Aleachim Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Ich hab im Beschneidungsthread eifrig mitgelesen, wenn auch nicht mitdiskutiert. (Das lag nicht an dem teilweise behaupteten schlechten Diskussionsstil dort (Ich finde den, wie im Perlendiskussionsthread beschreiben, gar nicht so schlimm.), sondern daran, dass ich anfangs kaum mit lesen hinterhergekommen bin, also erst recht keine Zeit hatte, in dem schnelllebigen Thread mitzuschreiben. Später einsteigen wollte ich dann auch nicht, u. a. auch deswegen, weil ich zum Thema eigentlich (noch) keine ganz feste Meinung hab.) Mir sind bei dem Thread auch ziemlich viele Gedanken durch den Kopf gegangen, die mit dem eigentlichen Thema nicht so viel zu tun haben. Dafür möcht ich jetzt einen eigenen Thread eröffnen. Ganz provokativ möchte ich einmal fragen: Wozu brauchen wir eigentlich Religionsfreiheit? Als Katholikin möchte ich meinen Glauben natürlich frei leben dürfen, und ich möchte auch, dass andere ihren Glauben genauso frei ausleben dürfen. Aber wenn z. B. Werner das hier schreibt: Daher sind "religiöse Gründe" denkbar ungeeignet. Entweder, etwas ist erlaubt, oder es ist nicht erlaubt. Was nicht geht, ist, dass etwas verboten ist, aber wenn jemand "religiöse Gründe" angibt, darf er es trotzdem tun. Und genau deswegen ist die "Religionsfreiheit" hier kein Argument, kann keines sein. Die Berufung auf religiöse Gründe kann nicht der Grund sein, dass man etwas tun darf, was ohne religiöse Gründe verboten ist. Dann stimm ich da im Grunde zu und frag ich aber eben auch, wozu brauchen wir dann noch Religionsfreiheit, wenn das was ich aufgrund meiner Religion mache, doch sowieso erlaubt ist? Nun bin ich absoluter juristischer Laie (Null Ahnung!) und von daher bedenke ich in dieser Hinsicht wahrscheinlich auch vieles nicht. Aber mir kommts spontan so vor, als sei mit Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Elternrecht, Antidiskriminierungsgesetz etc. doch eigentlich alles abgedeckt. Nun hab ich inzwischen im Beschneidungsthread nachgelesen, dass das in Deutschland anscheinend nicht so gehandhabt wird. Das Beispiel mit den Sikh, die ohne Helm Motoradfahren dürfen, weil ihr glaube ihnen verbietet, den Turban abzulegen, hat mich sehr überrascht. Ich frage in aller Ernsthaftigkeit: Ist das nötig? Und ist das sinnvoll? Nun gibts ja auch immer wieder den Gedanken (ich glaub dass es im Beschneidungsthread auch vorkam), dass in einem säkulären Staat Religionsgemeinschaften nicht vor "anderen Vereinen" bevorzugt werden sollten. Eigentlich stimme ich da zu, und kann die sehr gut verstehen, die Kirchensteuer und andere Sonderrechte von Religionsgemeinschaften abschaffen wollen. Andererseits sind für mich Religionsgemeinschaften eben nicht mit irgendwelchen Vereinen vergleichbar. Religionsausübung ist was "Existenzielles". Steht es deshalb unter einem besonderen Schutz? Lothar hat das ganz deutlich geschrieben: Die Ausübung von Religion sehe ich als absoluten Kernbereich des Lebens an. Jemanden die Religionsausübung auch nur teilweise zu verbieten, ohne einen nachvollziehbaren, wirklich guten Grund zu haben, sehe ich als zentralen Verstoß gegen die Menschenrechte an. Aber aus meiner Sicht benötigt ein religiöses Ritual keine Begründung, es ist aus sich selbst heraus legitimiert. In der normalen Legislative kann man nachfragen, warum irgend etwas wichtig ist. Aber nicht beim Grundrecht auf Religion. Wer mir in meine Religion hineinregiert, beeinträchtigt mein Leben erheblich. Da erwarte ich, dass der Staat, der das zu tun glaubt, alles - wirklich alles daran setzt, solche Eingriffe zu minimieren und - auf solche Fälle zu beschränken, die wirklich unvermeidbar sind. Zum einen will man mich zwingen, meine Religiosität dem Diktat irgend einer "Logik" zu unterziehen anstatt - wie es eigentlich das GG fordert, das religiöse Handeln als "gegeben" anzusehen. Sorry - es tut mir geradezu körperlich weh, hier lesen zu müssen, was denkende Menschen unter "Religionsfreiheit" verstehen. Und wie furchtbar wenig das zu tun hat mit evidenzbasiertem Handeln. Die hier vorgebrachten Argumente und Verteidigungen dieser Argumente sind geeignet, einem meinungsmäßigen Totalitarismus den Weg zu bereiten. Ich bin nun damit grad irgendwie echt überfordert. Ich schwanke zwischen der Meinung von Lothar und Werner hin und her. Ich glaube ich breite meine wirren Gedanken jetzt erstmal nicht noch mehr hier aus, sondern stell dieses Thema jetzt einfach so zur Diskussion. Ich möchte das bewusst in F&A diskutieren, in der Hoffnung, dass vielleicht manche, die in der Arena nur noch ungern mitschreiben, hier eher zur Diskussion bereit sind. Gruß Michaela Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Katharer Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 (bearbeitet) Ganz provokativ möchte ich einmal fragen: Wozu brauchen wir eigentlich Religionsfreiheit? Als Katholikin möchte ich meinen Glauben natürlich frei leben dürfen, und ich möchte auch, dass andere ihren Glauben genauso frei ausleben dürfen. Da wir zum Glück nicht in einem "Gottesstaat" leben in dem Geistliche über Recht und Gesetz bestimmen, sondern in einem mehr oder weniger säkularen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland, könnte man behaupten: "wir brauchen keine Religionsfreiheit da die Religion hier nichts zu sagen hat". So ist es (vielleicht zum Glück) aber nicht, Religionsfreiheit bedeutet nämlich nicht nur, dass die Anderen alles machen dürfen solange es nur religiös begründet werden kann, sondern auch uns als Katholiken unsere religiösen Riten nicht verboten werden. Was meine ich damit? Es könnte ja z.B. ein gesetzestreuer Jurist auf die Idee kommen dass Erstkommunion und Firmung unzulässig ist weil dieser Ritus an Religionsunmündigen (unter 14 Jahren) ausgeübt wird und somit, zwar keine Körperverletzung aber eine "geistige Vereinnahmung" darstellt. Und würde dieser Jurist dann auch noch ein Gericht finden dass seiner Ansicht entsprechend ein Gerichtsurteil fällt das Erstkommunion und Firmung unter 14 Jahren verbietet, dann hätte die römisch katholische Kirche in Deutschland zunächst erst mal ein Problem. Also finde ich, Religionsfreiheit muss für alle Religionen gelten, auch wenn es uns aus bestimmtem Gründen nicht passt. Und da nutzt auch kein herumdeuten an der Religionsfreiheit. bearbeitet 15. Juli 2012 von Katharer Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 ... Es könnte ja z.B. ein gesetzestreuer Jurist auf die Idee kommen dass Erstkommunion und Firmung unzulässig ist weil dieser Ritus an Religionsunmündigen (unter 14 Jahren) ausgeübt wird und somit, zwar keine Körperverletzung aber eine "geistige Vereinnahmung" darstellt. ... Ist das ein existierender Straftatbestand, oder hast du den jetzt erfunden, um "ex nihilo" etwas zu zaubern, das auf den ersten Blick wie ein Argument aussieht? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Shubashi Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 [Wie verlinkt man eigentlich einen ganz bestimmten Post] Also meine Antwort darauf wäre erst mal der Beitrag von Wiebke, für den sie ganz viele Perlen bekommen hat. Ich weiss aber nicht, wie ich den hierherbekomme. Fall Du ihn noch nicht kennst, schlag ihn bitte im Perlenthread (dem ohne Dikussion) nach. PS (Für einen eigenen Beitrag muss ich erstmal nachsinnen, ich habe mich gerade zu sehr in die Beschneidungsache vertieft, um jetzt auf vernünftige Gedanken zu kommen. Ich hatte aber auch schon über einen solchen Thread wie diesen nachgedacht, um das für und wider der Religionsfreiheit mal an einem konkreten historischen Beispiel zu durchdenken, weil das vielleicht nicht so viele Emotionen freisetzen würde...) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 15. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Es könnte ja z.B. ein gesetzestreuer Jurist auf die Idee kommen dass Erstkommunion und Firmung unzulässig ist weil dieser Ritus an Religionsunmündigen (unter 14 Jahren) ausgeübt wird und somit, zwar keine Körperverletzung aber eine "geistige Vereinnahmung" darstellt. Und würde dieser Jurist dann auch noch ein Gericht finden dass seiner Ansicht entsprechend ein Gerichtsurteil fällt das Erstkommunion und Firmung unter 14 Jahren verbietet, dann hätte die römisch katholische Kirche in Deutschland zunächst erst mal ein Problem. Hm, also dazu würd ich schon gern ein qualifizierte Meinung eines "gesetzestreuen Juristen" hören. Wäre sowas bei der aktuellen Gesetzeslage, nur ohne Religionsfreiheit, denkbar? Müsste dafür nicht erst ein Gesetz her, das "geistige Vereinnahmung" unter Strafe stellt? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Adelgunde Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Liebe Michaela, danke für den neuen Thread. Mir ging es wie Dir, ich kam mit dem Lesen im Beschneidungs-Thread nicht hinterher und wollte meinen Senf also nicht später dazu geben. Ich habe sehr wohl eine Meinung, was die Beschneidung angeht, und ja, sie geht wohl eher in Werners Richtung. Andererseits kann ich Lothar sehr gut verstehen, und vor allem verstehe ich die Menschen, die hier jahrzehntelang eine Tradition ausgeübt haben, die ihnen wichtig ist, und die das jetzt nicht mehr tun dürfen. Wieso ging da bisher? Ganz naiv und meinem ersten Impuls folgend würde ich sagen: Nein, Religionsfreiheit ist zwar gut und wichtig, aber hier gelten zunächst mal Gesetze, die es verbieten, einen anderen Menschen zu verletzen. Ich finde es nämlich wunderbar, in einem Land zu leben, in dem man sich nicht einfach so verletzen darf. Ich finde in meiner Religion auch keinen Vergleich - das mit der Kindstaufe hinkt erheblich, wie wir schon feststellten. Und lautete die Vorschrift, dass Kinder erst mit 14 zu Kommunion und Firmung zugelassen werden dürften, dann hätte ich glaube ich kein Problem damit. Vielleicht fände ich das sogar gut (aber das ist OT). Wenn ich "König von Deutschland" wäre, würde ich folgendes Gesetz erlassen und jedem, der mein Land betritt, als erstes und in mehreren Sprachen in die Hand drücken: HAUSORDNUNG: Jeder Mensch, der hier lebt, darf seine Meinung sagen, sie aber niemandem aufdrängen. Er darf seine Religion und Tradition leben, aber er darf dabei nicht gegen hier geltendes weltliches Gesetz verstoßen. Er muss akzeptieren, dass ich die Menschenrechte (auch seine und die seiner Familie) achte und ihre Einhaltung durchsetzen werde. Er muss ferner akzeptieren, dass ich mich bemühen werde, Missstände aufzudecken und meine Gesetzgebung dahingehend verbessern werde, sie (die Missstände) zu unterbinden. Kinder genießen hier besonderen Schutz, weil sie sich noch nicht selber schützen können. Ich lege größten Wert darauf und werde alles dafür tun, dass Jungen und Mädchen und auch die wenigen, die weder das eine noch das andere sind, sich unverletzt, gleichberechtigt, glücklich und natürlich entwickeln können, und in Richtung auf ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben erzogen werden. Ich erwarte von allen Menschen, die hier leben wollen, dass sie dabei mitwirken, zumindest aber meine Bemühungen nicht torpedieren. Naja, so oder ähnlich. Alles Liebe, Adelgunde. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
JohannaP Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 @Adelgunde: Ein guter Plan. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 [Wie verlinkt man eigentlich einen ganz bestimmten Post] Also meine Antwort darauf wäre erst mal der Beitrag von Wiebke, für den sie ganz viele Perlen bekommen hat. Ich weiss aber nicht, wie ich den hierherbekomme. Fall Du ihn noch nicht kennst, schlag ihn bitte im Perlenthread (dem ohne Dikussion) nach. ... Das ist allerdings ein Beitrag, bei dem ich gern beim Verlinken helfe (halte ich für nützlicher als Perlen, die er natürlich auch verdient hat): http://www.mykath.de/topic/30229-beschneidung-ist-koerperverletzung/page__view__findpost__p__1833469 Die meisten Beiträge von Wiebke in dem Thread gehören unmittelbar zum Thema Religionsfreiheit. Es ist zwar mühsam, das alles nachzulesen, lohnt aber die Arbeit. (Wie verlinkt man Beiträge aus anderen Threads? Man geht zu dem Beitrag und sieht oben rechts in grün eine Zahl mit einem # davor. Die klickt man an, der Rest dürfte dann klar sein.) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Katharer Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Da wir zum Glück nicht in einem "Gottesstaat" leben in dem Geistliche über Recht und Gesetz bestimmen [...] Die christliche Idee des Gottesstaates orientiert sich an Augustins De civitate Dei und nicht an irgendwelchen shariatischen Vorstellungen wie man seit der Aufklärung wider das Christentum polemisierte, um säkulare totalitäre Ideologien vergleichsweise attraktiver aussehen zu lassen. In unserer Stadtbücherei ist De civitate Dei allen Ernstes sogar unter "Staatsphilosophien" eingeordnet! Falls sich jemand für Augustins Schrift interessiert, was ich bezweifle, denn die Diskussion wird, wie gewohnt, kenntnisfrei stattfinden, der kann sie ja online lesen: Augustinus:Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat Vielen Dank für den link! Ich werde mich an einem kalten Wintertag mal mit Augistinus Ideen auseinandersetzen, erst dann kann ich beurteilen ob der "Gottesstaat" des Augustinus von dem real existierenden "Gottesstaat" shariatischer Prägung so weit entfernt ist. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 15. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 [Wie verlinkt man eigentlich einen ganz bestimmten Post] Jeder Beitrag hat oben rechts eine kleine Nummer. Wenn du auf die klickst, wird dir ein Link angezeigt, den du in dein Posting kopieren kannst. Also meine Antwort darauf wäre erst mal der Beitrag von Wiebke, für den sie ganz viele Perlen bekommen hat. Stimmt, der ist ganz interessant. Aber im Prinzip läufts da auch wieder darauf hinaus, was ich auch schon geschrieben habe, dass Religionsausübung eben etwas ganz spezielles, schützenswertes ist. Nur sehe ich moderne Grundrechte in der Tat anders. Die "Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses" ist dabei nicht ein Waffenstillstand, sondern einfach die Anerkennung, dass es hier um einen ganz besonders sensiblen Bereich menschlicher Selbstdefinition geht. Hier wird ein Autonomieraum eröffnet, der letztlich die Menschenwürde schützt. Das ist gut und richtig. Ich seh das ja schon auch so. Aber andererseits sehe ich da eben viele Gefahren, des Missbrauchs. So wie Werner das schon beschrieben hat. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Es kommt darauf an, wie man Religionsfreiheit ursprünglich versteht. In der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 heißt es: Artikel 10Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiöser Art, beunruhigt werden, solange ihre Äußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ordnung stört. (http://www.michael-schoefer.de/pdf/Erklaerung_der_Menschen_und_Buergerrechte.pdf) D.h. die Religion darf kein Grund staatlicher oder sonstiger Repression sein, jede Glaubensgemeinschaft ist in ihrem Kultus frei sofern kein anderes Gesetz verletzt wird. Ähnlich der erste Verfassungszusatz der USA: Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances. (http://www.independenceteaparty.us/the-amendments.html?start=1) Beide Formulierungen sind (wörtlich genommen) kein Freibrief für religiös begründeten Amoklauf, sondern sichern zunächst einmal die innere Lehrautonomie der Kirchen und garantieren den Religionsgemeinschaften den freien Verkündigungsdienst. Aber mit diesem Recht ist keine Entlassung der Gemeinschaften verbunden, in ihrem Handeln außerhalb der normalen Gesetzgebung zu stehen. So verstehe ich zumindest die historischen Ursprünge. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Katharer Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Für Katholiken ist es anscheinend unvorstellbar, dass irgendein weltliches Gericht ihnen die Praxis der Erstkommunion von religionsunmündigen Kindern verbietet. Wäre ein solches Verbot ein wirkliches Problem und würde es den Fortbestand der katholischen Kirche gefährden. Befürworter (wen es sie denn gäbe) eines solchen Erstkommunionsverbot würden doch mit Recht argumentieren: "dann schickt doch eur Kinder mit 14, wenn sie religionsmündig sind , zur 1.hl.Kommunion". Wie würden die hier mitlesenden kath. Eltern auf so ein Verbot wohl reagieren? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gallowglas Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Für Katholiken ist es anscheinend unvorstellbar, dass irgendein weltliches Gericht ihnen die Praxis der Erstkommunion von religionsunmündigen Kindern verbietet. Wäre ein solches Verbot ein wirkliches Problem und würde es den Fortbestand der katholischen Kirche gefährden. Befürworter (wen es sie denn gäbe) eines solchen Erstkommunionsverbot würden doch mit Recht argumentieren: "dann schickt doch eur Kinder mit 14, wenn sie religionsmündig sind , zur 1.hl.Kommunion". Wie würden die hier mitlesenden kath. Eltern auf so ein Verbot wohl reagieren? Ich bin zwar aus Prinzip gegen jede Art religiöser Vereinnahmung und Indoktrination bei Minderjährigen, aber diese verbieten zu wollen halte ich, leider, für utopisch. Es ist zwar offensichtlich, daß Taufe/Kommunion etc im Kindesalter dazu dient, den Kirchen ihre Pfründe zu sichern (kaum jemand, der nicht vorher darauf dressiert wurde, schließt sich freiwillig als Erwachsener einer Religionsgemeinschaft an, das ganze ist anerzogen, deswegen werden die Kinder von Christen ebenfalls Christen, die Kinder von Moslems ebenfalls Moslems etc.), aber dagegen vorgehen wird kaum gehen. Was eigentlich schon reichen würde (und rechtlich zumindest theoretisch auch machbar ist), wäre die Rechtsverbindlichkeit der Taufe abzuschaffen. Sprich, die Taufe bleibt, wie die kirchliche Trauung auch, eine rein innerkirchliche Aktion, die keinerlei Auswirkung staatlicherseits hat. Um auch staatlich anerkannt einer Religionsgemeinschaft anzugehören, sollte aktiv der Eintritt im Erwachsenenalter, zumindest aber erst nach dem Erreichen der Religionsmündigkeit, erklärt werden müssen. Nur würden die Kirchen und allen voran die RKK, dadurch extrem an Zulauf (und damit Geld) verlieren, was natürlich nicht zugelassen werden darf. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Was eigentlich schon reichen würde (und rechtlich zumindest theoretisch auch machbar ist), wäre die Rechtsverbindlichkeit der Taufe abzuschaffen. Sprich, die Taufe bleibt, wie die kirchliche Trauung auch, eine rein innerkirchliche Aktion, die keinerlei Auswirkung staatlicherseits hat. Um auch staatlich anerkannt einer Religionsgemeinschaft anzugehören, sollte aktiv der Eintritt im Erwachsenenalter, zumindest aber erst nach dem Erreichen der Religionsmündigkeit, erklärt werden müssen. Ich hielte diese Regelung für sehr sinnvoll - allerdings würde ich keinen Finger krümmen, um ein staatliches Kommunionverbot für meine Kinder durchzusetzen. Ich hielte das für einen schwerwiegenden Eingriff in deren Rechte - Religionsfreiheit gilt von Geburt an. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 ... Wenn ich "König von Deutschland" wäre, würde ich folgendes Gesetz erlassen und jedem, der mein Land betritt, als erstes und in mehreren Sprachen in die Hand drücken: HAUSORDNUNG: Jeder Mensch, der hier lebt, darf seine Meinung sagen, sie aber niemandem aufdrängen. Er darf seine Religion und Tradition leben, aber er darf dabei nicht gegen hier geltendes weltliches Gesetz verstoßen. Er muss akzeptieren, dass ich die Menschenrechte (auch seine und die seiner Familie) achte und ihre Einhaltung durchsetzen werde. Er muss ferner akzeptieren, dass ich mich bemühen werde, Missstände aufzudecken und meine Gesetzgebung dahingehend verbessern werde, sie (die Missstände) zu unterbinden. Kinder genießen hier besonderen Schutz, weil sie sich noch nicht selber schützen können. Ich lege