Shubashi Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 @Uliwerner Generell zum Verhältnis von Gesetz und Grundrecht Zustimmung. Bei der Beschneidung geht es jedoch auch darum, wie die Art. 2, 4 und 6 GG untereinander abzuwägen sind, beim Schächten konkurriert ein Grundrecht mit einem Staatsziel von Verfassungsrang, Art 20a, seit 2002. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Xamanoth Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 @Uliwerner Generell zum Verhältnis von Gesetz und Grundrecht Zustimmung. Bei der Beschneidung geht es jedoch auch darum, wie die Art. 2, 4 und 6 GG untereinander abzuwägen sind, beim Schächten konkurriert ein Grundrecht mit einem Staatsziel von Verfassungsrang, Art 20a, seit 2002. Das zeigt das Problem der undefinierbaren Kategorie des "Staatsziels" auf. Aber meiner Ansicht nach wiegt ein Grundrecht schwerer als ein "Staatsziel". Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 16. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 D.h. die Religion darf kein Grund staatlicher oder sonstiger Repression sein, jede Glaubensgemeinschaft ist in ihrem Kultus frei sofern kein anderes Gesetz verletzt wird. Ja, aber das gilt doch auch für alle anderen, oder? Jeder ist doch frei in dem, was er tut, solang er kein Gesetz verletzt. Oder bin ich da jetzt total schief gewickelt? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
GermanHeretic Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 D.h. die Religion darf kein Grund staatlicher oder sonstiger Repression sein, jede Glaubensgemeinschaft ist in ihrem Kultus frei sofern kein anderes Gesetz verletzt wird. Ja, aber das gilt doch auch für alle anderen, oder? Jeder ist doch frei in dem, was er tut, solang er kein Gesetz verletzt. Oder bin ich da jetzt total schief gewickelt? In einem freien Land, ja sicher. Aber haben wir das? Und, vor allem, hatten wir es? So zu den Zeiten, als man die seines Fürsten haben mußte oder eine Soldateska sie einem nach der Plünderung aufzwang. Es ist noch nicht so lange her, daß man eine andere Religion statt der Staatsreligion oder der staatlich erlaubten einfach so haben durfte, da kam man schnell auf den Scheiterhaufen oder ins KZ. Die Religionsfreiheit als Bürgerrecht ist notwendig, allein um so etwas zuverhindern. Nicht nur juristisch sondern in den Köpfen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 D.h. die Religion darf kein Grund staatlicher oder sonstiger Repression sein, jede Glaubensgemeinschaft ist in ihrem Kultus frei sofern kein anderes Gesetz verletzt wird. Ja, aber das gilt doch auch für alle anderen, oder? Jeder ist doch frei in dem, was er tut, solang er kein Gesetz verletzt. Oder bin ich da jetzt total schief gewickelt?In einem freien Land, ja sicher. Aber haben wir das? Und, vor allem, hatten wir es? So zu den Zeiten, als man die seines Fürsten haben mußte oder eine Soldateska sie einem nach der Plünderung aufzwang. Es ist noch nicht so lange her, daß man eine andere Religion statt der Staatsreligion oder der staatlich erlaubten einfach so haben durfte, da kam man schnell auf den Scheiterhaufen oder ins KZ. Die Religionsfreiheit als Bürgerrecht ist notwendig, allein um so etwas zuverhindern. Nicht nur juristisch sondern in den Köpfen.Sie ist zunächst mal ein Abwehrrecht gegen den Staat. Zumindest habe ich sie so immer verstanden. Der Staat darf mir seine Anschauungen nicht aufzwingen oder mich zwingen gegen meine religiösen Überzeugungen zu handeln. Versucht er das, muss er mir nachweisen, daß mein Handeln (das Denken kann und darf der Staat eh nicht verbieten) die Grundrechte (insofern hatte ich oben missverständlich formuliert als ich von Gesetzen schrieb) Dritter beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund habe ich z.B. kein Problem mit dem Schächten (erst recht nicht angesichts der Zustände in unseren Schlachtfabriken) aber ein massives mit der Zwangsbeschneidung von Kindern und Säuglingen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Katharer Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) Was eigentlich schon reichen würde (und rechtlich zumindest theoretisch auch machbar ist), wäre die Rechtsverbindlichkeit der Taufe abzuschaffen. Sprich, die Taufe bleibt, wie die kirchliche Trauung auch, eine rein innerkirchliche Aktion, die keinerlei Auswirkung staatlicherseits hat. Um auch staatlich anerkannt einer Religionsgemeinschaft anzugehören, sollte aktiv der Eintritt im