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Unsere Liebe Frau vom Carneval


Pompeo

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Man merkt übrigens deutlich, dass es sich um eine Geschichte aus uralter Zeit handeln muss. Glaube doch bitte keiner, dass man einen heutigen Gondoliere mit ein paar Goldmünzen zufriedenstellen kann …

 

… da kann kommen, wer will. Anstelle des Englischen Grußes bekäme er – oder sie – vermutlich nur ein paar derbe venezianische Verwünschungen zu hören.

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Um Himmels Willen! Des Hoppeditz Zeit läuft ab! Pompeo muss sich sputen!

 

So erreichten sie die Casa Doro, deren weiße Hallenfassade mit den kunstvoll verzierten Fensterbogen und Balkonen in der Bläue der Nacht wie ein einziges großes blasses Spitzen tuch aus Burano aussah, mit dem man den schimmernden Festsaal gegen das dunkle Wasser verhängt hatte.

 

Die Musikanten wollten eben beginnen, zum Tanz aufzuspielen, als die Fremde die purpurbelegten Treppen hinaufstieg, und wie sie in das Licht des Festsaales trat, sah man, daß der weite Mantel, den sie trug, vom strahlendsten Blau und über und über mit Sternen besät war. Der Schleier, der von ihrem Haupt niederfiel, wurde von einem zackigen, goldenen Reifen gehalten, der mit seinen nach allen Seiten hinschießenden Strahlen wie ein Heiligenschein anzusehen war. Es gab denn auch niemand im Saal, der nicht verstanden hätte, daß man hier eine Mutter Gottes vor sich habe, und alsbald lief die Kunde von Mund zu Mund, daß Pompeo in seinem blasphemischen Übermut wohl irgendeine seiner schönen Freundinnen zu diesem seltsamen Maskenscherz angeregt habe.

 

Die Fremde schien sich indessen durch das allgemeine Aufsehen, das sie erregte, nicht weiter befangen zu fühlen, und man mußte ihr zugestehen, daß sie ihre Rolle durchaus würdig auffaßte. Da niemand sie ansprach, schritt sie ohne Umschweife auf den Herrn des Hauses zu, indem sie ihm mit so zierlicher und zugleich hoheitsvoller Bewegung die Hand reichte, daß man wohl sah, sie denke nicht nur an die Zimmermannswerkstatt von Nazareth oder an das Fürstentum der Himmel, sondern sei sich auch bewußt, eine Tochter König Davids darzustellen. Und als Pompeo sie nun zum Tanze führte, schwebte sie so leicht und duftig daher, als wolle sie wiederum zeigen, daß auch von dem Saitenspiel jener königlichen Ahnen der Mutter Gottes ein holdes Wissen in ihren Gliedern sei.

 

Pompeo, der in seinem Mißvergnügen über Rosabella bereits angefangen hatte, wieder den Netzen Lelia Vendramins zuzufallen, fand denn auch alsbald ein großes Wohlgefallen an der neuen Erscheinung, in der er nicht nur eine schöne und vornehme Dame, sondern auch eine heimliche Seelenverwandte zu finden meinte, nämlich eine freie und fröhliche Spötterin gleich ihm selbst. Dabei belustigte es ihn noch besonders, daß sich unter den seidenrauschenden Dominos ringsum auch manche geistliche Herren verbargen, die nun gezwungen waren, ihren Zorn über die unerhörte Maske der Fremden schweigend hinunterzuwürgen, wollten sie ihre unziemliche Gegenwart beim Karneval nicht selbst verraten. Er war daher eifrig bestrebt, das Ärgernis, das die Fremde ihnen bieten mußte, soweit er vermochte, noch zu erhöhen.

 

(Geändert von Pompeo um 12:52 - 4.März.2003)

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Seinem Winke folgend, ließen sechs rosige Kinder, die als Putten hergerichtet, eine mächtige Girlande von Früchten zur Erquickung der Gäste heranschleppten, ihre Bürde fallen und gesellten sich der Fremden als stellvertretende Engelchen zu. Auch ein kleiner Amor, der statt Pfeilen zierliche Zweige von Rosen- und Orangenblüten auf die Herzen der Damen abdrückte, mußte seinen Köcher hinwerfen und sich in die blaue Schleppe der Unbekannten schmiegen. Ja, Pompeo gab sich die größte Mühe, eine blasphemische Maskenprozession zustandezubringen, von der er sich eine besonders grelle und aufreizende Wirkung versprach. Nun aber war das Seltsame, daß all diese Veranstaltungen, die sein spottsüchtiges Herz er sann, ganz anders ausfielen, als er gemeint hatte. Kein unziemlicher Scherz wurde laut, die Pseudoengelchen benahmen sich so gesittet, als stammten sie geradewegs aus einer heiligen Familie des Giovanni Bellini oder des Alvise Vivarini. Die Harlekins und Kolombinen wollten sich durchaus nicht zu einer heuchlerischen Prozession zusammenschließen, nahmen aber ihre Schellenkappen so zierlich vor der Fremden ab und machten ihr mit so viel Anstand Referenzen, daß man zugeben mußte, wäre die Mutter Gottes wirklich in eigener Person erschienen, so hätte man sie im Augenblick - da man doch eben auf dem Karneval war - auch nicht besser empfangen können.

