Franziskaner Geschrieben 25. November 2012 Melden Share Geschrieben 25. November 2012 (bearbeitet) Gerade habe ich ein in vieler Hinsicht interessantes Buch von Hubertus Halbfas mit dem Titel "Glaubensverlust" gelesen. Das fängt ganz normal mit einigen vernünftigen Anfragen an kirchlichen Sprachstil, autoritäre Strukuren und Realitätsverweigerung an. Dabei fordert er eine Rückbesinnung auf den seiner Ansicht nach historischen Jesus. Dann kommt ein knappes Kapitel, in dem er im Duktus wissenschaftlicher Unfehlbarkeit erklärt, dass der Glaube an Gott sich angesichts heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und des Leides in der Welt nicht mehr vertreten lasse, und deshalb Bittgebete aus den Gottesdiensten zu verschwinden haben. Dass Jesus an Gott geglaubt hat, erklärt er mit dessen Eingebundenheit in ein vormodernes, mythologisches Denken. Also wirklich erstaunliche Thesen für jemanden, der, aus welchen Gründen auch immer, den "christlichen Glauben" reformieren und retten möchte. Aber darum geht´s mir hier nicht. Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei (weshalb die kirchliche Eucharistiefeier an eine offene Mahlfeier in der Tradition der Gastmähler Jesu vor der Passion anzugleichen sei). Und hierzu meine Frage: weiß jemand, worauf Halbfas sich dabei stützt? Er selber bietet da weder Quellen noch Argumente jenseits einiger dürrer Pauschalbehauptungen; behauptet aber, das sei allgemeiner Konsens bei historisch-textkritischen Bibelforschern. Ich wäre für Antworten mit Literaturangaben sehr dankbar. Die Frage interessiert mich wirklich. (Eine Diskussion über Halbfas´Thesen möchte ich aber vermeiden. Das passiert in den anderen Threads schon zur Genüge.) bearbeitet 25. November 2012 von Franziskaner 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 25. November 2012 Melden Share Geschrieben 25. November 2012 (bearbeitet) Eine Literaturangabe kann ich nicht bieten, vermutlich wirst du keine finden, die Halbfas' These belegt. Das hat zwingende methodische Gründe. Denn wenn es sich so verhalten sollte, daß der Bericht über das Letzte Abendmahl von Paulus in das NT eingefügt wurde, besagt dies über die Wahrheit dieses Berichts nichts. Die Aussge, daß das Letzte Abendmahl nicht stattgefunden habe, läßt sich auf exegetischem Weg überhaupt nicht belegen (wie übrigens auch das Gegenteil nicht). Ebensowenig, daß gerade Paulus dieses Ereignis erfunden hätte. - (Ich frage mich allerdings, warum Halbfas dann auf halbem Weg stehenbleibt und nur die Bittgebete abschaffen will. Wenn man die Existenz Gottes für einen Mythos hält, ist doch jeder Gottesdienst Mumpitz. ) bearbeitet 25. November 2012 von kam 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alfons Geschrieben 25. November 2012 Melden Share Geschrieben 25. November 2012 Die Frage ist nicht aus der Lameng zu beantworten. Im Urchristentum wurde das Abendmahl auf sehr verschiedene Arten gefeiert. Halbfas stützt sich da vielleicht auf die These von Lietzmann ("Messe und Herrenmahl", 1926), nach der Paulus das Abendmahl neu begründet habe. Diese These wird in der neueren Forschung weitgehend verworfen. Kannst du vielleicht den Passus bei Halbfas, den zu meinst, wenn du resümierst: "Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei", genau zitieren? Vielleicht kommen wir dann einfacher weiter. Alfons Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
josef Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Lieber Franziskaner, ... Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei (weshalb die kirchliche Eucharistiefeier an eine offene Mahlfeier in der Tradition der Gastmähler Jesu vor der Passion anzugleichen sei). Und hierzu meine Frage: weiß jemand, worauf Halbfas sich dabei stützt? Er selber bietet da weder Quellen noch Argumente jenseits einiger dürrer Pauschalbehauptungen; behauptet aber, das sei allgemeiner Konsens bei historisch-textkritischen Bibelforschern. Halbfas' Denken scheitert an der irrigen Überzeugung, Plausibilität sei Beweis für Wahrheit - eine Überzeugung die das das Denken des 19. Jahrhunderts beherrscht hat, . Daran sind auch Schweizer und Bultmann gescheitert. Daß das Denken der historisch-kritischen Exegeten im 19. Jahrhundert steckengeblieben ist, kann man an am Ignorieren der Erkenntnisse des Kritischen Rationalismus ersehen: # Alle Behauptungen bedürfen der Beweise - hier der eindeutigen Belege aus Originalquellen. # Weder logische Konsistenz noch Wahrscheinlichkeit, weder Konsens noch Plausibilität garantieren die Wahrheit einer Behauptung. Hieb-und stichfeste Beweise für seine Behauptungen hat Halbfas folglich keine. Er ersetzt sie durch Erklärungen die ihm und einigen Exegeten als plausibel erscheinen. Der ernsthafte Christ wird seinen Beistand, Berater und Lehrer den HEILIGEN GEIST GOTTES um Auskunft bitten was an Halbfas' Thesen wahr ist und was nicht. Der HEILIGE GEIST gibt die Antwort: "Gar nichts an Halbfas Rede ist wahr. Er ist im Irrtum". Auch die Vernunft wird die historisch-kritische Exegese als unhaltbar verwerfen: Wir verfügen nur über Kopien von Kopien der originalen Heiligen Schrift. Was da wahr und unverfälscht ist, weiß nur der HEILIGE GEIST - und Christen die IHN um Aufklärung bitten. Sonst weiß es niemand. Halbfas' Irrtümer liefern einen weiteren Beweis wie wichtig das Charisma der Unfehlbarkeit ist die CHRISTUS dem Petrus und seinen Nachfolgern den Päpsten gewährt. Der HEILIGE GEIST GOTTES lässt den Papst im Katechismus der Katholischen Kirche zum Thema verkünden: Art.890 Die Sendung des Lehramtes ist mit dem endgültigen Charakter des Bundes verknüpft, den GOTT in CHRISTUS mit SEINEM Volk geschlossen hat. Das Lehramt muß das Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche schützen und ihm die objektive Möglichkeit gewährleisten, den ursprünglichen Glauben irrtumsfrei zu bekennen. Der pastorale Auftrag des Lehramtes ist es, zu wachen, daß das GOTTESvolk in der befreienden Wahrheit bleibt. Zur Erfüllung dieses Dienstes hat CHRISTUS den Hirten das Charisma der Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Sitten verliehen. Dieses Charisma kann auf verschiedene Weisen ausgeübt werden: Gruß josef Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