Erwachsenenalter, zumindest aber erst nach dem Erreichen der Religionsmündigkeit, erklärt werden müssen. Ich hielte diese Regelung für sehr sinnvoll - allerdings würde ich keinen Finger krümmen, um ein staatliches Kommunionverbot für meine Kinder durchzusetzen. Ich hielte das für einen schwerwiegenden Eingriff in deren Rechte - Religionsfreiheit gilt von Geburt an. Und so wie du, und viele Katholiken, keinen Finger für ein staatliches Kommunionverbot (richtigerweise müsste es heißen Kommunionverbot für Religionsumündige) krümmen würdet, wird kein Moslem und kein Jude in D'land einen Finger für das Beschneidungsverbot Religionsunmündiger krümmen. Und das macht m.M.n. "Religionsfreiheit" aus, sie ist kein Freibrief für die Religion der Mehrheit! bearbeitet 16. Juli 2012 von Katharer 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Und so wie du, und viele Katholiken, keinen Finger für ein staatliches Kommunionverbot (richtigerweise müsste es heißen Kommunionverbot für Religionsumündige) krümmen würdet, wird kein Moslem und kein Jude in D'land einen Finger für das Beschneidungsverbot Religionsunmündiger krümmen. Und das macht m.M.n. "Religionsfreiheit" aus, sie ist kein Freibrief für die Religion der Mehrheit! Ich schrieb, ich würde keinen Finger für die Durchsetzung eines Kommunionverbotes rühren - ich würde es schlicht ignorieren. Aber es ist ein sehr konstruiertes Beispiel, weil es eben an der individuellen Religionsfreiheit auch der Kinder nicht nur rüttteln würde - es würde ihr Hohn sprechen. Denn die individuelle Religionsfreiheit (die noch gar nichts mit der institutionellen Religionsfreiheit zu tun hat) garantiert. dass man seine Religion innerhalb der allgemeinen Gesetze frei ausüben darf, und - das ist wesentlich - dass die allgemeinen Gesetze nur aus schwerwiegenden Gründen in die Ausübung der Religionsfreiheit eingreifen dürfen. So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 16. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 In einem freien Land, ja sicher. Aber haben wir das? Und, vor allem, hatten wir es? So zu den Zeiten, als man die seines Fürsten haben mußte oder eine Soldateska sie einem nach der Plünderung aufzwang. Es ist noch nicht so lange her, daß man eine andere Religion statt der Staatsreligion oder der staatlich erlaubten einfach so haben durfte, da kam man schnell auf den Scheiterhaufen oder ins KZ. Die Religionsfreiheit als Bürgerrecht ist notwendig, allein um so etwas zuverhindern. Nicht nur juristisch sondern in den Köpfen. Das ist aber nun ein anderer Aspekt. Dir gehts anscheinend darum, dass jeder sich aussuchen darf, welcher Religionsgemeinschaft er angehört, oder nicht angehört, bzw. ob er überhaupt einer angehört. Oder? Das hat aber erstmal noch nichts damit zu tun, was den einzelnen Religionsgemeinschaften, oder deren Anhängern erlaubt ist, bzw. dass denen etwas erlaubt ist, was andere nicht dürfen. Wäre denn in deinen Augen die Religionsfreiheit überflüssig, wenn alle Religionen genauso wie jeder x-beliebige Verein behandelt werden würden? Oder ist für dich Religion ein besonders schützenswerter Bereich? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Religionsfreiheit als Freiheitsrecht hat zunächst einmal überall - wie jede andere Freiheit auch - dort ihre Schranken, wo die Rechte anderer verletzt werden. Jeder darf seine Religion frei ausleben, aber er darf dabei nicht die religiösen Rechte anderer verletzten. Zudem darf sich - das gilt für die Menschenrechte - der Staat nicht in religiöse Dinge einmischen, hier handelt es sich um ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat. Das ist in der Verfassung der USA deutlicher ausgedrückt, dort wird gesagt, dass es dem Staat explizit verboten ist, ein Gesetz zu erlassen, das Menschen in ihrer Religionsausübung beeinträchtigt. oder sie beeinflusst. In diesem Gesetz drückt sich der Vorbehalt aus, das wenn man eine begünstigte Religion hätte - selbst wenn ihr, wie in den USA, 90% aller Menschen anhängen - einerseits die Religion den Staat beeinflusst, andererseits aber genau deswegen der Staat auch die Religion. Beide können sich, wie die Geschichte in Europa zeigt, durchaus gegenseitig korrumpieren, siehe Investiturstreit. In dem wohl christlichsten Land der Erde, den USA, führt das paradoxerweise dazu, es es völlig klar ist, dass es an staatlichen Schulen weder Religionsunterricht gibt noch das dort Kreuze aufgehängt werden dürfen. Religionsunterricht