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Was meinte Jesus, wenn er "glauben" sagte?


nannyogg57

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Zur Vorgeschichte: GH hat ein Buch geschrieben und folgende Unterscheidung zwischen Religionen getroffen: Es gibt Religionen, die sich durch Rituale konstituieren und solche, die sich durch Glauben konstituieren.

 

In der RKK ist der Anteil der Leute, die sich über die Teilnahme am Ritual als Christen definieren hoch, in FEGs dagegen gering, damit gänge dieser Punkt an die FEGs, denn Christentum ist doch eine Religion, die sich durch Glaube konstituiert.

 

Aber was verkündet Jesus, ohne Paulus zu Rate zu ziehen?

 

"Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe; kehrt um und glaubt an das Evangelium" - irgendwo bei Mk im Kapitel 1, ich kann den Text auswendig, die Zusammenfassung der Botschaft Jesu nach Mk.

 

Und da fällt mir folgendes ein: Die Geburt einer meiner Söhne war recht "dramatisch". Die Geburt stockte zwei Stunden lang, es ging nichts vorwärts. Dann geschah es: Die Fruchtblase platzte endlich, das Kind legte den Weg durch den ganzen Geburtskanal in maximal 90 Sekunden zurück und ich möchte nicht ins Detail gehen, aber er war einer Rakete vergleichbar und die Hebamme sagte nachher nur: Mir fällt vieles runter (sie hatte gerade ihr Handy geschrottet auf diese Art), aber kein Kind. Die Geburt war insofern bemerkenswert, da der junge Mann die Nabelschnur mehrmals um den Hals hatte. Wenn man nun dem Neugeborenen Gedanken unterstellen möchte, dann folgende: Ich stürze mich jetzt da raus, auch wenn diese blöde Schnur um meinem Hals ist, irgendjemand wird schon da sein, mich auffangen und dann dieses Teil von meinem Hals entfernen. So war es auch, Apgar 10-10. Das Geheimnis der Hebamme war es übrigens abzuwarten, zu überwachen und Geduld zu haben.

 

Der Neugeborene hat nicht "geglaubt" - zur Zeit ist er gerade in der Pubertät und glaubt, Hausaufgaben sind Probleme, die anderen Leuten zustoßen -, aber diese Geschichte ... ach, denkt euch selbst was dazu aus.

 

Für Jesus ist der Inhalt des Glaubens "frohmachende Botschaft und die Nähe des Gottesreiches", dazu bedarf es aber der Umkehr - von was?

 

Jesus spricht offensichtlich von der Zukunft und er sieht sie rosig. Und er sieht, dass Gott in dieser Zukunft eine Rolle spielt, eine offensichtlich positive.

 

Und das ist der Inhalt.

 

Glaube daran, dass Gott eine rosige Zukunft bereitet. Kehre um von deiner negativen Weltsicht.

 

Es gibt eine große Tradition der negativen Zukunft seit der Antike: Da wird vom ehemals goldenen Zeitalter gesprochen usw. und die Gegenwart gerne recht schlecht dargestellt. Die jüdischen Propheten - allen voran Jesaja - sahen dagegen in der Zukunft den Tag Jahwes und dann die gottgewirkte Vollendung für alle Völker.

 

Umkehr von der negativen Weltsicht? Setzt die rosa Brille auf?

 

Jesus hatte nichts gegen Rituale, er plante keine, er schaffte keine ab. Er hatte nur etwas gegen Rituale, die die Gottesbeziehung zum Ausdruck brachten und den Mitmenschen außer Acht ließen (siehe das Buch Jona): "Wenn du deine Gabe zum Altar bringst ..." (Bergpredigt, Mt 5-7), wenn sie sinnentleert waren: "Plappert nicht wie die Heiden ..." (Bergpredigt, Mt 5-7).

 

Was also hätte er zu meinen Ritualchristen gesagt (mit denen ich gerne zusammenarbeite, mit denen es Spaß macht, schöne Gottesdienste vorzubereiten, weil sie sich von mir anstecken lassen)? Vielleicht nur: "Du bist nicht weit vom Reiche Gottes", vielleicht: "Wer nicht gegen mich ist, der ist für mich?"

 

Oder dachte Jesus, Glaube ist Leistung, die man erbringen müsse, je bekloppter, desto besser?

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Dieser Satz vom Reich Gottes hat mich auch schon immer fasziniert.

Menschen, selbst hartgesottene Optimisten, haben irgendwie die Neigung, das schlechte Ende zu befürchten: Von nun an geht's bergab. Irgendwann muss doch der Punkt kommen, da man nichts mehr machen kann. Und irgendwie stimmt diese Befürchtung angesichts des Alterns und der Sterblichkeit ja auch. Begrenzt man die Hoffnung auf rein innerweltliche Grenzen, dann ist diese Form des Pessimismus geradezu aufdringlich realistisch. Alles hat ein Ende, die Wurst hat sogar zwei. Alles ist nur eine Zeit lang schön. Vieles Liebgewordene vergeht - und eine Garantie, dass was Besseres nachkommt, hat man nicht in der Hand.