josef Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 (bearbeitet) Lieber Franziskaner, Gerade habe ich ein in vieler Hinsicht interessantes Buch von Hubertus Halbfas mit dem Titel "Glaubensverlust" gelesen. ... Dann kommt ein knappes Kapitel, in dem er im Duktus wissenschaftlicher Unfehlbarkeit erklärt, dass der Glaube an Gott sich angesichts heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und des Leides in der Welt nicht mehr vertreten lasse, und deshalb Bittgebete aus den Gottesdiensten zu verschwinden haben. Dass Jesus an Gott geglaubt hat, erklärt er mit dessen Eingebundenheit in ein vormodernes, mythologisches Denken. Die Vernunft stellt fest: Wo naturwissenschaftliche Erkenntnis endet, beginnen die Offenbarungen GOTTES, Mensch geworden in der Person JESU CHRISTI. Das Umgekehrte gilt genauso: Die Offenbarungen GOTTES über GOTT, den Menschen und die Welt, haben nicht die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema. Folglich ist es ein übler Denkfehler, naturwissenschaftliche Erkenntnisse über die Offenbarungen GOTTES urteilen zu lassen. Welche denn auch? ...des Leides in der Welt nicht mehr vertreten lasse. Das Leid der Menschen kommt aus dem Mißbrauch der Willensfreiheit die sich in gewissenlosen, unvernünftigen und unverständigen Übeltaten und im Verweigern der Hilfe durch gute Taten manifestiert. ...und deshalb Bittgebete aus den Gottesdiensten zu verschwinden haben. Bittgebete richten sich immer an den HEILIGEN GEIST GOTTES - der Person in der GOTT hier und heute anwesend ist. Der HEILIGE GEIST ist - wie uns JESUS offenbart - unser Beistand Ratgeber und Lehrer. ER gibt dem Menschen und der Gemeinschaft der Menschen Beistand und Rat zur Selbsthilfe. Den Bittstellern ist klarzumachen daß der HEILIGE GEIST eben nicht die materielle Hilfe gibt. Der Mensch und die Menschheit helfen sich mit dem Beistand des HEILIGEN GEISTES selbst. ... Dass Jesus an Gott geglaubt hat, erklärt er mit dessen Eingebundenheit in ein vormodernes, mythologisches Denken. Dafür gibt es in den Evangelien nicht den Hauch eines Beweises. Vielmehr gibt es eine Menge Beweise daß JESUS göttlich-übernatürliche Fähigkeiten besessen hat: Matthäus 11,2-6 ·2 Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken CHRISTI hörte, sandte er seine Jünger ·3 und ließ IHN fragen: Bist DU es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten? ·4 JESUS antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: ·5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt; ·6 und selig ist, wer sich nicht an MIR ärgert. Gruß josef bearbeitet 26. November 2012 von josef Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 26. November 2012 Autor Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Lieber Josef, ich hatte ja ausdrücklich gesagt, dass ich Halbfas Thesen nicht diskutieren möchte. Dazu sind sie auch zu umfassend und greifen so ziemlich Punkt dessen an, was Grundüberzeugung der meisten Christen ist. Ich finde es in dieser geballten Konsequenz (es ist ein nicht so dickes Taschenbuch) auch eher tragisch als verwerflich. Da ist ein Mensch, dem die Kirche offensichtlich viel bedeutet, der aber christliche Glaubensüberzeugungen noch nicht mal in den fundamentalen Eckpunkten mehr teilen kann und an diesem Widerspruch sehr leidet. Es geht mir hier im Thread wirklich nur um die Lage des heutigen Diskureses bezüglich des letzten Abendmahls. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 26. November 2012 Autor Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Die Frage ist nicht aus der Lameng zu beantworten. Im Urchristentum wurde das Abendmahl auf sehr verschiedene Arten gefeiert. Halbfas stützt sich da vielleicht auf die These von Lietzmann ("Messe und Herrenmahl", 1926), nach der Paulus das Abendmahl neu begründet habe. Diese These wird in der neueren Forschung weitgehend verworfen. Kannst du vielleicht den Passus bei Halbfas, den zu meinst, wenn du resümierst: "Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei", genau zitieren? Vielleicht kommen wir dann einfacher weiter. Alfons Lieber Alfons, mal sehen, ob ich heute dazu komme, ausführlichere Zitate zu bringen. (Es wird wohl angesichts meiner Aufgaben in dieser Woche eher ein "Slow-Thread") Ich hoffe, dass das Thema nicht mit Off-Topics zugemüllt wird, und würde mich über Deine weitere Beteiligung sehr freuen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alfons Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Die Frage ist nicht aus der Lameng zu beantworten. Im Urchristentum wurde das Abendmahl auf sehr verschiedene Arten gefeiert. Halbfas stützt sich da vielleicht auf die These von Lietzmann ("Messe und Herrenmahl", 1926), nach der Paulus das Abendmahl neu begründet habe. Diese These wird in der neueren Forschung weitgehend verworfen. Kannst du vielleicht den Passus bei Halbfas, den zu meinst, wenn du resümierst: "Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei", genau zitieren? Vielleicht kommen wir dann einfacher weiter. Alfons Lieber Alfons, mal sehen, ob ich heute dazu komme, ausführlichere Zitate zu bringen. (Es wird wohl angesichts meiner Aufgaben in dieser Woche eher ein "Slow-Thread") Ich hoffe, dass das Thema nicht mit Off-Topics zugemüllt wird, und würde mich über Deine weitere Beteiligung sehr freuen. Lass mal, ich habe inzwischen selber nachgeschaut; das Buch "Glaubensverlust" von Halbfas habe ich vor einiger Zeit gelesen, und wenn ich mich recht erinnere, sind mir