und seine Organisation ist Sache der Glaubensgemeinschaften (Sonntagsschule), die diese völlig unabhängig von staatlichen Einflüssen gestalten dürfen - aber auch ohne staatliche Finanzierung, versteht sich. Bei uns mischt sich der Staat massiv in die Religionen ein: Religionsunterricht an staatlichen Schulen als Pflicht (inzwischen nicht mehr überall), die Religionslehrer werden von staatlichen Institutionen ausgebildet und bezahlt. Allerdings nur bei zwei von den vielen Religionen, die es hier gibt, es gibt also so etwas wie eine "Günstlingswirtschaft": Zwei Religionen haben einen Sonderstatus. Deswegen kann man unser Recht nicht mit dem der USA vergleichen, was in den USA klar verboten ist, ist bei uns Usus. Übrigens gibt es bei uns die Überlegung, auch den Islam zum Religionsunterricht hinzuzufügen. Und zwar genau mit dem Argument, dass man dann einen Einfluss auf das bekommt, was über den Islam den Muslimen an den Schulen gelehrt wird. Wenn man die Ausbildung bezahlt und die Lehrer, dann kann man auch darüber bestimmen, welche Inhalte wie gelehrt werden. Ich finde es kurios, dass den meisten christlichen Religionsgemeinschaften das noch nicht negativ aufgefallen ist, dass der Staat über die Religionslehre bestimmt. Religionserziehung ist keineswegs nur Sache der Eltern, sondern eine Aufgabe des Staates. Nur wenn man seine Kinder nicht in den etablierten Religionsunterricht schickt, kann man verhindern, dass der Staat einen Einfluss auf die Erziehung der Kinder nimmt. Und jetzt steht man vor einem Paradox: Der Staat darf massiv Einfluss auf die religiöse Erziehung nehmen (im Fall des Religionsunterricht), aber der Staat darf überhaupt keinen Einfluss auf die religiöse Erziehung nehmen, wenn es um körperliche Merkmale geht. Wie will man das eine rechtfertigen, das andere aber verbieten, wenn doch beides aufgrund von Gesetzen geschieht, mit denen der Staat sich einen Einfluss auf die Religion sichert? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 16. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Der Staat darf mir seine Anschauungen nicht aufzwingen oder mich zwingen gegen meine religiösen Überzeugungen zu handeln. Welche handhabe hätte der Staat, dir seine Anschauungen aufzuzwingen, oder dich zu zwingen gegen deine religösen Überzeugungen zu handeln? Versucht er das, muss er mir nachweisen, daß mein Handeln (das Denken kann und darf der Staat eh nicht verbieten) die Grundrechte (insofern hatte ich oben missverständlich formuliert als ich von Gesetzen schrieb) Dritter beeinträchtigt. Ist das nicht immer so, egal ob man aus einer religiösen, oder einer anderen Motivation heraus handelt? Vor diesem Hintergrund habe ich z.B. kein Problem mit dem Schächten (erst recht nicht angesichts der Zustände in unseren Schlachtfabriken) aber ein massives mit der Zwangsbeschneidung von Kindern und Säuglingen. Aber warum werden fürs Schächten nur religöse Begründungen akzeptiert? (Und da wahrscheinlich auch nicht unbedingt immer. Ich bezweifle, dass das jeder darf, der sagt, seine - ganz neue und vielleicht bisher von ihm ganz allein praktizierte - Religion fordere das.) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aleachim Geschrieben 16. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Sehr interessantes Beispiel. Danke! Wäre es nun denkbar, dass eine Familie, die sagt, bei uns kommt nur Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch, dieselben Rechte bekommt? Edit: Rechtschreibung bearbeitet 16. Juli 2012 von Aleachim Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
GermanHeretic Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Sie ist zunächst mal ein Abwehrrecht gegen den Staat. Ja, genau meine Meinung. Besonders gegen die Staatsreligionen, die auch wir haben, wenn wir sie auch anders nennen müssen, weil unsere Verfassung sie ja angeblich verbietet. Vor diesem Hintergrund habe ich z.B. kein Problem mit dem Schächten (erst recht nicht angesichts der Zustände in unseren Schlachtfabriken) aber ein massives mit der Zwangsbeschneidung von Kindern und Säuglingen. Ehrlich gesagt finde ich die rechtslage zum Schächten schlimmer als die zum Kinder verstümmeln. Letzteres halte ich so falsch wie ersteres, aber es dürfen wenigstens alle, der Schaden ist überschaubar gering. Ersteres darf nur ,wer die richtige "Rasse" und/oder Religion hat. Das ist nicht falsch, das ist FALSCH. Das ist aber nun ein anderer Aspekt. Dir gehts anscheinend