 

Mich beeindrucken auch immer die endzeitlichen Texte gegen Ende des Kirchenjahrs. Eine kurze Passage vermag es sogar ganz spürbar, meinen Glauben zu stärken: "Wenn ihr all dies (Katastrophale) geschehen seht, dann richtet euch auch und erhebt eure Augen!"

Das ist nur eine andere Formulierung von "Kehrt um und glaubt an die frohe Botschaft vom Reich Gottes!" Eine Formulierung, die in ihrer Bildhaftigkeit noch stärker auf mich einwirkt.

 

Glauben ist dabei aber immer noch ein wenig abstrakt, weil man Glauben nicht machen kann. Manchmal möchte ich gerne an dieses Reich Gottes glauben - aber angesichts der ganzen, vielen täglichen und alltäglichen Katastrophen (ein angeschlagener Knöchel genügt - aber es gibt ja auch größere Katastrophen) bekomme ich meinen Glauben dann manchmal nicht auf den Punkt. Die noch wesentlichere Gedankenrichtung dreht sich bei mir um das Thema: "Was kann ich tun, damit mein Glaube stärker wird?" - so von seiner Grundkonsistenz her.

 

Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

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Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

Nichts leichter als das. Man nennt es "Realitätsverlust".

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Der Glaube ist an der Zukunft orientiert und sagt: Sieh sie rosig, weil Gott sie garantiert.

 

(Das Heidentum sieht den Status quo und interpretiert ihn erstklassig. GH hat das gemacht und ich sage: Hut ab.)

 

Aber ob man das tatsächlich leben kann? Im Gegensatz zu meinen Ritualchristen weiß ich in der Theorie, worum es geht. Nur so bin ich der Dynamo. Ich kenne den Anspruch, erfüllen kann ich ihn nicht.

 

Franz v. Assisi konnte das, Mutter Teresa auch, aber ihre Glaubenszweifel sind - im Gegensatz zu Franz - dokumentiert.

 

Glaubt überhaupt irgendjemand?

 

Ich stelle hiermit eine katholische These auf: Jesu Glaube genügt für uns alle.

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Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

Nichts leichter als das. Man nennt es "Realitätsverlust".

 

Du genau lesen, Marcellinus. Es geht um die Zukunft. Der Glaube Jesu impliziert eine Hoffnung für das Diesseits und das Jenseits und schließt jede Form von: "Wir sind alle dem Untergang geweiht" aus.

 

Es geht um eine Perspektive, die sich aus Hoffnung und daraus resultierendem Engagement speist. Diese Perspektive sagt: "Die Zukunft ist rosig, weil Gott sie garantiert. Jede Form von Engagement in dieser Richtung ist sinnvoll und gewinnbringend. Wir haben schon gewonnen, aber wir komplettieren das Ergebnis, indem wir noch ein paar Zusatzrtore schießen, weil es so schön ist (Fußballersprache)".

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Der Glaube ist an der Zukunft orientiert und sagt: Sieh sie rosig, weil Gott sie garantiert.

 

(Das Heidentum sieht den Status quo und interpretiert ihn erstklassig. GH hat das gemacht und ich sage: Hut ab.)

Äh, nicht ganz. Erstklassig sind die ordnenden Prinzipien, die die Götter verkörpern und aus dem Chaos eine bewohnbare Welt machen. Letztere kannst Du gerne Status quo nennen. Die Veränderungen in der Welt unterliegen dem Schicksal, und da ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem abrahamitischen Monotheismus und dem europäisch-polytheistischen Heidentum: Im ersteren wird das Schicksal durch "Gott" bestimmt, im letzteren sind auch die Götter dem Schicksal unterworfen, bei den Germanen weit mehr als bei den Griechen.

 

Und ja, der Status quo als gegenwärtiger Zustand ist nun offensichtlich nicht so erstklassig, der Umgang damit äußert sich aufgrund obigen Unterschieds unterschiedlich. Der Christ glaubt an eine gute, von Gott garantierte Zukunft, sei sie auch nur jenseitig. Der Heide, der die Götter nicht für etwas hält, das den Status quo mal eben so ändern könnte, glaubt, sie wären im mythologischen Kampf gegen die Mächte des Chaos, und als Mensch hat man da gefälligst mitzukämpfen. Vielleicht war es ja Jesus' Art mit seinen Mahnungen "tue was für die Mitmenschen" gegen das Schicksal zu kämpfen, egal ob er nun historisch war oder mythologisch ist.

bearbeitet von GermanHeretic
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Oder dachte Jesus, Glaube ist Leistung, die man erbringen müsse, je bekloppter, desto besser?

 

Kommt wirklich auf die Definition von Glauben an. Ein 'für wahr halten'? So wies Josef immer beschwört?

Oder eher ein Vertrauen? Eines, das in Beziehung zum himmlichen Vater lebt?

 

Dein Glaube hat Dir geholfen: Ich habe es für wahr / möglich gehalten, dass Du mich heilen kannst? Oder: Ich habe darauf vertraut, dass du das kannst?

 

Was er zu Deine Ritualchristen fragt? Vielleicht: Was traust Du mir zu?

 

Aber ohne diese Jesuskiste lautet das Evangelium nur mehr: Think Positive and Always Look on the Bright Side of Life.