darin spontan keine Widersprüche zum aktuellen Stand der Forschung aufgefallen. Du meinst Kapitel 5 "Unerkannter Austausch", S. 39 bis 46, und eventuell noch aus dem Kapitel 12, "Wege aus der Sackgasse" den Abschnitt zum Abendmahl, S. 115-118, ja? Alfons Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Mat Geschrieben 26. November 2012 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Die Frage ist nicht aus der Lameng zu beantworten. Im Urchristentum wurde das Abendmahl auf sehr verschiedene Arten gefeiert. Halbfas stützt sich da vielleicht auf die These von Lietzmann ("Messe und Herrenmahl", 1926), nach der Paulus das Abendmahl neu begründet habe. Diese These wird in der neueren Forschung weitgehend verworfen. Kannst du vielleicht den Passus bei Halbfas, den zu meinst, wenn du resümierst: "Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei", genau zitieren? Vielleicht kommen wir dann einfacher weiter. Alfons Lieber Alfons, mal sehen, ob ich heute dazu komme, ausführlichere Zitate zu bringen. (Es wird wohl angesichts meiner Aufgaben in dieser Woche eher ein "Slow-Thread") Ich hoffe, dass das Thema nicht mit Off-Topics zugemüllt wird, und würde mich über Deine weitere Beteiligung sehr freuen. Ich kann mich da nur Alfons anschließen. Vielleicht noch ein paar Überlegungen zu den Hintergründen der Diskussion: Die ganze Frage dreht sich ja darum, dass 1 Kor 11 die die älteste Schilderung des Abendmahles enthält. Außerdem ist zu beobachten, dass es im wesentlichen zwei Versionen des Abendmahles gibt. Die eine bietet neben 1 Kor 11 noch LK und die Andere bieten MT und MK. Das ist insofern interessant, weil man rein zeitlich von folgendem Zusammenhang ausgehen muss 1 Kor 11 => LK und MK => MT. Während also der zeitlich in etwa parallel entstandene MT sich auf die Vorlage aus MK bezieht (die LK im übrigen ja sonst auch sehr weitgehend benutzt), weicht LK hier ab und bezieht sich auf eine andere Quelle, die sich auch bei Paulus findet ä- vermutlich weil MT diese Variante geläufiger ist, als die des MK. Allerdings muss man hier aber auch betonen, dass die Unterschiede zwischen diesen beiden Versionen nicht so groß sind, dass man hier von unterschiedlichen Schilderungen ausgehen kann, sondern eher von Varianten, die wohl irgendwie auf derselben (mündlichen?) Quelle beruhen. Allgemein wird das Ganze heute so interpretiert, dass das Abendmahl sehr früh eine feste liturgische Form erreicht hat, die sowohl Paulus als auch die Evangelisten kannten. In Anlehnung an diese Form entstehen die Varianten der Abendmahlsschilderung Jesu. Man kann nun einen Schritt weitergehen und sagen: wenn schon Paulus (20-30 Jahre nach Jesu Tod) hier offensichtlich eine feststehende Liturgie zitiert, dann muss sich diese zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Urchristentums geformt haben. Man ist hier dann ganz nahe am Abendmahl und es liegt ziemlich nahe, daraus zu schließen, dass die Urform dieser Liturgie bis zu einem historischen Abendmahl zurückreicht. D.h. es geht hier um ein identitätsstiftendes emotional tief prägendes Ereignis, das die Jünger in die werdende christliche Glaubensgemeinschgaft einbringen und das durch diesen prägenden Ursprung auch sehr schnell eine feste Form findet. Und wenn dies so ist, dann liegt es nahe, dass in den Überlieferungen des Abendmahls ein großer historischer Kern enthalten ist und dass diese Überlieferungen das früheste Schriftzeugnis über das Leben des historischen Jesus sind. Die von Dir zitierte These, das Abendmahl sei eine Erfindung des Paulus, folgt in vielem dem oben skizzierten Modell. Auch hier ist Paulus die früheste Überlieferung, auf der alle anderen Überlieferungen fußen. Jetz das Aber: dieses Modell bezweifelt, dass es eine Tradition vor Paulus gibt. 1 Kor. wäre demnach ein Zeugnis für die Liturgie, die Paulus seinen Gemeinden verordnet hat und die dann von der synoptischen Tradition übernommen wurde. M.E. erklärt diese Argumentation nicht, warum es bei MK eine eigene Variante des Abendmahles gibt. Hier scheint es irgendwie ein Bild zu geben, als sei Paulus so etwas wie der erste Papst der Kirche gewesen, der seine theologischen Vorstellungen allen anderen verordnen könne. Paulus war sicher ein wichtige Stimme innerhalb der Urkirche, aber er repräsentiert nur eine Strömung unter mehreren und man kann nicht sagen, er sei der Mainstream gewesen (so etwas hat es zu diesem Zeitpunkt aus verschiedenen Gründen sicher nicht gegeben). Fazit: Ob die Abendmahlsschilderungen etwas Historisches enthalten, ist sicher letztendlich nicht zu klären. Sehr wahrscheinlich ist es aber, dass sowohl Paulus als auch MK auf eine ältere Tradition zurückgreifen. Die These einer Erfindung des Abendmahls durch Paulus halte ich für kaum begründbar. 8 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alfons Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Hi, Mat, Danke! Du nimmst mir gerade die Arbeit ab... Dass Paulus das letzte Abendmahl erfunden habe, steht auch bei Halbfas nicht zu lesen. Im Gegenteil: "Es ist unstrittig, dass Paulus in seiner Deutung des >Herrenmahls< eine Tradition übernahm, die bereits vor ihm in der Gemeinde von Korinth bestand." (Halbfas, S. 42). Was Halbfas postuliert, ohne dafür Belege und Quellen zu nennen, ist ein Unterschied zwischen den Tischgemeinschaften Jesu und der schon sehr frühen Gedächtnispraxis in der Urgemeinde, die diese Tischgemeinschaften als Kultritual aufnahm. Er bezweifelt also, dass "sich dieses letzte Mahl als >eucharistisches Vermächtnis< von den anderen Tischgemeinschaften Jesu abgehoben hat" (S.40) Sein Kernsatz: "Was hier als Tradition überliefert wird, spiegelt die kultische Entwicklung nach Jesu Tod, gibt aber nicht die Situation zur Zeit Jesu wieder." (ebd.) Das halte ich spontan für einleuchtend, aber Erleuchtungen sind in der Wissenschaft keine