Chrysologus Geschrieben 23. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 23. Juli 2012 Es war schon letzten Freitag, aber das ist nicht wichtig. Ich war im Altenheim, geschlossene beschützende Station, zu einer Anhörung. Auf dem Flur einige alte und weniger alte Menschen, die herumsitzen. An einem Tisch einige Leute versammelt. Ein alter Mann, die Wangen eingefallen, die Augen halb geschlossen, sitzte zusammengesunken und doch irgendwie gerade auf einem Sessel. Lehnt sich nicht an. Neben ihm eine Frau, seine Frau nehme ich an. Sie sitzt nahe neben ihm und streichelt ihm die Wangen. Schaut ihn mit einem Blick an, der liebvoll, ein wenig verliebt scheint. Und er schaut und genießt, versteht vielleicht nicht mehr, aber fühlt. Beneidenswert. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Mactafledis Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Es war schon letzten Freitag, aber das ist nicht wichtig. Ich war im Altenheim, geschlossene beschützende Station, zu einer Anhörung. Auf dem Flur einige alte und weniger alte Menschen, die herumsitzen. An einem Tisch einige Leute versammelt. Ein alter Mann, die Wangen eingefallen, die Augen halb geschlossen, sitzte zusammengesunken und doch irgendwie gerade auf einem Sessel. Lehnt sich nicht an. Neben ihm eine Frau, seine Frau nehme ich an. Sie sitzt nahe neben ihm und streichelt ihm die Wangen. Schaut ihn mit einem Blick an, der liebvoll, ein wenig verliebt scheint. Und er schaut und genießt, versteht vielleicht nicht mehr, aber fühlt. Beneidenswert. Aber wenn der Mann die fremde Dame fragt, wo denn seine Frau ist, ob oder wann sie kommt und sie weint nicht, weil sie nie weint, wenn sie ihn besucht, weil er dann auch traurig wird und alles erklären nutzt nichts, weil er es nicht versteht; die glücklichen Momente sind nur hauchdünn, flüchtig und unwirklich, ein schwaches Echo nur von vielen tiefvertrauten Ehejahren; er einsam in einer Schattenwelt, zu der niemand mehr Zugang hat, auch mit aller Liebe nicht; sie, einsam, tapfer, aber hilflos und trauernd um ihren so geliebten, noch lebenden Mann – über diese kleine Momentaufnahme hinaus, die Du beschrieben hast, ist nichts super und nichts beneidenswert. Gerade wegen der vielen gemeinsamen Jahre voller Nähe ist dieses Entgleiten und Fremdwerden etwas, mit dem man sich schwer abfinden kann und niemals irgendwie daran gewöhnen wird. Es tut immer wieder neu weh, ist kaum zu ertragen, herzzerreißend und grauenhaft. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Epicureus Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 (bearbeitet) Aber wenn der Mann die fremde Dame fragt, wo denn seine Frau ist, ob oder wann sie kommt und sie weint nicht, weil sie nie weint, wenn sie ihn besucht, weil er dann auch traurig wird und alles erklären nutzt nichts, weil er es nicht versteht; die glücklichen Momente sind nur hauchdünn, flüchtig und unwirklich, ein schwaches Echo nur von vielen tiefvertrauten Ehejahren; er einsam in einer Schattenwelt, zu der niemand mehr Zugang hat, auch mit aller Liebe nicht; sie, einsam, tapfer, aber hilflos und trauernd um ihren so geliebten, noch lebenden Mann – über diese kleine Momentaufnahme hinaus, die Du beschrieben hast, ist nichts super und nichts beneidenswert. Gerade wegen der vielen gemeinsamen Jahre voller Nähe ist dieses Entgleiten und Fremdwerden etwas, mit dem man sich schwer abfinden kann und niemals irgendwie daran gewöhnen wird. Es tut immer wieder neu weh, ist kaum zu ertragen, herzzerreißend und grauenhaft. Ja, so etwas kann grauenhaft sein. Aber was ist die Alternative: Sozial verträgliches Frühableben Demenzkranker? Wenn ein Demenzkranker seinem Leben nicht selbst ein Ende setzt (was es manchmal gibt, besonders im Anfangsstadium), dann ist eine verdammte Pflicht dieser Gesellschaft, ihm seine letzten Jahre so menschenwürdig wie irgend möglich zu gestalten. Dazu gehören auch spezialisierte Heime. Oder wisst Ihr, die Ihr diesen Beitrag von Mactafledis so toll findet, etwas Besseres? Ich nicht. bearbeitet 25. Juli 2012 von Epicureus 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ich denke, es braucht nicht nur qualifizierte Heimpfelge, sondern auch adäquate Unterstützung der Angehörigen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 25. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Auch ich empfinde alle persönlichkeitszerstörenden Erkrankungen als ausgesprochen gruselig (ein besseres Wort fällt mir nicht ein), und Demenz gehört da fast noch zu den harmloseren Aber dass jemand das aushalten kann um des Menschen willen, der da geht und zugleich bleibt, das hat mich berührt. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 (bearbeitet) Ja. Nur ist es halt nicht beneidenswert, eher im Gegenteil. Meine Perle für Mactafledis ist genau dafür, wie sie dies in Worte gefasst hat. (Und dennoch stimmt auch, was du sagst: Dies aushalten zu können, dazu bereit zu sein, sich dem am Lebensende noch zu stellen, ist ... (nein, nicht beneidenswert. Mir fehlt das Wort.) bearbeitet 25. Juli 2012 von Inge Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gabriele Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Oder wisst Ihr, die Ihr diesen Beitrag von Mactafledis so toll findet, etwas Besseres? Mich hat berührt, wie Mactafledis ihren Blick auf die Situation geschildert hat. Entweder hat sie sich ganz viele Gedanken gemacht oder sie kennt das aus eigener Erfahrung. Oder beides. Sie hat diesen Blick, diese Gedanken und Gefühle hervorragend in Worte gefasst. Um das toll zu finden, brauche ich keineswegs "etwas Besseres wissen". 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
mbo Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Demenz ist ohne jede Frage für Betroffene und Angehörige eine schwer zu verarbeitende Diagnose. Auch für (noch) nicht-Betroffene ist es ein sehr angstbeseztes Thema. Wenn ich mir vorstelle, dass ich evtl meine so lebenslustige und agile Frau eines Tages füttern werde, sie mich nicht mehr erkennt, ja sie mich vielleicht sogar anschreit, weil was-weiß-ich in ihrem Kopf vorgeht, dann wird mir Angst und Bange. Tröstlich bleibt, dass es ein Prozess ist, der zwar kontinuierlich aber dennoch einigermaßen langsam fortschreitet. Ein Abschied ist, so traurig er auch ist, möglich. Und ich glaube, dass es gerade diese Momente sind, von denen Chryso hier schreibt, die ich Mut machen können. Wenn jemand das Thema interessiert: Ein Film, der dieses Thema sehr gut aufgreift ist Eines Tages. (Trailer zum Film ist dort zu finden) Er beschreibt eindrücklich die (fiktive aber sehr realistische) Situation dreier Betroffener und ihren Angehörigen. Trotz aller Direktheit, macht der Film Mut, sich auf das Thema einzulassen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Elima Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Demenz ist ohne jede Frage für Betroffene und Angehörige eine schwer zu verarbeitende Diagnose. Auch für (noch) nicht-Betroffene ist es ein sehr angstbeseztes Thema. Wenn ich mir vorstelle, dass ich evtl meine so lebenslustige und agile Frau eines Tages füttern werde, sie mich nicht mehr erkennt, ja sie mich vielleicht sogar anschreit, weil was-weiß-ich in ihrem Kopf vorgeht, dann wird mir Angst und Bange. Tröstlich bleibt, dass es ein Prozess ist, der zwar kontinuierlich aber dennoch einigermaßen langsam fortschreitet. Ein Abschied ist, so traurig er auch ist, möglich. Und ich glaube, dass es gerade diese Momente sind, von denen Chryso hier schreibt, die ich Mut machen können. Wenn jemand das Thema interessiert: Ein Film, der dieses Thema sehr gut aufgreift ist Eines Tages. (Trailer zum Film ist dort zu finden) Er beschreibt eindrücklich die (fiktive aber sehr realistische) Situation dreier Betroffener und ihren Angehörigen. Trotz aller Direktheit, macht der Film Mut, sich auf das Thema einzulassen. Ich will dich nicht entmutigen, es geht sehr lange langsam, aber dann kann es auch sehr schnell gehen (es ist besser, man hat sich darauf eingestellt, ich hatte es nicht). Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 25. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ja. Nur ist es halt nicht beneidenswert, eher im Gegenteil. Beneidenswert ist es sicher nicht, dement zu werden, und ich hoffe, dies auch nie als Partner mitmachen zu müssen - so gesehen beneide ich die beiden gewiss nicht um ihre Lage. Den Umgang miteineinander, die deutlich werdende Zuneigung und Liebe, die hat mich tief berührt. Ich erlebe in meinem Beruf oft beides: Partner, Kinder, Angehörige und Freunde, die den Kranken weiter begleiten und das aushalten, das durchhalten, und ich erlebe die, die sich abwenden. Und ich frage mich natürlich: Was geschähe mir? Wie wäre ich? Den Partner auch dann noch lieben zu können - das finde ich ....bewundernswert? ....beneidenswert? Mich hat dieser Anblick berührt, so wie mich die leider seltenen alten Paare berühren, von denen etwas ausgeht, die liebevoll miteinander umgehen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
mbo Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 ]Ich will dich nicht entmutigen, es geht sehr lange langsam, aber dann kann es auch sehr schnell gehen (es ist besser, man hat sich darauf eingestellt, ich hatte es nicht). Ja, ich weiß. Da habe vmtl. Nicht so fomuliert, wie ich es dachte. Die Bandbreite der Demenzerkrankungen scheint da sehr breit zu sein. Für mich tröstlich war bzw. ist die Vorstellung des Abschiednehmen-Könnens. Der Partner / Verwandte / Freund geht nicht von heute auf morgen, sondern zeitlich gestreckt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ja. Nur ist es halt nicht beneidenswert, eher im Gegenteil. Beneidenswert ist es sicher nicht, dement zu werden, und ich hoffe, dies auch nie als Partner mitmachen zu müssen - so gesehen beneide ich die beiden gewiss nicht um ihre Lage. Den Umgang miteineinander, die deutlich werdende Zuneigung und Liebe, die hat mich tief berührt. Ich erlebe in meinem Beruf oft beides: Partner, Kinder, Angehörige und Freunde, die den Kranken weiter begleiten und das aushalten, das durchhalten, und ich erlebe die, die sich abwenden. Und ich frage mich natürlich: Was geschähe mir? Wie wäre ich? Den Partner auch dann noch lieben zu können - das finde ich ....bewundernswert? ....beneidenswert? Mich hat dieser Anblick berührt, so wie mich die leider seltenen alten Paare berühren, von denen etwas ausgeht, die liebevoll miteinander umgehen. Ja, das verstehe ich jetzt besser. Diese tiefe Verbundenheit und auch Treue ist etwas sehr Besonderes. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Claudia Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 (bearbeitet) @ Chrysologus Vielleicht ist Deine Interpretation falsch, aber sie ist schön... bearbeitet 25. Juli 2012 von Claudia Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Claudia Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ja, so etwas kann grauenhaft sein. Aber was ist die Alternative: Sozial verträgliches Frühableben Demenzkranker? Wenn ein Demenzkranker seinem Leben nicht selbst ein Ende setzt (was es manchmal gibt, besonders im Anfangsstadium), dann ist eine verdammte Pflicht dieser Gesellschaft, ihm seine letzten Jahre so menschenwürdig wie irgend möglich zu gestalten. Dazu gehören auch spezialisierte Heime. Oder wisst Ihr, die Ihr diesen Beitrag von Mactafledis so toll findet, etwas Besseres? Ich nicht. Du bist gemein. Du holst Träumerei zurück auf die pragmatische Ebene. Manches ist aber eben nur in der Träumerei zu ertragen. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 25. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ja, das verstehe ich jetzt besser. Diese tiefe Verbundenheit und auch Treue ist etwas sehr Besonderes. Und die war es, die ich beneidenswert fand. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Ja, das verstehe ich jetzt besser. Diese tiefe Verbundenheit und auch Treue ist etwas sehr Besonderes. Und die war es, die ich beneidenswert fand. Ich habe so etwas bei meinen Eltern erlebt (da ging es zwar nicht um Demenz, aber um eine ein Jahr lange Krankheit, bevor mein Vater starb) - und ja, es ist beneidenswert (wenn auch der Weg dahin alles andere als beneidenswert war). Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
wine Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Einer der Albträume, wenn man lange Zeit mit seiner Sandkastenliebsten verheiratet ist... Wenn's es einen selber träfet, die Angst, den richtigen Absprung zu verpassen und wenn es den anderen trifft, noch viel schlimmer... Mactafledis hat es in den paar Sätzen unglaublich fokussiert rübergebracht, deshalb meine Perle. wine Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
tribald_old Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 Aber wenn der Mann die fremde Dame fragt, wo denn seine Frau ist, ob oder wann sie kommt und sie weint nicht, weil sie nie weint, wenn sie ihn besucht, weil er dann auch traurig wird und alles erklären nutzt nichts, weil er es nicht versteht; die glücklichen Momente sind nur hauchdünn, flüchtig und unwirklich, ein schwaches Echo nur von vielen tiefvertrauten Ehejahren; er einsam in einer Schattenwelt, zu der niemand mehr Zugang hat, auch mit aller Liebe nicht; sie, einsam, tapfer, aber hilflos und trauernd um ihren so geliebten, noch lebenden Mann – über diese kleine Momentaufnahme hinaus, die Du beschrieben hast, ist nichts super und nichts beneidenswert. Gerade wegen der vielen gemeinsamen Jahre voller Nähe ist dieses Entgleiten und Fremdwerden etwas, mit dem man sich schwer abfinden kann und niemals irgendwie daran gewöhnen wird. Es tut immer wieder neu weh, ist kaum zu ertragen, herzzerreißend und grauenhaft. Ja, so etwas kann grauenhaft sein. Aber was ist die Alternative: Sozial verträgliches Frühableben Demenzkranker? Wenn ein Demenzkranker seinem Leben nicht selbst ein Ende setzt (was es manchmal gibt, besonders im Anfangsstadium), dann ist eine verdammte Pflicht dieser Gesellschaft, ihm seine letzten Jahre so menschenwürdig wie irgend möglich zu gestalten. Dazu gehören auch spezialisierte Heime. Oder wisst Ihr, die Ihr diesen Beitrag von Mactafledis so toll findet, etwas Besseres? Ich nicht. Nein. Aber er beschreibt präzise die Situation ab einem gewissen Zeitpunkt. Mitzubekommen wie ein vertrauter Mensch sich langsam auflöst, nur noch die Hülle zu sehen ist, das nimmt mit. Und irgendwann ist die Fähigkeit zum mitleiden erschöpft. Die Kraft reicht nicht mehr. Ab dann sollte/muss man sich nach Alternativen umschauen. Da bleibt dann nur noch ein Heim. Und da werden sich immer wieder solche von Mactafledis geschilderten Dinge abspielen. Mit all der noch vorhandenen Liebe, der nicht mehr vorhandenen Hoffnung und dem immer latend mitschwingendem Grauen. leider durchaus wissend, von was da die Rede ist.............tribald Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Inge Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 leider durchaus wissend, von was da die Rede ist.............tribald Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 25. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 25. Juli 2012 leider durchaus wissend, von was da die Rede ist.............tribald Mein Firmpatenonkel hatte klassisch Alzheimer. Das fand ich erst ziemlich schrecklich. Aber dann habe ich gehört, daß er in völlig gelöster heiter Stimmung sein Lebensende verbracht hat. Er hatte auch alles vergessen, ws ihn traumatisiert hatte. Meine Mutter leidet an fortschreitender Demenz, offenbar wird das Hirn nicht mehr richtig durchblutet, es ist ein bißchen tagesformabhängig. Für die Angehörigen ist das freilich schmerzlicher als für sie selbst. - Für die nachfolgende Generation ist es wahrscheinlich leichter als für die Partner. Und man muß auch verstehen, wenn hochbetagte Partner da nicht mehr die Kraft haben und sich zurückziehen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