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Der Glaube ist an der Zukunft orientiert und sagt: Sieh sie rosig, weil Gott sie garantiert.

 

(Das Heidentum sieht den Status quo und interpretiert ihn erstklassig. GH hat das gemacht und ich sage: Hut ab.)

Äh, nicht ganz. Erstklassig sind die ordnenden Prinzipien, die die Götter verkörpern und aus dem Chaos eine bewohnbare Welt machen. Letztere kannst Du gerne Status quo nennen. Die Veränderungen in der Welt unterliegen dem Schicksal, und da ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem abrahamitischen Monotheismus und dem europäisch-polytheistischen Heidentum: Im ersteren wird das Schicksal durch "Gott" bestimmt, im letzteren sind auch die Götter dem Schicksal unterworfen, bei den Germanen weit mehr als bei den Griechen.

 

Und ja, der Status quo als gegenwärtiger Zustand ist nun offensichtlich nicht so erstklassig, der Umgang damit äußert sich aufgrund obigen Unterschieds unterschiedlich. Der Christ glaubt an eine gute, von Gott garantierte Zukunft, sei sie auch nur jenseitig. Der Heide, der die Götter nicht für etwas hält, das den Status quo mal eben so ändern könnte, glaubt, sie wären im mythologischen Kampf gegen die Mächte des Chaos, und als Mensch hat man da gefälligst mitzukämpfen. Vielleicht war es ja Jesus' Art mit seinen Mahnungen "tue was für die Mitmenschen" gegen das Schicksal zu kämpfen, egal ob er nun historisch war oder mythologisch ist.

Und da fragt der Monotheist - so viel Zeit muss sein, die Monotheistin - was ist das Schicksal?

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Oder dachte Jesus, Glaube ist Leistung, die man erbringen müsse, je bekloppter, desto besser?

 

Kommt wirklich auf die Definition von Glauben an. Ein 'für wahr halten'? So wies Josef immer beschwört?

Oder eher ein Vertrauen? Eines, das in Beziehung zum himmlichen Vater lebt?

 

Dein Glaube hat Dir geholfen: Ich habe es für wahr / möglich gehalten, dass Du mich heilen kannst? Oder: Ich habe darauf vertraut, dass du das kannst?

 

Was er zu Deine Ritualchristen fragt? Vielleicht: Was traust Du mir zu?

 

Aber ohne diese Jesuskiste lautet das Evangelium nur mehr: Think Positive and Always Look on the Bright Side of Life.

 

One step back. Da ist einer, der will keine Kirche gründen, weder synodal noch episkopal. Da ist einer, der verkündet, dass man glauben soll, auf dem Fundament des Jesaja und des Jona: Heilsgewissheit und das Heil für alle und dass man das umsetzen soll in sein Leben. Er glaubt, dass alle glauben sollen und können und dass der Glaube heilt: Das war der Glaube des Herrn. Er glaubte nicht nur, er glaubte an alle (und für alle, aber das ist mein persönliches Dogma).

 

Glaubt, vertraut und ihr werdet heil sein. Glaube an sich, verstehst du, und das ist schwerer als Glaube daran, dass xyz uns erlösen wird plus Dogma plus Lehrmeinung plus Bekenntnis (schwörs, dass ihr Keines habt).

 

Nicht: Denk positiv, du schaffst das. Jesus dachte: Denk positiv, denn Gott macht das.

 

That´s the difference.

 

Ich bin Theologin, das heißt übersetzt: Ich bin nicht komplett bescheuert.

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Und da fragt der Monotheist - so viel Zeit muss sein, die Monotheistin - was ist das Schicksal?

Hört sich bei GH so an, als ob das Schicksal eine Art Übergott (wenn auch eher unpersönlicher Natur) sei. Keine Gottheit, sondern eben Gott. Sozusagen das Maß, der Lenker, der Hintergrundgeber für Gottheiten und Menschen und Tiere und die ganze Welt. Also auch wieder so eine Art Monotheismus. Nur dass dieser Gott eben was völlig anderes ist, als die ihm unterworfenen Gottheiten.

 

Auf diese Weise erspart man sich zunächst mal die Theodizeeproblematik. Bei einem unpersönlichen Gott ist die Frage, ob er gut oder böse oder fähig oder unfähig sei, natürlich sinnlos. Man kommt allerdings dann doch nicht an einer Wertung vorbei, ob man als Mensch diesen unpersönlichen Gott als gut oder schlecht ansieht. Bei der Formulierung dieser Einschätzung kommt man dann aber in Probleme. Wie soll man das unpersönlich ausdrücken, wenn jemand flapsig sagt "Das Schicksal meint es gut mit Egon" oder "Ein günstiges Schicksal" (wer erweist da Gunst oder Missgunst). Sobald man das Schicksal substanzialisiert, hat man schon den Grundstein für die Personalisierung gelegt. Irgendwie erinnert mich das alles an Schopenhauers Weltwille.

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Vielleicht war es ja Jesus' Art mit seinen Mahnungen "tue was für die Mitmenschen" gegen das Schicksal zu kämpfen, egal ob er nun historisch war oder mythologisch ist.