Argumente - ich schaue also mal, wenn ich etwas mehr Zeit habe, nach, was die Exegese dazu sagt. Alfons Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 26. November 2012 Autor Melden Share Geschrieben 26. November 2012 (bearbeitet) Genau, eben diese Stelle auf S. 40 meinte ich. Wenn man etwas ausführlicher zitiert, wird es noch deutlicher: "Natürlich erwies sich rückblickend eine der vielen Tischgemeinschaften Jesu als die letzte, aber dass sich dieses letzte Mahl als "eucharistisches Vermächtnis" von den anderen Tischgemeinschaften Jesu abgehoben hat, um der Nachwelt ein gültiges Kultritual zu werden, ist nicht anzunehmen." Die Zuschreibung an Paulus erfolgt dann auf der folgenden Seite: "Aber schon bald nach seinem Tod fand in den Gemeinden der hellenistischen Städte eine spezifische Einschnürung und Umdeutung statt. Mit seiner Verknüpfung von Mahl und Tod nahm Paulus dem Mahl seine symbolische Anschaulichkeit." Er nimmt dieses Fazit als gesicherte Tatsache, um dann zu eine "Ursprünglichkeit" zurückzukehren, die er als genauso gesichert betrachtet: "Bedenkt man, dass die sogenannten Einsetzungsworte der Abendmahlstexte für Jesus anachronistisch sind - sie wurden ihm aus anderen Denkhorizonten in den Mund gelegt - , legt es sich nahe, zum erreichbaren Ursprung zurückzukehren." Sehr vieles hat Mat ja schon dazu gesagt. Ich bleibe immer noch ein wenig an dem postulierten Anachronismus der Einsetzungsworte hängen. Ich denke, es ist unbestreitbar, dass durch die Übertragung der Einsetzungsworte ins griechische eine leichte Bedeutungsverschiebung stattgefunden hat: meines Wissens ist der ontologische Denkhorizont dem Aramäischen fremd, schon weil es kein Wort für "Sein" gibt. Das schließt aber eine Selbstidentifikation Jesu mit Brot und Wein nicht aus. Dieser Vorgang erschließt sich ja aus dem Zusammenspiel von Worten und Handlungen. Meines Erachtens müssen die Apostel das so wahgenommen haben; ich halte es für extrem unwahrscheinlich, dass die Heidenchristen in einer so wichtigen Frage eine erfundene Tradition einfach durchsetzen können. Die Apostelgeschichte, die Briefe und auch die zeitlich anschließenden nichtkanonischen Schriften zeigen ja, dass die frühe Kirche recht gut vernetzt war. Es gibt das Argument, dass Jesus die Wandlung des Weines nicht gesagt haben könne, weil der Blutgenuss im Judentum tabuisiert sei. Er ist aber deswegen taubuisiert, weil das Blut als Sitz des Lebens gilt; und genau deshalb stimmt der Satz Jesu ja auch: in Wein und Brot bietet er uns sein Leben an. Die Einsetzungsworte sind also genau vor dem jüdischen Denkhorizont zwar provokativ, aber völlig plausibel. Dazu passt, dass ausgerechnet Matthäus, der für eine judenchristliche Gemeinde schreibt,im Gegensatz zu Lukas die ausdrückliche Form auch der Wandlung des Weines in Blut überliefert. Merkwürdig bei Halbfas ist übrigens der von Alfons zitierte Satz auf Seite 42: "Es ist unstrittig, dass Paulus in seiner Deutung des Herrenmahles eine Tradition übernahm, die bereits vor ihm in der Gemeinde von Korinth bestand." Vermutlich geht Halbfas davon aus, dass die Korinther Gemeinde dieses Ritual erfunden hat. Das erscheint mir extrem unglaubwürdig. Überhaupt geht die ganze Paulus-Rezeption völlig an der Tatsache vorbei, dass Paulus nach dem Damaskus-Erlebnis nicht einfach freihändig angefangen hat, zu predigen, sondern eine geraume Zeit bei der Gemeinde in Damaskus blieb, um in das Christentum eingeführt zu werden. Er hatte außerdem regelmäßigen Kontakt zu den älteren judenchristlichen Gemeinden. Wie dem auch sei: mir scheint es so zu sein, dass Halbfas sich hier nicht auf einen weitverbreiteten Konsens unter Neutestamentlern bezieht, sondern bestehende Denkansätze radikalisiert und absolut gesetzt hat. bearbeitet 26. November 2012 von Franziskaner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mat Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Zum Thema "historische" Bedeutung des Abendmahles und die "theologische" Bedeutung. Hier sind wir exegetisch im Reich der reinen Spekulation. Es gibt keinerlei Kriterien, die eine Trennung zwischen dem ursprünglichen Mahl und dem, was die urchristliche Überlieferung daraus gemacht hat. Es gibt hier einige Dinge die allerdings klar sind - Es handelt sich bei den überlieferten Herrenworten um Formeln, die in den urchristlichen Gemeinden innerhalb der Eucharisitefier verwendet worden sind - Es handelt sich um griechische Überlieferungen eines historisch aramäischen oder hebräischen (beides wäre hier ja möglich) Vorgangs. - Das Abendmahl ist ein abgewandeltes Pascha-Mahl, also eine Umdeutung der Erinnerung an die Befreiung Israels aus Sklaverei in Ägypten auf die Passion und Auferstehung Jesu hin, d.h. auf die Befreiung der Menschen aus der Verstrickung in Sünde und Tod Eine Einschätzung, welcher Anteil dieser Erzählung auf dem historischen Ereignis beruht, hängt im wesentlichen davon ab, welches Bild man vom historischen Jesus hat (was im Übrigen auch immer sehr viel Spekulation beinhaltet). Wenn man davon ausgeht, dass Jesus ein einfacher ländlicher Prediger gewesen sei, der im Kontext des jüdischen Glaubens seine Lehre verkündete und der keinerlei eigene Ambitionenen auf eine Rolle als Gott/Messias/Menschesohn/Heilsvermittler etc. hatte, dann liegt der Schluss nahe, dass das historische Abendmahl ein jüdisches Paschamahl war, in dem Jesus bestenfalls ein paar kleine individuelle Gebete eingebracht haben mag, die aber keinesfalls den jüdischen Rahmen gesprengt haben. Erst die Gemeinden sind es dann gewesen, die im Zuge der Theologisierung Jesu als Gott/Erlöser/Retter usw. diesen Aspekt in der eucharistischen Abendmahls-Liturgie verankert haben. Geht man aber davon aus, dass schon der historische Jesus einen Anspruch als Heilsvermittler gehabt hat (was immer das auch für die sonstige neutestamentliche Theologie bedeuten mag), dann liegt es nahe, eine Umdeutung des Paschamahls bei Jesus selbst zu verorten. In diesem Fall ist sicher davon auszugehen, dass es in der Transformation von der Erinnerung der Teilnehmer an diesem Mahl in eine griechische liturgische Formel zu Veränderungen gekommen ist, die man aber nicht mehr näher greifen kann. Es gibt m.E. für die These, dass Jesus in sich mehr als einen Jüdischen Prediger gesehen hat, durchaus gute Argumente (beispielsweise der Einzug nach Jerusalem wie ein davidischer König oder die Tempelreinigung). Aber auf Basis der vorhandenen Texte wird dies niemand mit einer gewissen Sicherheit sagen können. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Edith1 Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Ich möchte ein kurzes Kompliment an Alfons, Franziskaner und Mat dazwischen werfen: Danke, Jungs, so wünsche ich persönlich mir F & A! 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Der Geist Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Uns hat man in der Vorlesung "Einführung in die Theologie" den Gedanken des Letzten Abensmahls so erklärt, dass es eine Mischung gewesen sein kann aus dem Sedermahl zur Erinnerung an den Exodus einerseits und Dankes- und Testamentmahl des jüdischen Hausvaters, das offen bar von einem solchen noch gegeben wurde, wenn er den Tod herannahen fühlte. Bei einem solchen Mal wurde der engsten Familie bzw in Jesu Fall dem Kreis der engsten Gefolgsleute noch einmal der Dank abgestattet. © Prof. Wolfgang Treitler Vorlesung 16.12.2009 "Einführung in die Theologie. Treitler ist ein ausgewiesener Judaismuskenner. 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Volker Geschrieben 26. November 2012 Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Aber darum geht´s mir hier nicht. Halbfas behauptet im folgenden nämlich, dass das letzte Abendmahl nie stattgefunden habe, sondern eine Erfindung von Paulus sei (weshalb die kirchliche Eucharistiefeier an eine offene Mahlfeier in der Tradition der Gastmähler Jesu vor der Passion anzugleichen sei). Und hierzu meine Frage: weiß jemand, worauf Halbfas sich dabei stützt? Er selber bietet da weder Quellen noch Argumente jenseits einiger dürrer Pauschalbehauptungen; behauptet aber, das sei allgemeiner Konsens bei historisch-textkritischen Bibelforschern. Mag sein, dass es ein Konsens bei historisch-kritischen Bibelforschern ist, aber die These hört sich doch sehr nach der Jesus-Mythos-Theorie an. Diese Theorie ist kein Konsens. Ich kann nur spekulieren, worauf Halbfas sich stützt und vermute Folgendes. Man muss dazu die Textstelle in folgendem Kontext lesen (alles Elberfelder Bibel): Galater 1: 11 Ich tue euch aber kund, Brüder, dass das von mir verkündigte Evangelium nicht von menschlicher Art ist. 12 Ich habe es nämlich weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi. Es gibt noch verschiedene andere Stellen, bei denen Paulus explizit sagt, dass er seine Botschaft - sein Evangelium - von keinem Menschen erhalten hat, sondern von Jesus persönlich. Nun ist er dem irdischen Jesus aber nie begegnet. Es beruht folglich auf einer Offenbarung, was er auch betont. So auch bei der entscheidenden Stelle (kursiv von mir hervorgehoben): 1 Korinther 11:17 Wenn ich aber Folgendes vorschreibe, so lobe ich nicht, dass ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt. 18 Denn erstens höre ich, dass, wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, Spaltungen unter euch sind, und zum Teil glaube ich es. 19 Denn es müssen auch Parteiungen unter euch sein, damit die Bewährten unter euch offenbar werden. 20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so ist es nicht möglich, das Herrenmahl zu essen. 21 Denn jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, um zu essen und zu trinken? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, welche nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich nicht. 23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe, dass der Herr Jesus in der Nacht, in der er überliefert wurde, Brot nahm 24 und, als er gedankt hatte, es brach und sprach: Dies ist mein Leib, der für euch ist; dies tut zu meinem Gedächtnis! 25 Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, dies tut, sooft ihr trinkt, zu meinem Gedächtnis! 26 Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. 27 Wer also unwürdig das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt, wird des Leibes und Blutes des Herrn schuldig sein. 28 Der Mensch aber prüfe sich selbst, und so esse er von dem Brot und trinke von dem Kelch. 29 Denn wer isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, wenn er den Leib des Herrn nicht richtig beurteilt. Man kann daraus zweierlei sehen: Erstens, dass es wohl einen Streit darüber gab, wie das Abendmahl richtig abzuhalten sei. Zweitens, dass Paulus diesen Streit schlichtet - in dem er das wiedergibt, was er per persönlicher Offenbarung empfangen hat. Wenn man nun nicht glaubt, dass er diesbezüglich eine Privatoffenbarung empfangen hat - dann muss man ihn für den Erfinder dieser Form des Abendmahls halten. So reime ich mir mögliche Gründe zusammen, die Halbfas haben könnte. Ob es auch so ist weiß ich natürlich nicht! Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 26. November 2012 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 26. November 2012 Jetzt ist das doch wieder zu lang geworden! Ich mache mal Zwischenüberschriften, ja? Sonst liest das überhaupt niemand mehr. Forschungslage dünn „Man kann nicht oft genug betonen: Es handelt sich bei solchen Rekonstruktionen um Vermutungen“ schreibt Gerd Theißen in seinem Lehrbuch „Der historische Jesus“ im 13. Teil, in dem es 27 Seiten lang um die Entstehung des Abendmahl geht. Mit seiner Warnung meint Theißen auch und zuerst seine eigene Rekonstruktion. Sie hat aber so viel Charme, dass ich sie weiter unten mit Vergnügen referieren werde – auch wenn ich sie nicht teile. Die Forschungslage ist, was das Abendmahl angeht, dünn. Das liegt vielleicht auch daran, dass hier ein Kern des Christentums berührt wird. Taufe und Abendmahl sind die beiden religiösen Rituale, die nicht als Tradition aus alter Zeit übernommen, sondern vom Urchristentum erfunden wurden. Beide neuen Rituale, da folge ich Theißen und sicher auch dem von Franziskaner angefragten Mainstream der theologischen Forschung, wurden erst nach Jesu Tod von der Urgemeinde auf den Tod Jesu bezogen und neu gedeutet. Urchristentum schafft Sakrament Kurz vorweg noch: Ich bin kein Fachmann für Sakramente, und ich werde hier im Wesentlichen dem oben genannten Standardwerk von Gerd Theißen und Annette Merz folgen, mit kleinen persönlichen Abschweifungen und ein paar Seitenblicken in diverse Sekundärliteratur. Aber weiter: Theißen weist wie auch Hubertus Halbfas darauf hin, dass Jesu Mahlgemeinschaft nicht überall als Vergegenwärtigung seines Sterbens neu gedeutet wurde. Halbfas nennt „Spruchquelle, Thomasevangelium, Didache und Justin“, Theißen geht ausführlich auf die Didache und das Johannes-Evangelium (Kapitel 13) ein. In der theologischen Forschung geht es nach meinem Eindruck heute nicht um die Frage, ob Jesus die Eucharistie als Sakrament eingesetzt habe, sondern die Frage lautet – ich zitiere einfach (Theißen/Merz, Der historische Jesus, S. 360): „Das historische Problem des letzten Mahles Jesu besteht darin, herauszufinden, welche Rolle es in dieser Entwicklung spielt. Welchen Beitrag leistete es bei der Entstehung des urchristlichen >Sakraments<?“ Die Antwort auf diese Frage mag für Menschen, die in theologischen Dingen ohne Gewissheiten nicht auskommen möchten, enttäuschend sein, ich finde sie dennoch spannend. Gerd Theißen: „Das vorläufige Fazit [der bisherigen Forschung] lautet zur Zeit: Ein >normales< Gemeinschaftsmahl wird im Urchristentum mit einer hochtheologischen Deutung verbunden, die wir nicht befriedigend aus der religionsgeschichtlichen Umwelt ableiten können. Noch immer ist es ein Rätsel, wie diese Verbindung entstanden ist. Paulus hat sie nicht geschaffen. Jesus könnte zu ihr den Anstoß gegeben haben. Aber sicher ist das nicht.“ Rekonstruktion – ein Versuch Das mit dem Anstoß, den Jesus gegeben haben könnte – da sind wir bei dem Versuch einer Rekonstruktion, den ich oben erwähnt habe. Zuerst die Frage: War dieses letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern anders als andere Mahlgemeinschaften? Hey, aber klar! Man war erstmals in Jerusalem, die Lage spitzte sich zu, das Passafest stand bevor, das Reich Gottes war sozusagen zum Greifen nah – und Jesus muss zugleich gespürt haben: er ist in Todesgefahr. Zweite Frage: War dieses Mahl eine Symbolhandlung? Wieder sagt Theißen: Ja. Da seien sich die Synoptiker mit Paulus und dem Johannes-Evangelium einig. Das Abendmahl hat eine Botschaft, die nicht in Worten, sondern in der Handlung ausgedrückt wird. Und jetzt das Szenario: Jesus kommt zwar eine Woche vor Beginn des Passafestes nach Jerusalem, nimmt aber nicht an den geforderten Reinigungsriten teil. Stattdessen droht er mit der Zerstörung des Tempels und randaliert – auch dies eine symbolische Handlung – im Tempelvorhof (die Wortwahl ist von mir, bitte keine Briefe an den Neutestamentler). Das letzte Mahl, so argumentiert nun Gerd Theisen, könne als eine „kultstiftende Symbolhandlung“ die kultkritische Symbolhandlung im Tempel ergänzen, „wobei Jesus keinen die Zeit überdauernden Kult stiften wollte. Er wollte nur den obsolet gewordenen Tempelkult vorübergehend ersetzen: Jesus bietet den Jüngern einen Ersatz für den offiziellen Kult, an dem sie entweder nicht teilnehmen können oder dessen Teilnahme kein Heil vermitteln kann – bis ein neuer Tempel kommt. Dieser >Ersatz< ist ein schlichtes Essen.“ Wahrscheinlich habe Jesus im Wissen um die Lebensgefahr, aber in der Hoffnung, dass die Gottesherrschaft bald hereinbricht und ihn rettet, ein schlichtes Abschiedsessen gefeiert, als Ersatz für den offiziellen Kult, den er gerade schroff kritisiert hatte. Soweit die Ideen von Theißen, die ich, wie oben erwähnt, zwar spannend finde, aber nicht teile. Was könnte Jesus gesagt haben? Ach ja, die Einsetzungsworte. Mat hat schon oben drauf hingewiesen, dass da unterschiedliche Fassungen überliefert sind. Theißen listet sieben verschiedene Abendmahlstypen und Einsetzungstexte aus der Zeit der Urgemeinden auf. Und er wagt den sehr klug begründeten Versuch, zu rekonstruieren, wie der erste Gebrauch der Abendmahlsworte in der Urgemeinde nach dem Tod Jesu gewesen sein könnte – und was Jesus selber eventuell gesagt hat. Ich erspare mir jetzt die mehrseitigen Argumente und Gedankengänge, sondern nenne nur das Resultat. 1.) „Man darf daher vermuten, dass die Abendmahlsworte in ihrer traditionsgeschichtlich ältesten Gestalt wie die paulinische Form gelautet haben: Dies ist mein Leib für euch. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut.“ 2.) Die hinter der traditionsgeschichtlich ursprünglichen Form stehenden historischen Abendmahlsworte könnten gelautet haben: >Dies ist mein (oder: der) Leib für euch. Dies ist der neue Bund.