darum, dass jeder sich aussuchen darf, welcher Religionsgemeinschaft er angehört, oder nicht angehört, bzw. ob er überhaupt einer angehört. Oder? Das hat aber erstmal noch nichts damit zu tun, was den einzelnen Religionsgemeinschaften, oder deren Anhängern erlaubt ist, bzw. dass denen etwas erlaubt ist, was andere nicht dürfen. Korrekt. Wäre denn in deinen Augen die Religionsfreiheit überflüssig, wenn alle Religionen genauso wie jeder x-beliebige Verein behandelt werden würden? Oder ist für dich Religion ein besonders schützenswerter Bereich? Jein. In einem freien Land, wo alle Religionen x-beliebige Vereine (Synoden, wie die alten Griechenheiden sagten) wären und alle Bürger egal welcher Religion dieselben Rechte und Pflichten hätten, wäre sie in der Tat überflüssig. Es gibt nur zwei Probleme: 1. Es gibt Religionen, die allen Menschen, unabhängig von der Religion, dusselige Regeln aufbürgen wollen. Vor denen muß der Bürger geschützt werden, was allerdings eher eine Einschränkung derer Religionsfreiheit als die der Bürger an sich bedeutet. 2. Siehe oben, was Flo77 sagte. Der Bürger muß vor dem Staat geschützt werden, egal ob der eine Monarchie, eine Demokratie oder sonstwas ist. Der Staat sollte auch generell das nicht dürfen, was ein Bürger nicht darf. Wie Leute wegkloppen, abknallen, ausplündern und Religionen vorschreiben oder verbieten. (Es gibt diverse Ausnahmen, die so klein wie möglich gehalten werden sollten aber sein müssen, Wegkloppen von Verbrechern oder Ausplündern durch Steuern, weshalb ich nur im Ideal Anarchist bin aber als praktisch erreichbares Ziel einen Minarchismus wünsche.) Was Staatsreligionen anrichten können, zeigt die Weltgeschichte. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
teofilos Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) Deshalb steht die Religionsfreiheit - jedenfalls in Deutschland -nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nicht gegen geltende weltliche Gesetze verstoßen darf. Es ist vielmher umgekehrt: die geltenden weltlichen Gesetze müssen sich der Religionsfreiheit anpassen, sie steht höher als jedes Gesetz.??? Ist vereinfachend, weil die Schranke anderer Grundrechte nicht erwähnt wird, aber an sich richtig. Sorry, aber das ist ALLES, nur nicht richtig ... den die weltlichen Gesetze gelten für ALLE, die der jeweiligen Religionen nur für deren Anhänger und nur wenn sich die Religionsfreiheit den weltlichen Gesetzen unterordnet, können Konflikte zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von "Religionsfreiheit" vermieden werden. wenn das falsch ist, kannst du mir bestimmt erklären, warum Juden schächten dürfen, und du nicht? Das ist genau das Problem ... weil bei uns, aus Tradition und aufgrund unglücklicher geschichtlicher Umstände, Religionen Sonderrechte eingeräumt werden, welche ihnen eigentlich nicht zustehen. Genau DAS muss sich endlich ändern. Nun sind wir keine Insel und sind als Unterzeichner der Europäische Menschenrechtskonvention in der Pflicht den diesbezüglichen Artikel 9 zu garantieren: (1) Jede Person hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen. (2) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekennen, darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die öffentliche Sicherheit, zum Schutz der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Artikel 9 spricht hier ausdrücklich vom Bekenntnis (!). Artikel 4 setzt also auch EU-Recht um, geht allerdings mit Artikel 4 (2) GG noch etwas weiter: "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." bearbeitet 16. Juli 2012 von teofilos Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 geht allerdings mit Artikel 4 (2) GG noch etwas weiter: "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet."Und genau das ist der Punkt der etwas Probleme macht... Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) geht allerdings mit Artikel 4 (2) GG noch etwas weiter: "Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet."Und genau das ist der Punkt der etwas Probleme macht... Warum sollte das so sein? bearbeitet 16. Juli 2012 von Der Geist Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