Alle Schriften des NT spiegeln ja in unterschiedlicher Gewichtung die Spannung wieder: Gottes Willen tun - Gott geschehen lassen.

In dem Spannungsfeld muß sich jeder Glaubende situieren - und zumeist tun wir das unserem Temperament nach.

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Oder dachte Jesus, Glaube ist Leistung, die man erbringen müsse, je bekloppter, desto besser?

 

 

Darf ich eine Zwischenfrage stellen?

 

Ich möchte dem nicht widersprechen, dennoch verstehe ich einige Stellen der Bibel nicht.

 

In Lukas 13,24 sagt Jesus:

"Das Tor zu Gottes neuer Welt ist schmal! Ihr müsst schon alles daransetzen, wenn ihr hineinkommen wollt. Viele versuchen es, aber nur wenigen wird es gelingen."

 

Das klingt für mich doch so, als wäre Glaube Leistung.

 

Wie ist das zu verstehen?

 

 

Edit: Ich komme gerade auf die Idee, dass man entweder durch Glaube oder durch Leistung gerettet wird. Oder sollen wir "alles an den Glauben setzen"? Doch warum gelingt das nur wenigen? Weil sie sich auf sich selbst verlassen und nicht auf Gott? Würde mich echt über eine aufschlussreiche Antwort freuen. :)

bearbeitet von iKath
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Äh, nicht ganz. Erstklassig sind die ordnenden Prinzipien, die die Götter verkörpern und aus dem Chaos eine bewohnbare Welt machen. Letztere kannst Du gerne Status quo nennen. Die Veränderungen in der Welt unterliegen dem Schicksal, und da ist ein wesentlicher Unterschied zwischen dem abrahamitischen Monotheismus und dem europäisch-polytheistischen Heidentum: Im ersteren wird das Schicksal durch "Gott" bestimmt, im letzteren sind auch die Götter dem Schicksal unterworfen, bei den Germanen weit mehr als bei den Griechen.

 

Auch nicht ganz - Der entscheidende Unterschied liegt schon in der Ausgangslage. Der status quo ante des Heidentums (so wie ich es bei dir verstehe) ist das Chaos, in das die Götter eingreifen und eine bewohnbare Welt schaffen. Diese Welt trennen die Götter vom Chaos, und das Chaos wirkt mehr oder weniger auf die Welt ein. Das Christentum (und wohl auch das Judentum) kennt die Schöpfung aus dem Nichts, da ist kein Chaos, das Gott erst beseitigen und zurückdrängen müsste, das jedoch die Welt mehr oder minder deutlich bedroht. Es steht die Aussage "und es war gut" am Anfang, und deshalb hoffen Christen darauf, dass es auch am Ende gut sein wird. Für "Schicksal" ist im Christentum wenig Platz.

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Und da fragt der Monotheist - so viel Zeit muss sein, die Monotheistin - was ist das Schicksal?

Hört sich bei GH so an, als ob das Schicksal eine Art Übergott (wenn auch eher unpersönlicher Natur) sei. Keine Gottheit, sondern eben Gott. Sozusagen das Maß, der Lenker, der Hintergrundgeber für Gottheiten und Menschen und Tiere und die ganze Welt. Also auch wieder so eine Art Monotheismus. Nur dass dieser Gott eben was völlig anderes ist, als die ihm unterworfenen Gottheiten.

Nein, das Schicksal als solches ist kein Gott, es ist kein Wesen, keine Entität, keine Person, hat keinen Willen. Die einzigen, die man noch Götter bezeichnen könnte, sind die, die das Sckicksal weben, die Moiren, Parzen oder Nornen. Aber da klaffen die Anischten arg auseinander.

Das Schicksal ist der Gesamtzustand des Universums, der durch die Handlungen ALLLER erzeugt wird. Alles wechselwirkt mit allem und jedem, jeder ist mit allem verbunden. Es ist kein steuerndes Organ sondern Result allen Handels und zugleich Wegbereiter zukünftiger Umstände, denen man sich nicht entziehen kann. Und das ist kein rein religiöses Geschwalle, das ist poetisch aufpolierte Physik. Die Reichweiten des Elektromagnetismus und der Schwerkraft sind unendlich, winzige Effekte haben große nichtlineare Auswirkungen (der Schmetterling in Peking sorgt mit dafür, ob es heute heute hier gewittert oder nicht - Chaostheorie) und man schaut in den Sternenhimmel und in der Andromedagalaxie erhält man eine quantenmechanische Verschränkung.

 

 

Auch nicht ganz - Der entscheidende Unterschied liegt schon in der Ausgangslage. Der status quo ante des Heidentums (so wie ich es bei dir verstehe) ist das Chaos, in das die Götter eingreifen und eine bewohnbare Welt schaffen. Diese Welt trennen die Götter vom Chaos, und das Chaos wirkt mehr oder weniger auf die Welt ein. Das Christentum (und wohl auch das Judentum) kennt die Schöpfung aus dem Nichts, da ist kein Chaos, das Gott erst beseitigen und zurückdrängen müsste, das jedoch die Welt mehr oder minder deutlich bedroht. Es steht die Aussage "und es war gut" am Anfang, und deshalb hoffen Christen darauf, dass es auch am Ende gut sein wird.

