht auf die menschliche Unfähigkeit zur absoluten Neutralität, für doch ein bisschen zu viel Verschwörungstheorie (die böse Kirche, die bösen 68er, die bösen Medien...). Warum wird Geschichte betrieben? Sie ist kein Wirtschaftsfaktor, du findest kaum industrielle Sponsoren. Du kannst nicht vom BAYER-Vorstand erwarten, daß er Geld locker macht für eine Wissenschaft, die sich zum Dank mit der Frage der NS-Zwangsarbeiter in seinem Betrieb beschäftigt oder mit der Rolle der IG Farben in der Politik und Kriegswirtschaft des NS-Regimes. Wer und warum finanziert also die Geschichtswissenschaft? Komm mir nicht mit kultureller Bedeutung. Und da sind wir dann bei der Geschichte als Rechtfertigungsinstrument, und da sind wir natürlich auch (beileibe nicht nur) bei den zahlreichen Konkordatslehrstühlen, und die Trierer Konstantin-Ausstellungen habe ich ja schon erwähnt. Die Varusschlacht wird aus ähnlichen Gründen beforscht, zum einen, weil man mit nationalem Pathos immer noch Eindruck zu schinden hofft, zum anderen aus Gründen des Fremdenverkehrs. Wenn du einmal im Museum in Kalkriese warst, und gesehen hast, wie da ein Nichts zu einer Sensation stilisiert wird, verstehst du, was ich meine. Und dann kommen noch die ideologischen Eigeninteressen der einzelnen Historiker. Ihre weltanschaulichen Kontroversen füllen ja regelmäßig die Feuilletons. Es fehlt einfach ein verbindliches theoretisches Gerüst, wie es die Physik zB mit der Relativitätstheorie oder die Biologie mit der Evolutionstheorie hat. Ein Theorie gesellschaftlicher Prozesse, in die sich die einzelnen historischen Tatsachen einordnen ließen, eine Theorie, die anhand solcher belegbarer Einzeltatsachen auch weiterentwickelt werden könnte, fehlt eben bisher. Und so schreibt jede Generation von Historikern die Geschichte, ihre Geschichte neu, und der wissenschaftliche Fortschritt in den Geschichtswissenschaften wird zu einer Schnecke. bearbeitet 11. Januar 2012 von Marcellinus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Recommended Posts
Join the conversation
You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.