josef Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) Liebe Michaela, ... Wozu brauchen wir eigentlich Religionsfreiheit? Mache Dir bitte zunächst klar daß der Mensch alles was nicht weiß, glauben muß, will er überhaupt irgendetwas verstehen, egal ob sein Glaube wahr ist oder nicht - so gesehen, ist der Atheismus nur eine gottlose Religion. Die Religionsfreiheit gründet auf der Willensfreiheit die GOTT der SCHÖPFER dem Menschen gegeben hat - zusammen mit Gewissen, Vernunft und Verstand. Der von Gewissen, Vernunft und Verstand geleitete Mensch muß, will er wirklich die Wahrheit die sein Erkenntnisvermögen unfähig ist zu finden, für wahr halten, sich aufmachen nach dem Glauben zu suchen der die Wirklichkeit zutreffend = wahr abbildet. Nun sind die Menschen selbstverschuldet unfähig zum wahren Glauben zu kommen. Deshalb ist GOTT hier und heute anwesend in der Person des HEILIGEN GEISTES um die Menschen - ohne ihre Willensfreiheit anzutasten - zum wahren Glauben, den Glauben an JESU CHRISTI Lehre zu führen. Darum hat der Mensch nach dem Willen GOTTES des VATERS, die Freiheit sich zu irren... die unzutreffende Religion für wahr zu halten. Deswegen der Grundsatz im Umgang der Menschen miteinander: Alle Toleranz dem irrenden Menschen - keine Toleranz dem Irrtum. Denn schon morgen kann der irrende Mensch mit dem Beistand des HEILIGEN GEISTES GOTTES zur Erkenntnis gelangen daß JESUS CHRISTUS die wahre Religion lehrt. Es ist überdies ein bewährter Grundsatz, daß Eltern das Recht haben ihre Kinder in die Religion einzuführen die sie für wahr halten. Das Elternrecht findet seine Grenze im Gewissen, das GOTT jedem Menschen eingepflanzt hat, auf daß der Mensch wisse was gut ist und was nicht. Das Gewissen sagt den Eltern wie sie mit ihren Kindern umzugehen haben damit sie gedeihen können. Ist das Gewissen der Eltern beschädigt, ist die Gesellschaft verpflichtet einzugreifen. Das Problem ist, daß die Gesellschaft nicht dem Gewissen gehorcht sondern der Moral - die sich nicht selten in krassem Widerspruch zum Gewissen befindet. Gruß josef bearbeitet 16. Juli 2012 von josef Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 aber als praktisch erreichbares Ziel einen Minarchismus wünsche.Zählt für dich die Versorgung mit Wasser und Straßen noch zu den Aufgaben des Staates? (Wobei das zugegebener Maßen schon recht OT ist.) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Wiebke Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) Es könnte ja z.B. ein gesetzestreuer Jurist auf die Idee kommen dass Erstkommunion und Firmung unzulässig ist weil dieser Ritus an Religionsunmündigen (unter 14 Jahren) ausgeübt wird und somit, zwar keine Körperverletzung aber eine "geistige Vereinnahmung" darstellt. Und würde dieser Jurist dann auch noch ein Gericht finden dass seiner Ansicht entsprechend ein Gerichtsurteil fällt das Erstkommunion und Firmung unter 14 Jahren verbietet, dann hätte die römisch katholische Kirche in Deutschland zunächst erst mal ein Problem. Hm, also dazu würd ich schon gern ein qualifizierte Meinung eines "gesetzestreuen Juristen" hören. Wäre sowas bei der aktuellen Gesetzeslage, nur ohne Religionsfreiheit, denkbar? Müsste dafür nicht erst ein Gesetz her, das "geistige Vereinnahmung" unter Strafe stellt? Also, ich versuch's jetzt mal, mir das vorzustellen: Das Grundgesetz ist so wie es ist, außer dass Artt. 4 und 140 darin nicht vorkommen und die religiös-weltanschaulichen Bezüge in anderen Artikeln wegfallen. Dann hätten wir als Ausgangspunkt noch immer die elterliche Erziehungsverantwortung nach Art. 6 GG. Weltanschaulich neutrale Erziehung geht aber nicht; somit ist zumindest weltanschaulich "gefärbte" Erziehung zulässig, d.h. dass Eltern ihre eigenen weltanschaulichen Überzeugungen in die Erziehung einfließen lassen dürfen, solange nicht konkret das Kindeswohl gefährdet ist. Wenn aber die Eltern somit dem Kind etwas vom lieben Jesulein und von Himmel und Hölle erzählen dürfen, dann wäre es ein Wertungswiderspruch, wenn man das Kind nicht zum Besuch (Sonntagsgottesdienst) und zur Beteiligung (Erstkommunion) an einschlägigen Veranstaltungen anleiten dürfte. Das sähe ich also durch Art. 6 GG gedeckt. Die "Vereinnahmung" ist hingegen irrelevant. Sie existiert subjektiv nur für den, der an das Sakrament auch glaubt - und der wird ja logischerweise gegen die "Vereinnahmung" überhaupt nichts haben. Taufe, Erstkommunion und Firmung dürften also an sich unproblematisch sein. (Den Fall, dass sich das Kind dagegen wehrt und nur durch massive Drohungen in die Kirche gezwungen wird, lasse ich jetzt mal raus. Den müsste man auch mit Religionsfreiheit separat betrachten.) Aber das Verhältnis zu anderen Grundrechten und -werten würde sich verschieben. Nimm als Beispiel