Auch nicht ganz (hey, der Strang wird immer detaillierter :) ) - es gibt das Chaos im Judentum auch, dort wird es Tohuwabohu genannt. Und ja, die kosmologische Ausgangssituation ist eine andere, im Prinzip ist es der Unterschied zw. Transzendenz und Immanenz. Das mag sich ja auch im Unterschied Glauben und Machen manifestieren.

 

Für "Schicksal" ist im Christentum wenig Platz.

Ja, meines Erachtens ein Kardinalfehler. Das ergibt 1., wie schon gesagt wurde, das Theodizeeproblem, und kann 2. zu einer üblen Frömmelei führen, wenn man den Obergott, den man ohnehin schon verehrt, für die alleinige Ursache allen Schicksals hält. (Wohingehend bestimmte heidnische Sichtweisen auf das Schicksal zu einem zu extremem Fatalismus führen können, das geht m.E. auch am Sinn der Konzeption vorbei.)

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Oder dachte Jesus, Glaube ist Leistung, die man erbringen müsse, je bekloppter, desto besser?

 

Kommt wirklich auf die Definition von Glauben an. Ein 'für wahr halten'? So wies Josef immer beschwört?

Oder eher ein Vertrauen? Eines, das in Beziehung zum himmlichen Vater lebt?

 

Dein Glaube hat Dir geholfen: Ich habe es für wahr / möglich gehalten, dass Du mich heilen kannst? Oder: Ich habe darauf vertraut, dass du das kannst?

 

Was er zu Deine Ritualchristen fragt? Vielleicht: Was traust Du mir zu?

 

Aber ohne diese Jesuskiste lautet das Evangelium nur mehr: Think Positive and Always Look on the Bright Side of Life.

 

One step back. Da ist einer, der will keine Kirche gründen, weder synodal noch episkopal. Da ist einer, der verkündet, dass man glauben soll, auf dem Fundament des Jesaja und des Jona: Heilsgewissheit und das Heil für alle und dass man das umsetzen soll in sein Leben. Er glaubt, dass alle glauben sollen und können und dass der Glaube heilt: Das war der Glaube des Herrn. Er glaubte nicht nur, er glaubte an alle (und für alle, aber das ist mein persönliches Dogma).

 

Glaubt, vertraut und ihr werdet heil sein. Glaube an sich, verstehst du, und das ist schwerer als Glaube daran, dass xyz uns erlösen wird plus Dogma plus Lehrmeinung plus Bekenntnis (schwörs, dass ihr Keines habt).

 

Nicht: Denk positiv, du schaffst das. Jesus dachte: Denk positiv, denn Gott macht das.

 

That´s the difference.

 

Ich bin Theologin, das heißt übersetzt: Ich bin nicht komplett bescheuert.

 

magst Du mir mal denken helfen, wo ist der bescheuerte difference unserer beiden Aussagen

 

ich: Aber ohne diese Jesuskiste lautet das Evangelium nur mehr: Think Positive and Always Look on the Bright Side of Life.

 

Du: Nicht: Denk positiv, du schaffst das. Jesus dachte: Denk positiv, denn Gott macht das.

 

Der Glaube Jesu, der Glaube an sich, den Du da ansprichst, ist das absolute und ausgesprochene Vertrauen in seinen Vater im Himmel. Es ist kein ritualisierter Glaube, aber hier hast Du Recht, kein Glaube, der Rituale aus sich heraus verbietet. Aber es ist kein delegierter Glaube, sondern ein persönlicher Glaube.

 

Sei froh, wenn Deine Ritualchristen in Deiner Gemeinde so nannyogg-kompatibel sind. Vielleicht glauben sie was Du ihnen verkündest, Du glaubst für sie stellvertretend mit. Kompetent genug bist Du, schliesslich bist Du Theologin.

 

Aber die kath. Durchschnittsgemeinde delegiert ihren Glauben an den Pfarrer. Und der glaubt halt nicht nannyogg-kompatibel, sondern dass er das Vermittler zwischen Gemeinde und Gott ist. Und dann entscheidet halt der PGR, dass es ihm wurscht ist, was geschieht, Hauptsache der Pfarrer ist zufrieden und glaubt weiter für sie. Da bleiben dann einige ganz bös auf der Strecke. Im besten Fall suchen die sich eine andere kath. Gemeinde mit einem anderen Pfarrer.

 

Sich dem Vater im Himmel als einzige Rettung zuzuwenden, das war der Glaube Jesu. Er ruft uns auf, hier nachzufolgen, es ist ein Glaube, der am Kreuz auch noch trägt.

 

Mach das nicht platt, er ist dafür gestorben.

bearbeitet von Higgs Boson
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"Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe; kehrt um und glaubt an das Evangelium" - ......

Ich habe schon anderswo geschrieben, dass ich mich derzeit intensiv mit Dietrich Bonhoeffer beschäftige.

Und der schreibt:

Und da Jesus vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach. (Mk 2,14).