größten Wert darauf und werde alles dafür tun, dass Jungen und Mädchen und auch die wenigen, die weder das eine noch das andere sind, sich unverletzt, gleichberechtigt, glücklich und natürlich entwickeln können, und in Richtung auf ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben erzogen werden. Ich erwarte von allen Menschen, die hier leben wollen, dass sie dabei mitwirken, zumindest aber meine Bemühungen nicht torpedieren. Naja, so oder ähnlich. ... So sympathisch Adelgundes Hausordnung auch auf den ersten Blick scheint, ich fürchte es gibt da ein Problem. Das Problem sehe ich in dem Satz: "Er darf seine Religion und Tradition leben, aber er darf dabei nicht gegen hier geltendes weltliches Gesetz verstoßen. " Wenn man genauer hinschaut, kann und darf der Satz nicht stimmen. Stellen wir uns vor, "hier" gilt das weltliche Gesetz, dass zwar alle Religionen, ganz gleiche welche, sich ausleben dürfen, aber jeder Angehöriger einer Religion gekennzeichnet sein muss: die Christen mit einem Kreuz, die katholischen mit einem schwarz-gelben, die protestantischen mit einem blauen, die Juden mit einem Stern, die Muslime mit einem Halbmond usw. So ein Gesetz muss schließlich durchgesetzt werden, so dass jemand, der die für ihn vorgesehene Kennzeichnung nicht trägt, bestraft wird. Das Beispiel klingt absurd, aber es war einmal tatsächlich so. Wenn ein Staat ein solches Gesetz macht, muss die Religionsfreiheit den Staat verpflichten, das Gesetz abzuschaffen, denn anderfalls wäre nicht nur die Religionsfreiheit verletzt, sondern die Würde aller Menschen, die irgendeiner Religion angehören - ja sogar auch die Würde all derer, die keiner Religion angehören, denn da sie kein Zeichen tragen, setzen sie sich ständig dem Verdacht aus, gegen das geltende Gesetz zu verstoßen und müssen beweisen, dass sie wirklich an gar nichts glauben. Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz. Wenn nun aber eine bestimmte Religion vorschreibt, dass Rechte anderer Menschen verletzt werden (z.B. durch einen Missionsbefehl), dann entsteht ein Problem. Die Religionsfreiheit steht über dem Gesetz, deshalb kann das Gesetz die anderen Menschen nicht davor schützen, dass sie zwangsweise missioniert werden, und z.B. Säuglinge zwangsweise getauft werden (hat es auch schon gegeben). Wie lösen wir das Problem: indem wir ganz einfach einen anderen Satz von Adelgundes Hausordnung befolgen: "Er muss akzeptieren, dass ich die Menschenrechte (auch seine und die seiner Familie) achte und ihre Einhaltung durchsetzen werde." Er ist derjenige, der zwangsweise taufen will. Der der zwangsweise getauft werden soll, genießt aber genauso die Religionsfreiheit wie der Zwangstäufer. Deshalb muss der Zwangstäufer akzeptieren, dass "ich" die Menschenrechte - also auch die Religionsfreiheit - dessen, der zwangsgetauft werden soll, gegen den der zwangstaufen will, durchsetze. "Ich" ist allerdings nicht die Königin Adelgunde, sondern der Staat. Denn in Artikel 1 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes steht: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Das steht sogar nochmal mit etwas anderen Worten im dritten Absatz von Artikel 1: " Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht." Zu den nachfolgenden Grundrechten gehört eben auch die Religonsfreiheit dessen, der zwangsgetauft werden soll. Alle staatlichen Organe, deren Verpflichtung es ist, die Menschenwürde zu achten und zu schützen, sind unmittelbar - also nicht erst durch weltliche Gesetze - daran gebunden, die Rechte dessen, der zwangsgetauft werden soll, gegen den Zwangstäufer zu schützen. Jetzt ist der Zwangstäufer allerdings beleidigt. Seine Religionsfreiheit gebietet ihm, andere zwangsweise zu taufen. Kein Gesetz verbietet ihm das. Trotzdem soll er es nicht dürfen? Menschenrechte sind wie Atomwaffen. Sie sind so ungeheuer wirkungsmächtig, dass sie alles andere vernichten können. Da jeder andere aber auch über diese Atomwaffen verfügt, wird es gefährlich: wenn