asia Geschrieben 26. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 26. Juli 2012 Es war schon letzten Freitag, aber das ist nicht wichtig. Ich war im Altenheim, geschlossene beschützende Station, zu einer Anhörung. Auf dem Flur einige alte und weniger alte Menschen, die herumsitzen. An einem Tisch einige Leute versammelt. Ein alter Mann, die Wangen eingefallen, die Augen halb geschlossen, sitzte zusammengesunken und doch irgendwie gerade auf einem Sessel. Lehnt sich nicht an. Neben ihm eine Frau, seine Frau nehme ich an. Sie sitzt nahe neben ihm und streichelt ihm die Wangen. Schaut ihn mit einem Blick an, der liebvoll, ein wenig verliebt scheint. Und er schaut und genießt, versteht vielleicht nicht mehr, aber fühlt. Beneidenswert. Danke für das Teilen dieses Momentes. Hat mich beim bloßen Lesen berührt. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Frank Geschrieben 26. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 26. Juli 2012 Es war schon letzten Freitag, aber das ist nicht wichtig. Ich war im Altenheim, geschlossene beschützende Station, zu einer Anhörung. Auf dem Flur einige alte und weniger alte Menschen, die herumsitzen. An einem Tisch einige Leute versammelt. Ein alter Mann, die Wangen eingefallen, die Augen halb geschlossen, sitzte zusammengesunken und doch irgendwie gerade auf einem Sessel. Lehnt sich nicht an. Neben ihm eine Frau, seine Frau nehme ich an. Sie sitzt nahe neben ihm und streichelt ihm die Wangen. Schaut ihn mit einem Blick an, der liebvoll, ein wenig verliebt scheint. Und er schaut und genießt, versteht vielleicht nicht mehr, aber fühlt. Beneidenswert. Aber wenn der Mann die fremde Dame fragt, wo denn seine Frau ist, ob oder wann sie kommt und sie weint nicht, weil sie nie weint, wenn sie ihn besucht, weil er dann auch traurig wird und alles erklären nutzt nichts, weil er es nicht versteht; die glücklichen Momente sind nur hauchdünn, flüchtig und unwirklich, ein schwaches Echo nur von vielen tiefvertrauten Ehejahren; er einsam in einer Schattenwelt, zu der niemand mehr Zugang hat, auch mit aller Liebe nicht; sie, einsam, tapfer, aber hilflos und trauernd um ihren so geliebten, noch lebenden Mann – über diese kleine Momentaufnahme hinaus, die Du beschrieben hast, ist nichts super und nichts beneidenswert. Gerade wegen der vielen gemeinsamen Jahre voller Nähe ist dieses Entgleiten und Fremdwerden etwas, mit dem man sich schwer abfinden kann und niemals irgendwie daran gewöhnen wird. Es tut immer wieder neu weh, ist kaum zu ertragen, herzzerreißend und grauenhaft. Je mehr Demenz umso weniger Verstand, dafür umso mehr Gefühl. Dem Dementen wird das rational verstandesmässige immer weniger wichtig, wozu auch er kann j aeh nichts mehr damit anfangen. Umso wichtiger ist das Gefühl, die emotionale Ebene. Übrigens: Identitätsstiftendes hält sich lange. Ich hatte einen Mann zu pflegen, der war Ingenieur bei einem namhaften Elektronik-Konzern. Was er dort entwickelt hat konnte er mir nicht mehr so genau sagen aber DAS er als Ingenieur gearbeitet hat und bei welcher Firma konnte er mir ganz klar und voller Stolz sagen. Ein anderer Mann: Er War Gastwirt... In einer Mitbewohnerin sieht er seine Frau, was regelmäßig zwischen ihm und der Mitbewohnerin zu Konflikten führt. Spricht