Crysologus' Ganztagsschule mit Gemeinschaftsverpflegung. Die Befreiung von der Gemeinschaftsverpflegung und das Mitbringen koscheren Essens wäre dann nicht mehr gewährleistet (natürlich könnte man es noch gewähren, aber weder Schule noch Gesetzgeber wären von Verfassungs wegen dazu verpflichtet). Oder noch wilder: Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Damit könnte man eventuell ein ziemlich rabiates Gleichstellungsgesetz begründen, wonach es strafbar ist, nicht nur Arbeitsplätze sondern auch jegliche Ämter oder Funktionen in Vereinigungen für Männer oder Frauen zu reservieren. Offensichtlich kollidiert das mit so einigen Regeln der RKK: Es wäre schlicht unzulässig, noch Priester zu weihen, ja die Amtsausübung bereits geweihter Priester könnte strafbar sein, solange nicht auch weibliche Priesterinnen zugelassen werden. Die Einschränkung wird jetzt ganz erheblich: Entweder die Kirche passt ihre Lehre an oder du bekommst statt sechs/sieben Sakramenten nur noch zwei und insbesondere am Sonntag nur noch Wortgottesdienste. Wenn man will, kann man fordern, dass Schächten unabhängig von religiösen Überzeugungen erlaubt wird, man wird aber grundgesetzkonform kein Schächtverbot gegen die Religionsfreiheit durchsetzen können und das ist auch gut so. Ich denke schon, dass man theoretisch ein Schächtverbot mit Art. 20a GG begründen könnte (auch wenn Xamanoth's Einwand zum Verhältnis von Grundrechten und Staatszielen nicht von vorneherein von der Hand zu weisen ist). Aber jedenfall dürfte das solange am Gleicheitssatz scheitern, wie in den Schlachthäusern nicht ganz allgemein zivilisiertere Verhältnisse eingezogen sind. So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Sehr interessantes Beispiel. Danke! Wäre es nun denkbar, dass eine Familie, die sagt, bei uns kommt nur Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch, dieselben Rechte bekommt? Dass sie das Recht bekommt, wäre natürlich denkbar. Dass sie es mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzen könnte, eher weniger. bearbeitet 16. Juli 2012 von Wiebke Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Da wir zum Glück nicht in einem "Gottesstaat" leben in dem Geistliche über Recht und Gesetz bestimmen [...] Die christliche Idee des Gottesstaates orientiert sich an Augustins De civitate Dei und nicht an irgendwelchen shariatischen Vorstellungen wie man seit der Aufklärung wider das Christentum polemisierte, um säkulare totalitäre Ideologien vergleichsweise attraktiver aussehen zu lassen. In unserer Stadtbücherei ist De civitate Dei allen Ernstes sogar unter "Staatsphilosophien" eingeordnet! Falls sich jemand für Augustins Schrift interessiert, was ich bezweifle, denn die Diskussion wird, wie gewohnt, kenntnisfrei stattfinden, der kann sie ja online lesen: Augustinus:Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat Kannte Pius IX denn die Schriften des Augustinus? Was der nämlich in seinem Syllabus zum Thema Staatslehre loslässt, ist keineswegs so harmlos. Werner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Es kommt darauf an, wie man Religionsfreiheit ursprünglich versteht. In der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 heißt es: Artikel 10Niemand soll wegen seiner Meinungen, selbst religiöser Art, beunruhigt werden, solange ihre Äußerung nicht die durch das Gesetz festgelegte öffentliche Ordnung stört. (http://www.michael-schoefer.de/pdf/Erklaerung_der_Menschen_und_Buergerrechte.pdf) D.h. die Religion darf kein Grund staatlicher oder sonstiger Repression sein, jede Glaubensgemeinschaft ist in ihrem Kultus frei sofern kein anderes Gesetz verletzt wird. Ähnlich der erste Verfassungszusatz der USA: Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances. (http://www.independenceteaparty.us/the-amendments.html?start=1) Beide Formulierungen sind (wörtlich genommen) kein Freibrief für religiös begründeten Amoklauf, sondern sichern zunächst einmal die innere Lehrautonomie der Kirchen und garantieren den Religionsgemeinschaften den freien Verkündigungsdienst. Aber mit diesem Recht ist keine Entlassung der Gemeinschaften verbunden, in ihrem Handeln außerhalb der normalen Gesetzgebung zu stehen. So verstehe ich zumindest die historischen Ursprünge. Die ursprüngliche Idee bei der Religionsfreiheit war, dass sich jeder seine Religion frei aussuchen darf, und sie ihm nicht von der Obrigkeit vorgeschrieben werden darf. Dass man sich bei der Ausübung an die