einer sie zuerst einsetzt, haben alle anderen verloren. Deshalb muss der Staat verfahren wie bei einer Abrüstungsverhandlung: ja, Zwangstäufer, Du darft Deine Atomwaffen behalten. Du darfst sie hätscheln und streicheln. Du darfst sie sogar auf Paraden vorführen und dazu große Reden halten, dass Du demnächst alle anderen zwangstaufen wirfst. Aber Deine Abschussrampen, die bauen wir ab, damit Du den anderen nicht vernichtest. Jetzt ist der Zwangstäufer immer noch beleidigt: seine Religionsfreiheit ist doch so unerträglich eingeschränkt, wenn er seine übermächtigen Waffen nicht einsetzen darf. Das müssen wir aber in Kauf nehmen. Denn andernfalls würden wir gegen die Verpflichtung verstoßen, dass wir die Würde des Menschen, der zwangstauft werden soll, achten und schützen müssen. Auch dann, wenn es nur um ein Stück Haut geht. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Xamanoth Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gallowglas Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Sorry, aber das ist ALLES, nur nicht richtig ... den die weltlichen Gesetze gelten für ALLE, die der jeweiligen Religionen nur für deren Anhänger und nur wenn sich die Religionsfreiheit den weltlichen Gesetzen unterordnet, können Konflikte zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von "Religionsfreiheit" vermieden werden. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Xamanoth Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Sorry, aber das ist ALLES, nur nicht richtig ... den die weltlichen Gesetze gelten für ALLE, die der jeweiligen Religionen nur für deren Anhänger und nur wenn sich die Religionsfreiheit den weltlichen Gesetzen unterordnet, können Konflikte zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von "Religionsfreiheit" vermieden werden. wenn das falsch ist, kannst du mir bestimmt erklären, warum Juden schächten dürfen, und du nicht? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gallowglas Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Sorry, aber das ist ALLES, nur nicht richtig ... den die weltlichen Gesetze gelten für ALLE, die der jeweiligen Religionen nur für deren Anhänger und nur wenn sich die Religionsfreiheit den weltlichen Gesetzen unterordnet, können Konflikte zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von "Religionsfreiheit" vermieden werden. wenn das falsch ist, kannst du mir bestimmt erklären, warum Juden schächten dürfen, und du nicht? Das ist genau das Problem ... weil bei uns, aus Tradition und aufgrund unglücklicher geschichtlicher Umstände, Religionen Sonderrechte eingeräumt werden, welche ihnen eigentlich nicht zustehen. Genau DAS muss sich endlich ändern. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Die Schranke anderer Grundrechte wird im übernächsten Absatz sehr ausführlich erwähnt. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Xamanoth Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Die Schranke anderer Grundrechte wird im übernächsten Absatz sehr ausführlich erwähnt. sorry, ja - ich hatte nur das Zitat gelesen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Sorry, aber das ist ALLES, nur nicht richtig ... den die weltlichen Gesetze gelten für ALLE, die der jeweiligen Religionen nur für deren Anhänger und nur wenn sich die Religionsfreiheit den weltlichen Gesetzen unterordnet, können Konflikte zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von "Religionsfreiheit" vermieden werden. Du setzt vielleicht die hier geltenden Gesetze voraus, die allesamt dem Anspruch genügen müssen, dass sie alle Grun drechte umfassend wahren - doch auch da gibt es Ausnahmen, wie die alltägliche rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht, das Gesetze als grundrechtswidrig aufhebt, zeigt. Wer von "den weltlichen Gesetzen" spricht, muss aber zunächst einmal die Möglichkeit von Gesetzen mitdenken, die die Religionsfreiheit oder irgendein anderes Grundrecht nicht beachten. Dann gilt - und muss ganz unabdingbar gelten - dass sich das Grundrecht gegen das einfache "weltliche" Gesetz durchsetzt. Spielen wir das doch einfach mal an der Wissenschaftsfreiheit durch. Wenn die Wissenschaftler Singer oder Hoerster darüber publizieren, ob es gerechtfertigt sein könnte, behinderte Neugeborene zu töten, dann kann und darf das nicht mit Strafgesetzen (etwa wegen Volksverhetzung oder Aufforderung zu Straftaten oder gar einem besonderen Straftatbestand, der sich gegen solche Äußerungen richtet) geahndet werden. Wissenschaftsfreiheit steht über dem StGB, das StGB ist nach dem Maßstab der Wissenschaftsfreiheit zu gestalten und auszulegen und nicht umgekehrt. Das bedeutet aber nicht - Schranke für die Wissenschaftsfreiheit durch das Grundrecht auf Leben anderer - dass sie nun daran gehen könnten, ihre wissenschaftlichen Überlegungen in die Tat umzusetzen. Die "Rassenforscher" zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnten sich auf die Wissenschaftfreiheit berufen, mit Fug und Recht, Herr Dr. Mengele nicht. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 (bearbeitet) Weil anscheiend das Verhältnis zwischen Grundrechten und einfachen Gesetzen nicht so unmittelbar einleuchtet, folgender Hinweis - wobei ich nicht den nächsten Meta-Diskussionsthread zum Beschneidungsthread eröffnen will, aber vielleicht hilft es bei der Diskussion um die Religionsfreiheit. Im Beschneidungsthread war das Missverständnis entstanden, als ginge es darum, einfaches Recht - hier Strafrecht - über die Religionsfreiheit zu stellen. Deshalb die Aufregeung und die empörten Reaktionen einiger. Wenn es tatsächlich so gewesen wäre, wäre die Empörung aus den oben genannten Gründen völlig verständlich und berechtigt gewesen: es widerspricht ganz fundamental unserer Rechtsordnung, Grundrechte schlicht durch einfache Gesetze auszuhebeln. Es war aber ein ganz fundamentales Missverständnis, denn Wiebke hatte schon ganz zu Anfang und dann immer wieder mit aller Deutlichkeit und Klarheit darauf hingeweisen, dass es um die Religionsfreiheit des Kindes gehe. Das ist allerdings leider nicht wirklich zur Kenntnis genommen worden. Die Asymmetrie und Irrationalität der ganzen Diskussion lag daran, dass auf beiden Seiten mit der Religionsfreiheit argumentiert wurde, aber eine Seite immer meinte, es sei das einfache Gesetz gemeint. Deshalb mein verrückter Abrüstungsvorschlag von oben: die Argumentation mit allerhöchsten Grundrechten ist ebenso pathetisch wie gefährlich, weil man zu schnell Gefahr läuft, zu vergessen, dass auf der anderen Seite eben nicht nur das einfache Gesetz steht, sondern ebenso starke Grundrechte. bearbeitet 15. Juli 2012 von UliWerner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UliWerner Geschrieben 15. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2012 Das ist genau das Problem ... weil bei uns, aus Tradition und aufgrund unglücklicher geschichtlicher Umstände, Religionen Sonderrechte eingeräumt werden, welche ihnen eigentlich nicht zustehen. Genau DAS muss sich endlich ändern. Nein, das ist nicht das Problem und ich werde dafür eintreten, dass sich das nicht ändert - und zwar ganz unabhängig von "unglücklichen geschichtlichen Umständen" -allerdings in Folge dieser Umstände, denn die haben zum Grundgesetz geführt. Denn die Frage beim Schächten ist, welches Grundrecht der Ausübung von Religionsfreiheit durch das rituelle Schächten entgegensteht. Tiere haben keine Grundrechte, deshalb steht keines entgegen. Jetzt kann man fordern, dass Tiere Grundrechte erhalten, das halte ich aber für unrealistisch. Es bleibt also dabei, dass sich das Grundrecht auf Religionsausübung gegen das Schlachtrecht durchsetzt. Wenn man will, kann man fordern, dass Schächten unabhängig von religiösen Überzeugungen erlaubt wird, man wird aber grundgesetzkonform kein Schächtverbot gegen die Religionsfreiheit durchsetzen können und das ist auch gut so. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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