 

Der Ruf ergeht, und ohne jede weitere Vermittlung folgt die gehorsame Tat des Gerufenen. Die Antwort des Jüngers ist nicht ein gesprochenes Bekenntnis des Glaubens an Jesus sondern das gehorsame Tun..(Hervorhebung von mir)

Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge. Heraugegeben von Martin Kuske(+) und Ilse Tödt. Gütersloher Taschenbücher 455, 45.

 

Vielleicht liegt darin ein Stück Antwort, was Jesus unter Glauben meint. Der Glaube prüft sich daran, ob er zur Nachfolge führt.

bearbeitet von Der Geist
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Auch nicht ganz - Der entscheidende Unterschied liegt schon in der Ausgangslage. Der status quo ante des Heidentums (so wie ich es bei dir verstehe) ist das Chaos, in das die Götter eingreifen und eine bewohnbare Welt schaffen. Diese Welt trennen die Götter vom Chaos, und das Chaos wirkt mehr oder weniger auf die Welt ein. Das Christentum (und wohl auch das Judentum) kennt die Schöpfung aus dem Nichts, da ist kein Chaos, das Gott erst beseitigen und zurückdrängen müsste, das jedoch die Welt mehr oder minder deutlich bedroht. Es steht die Aussage "und es war gut" am Anfang, und deshalb hoffen Christen darauf, dass es auch am Ende gut sein wird.

Auch nicht ganz (hey, der Strang wird immer detaillierter :) ) - es gibt das Chaos im Judentum auch, dort wird es Tohuwabohu genannt. Und ja, die kosmologische Ausgangssituation ist eine andere, im Prinzip ist es der Unterschied zw. Transzendenz und Immanenz. Das mag sich ja auch im Unterschied Glauben und Machen manifestieren.

 

Wobei das Tohuwabohu erst nach der Schöpfung da ist und nicht im Schöpfungsakt verdrängt wird. Tohuwabohu ist das ungeordnete, aber es zeigt keine Spuren des bedrohlichen. Die christlich-jüdische Welt steht nicht in der Gefahr, dass das Tohuwabohu unterschwellig weiter wirkt.

 

Für "Schicksal" ist im Christentum wenig Platz.

Ja, meines Erachtens ein Kardinalfehler. Das ergibt 1., wie schon gesagt wurde, das Theodizeeproblem, und kann 2. zu einer üblen Frömmelei führen, wenn man den Obergott, den man ohnehin schon verehrt, für die alleinige Ursache allen Schicksals hält. (Wohingehend bestimmte heidnische Sichtweisen auf das Schicksal zu einem zu extremem Fatalismus führen können, das geht m.E. auch am Sinn der Konzeption vorbei.)

 

Das Theodizeeproblem ergibt sich, keine Frage.

 

Und zweifelsohne gibt es lange Traditionen im Christentum·, die Gott an die Stelle des Schicksals setzen, der in die Welt eingreifend Gutes und Schlechtes schickt, um die Menschen zu prüfen. Dies hat seine Ursache nach meinem Dafürhalten jedoch in einem unklaren Transzendenz-Immanenz Konzept, nicht in der christlichen Lehre als solcher.

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Long John Silver

Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

Nichts leichter als das. Man nennt es "Realitätsverlust".

 

Du genau lesen, Marcellinus. Es geht um die Zukunft. Der Glaube Jesu impliziert eine Hoffnung für das Diesseits und das Jenseits und schließt jede Form von: "Wir sind alle dem Untergang geweiht" aus.

 

Es geht um eine Perspektive, die sich aus Hoffnung und daraus resultierendem Engagement speist. Diese Perspektive sagt: "Die Zukunft ist rosig, weil Gott sie garantiert. Jede Form von Engagement in dieser Richtung ist sinnvoll und gewinnbringend. Wir haben schon gewonnen, aber wir komplettieren das Ergebnis, indem wir noch ein paar Zusatzrtore schießen, weil es so schön ist (Fußballersprache)".

 

Ja.

 

Denn:

Jesaja 38,17: Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, daß sie nicht verdürbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück.

 

Ich denke, dass das auch den Glauben von Jesus bezeichnet, dieses radikale Gottvertrauen.

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Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

Nichts leichter als das. Man nennt es "Realitätsverlust".

Nein. Hoffnung und Zuversicht. Beides sehr real.

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Irgendwie denke ich, das ssowohl "für-wahr-halten" als auch Vertrauen zutreffen. Ich vertraue jemandem ja auch, weil ich das,was er sagt, für wahr halte. Insofern schließt sich das einander ja nciht aus.

Ob ich persönlich an Gott / Jesus/... glaube, ist meine eigene Entscheidung. Die Erlösung besteht aber schon auch darin, dass Jesus intensiv mit und für uns geglaubt hat. Noch eher: darin, dass Gott an uns glaubt,so sehr, dass er selbst in Jesus Mensch geworden ist.

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Mein Idealbild, nach dem ich strebe, sieht so aus, dass wirklich alles geschehen könnte, ohne dass ich in ein Glaubenstief gerate. Wenn selbst größere und wirklich schlimme Katastrophen mich nicht davon abhalten, an die Nähe des Gottesreiches und das gute Ende (Himmel) zu glauben.

Nichts leichter als das. Man nennt es "Realitätsverlust".