Gesetze zu halten hat, versteht sich von selbst. Gesetze, die speziell dazu gemacht werden, eine oder mehrere bestimmte Religionen zu bevorzugen oder zu benachteiligen, sind daher ein klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Letzteres impliziert meiner Meinung nach allerdings auch, dass ein Gesetz a la "es ist grundsätzlich verboten, aber Angehörige der Religion XY dürfen es trotzdem" ein Verstoß gegen die Religionsfreiheit ist. Werner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Tammy_D Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Sehr interessantes Beispiel. Danke! Wäre es nun denkbar, dass eine Familie, die sagt, bei uns kommt nur Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch, dieselben Rechte bekommt? Dass sie das Recht bekommt, wäre natürlich denkbar. Dass sie es mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzen könnte, eher weniger. Da stellt sich dann für mich die Frage, was Religion ist. Wenn die Eltern sagen: "Wir glauben an die Große Rübe, und die Große Rübe gebietet, daß nur Gemüse aus dem eigenen Garten verzehrt wird", dann kommen sie mit einer Verfassungsbeschwerde durch, aber wenn sie sagen: "Bei uns wird aus Prinzip schon seit Generationen nur selbst angebautes Gemüse verzehrt", dann nicht? Braucht man irgendwas "Übersinnliches" für eine Religion? bearbeitet 16. Juli 2012 von Tammy_D Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Sehr interessantes Beispiel. Danke! Wäre es nun denkbar, dass eine Familie, die sagt, bei uns kommt nur Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch, dieselben Rechte bekommt? Dass sie das Recht bekommt, wäre natürlich denkbar. Dass sie es mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzen könnte, eher weniger. Da stellt sich dann für mich die Frage, was Religion ist. Wenn die Eltern sagen: "Wir glauben an die Große Rübe, und die Große Rübe gebietet, daß nur Gemüse aus dem eigenen Garten verzehrt wird", dann kommen sie mit einer Verfassungsbeschwerde durch, aber wenn sie sagen: "Bei uns wird auß Prinzip schon seit Generationen nur selbst angebautes Gemüse verzehrt", dann nicht? Braucht man irgendwas "Übersinnliches" für eine Religion? Ich hab ja schon darauf hingewiesen, dass das dann nur dazu führt, dass eben "religiöse Gründe" vorgegeben werden. Die Religionsfreiheit beinhaltet auch, dass der Staat den Glauben eines Bürgers weder werten noch prüfen darf, daher muss man nur "religiöse Gründe" behaupten, um Recht zu bekommen. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis sähe das wohl anders aus. Da wäre die Zugehörigkeit zu einer etablierten Religionsgemeinschaft viel entscheidender als der tatsächliche Glaube, fürchte ich. Mit anderen Worten, in obigem Szenario hätte ein völlig säkularer Jude (*), dem die Speisevorschriften in der Praxis völlig schnuppe sind, wesentlich größere Chancen, aus "religiösen Gründen" eine Ausnahmegenehmigung für sein Kind zu bekommen, als jemand, der tatsächlich und allen ernstes an die Große Rübe glaubt. Werner (*) Das Beispiel Jude hab ich hier nur gewählt, weil diese Religion tatsächlich strenge Speisevorschriften beinhaltet, "Katholik" würde daher nicht auf das Beispiel passen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Wiebke Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 (bearbeitet) So kann eine Ganztagssschule die Kinder durchaus zur Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung verpflichten, sie dürfte aber dem Juden, der das will, die Mitnahme koscheren Essens nicht versagen. Sehr interessantes Beispiel. Danke! Wäre es nun denkbar, dass eine Familie, die sagt, bei uns kommt nur Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch, dieselben Rechte bekommt? Dass sie das Recht bekommt, wäre natürlich denkbar. Dass sie es mit einer Verfassungsbeschwerde durchsetzen könnte, eher weniger. Da stellt sich dann für mich die Frage, was Religion ist. Wenn die Eltern sagen: "Wir glauben an die Große Rübe, und die Große Rübe gebietet, daß nur Gemüse aus dem eigenen Garten verzehrt wird", dann kommen sie mit einer Verfassungsbeschwerde durch, aber wenn sie sagen: "Bei uns wird auß Prinzip schon seit Generationen nur selbst angebautes Gemüse verzehrt", dann nicht? Braucht man irgendwas "Übersinnliches" für eine Religion? Ja, braucht man. Allerdings ist die Frage dann wieder praktisch irrelevant, weil es eigentlich "Religions- und Weltanschauungsfreiheit" heißen muss. Hier nochmal die Formulierung