 

Das Allermerkwürdigste aber war, daß Pompeo selbst der Fremden gegenüber immer zarter und ehrerbietiger wurde, und obwohl sie auf alles, was das Karnevalstreiben mit sich brachte, in der heitersten Weise einging, wollte es ihm doch keinen Augenblick gelingen, ihrer lieblichen Würde zu nahe zu treten, denn jedes Mal, wenn sich ihm ein keckes Wort auf die Lippen drängte, sah sie ihn unter der schwarzen Maske hervor so rein und gütig an, daß ihm aller Mut entsank. Er glaubte, noch niemals in so wunderbare Augen geblickt zu haben, und es schien ihm, als ob diese Fremde die einzige Frau sei, die er je wieder anschauen möchte. Insbesondere an Donna Lelia Vendramin und ihre gefährlichen Künste, die ihn ehedem so entzückt hatten, mochte er kaum noch denken, viel eher schon an die kleine Rosabella, obwohl er nicht recht sagen konnte, weshalb. Er fühlte sich so gänzlich von der Fremden hingenommen, daß er gar nicht merkte, was sich unterdessen im Hintergrunde des Saales zusammenbraute. Die anwesenden Geist1ichen nämlich, an die Pompeo mit so viel Schadenfreude gedacht hatte, trugen keineswegs so schwer an ihrer Empörung, wie er glaubte. Im Gegenteil, sie waren recht guten Mutes, denn es schien ihnen mehr als wahrscheinlich, daß die erlauchte Republik angesichts der unerhörten Maske dieser Fremden nicht zögern werde, dem Heiligen Offizium doch noch zu gestatten, endlich gegen Pompeo Doro vorzugehen. Sie hatten daher in aller Stille ausgemacht, unbedingt festzustellen, wer sich unter dieser empörenden Verkleidung verberge, damit man auch die Fremde hernach zur Rechenschaft ziehen und ihrer wohlverdienten Strafe zuführen könne. In dieser Absicht wurden sie noch nachdrücklich durch die von Pompeo so plötzlich vernachlässigte Lelia Vendramin unterstützt, die im Zorn über die unerwartete Nebenbuhlerin einige ihrer zahlreichen Verehrer aufgestachelt hatte, sich den geistlichen Herren zur Verfügung zu stellen.

 

(Geändert von Pompeo um 15:14 - 4.März.2003)

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Wir ahnen es. Unsere kleine Legende naht sich dem dramatischen Höhepunkt.

 

Es gelang der kleinen Verschwörung, unbemerkt einen Kreis um ihr Opfer zu bilden. Die Fremde stand, vom Tanz ausruhend und nur von ihren Pseudoengelchen umgeben, an eine Säule gelehnt, als sich ein schwarzer Domino an sie heranmachte. Sie erwiderte seinen scheinbar artigen Gruß mit gewohnter Huld, aber als der Schwarze, schnell aus der Rolle fallend, fragte, ob sie auf Pompeos Veranlassung in dieser ärgerlichen Verkleidung erschienen sei, erwiderte sie hoheitsvoll, daß sie allerdings durch Donna Rosabella Loredan eine Einladung von ihm empfangen habe, was aber ihre Gewandung anbelange, so sei sie sich bewußt, keine andere zu tragen als die, welche ihr zukomme.

 

Diese Antwort nun setzte den zornmütigen Pfaffen, der sich unter dem Domino verbarg, derart in Aufregung, daß er sich nicht mehr zu beherrschen vermochte. «Lästerei der allerheiligsten Jungfrau!» schrie er wütend, indem er die Hand ausstreckte, um der Fremden die Maske vom Gesicht zu reißen. Aber schon war Pompeo zur Stelle und stieß den Täppischen mit solcher Heftigkeit zur Seite, daß er zu Boden taumelte. Und als nun die übrigen Verschworenen nachdrängten, um der Fremden doch noch das Geheimnis ihrer Person zu entreißen, stellte er sich vor die rückwärts von der Säule Beschützte und ließ den Degen mit solcher Schnelligkeit vor den Angreifern durch die Luft blitzen, daß es war, als sähe man statt einer einzigen Klinge ihrer drei. Dabei rief er unaufhörlich nach seinen Freunden und Dienern, die aber in der allgemeinen Verwirrung nicht sogleich die Kette der Verschworenen sprengen konnten. Schon fühlte er, wie sein Arm lahm zu werden drohte, als plötzlich der Glanz seiner Klinge sonderbar hell wurde, so als fiele von rückwärts die Flamme eines schneeweißen Lichtes darauf. Die Angreifenden wichen zurück, aber auch Pompeo ließ den Degen sinken und wandte sich geblendet um: Da lag zu Füßen der Säule die kleine schwarze Seidenmaske der Fremden, sie selbst war spurlos verschwunden, und nur eine schon zerfließende Lichtwolke, die über dem Saal lagerte, zeigte den rätselhaften Weg, auf dem sie entwichen war.