Nein. Hoffnung und Zuversicht. Beides sehr real.

Ja, Wunschdenken, wobei der Wunsch sicher real ist, seine Realisierung dagegen ein bloßer Wunsch. Nicht wirklich überzeugend - zumindest nicht für mich.

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Wobei das Tohuwabohu erst nach der Schöpfung da ist und nicht im Schöpfungsakt verdrängt wird. Tohuwabohu ist das ungeordnete, aber es zeigt keine Spuren des bedrohlichen. Die christlich-jüdische Welt steht nicht in der Gefahr, dass das Tohuwabohu unterschwellig weiter wirkt.

Ich denke mal, daß das Tohuwabohu ein Überbleibsel aus der vormonotheistischen Zeit ist.

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Ich habe schon anderswo geschrieben, dass ich mich derzeit intensiv mit Dietrich Bonhoeffer beschäftige.

Und der schreibt:

Und da Jesus vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach. (Mk 2,14).

 

Der Ruf ergeht, und ohne jede weitere Vermittlung folgt die gehorsame Tat des Gerufenen. Die Antwort des Jüngers ist nicht ein gesprochenes Bekenntnis des Glaubens an Jesus sondern das gehorsame Tun..(Hervorhebung von mir)

Dietrich Bonhoeffer, Nachfolge. Heraugegeben von Martin Kuske(+) und Ilse Tödt. Gütersloher Taschenbücher 455, 45.

 

Vielleicht liegt darin ein Stück Antwort, was Jesus unter Glauben meint. Der Glaube prüft sich daran, ob er zur Nachfolge führt.

 

Wenn ich mich richtig erinnere, so ist es vor allem das Johannesevangelium, in dem der Autor großen Wert auf den Glauben legt. Bei Markus finden wir eher Aussagen wie "Dein Glauben hat Dir geholfen" o. ä. Soweit ich weiß, ist es im Christentum ein seit fast 2.000 Jahren andauernder Streit, ob es nun mehr der Glauben, die Werke (Nachfolge) oder die Gnade oder etwas anderes ist, was zum Heil führt. Da ist es ein praktischer Kompromiss, zu sagen, dass der "richtige Glauben" zu Werken oder Tun führt, und das ein Glauben, der nicht zu Handlungen führt, im Grunde genommen tot ist, oder zumindest von geringerem oder geringen Wert. Und Glauben, wie ich schom mehrfach sagte, hat selbst wieder viele Bedeutungen: Vom bloßen Führwahrhalten eines Sachverhalts, dem Vertrauen in eine Person bis hin zur Gehorsamkeit.

 

Die Evangelien verraten nicht, was Jesus sagte, sondern vielmehr, was der Evangelist darüber gedacht hat. Da jeder einen anderen Schwerpunkt hatte, finden wir also nicht "die" Einstellung von Jesus, sondern die der Evangelisten, also verschiedene. Plus diverser subtiler theologischer Einflüsse.

 

Glauben kann unter bestimmten Umständen die Handlungen von Menschen tief beeinflussen. Es gibt aber auch Glauben, der wenig oder keinen Einfluss auf die Handlungen hat. So kann man fest überzeugt sein (= glauben), das Nächstenliebe wichtig ist, vielleicht das Wichtigste in der Welt - aber trotzdem nicht so handeln. Sei es, weil man sich für zu schwach hält, oder weil man dann nicht die Vorteile bekommt, die man haben möchte, sei es, weil das Temperament gerade wieder mit einem durchgeht, oder weil es ohnehin nicht der persönlichen Grundstruktur entspricht etc. pp. Gründe gibt es immer viele, und individuell unterschiedliche.

 

Wenn ich zwei Arten von Glauben gleichzeitig habe, nämlich etwa, das Nächstenliebe ungeheuer wichtig ist, ich aber zugleich glaube, dass ich zu schwach bin, das immer auszudrücken - was wird dann vom ersten Glauben in den Handlungen übrig bleiben? So gut wie nichts. Der Glauben an die eigenen Fähigkeiten oder Unfähigkeiten triumphiert bei der Umsetzung fast immer über jede andere Art der Überzeugung. Das kann fast nur in Extremsituationen und/oder wenn man keine andere Wahl hat, manchmal aufgehoben werden. Glaube, das Spinnen in Europa völlig harmlos sind, aber glaube gleichzeitig - durch Erfahrung - das Spinnen Panikattacken auslösen, dann wird die Panikattacke den ersten Glauben wie ein Kartenhaus hinwegfegen. Oder Glaube, das Nächstenliebe das Wichtigste in der Welt ist, aber glaube gleichzeitig - durch Erfahrung - das Dein Temperament ein anderes ist, so wird gegen den zweiten Glauben der erste quasi nicht die geringste Chance haben. Natürlich spielen noch andere Faktoren eine Rolle, wenn man in einem entspannten Zustand ist, werden die Reaktionen nicht so heftig ausfallen als wenn man gestresst ist. Aber religiöser Glauben spielt in einer anderen Liga als der Glauben an die eigene Person, und wenn der vom Abstieg aus der dritten Liga bedrohte religiöse Glauben auf den Erstligisten Glaube an die eigene Persönlichkeit trifft, kann man sich ausrechnen, wie schlecht die Chancen stehen. Oder wie gut, das man letztlich doch so handelt, als ob es keinen religiösen Glauben gäbe. Alles, was dann übrig bleibt, ist vielleicht ein bisschen ein schlechtes Gewissen, das man schon wieder versagt hat, oder eine Vielzahl an Rationalisierungen (= vernünftig klingenden Ausreden), warum es diesmal nicht geklappt hat oder gar falsch gewesen wäre. Ich wette, jeder Gläubige kennt das aus eigener Erfahrung nur zu gut. Nachgedacht haben darüber bislang aber nur wenige, weil man dazu spezifische Kenntnisse aus der Psychologie braucht, um den richtigen Hebel zu finden, an dem man ansetzen kann.