<“ Glaubensverlust? Glaubensgewinn? Noch ein Wort zu dem Kapitel 5 in Hubertus Halbfas' Buch „Glaubensverlust“. Wie gerade beschrieben, hält Gerd Theißen es – anders als Halbfas – für möglich, dass sich das letzte Mahl durchaus von den anderen Tischgemeinschaften Jesu abgehoben hat, wenn auch wohl nicht als „eucharistisches Vermächtnis“. Die Darstellung von Halbfas ist aber auch keine theologische Einzelmeinung. Oder gar „radikalisiert“, wie Franziskaner vermutet. Die Forschung geht stillschweigend davon aus, dass das Sakrament, für das dieses letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern die Basis bildet, in den Urgemeinden entstanden ist. Und wenn man auf die verschiedenen urchristlichen Mahlformen schaut, dann sieht man dort nicht nur verschiedene Texte und unterschiedliche Vorstellungen von der „Präsenz“ des Göttlichen, man sieht auch unterschiedliche Bedingungen für die Teilnahme am Abendmahl. Am Text von Halbfas über das Abendmahl erscheint mir seine Absicht wichtiger als seine Begründung mit Ergebnissen der Forschung. Halbfas weist auf die Diskrepanz zwischen der Praxis der Eucharistie und der Botschaft Jesu bzw. dessen Mahlpraxis hin. Auch er sieht dieses Abendmahl als ein sich auf Jesus gründendes starkes Symbol des Christentums, das er – so verstehe ich es jedenfalls – enger an die Botschaft Christi binden möchte. „Die Feier seiner Botschaft“, so formuliert Halbfas, soll den Willen Gottes in den Alltag dieser Welt einschreiben, damit sie sich „dem Frieden und der Versöhnung der Menschen auf allen Ebenen verpflichtet, der Zuwendung zu Schwachen, Fremden und Verfemten und sich beglaubigt in konkreter Hilfe und dem Einstehen gegen Ungerechtigkeit.“ Alfons 8 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
josef Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 (bearbeitet) Liebe Exegeten, Eure Spekulationen sind müßig. Ihr meint doch nicht im ernst, durch Spekulationen was vor 2000 Jahren geschehen ist zu wahren Erkenntnissen über die Entstehung der Eucharistie gelangen zu können! Bittet daher Euren Beistand den HEILIGEN GEIST GOTTES um Aufklärung: JESUS CHRISTUS hat beim Letzten Abendmahl mit der Einsetzung der Wandlung von Brot und Wein in SEINEN LEIB und SEIN BLUT "das vergossen wird für Viele zur Vergebung der Sünden" den entscheidenden Punkt SEINES Plans verwirklicht die selbstverschuldet heillos gewordenen Menschen guten Willens, vor dem Verderben zu retten. Gruß josef bearbeitet 27. November 2012 von josef Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Mat Geschrieben 27. November 2012 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 27. November 2012 Zunächst einmal ein Dank an Alfons für die Mühe, Theißen zusammenzufassen. Man muss sich auf jeden Fall klar machen, dass für die Eucharistiefeier ein kirchlicher Rahmen wichtig ist. D.h., das letzte Abendmahl war keine Eucharistiefeier und auch nicht die Stiftung der Messe. Es handelt sich hier um das letzte Mahl Jesu, um einen emotional sehr dichtes Ereignis. Hier liegen symbolische Handlungen geradezu greifbar in der Luft. Und Jesus könnte hier schon auf seinen Tod hingewiesen und mittels der Symbolhandlung seinen Jüngern einen Sinn für sein Sterben vermittelt haben. Möglicherweise wollte er den Kreis seiner Anhänger nach seinem Tod zusammenhalten oder Trost in einer recht trostlosen Lage spenden. Nach der Auferstehungserfahrung und der daraus resultierenden Kirchengründung kam es dann zu einer Re-Interpretierung des Geschehens im Abendmahlssaal. Das markus-Evangelium ist ja von diesem Vorgang noch ganz geprägt: Vor Ostern verstehen die Jünger nichts - nach Ostern erhält alles seinen rechten Sinn. Natürlich fließen auch schon in das Markusevangelium all die theologischen Bedürfnisse ein, die die urchristlichen Gemeinden hatten. Dazu gehört auch, im jesuanischen Abendmahl den Beginn der Eucharistiefeier zu sehen. Und in diesem Rückblick liegt es auch nahe zu glauben, dass es Jesus hier um die dauerhafte Stiftung eines Sakramentes ging. Die Existenz der Urgemeinde, die sich in der Eucharistie mit dem Geschehen am Gründonnerstag verbunden fühlte, ist für die damaligen Christen Grund genug zu, das zu glauben: die Geschichte/Tradition belegt hier den Glauben. Was Jeus "wirklich" gewollt haben könnte, bleibt dabei im Dunkeln. Und ich kann es nicht oft genug betonen: man muss hier skeptisch sein gegenüber Jedem, der es 'genau' weiß, sei er ein Anhänger der These, dass Jesus sich als Gott gesehen hat oder ein Fan der Idee, Jesus sei nur ein einfacher Wanderprediger gewesen. Wir wissen es einfach nicht. 10 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alfons Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 So, das gehe ich jetzt mal verperlen. Wenn etwas wert ist, aufgehoben und nachgelesen zu werden, dann solche Postings wie das vorstehende von Mat. Alfons Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 (bearbeitet) Wobei das Brechen des Brotes doch während des ganzen in den Evangelien beschriebenen Wirkens Jesu eine gewisse Rolle gespielt haben muss. Bei den Emmausjüngern z.B. ist nicht klar, ob es sich um Apostel handelt, die am letzten Abendmahl teilgenommen hatten. Ich würde sagen sie waren es eher nicht. Dennoch war die Art wie Jesus das Brot gebrochen hat so besonders, daß sie ihn daran wiedererkannten (oder wiederfanden). bearbeitet 27. November 2012 von Flo77 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 27. November 2012 Autor Melden Share Geschrieben 27. November 2012 (bearbeitet) Ich glaube, dass die Frage nach der Gestalt des letzten Abendmahles stark von der Frage abhängt, ob Jesus seinen Tod erwartete oder ob die Kreuzigung ein bloßer "Unfall" war. Die Evangelien geben ja viele Hinweise darauf, dass Jesus sein Leiden und Sterben ankündigte und damit offene Dispute im Jüngerkreis auslöste. Die Haltung Jesu ist auch nicht im Nachhinein von der Urgemeinde in ihn hineinprojiziert worden, sondern ist eine Verlängerung der Theologie von Jesaja. Diese hat für Jesus ja auch an anderer Stelle eine wichtige Rolle gespielt, etwa wenn er die Jesaja-Prophezeiung vom gottesreich "Lahme gehen, Blinde sehen, ..." auf sich bezieht. Wenn er also des letzte Seder-Mahl in Jerusalem tatsächlich als seine letzte gemeinsame Handlung mit dem Jüngern begriffen hat, dann liegt es nahe, dass er ihnen ein letztes großes gemeinschaftsbildendes Zeichen geben wollte. Er war, das zeigt sich an vielen Stellen der Evangelien, ein