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Die Geschichte gfällt mir sehr gut, aber sie ist doch noch nicht zu Ende? Und nur noch 1 Stunde bis Aschermittwoch - spute Dich, wertester Pompeo! Hier ein paar Quarkbällchen zum Durchhalten: * * *

 

bittelndebettelnde Grüße

 

Tifs

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*mich anschließ an Tifs bettelnde Bitte*

 

Ach Romeo/Pompeo, ich meine es doch wirklich Ernst mit der Forumsabstinenz in der Fastenzeit!

 

Nun muß ich wohl bis Ostern warten mit der Fortsetzung

 

*seufz*

 

liebe Grüße, Gabriele

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Liebe Gabriele,

ich schick's Dir per e-mail, wenn Pompeo il Grande die Geschichte in der Fastenzeit vollendet - ich kann Dich einfach nicht leiden sehen!

 

Liebe Grüße,

Lucia

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Hilfe! Und ich muss nun die Quarkbällchen zurückweisen!

 

Aber ich gebe euch rasch den Rest. Er ist ohnehin rasch erzählt. (Ihr habt vielleicht bemerkt, dass ich vorhergehende Beiträge gelöscht habe. Ist sich wegen der Urheberrechte …)

 

 

Es versteht sich ohne weiteres, daß das Heilige Offizium sich in der Folgezeit nicht mehr mit Pompeo Doro zu beschäftigen wagte, von dessen ritterlicher Beschützung der Mutter Gottes die ganze Stadt voll war, so daß es drei Wochen lang keinen rechten Venezianer gab, der nicht geschworen hätte, daß Pompeo ein fast heiligmäßiger Mann sei. Im übrigen weichen die Meinungen über das, was sich weiterhin begab, mannigfach voneinander ab. Gewiß ist nur, daß Pompeo Doro Rosabella Loredan heiratete, denn die Chronisten der Stadt nennen übereinstimmend beider Namen als Ehegatten anläßlich der gemeinsamen Stiftung der Kapelle «Unsere liebe Frau vom Karneval». Ob nun diese Eheschließung eine wirkliche Bekehrung Pompeos zur Frömmigkeit oder eine solche der kleinen Rosabella zu etwas größerer Weltoffenheit anzeigt, ob die Stiftung der Kapelle mehr eine Ehrung der Madonna oder eine solche des Karnevals bedeutet - wer vermag das zu sagen? Die heilige Frau auf dem Altar, die allein darüber Auskunft geben könnte, schweigt, und die liebliche Hoheit, mit der sie den Namen der Kapelle trägt, verrät nur, daß der bunte Karneval aller menschlichen Dinge ihr untertänig ist.

 

 

Das Manuskript, nach dem dieses Büchlein herausgegeben wurde, ist etwa 1908 oder sogar noch früher entstanden. Als ich beim Ordnen des Nachlasses die Geschichte entdeckte konnte ich sie einfach nicht für mich behalten. Gertrud von le Fort würde es mir nicht verübeln - ich glaube, sie selbst hatte sie völlig vergessen. Aber die Geschichte möchte einfach aus dem Archiv heraus, so wie die Madonna aus der Kirche trat, um den Menschen eine Freude zu machen.

 

Eleonore von La Chevallerie

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Tifs, kannst du die Quarkbällchen vielleicht einfrieren?

 

Und eigentlich … kann man den Thread jetzt auch schließen.

 

*verbeug*

 

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*vorhangzuzieh*

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Zitat von Pompeo am 11:27 - 5.März.2003

Und eigentlich... kann man den Thread jetzt auch schließen.


 

(Nein, kann man nicht. Dieser Thread gehört erst geschlossen, wenn das geneigte Publikum dem ritterlichen Pompeo seinen hochverdienten Applaus dargeboten hat. Is ja wohl logisch.)

 

*Applaus*

 

*Jubel*

 

*Zugabe!

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Eine supertolle Geschichte, Echo/Pompeo, wirklich! :)

 

Ich liiiiieeeebe solche Geschichten und finde, diese hier ist wirklich hervorragend erzählt, und die Bilder dazu sehr schön. Von mir auch donnernder Applaus! *JUBEL* *ZUGABE* *Standing Ovation*

 

Und Quarkbällchen gibt's nach Ostern auch noch ;)

 

Viele Grüße

 

Tifs

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*verbeug*

 

*verbeug*

 

Als Zugabe könnte ich ja noch einige Bilder einscannen … wollt’ ich eh schon längst getan haben.*

 

 

*Rheinische Zeitform: Vollendete Zukunft in der Vergangenheit.

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