 

Wenn man sein leben ändern wollte, müsste man an ganz anderen Dingen ansetzen als einem religiösen Glauben. Für die Mehrheit - also nicht für alle - ist der religiöse Glauben zur Lebensbewältigung quasi wirkungslos. Jesus sagte "Dein Glauben hat Dir geholfen", ich aber sage Euch: "Der religiöse Glauben ist genau das, was Dir gerade eben nicht geholfen hat". Deswegen finden wir im Verhalten relativ wenig Unterschiede zwischen Christen und Nichtchristen. Wir finden nur - manchmal überraschende - Unterschiede in den Einstellungen zum Leben.

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Dingen hilft eine rein positive Einstellung zum Leben auch nicht beim Leben. Heute wie vor 100 Jahren verbreiten immer noch Selbsthilfegurus das Märchen vom positiven Denken. Ich kenne etwa drei Dutzend wissenschaftlicher Projekte zur Erforschung des positiven Denkens, und keines davon hat irgendwelche Vorteile gegenüber anderen Haltungen zeigen können, meist eher im Gegenteil. Positives Denken ist eine Möglichkeit, negativen Einfluss auf die eigene Lebensgestaltung zu nehmen. Natürlich, rein negatives Denken ist noch verheerender, aber das ist ja nicht die Alternative. Nur die Extreme zu vergleichen ist Zeichen eines beschränkten Verstands. Es ist wie so oft, eine Balance zwischen den Extremen, deren Einstellung abhängig ist von den persönlichen Erfahrungen und der augenblicklichen Situation, die also auch jeweils anders aussehen kann, die es ausmacht - zusammen mit etwas, was man als Realitätssinn bezeichnet. Also die Fähigkeit, sich auf gegebene Reaklitäten einzustellen.

 

Daher ist auch der christliche Glauben an eine "positive Zukunft" ziemlich nutzlos. Ja, die ganze Zukunft mag ja schön und rosig sein, aber das gibt mir nicht die Fähigkeit, mit der augenblicklichen Sch... fertig zu werden. Christen versprechen sich von der positiven Grundhaltung zur Zukunft Dinge, die diese Haltung nicht erfüllen kann.

 

Viele glückliche Menschen sind verhaltene Pessimisten: Es sind Menschen, die immer auch damit rechnen, dass ihre Pläne schiefgehen. Aber nur, um daraus den Antrieb abzuleiten, einen alternativen Plan B in der Tasche zu haben, für den Fall, dass es nicht gut läuft. Dann kann der Zweifel nicht nagen. Sehr häufig ist der Zweifel Dein Freund: Er hilft, sich nicht auf ein Auskommen eines Ereignisses zu versteifen, um dann in eine schwierige Situation zu geraten, wenn es doch anders kommt. Es wird immer so getan, als ob der positive Ausblick des Christentums ein Vorzug sei - Generationen von Irrtümern über das positive Denken haben das noch beflügelt. Aber es handelt sich nicht um einen Vorteil, bestenfalls ist es völlig neutral. Und wer denkt, das sich letztlich doch alles wie von selbst zum Positiven wendet, ist ein Mensch ohne Lebenserfahrung - oder eine glückliche Ausnahme.

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Man kann es auch kurz sagen: Glaube, Liebe und Hoffnung sind sehr stark überschätzte Konzepte. Ihr praktischer Nutzen für das eigene Leben ist eher gering bis sehr gering.

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Soweit ich weiß, ist es im Christentum ein seit fast 2.000 Jahren andauernder Streit, ob es nun mehr der Glauben, die Werke (Nachfolge) oder die Gnade oder etwas anderes ist, was zum Heil führt.

 

Das ist die übliche Seite der Halbwahrheit...wirklich in die Debatte kam diese Frage mit Martin Luther, wobei seine "Sola fide" und "sola gratia" Aussage lediglich durch Missverständnisse in eine Ablehnung der Werke umgedeutet wurde. Was Luther ablehnte waren nicht die Werke nim Gegenteil er betonte dass der rechte Glaube per se zu den Werken führe, sondern die Werkgerechtigkeit also die Annahme dass man sich die Gnade mit guten Werken praktisch erkaufen könne.

 

Ansonsten hat die Antwort in einem selbst für diesen User bemerkenswerten Ausmaß nichts mit dem Thema zu tun sondern ist wortreicher Ausdruck glaubensmäßiger Ahnungslosigkeit.

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