aus dem Grundgesetz: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Religion ist dabei etwas Transzendentes, Weltanschaung eine ähnlich grundlegende Vorstellung von der Welt und dem Platz des Menschen darin, die aber ohne Transzendenz auskommt. Letztlich gilt die Grundrechtsgarantie also unterschiedslos mit und ohne Transzendenz. Was nun die Rübe aus dem Garten angeht, wäre wohl das entscheidende Kriterium das "Gewissen": Wenn man stimmig darlegen kann, dass der Anbau von Gemüse ausschließlich im eigenen Garten Teil einer umfassenden Sicht auf die Welt und den Menschen ist und deswegen auch von der Familie ganz systematisch und ernsthaft ohne Ausnahme praktiziert wird, so dass das Kind, das genötigt würde, eine Rübe aus dem Supermarkt zu essen, Gewissensqualen erleiden würde, dann könnte man eine Ausnahme aufgrund dieses Grundrechts fordern. Die Sache hört sich nur nicht besonders plausibel an. Nehmen wir also ein plausibleres Beispiel: Vegetarismus kann durchaus den Wert einer Weltanschauung haben. Da wird ein Kind von Atheisten auf einem Öko-Bauernhof großgezogen, wo Tiere höchstens gemolken und geschoren werden, nie aber geschlachtet. Tiere gelten als Freunde des Menschen und dem Kind wird von klein auf nahegebracht, dass es die Tiere als empfindungsfähige Mitlebewesen zu respektieren hat. Mit dieser Selbstverständlichkeit wächst es auf, stolz darauf, dass in seiner Familie Tiere nicht zum Essen "ermordet" werden usw. Und jetzt kriegt es in der Schule einen Teller mit einem Steak vorgesetzt und wird angewiesen, das aufzuessen. In dem Fall sähe ich das mit der Ausnahme nicht anders als bei koscherem Essen - ganz ohne Transzendenz. Aber nicht, wenn die Eltern das einfach nur gesünder finden. Da wäre die Zugehörigkeit zu einer etablierten Religionsgemeinschaft viel entscheidender als der tatsächliche Glaube, fürchte ich.Mit anderen Worten, in obigem Szenario hätte ein völlig säkularer Jude (*), dem die Speisevorschriften in der Praxis völlig schnuppe sind, wesentlich größere Chancen, aus "religiösen Gründen" eine Ausnahmegenehmigung für sein Kind zu bekommen, als jemand, der tatsächlich und allen ernstes an die Große Rübe glaubt. Weil's praktischer ist, klar. Aber nur weil dem einen faktisch eine größere Darlegungslast als dem anderen zugemutet wird, ist das doch kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten und es gleich allen zu verbieten. bearbeitet 16. Juli 2012 von Wiebke Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Da wäre die Zugehörigkeit zu einer etablierten Religionsgemeinschaft viel entscheidender als der tatsächliche Glaube, fürchte ich.Mit anderen Worten, in obigem Szenario hätte ein völlig säkularer Jude (*), dem die Speisevorschriften in der Praxis völlig schnuppe sind, wesentlich größere Chancen, aus "religiösen Gründen" eine Ausnahmegenehmigung für sein Kind zu bekommen, als jemand, der tatsächlich und allen ernstes an die Große Rübe glaubt. Weil's praktischer ist, klar. Aber nur weil dem einen faktisch eine größere Darlegungslast als dem anderen zugemutet wird, ist das doch kein Grund, das Kind mit dem Bade auszuschütten und es gleich allen zu verbieten. Ich bin ja eher dafür, es allen zu erlauben. Warum soll einer "religiöse Gründe" vorgeben müssen, wenn er ganz andere hat? Werner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 16. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 16. Juli 2012 Hier nochmal die Formulierung aus dem Grundgesetz: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Religion ist dabei etwas Transzendentes, Weltanschaung eine ähnlich grundlegende Vorstellung von der Welt und dem Platz des Menschen darin, die aber ohne Transzendenz auskommt. Letztlich gilt die Grundrechtsgarantie also unterschiedslos mit und ohne Transzendenz. Das Wort "Religionsfreiheit" kommt da nämlich gar nicht vor! Es geht um Glaubensfreiheit, und das ist mehr als Religion. Bei der bekenntnisfreiheit geht es ja strenggenommen gar nicht um Glauben, sondern um Zugehörigkeit zu einer Bekenntnisgruppe. In meiner Heimatstadt konnten z. B. bis 1806 Katholiken nicht das Bürgerrecht erwerben. Da geht es um Bekenntnisfreiheit. Was jemand aber tatsächlich glaubt, ist nochmal was ganz anderes. Ich glaube, ein Teil der Verwirrung im Beschneidungsthread kommt auch daher, dass das durcheinandergeworfen wird. Werner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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