großer Zeichensetzer: die Art und Weise, wie seine Heilungen abliefen; der Einritt in Jerusalem auf einem Esel (mit dem er die prophetische Tradition auf seine Person bezieht; die Auswahl von genau 12 Aposteln, um das Volk Israel zu repräsentieren ... Er hat nie Bücher geschrieben. Er hat immer gehandelt und dadurch, über die konkrete Zuwendung zu den Menschen hinaus, Zeichen gesetzt. Ein weiterer Aspekt seines Wirkens ist die vollständige Einbringung seiner Person in seine Botschaft. Er er trägt den Titel "Messias" sicherlich nicht ständig vor sich her; er erlaubt den Menschen aber, ihn so zu sehen. Bei den Heilungen bezieht er den Glauben an seine Person in den Vorgang mit ein. Als die Menschenmenge beim Einzug in Jerusalem "Hosanna dem Sohne Davids" ruft, verlangen die Pharisäer, dass er die Menge zum Schweigen bringt. Er aber sagt: wenn sie schweigen, werden die Steine rufen. "Dein Glaube hat dir geholfen" sagt er oft; und das ist im Kontext fast immer der Glaube bzw. das Vertrauen zu Jesus, und nicht so sehr zu einem fernen monotheistischen Gott. Insofern setzt auch der Inhalt des Abendmahles diese Linie fort: als Vermächtnis gibt Jesus seinen Jüngern kein Buch, keine abgerundete philosophische oder theologische Lehre, erst recht kein von ihm gegründetes Staatswesen, sondern sich selber, sein Leben. Vor diesem Hintergrund halte ich die Annahme, dass die Evangelien recht nahe dran sind an dem, was damals passierte, für außerordentlich plausibel. Paulus ist ein besonderes Thema. Ich glaube nicht, dass es gerechtfertigt ist, seine Theologie komplett als Privatoffenbarung zu betrachten. Er hatte von Anfang an regelmäßigen Kontakt zu den alten Gemeinden. Er verwendet in seinen Briefen Textbausteine, die schon vorher da waren. Und seine ganze Theologie basiert darauf, dass die Evangelien existieren. Er kommentiert sie und deutet sie in einer bestimmten Richtung. Wenn man aber die Evangelien wegdenkt, sind die ganzen Paulusbriefe völlig unverständlich, und auch völlig ungeeignet, um Gemeinden zu gründen. bearbeitet 27. November 2012 von Franziskaner 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 27. November 2012 Autor Melden Share Geschrieben 27. November 2012 (bearbeitet) Am Text von Halbfas über das Abendmahl erscheint mir seine Absicht wichtiger als seine Begründung mit Ergebnissen der Forschung. Halbfas weist auf die Diskrepanz zwischen der Praxis der Eucharistie und der Botschaft Jesu bzw. dessen Mahlpraxis hin. Auch er sieht dieses Abendmahl als ein sich auf Jesus gründendes starkes Symbol des Christentums, das er – so verstehe ich es jedenfalls – enger an die Botschaft Christi binden möchte. „Die Feier seiner Botschaft“, so formuliert Halbfas, soll den Willen Gottes in den Alltag dieser Welt einschreiben, damit sie sich „dem Frieden und der Versöhnung der Menschen auf allen Ebenen verpflichtet, der Zuwendung zu Schwachen, Fremden und Verfemten und sich beglaubigt in konkreter Hilfe und dem Einstehen gegen Ungerechtigkeit.“ Ich finde, dass Halbfas einen außerordentlich einseitigen "historischen Jesus" propagiert. Er akzeptiert ausschließlich die Rede vom Reich Gottes. Was aber ist mit den Gerichtsworten, der Aufforderung zum Bittgebet, dem selbstverständlichen Leben in der Gewissheit, dass Gott "die Haare auf eurem Kopf gezählt hat", der Ehelehre, der Aufforderung zur Umkehr etc. ? All das blendet Halbfas vollständig aus. Konsequenterweise kann er nicht sehen, dass die Eucharistie außer der offenen Mahlgemeinschaft auch noch eine andere Dimension hat: nämlich die der Heilung durch Berührung. Jesus lässt sich von mir berühren, ja verspeisen und heilt mich dadurch. Mir persönlich ist das sehr wichtig. Ich will nicht auch noch in der Messe ständig mit moralischen Forderungen konfrontiert werden, zu Aktionen und Weltverbesserung aufgerufen werden. Das alles ist wesentlich für ein christliches Leben und hat seinen Platz. Aber der Kern, das, was all dem vorausgeht, ist die Erfahrung, dass Gott mich berührt, dass er da ist, dass ich zu ihm sprechen, ihn bitten und mich ihm anvertrauen kann. Sonst ist der Rest zwecklos. Da würde ich Martin Luther zustimmen: erst die Gnade, dann die Werke. bearbeitet 27. November 2012 von Franziskaner 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Alfons Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 (...) Paulus ist ein besonderes Thema. Ich glaube nicht, dass es gerechtfertigt ist, seine Theologie komplett als Privatoffenbarung zu betrachten. Er hatte von Anfang an regelmäßigen Kontakt zu den alten Gemeinden. Er verwendet in seinen Briefen Textbausteine, die schon vorher da waren. Und seine ganze Theologie basiert darauf, dass die Evangelien existieren. Er kommentiert sie und deutet sie in einer bestimmten Richtung. Wenn man aber die Evangelien wegdenkt, sind die ganzen Paulusbriefe völlig unverständlich, und auch völlig ungeeignet, um Gemeinden zu gründen. Das finde ich jetzt eine überraschende These. Existenz der vier Evangelien bereits vor 50 n.Chr.? Lässt sich das wissenschaftlich begründen? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franciscus non papa Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 ich nehme an, er meint, dass die Überlieferung der Evangelien in mdl. Form in den Gemeinden zu dieser Zeit schon präsent war und Paulus diese natürlich kannte. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 27. November 2012 Melden Share Geschrieben 27. November 2012 Nachdem das ursprüngliche Thema geklärt ist, gestatte ich mir als Nicht-Theologe die Frage an die Fachleute: Befaßt sich die Theologie eigentlich auch mit der Frage, warum das Wirken und Wollen Jesu ziemlich lausig dokumentiert ist, oder hat das vielleicht einen tieferen Sinn? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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