man ihn jetzt mit Mayer-Wirt an (name geändert) is er klar und voll bei sich. Ihr solltet mal seinen klaren Blick sehen wenn er spontan nach den Mahlzeiten Die Tische abräumt. Nein, Mayer-Wirt war nicht Wirt er IST Wirt. Und das Paar in der Geschichte? Vielleicht ist es dem Mann mittlerweile egal, wer ihm die Wange streichelt. Er spürt die Zuneigung. Das ist ihm wichtig. Und vielleicht weis er ganz tief das es seine Frau ist. "Das ist meine Frau und ich bin ihr Mann" Wieder so ein Identitätsstiftendes Element. Nicht alle Ehen waren Vernunftehen. Genauso wie nicht alle Ehen heute aus Liebe geschlossen werden. Wir haben auf der Station, auf der ich arbeite, auch so ein Ehepaar. Er kommt täglich seine Frau besuchen. Essen und Trinken selbständig einnehmen klappt nicht immmer, dann müssen wir ihr es anreichen (Fachsprech für "Füttern") und auch das ist manchmal schwierig. Aber wenn ihr Mann da ist, da wird gegessen und getrunken als gäbs kein morgen. Er bleibt auch dann wenn seine Frau nicht weis wen sie vor sich hat und lieber ihre Kreise auf der Station zieht. Da müssen wir ihn auffangen. Durch ganz selbstverständliche Gesten, selten durch ein Gespräch. Wenn sie ihn erkennt, sie dann auf der Couch sitzen, sie in seinem Arm, beide sichtlich glücklich. Ich kann Chryso da sehr gut verstehen, bei dem was er erzählt. Worauf wollte ich eigentlich raus, das ich auf diesen Beitrag antworte und nicht auf Chrysos Eröffnungs-Post? Ich weis es nicht mehr, drum will ich es an dieser Stelle gut sein lassen. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Platona Geschrieben 26. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 26. Juli 2012 Ja, das verstehe ich jetzt besser. Diese tiefe Verbundenheit und auch Treue ist etwas sehr Besonderes. Und die war es, die ich beneidenswert fand. Ich habe so etwas bei meinen Eltern erlebt (da ging es zwar nicht um Demenz, aber um eine ein Jahr lange Krankheit, bevor mein Vater starb) - und ja, es ist beneidenswert (wenn auch der Weg dahin alles andere als beneidenswert war). So sehe ich das auch bei meiner Mutter. Sie war nicht dement, aber sie hatte Ausfälle im Kurzzeitgedächtnis. Ich hatte ein Jahr, in dem ich mich von ihr verabschieden konnte und habe diese Chance so gut es geht genutzt. Auf jeden Fall hatte sie noch Freude und Nähe in diesem letzten Jahr. Trotzdem bleibt so ein Gefühl: "habe ich wirklich alles getan, habe ich alles richtig gemacht?" Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Gast Mactafledis Geschrieben 26. Juli 2012 Melden Share Geschrieben 26. Juli 2012 Die Diagnose Alzheimer liegt sechs Jahre zurück. Seit meine Eltern nicht mehr alleine wohnen konnten, habe ich sie zu mir nach Hause geholt. Den Rest des Weges – schaffen wir. Nur an dem Wort „beneidenswert“ kam ich nicht vorbei. Es passt nicht zu dem, was direkt zu diesen Momentaufnahmen gehört. Obwohl sie mir auch sehr wertvoll sind. Ich bin Dir, Chryso, und Euch allen sehr dankbar für die Beiträge und für die Perlen. Aufgetankt. „Adäquate Unterstützung der Angehörigen“. Danke. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 26. Juli 2012 Autor Melden Share Geschrieben 26. Juli 2012 Die Diagnose Alzheimer liegt sechs Jahre zurück. Seit meine Eltern nicht mehr alleine wohnen konnten, habe ich sie zu mir nach Hause geholt. Den Rest des Weges – schaffen wir. Meine Mutter hat ihren Vater auf diesem Weg begleitet - auch wenn er im Altenheim war, weil das daheim nicht gegangen wäre. Zur Demenz kamen psychotische Zustände hinzu. Sie sagte viel später, sie habe damals den Vater gewonnen, den sie als Kind nie hatte (er stand als Dentist und Zahnarzt halt mehr oder minder ganztägig 'am Stuhl'). Ich wünsche euch Gottes Segen auf eurem Weg. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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