Einsteinchen Geschrieben 18. Februar 2013 Melden Share Geschrieben 18. Februar 2013 (bearbeitet) Wenn Dichter ein Buch zwecks Recherche exzerpieren, machen sie oft einen dicken und kräftigen Strich unter einer Formulierung, oder einen gesalzenen Kommentar über der Zeile. Mein esoterischer Teil in mir meint, daß da die Hand, wie sie so forsch unter ein Wort ein banales Rufzeichen setzt und mit dem Buch rumspringt, als sei es kein Heiligtum, da meine ich, daß das Gedächtnis in der Hand ist. Wenn ein Dichter beim Lesen steckenbleibt und mit knöchernem Finger auf einer Formulierung rumpocht und dann mit grimmigem Gesicht ein "sehr richtig" reingräbt mit dem Stift, so daß das Wort auf die Rückseite durchgedrückt ist als Spiegelschrift, ja, da merkt sich der Dichter das, was er gelesen hat, das Gedächtnis in der Hand, im grimmigen Gesicht die Erinnerung reingefurcht, das Buch, das er sich zwecks Recherche für sein Werk von einem hochberühmten Mediävisten ausgeliehen hat, geschändet, doch nein, was sage ich, geadelt, denn es ist ja ein berühmter Dichter, der das getan hat. So ungefähr hat sich Thomas Mann einem Werk, das unter seiner Hand entstanden ist, genähert. Als er "Der Erwählte" schrieb, die Neufassung der Gregorius-Legende von Hartmann von Aue, lieh er sich besagtes Buch aus und schickte es dermassen kommentiert zurück. bearbeitet 18. Februar 2013 von Einsteinchen Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Einsteinchen Geschrieben 18. Februar 2013 Autor Melden Share Geschrieben 18. Februar 2013 Und hier ist eine Anleitung, wie man einen Bestseller schreibt Wie man einen Bestseller schreibt Das ist mein Arbeitstitel und der erträumte Buchtitel. Es wird auch im Sinne der Selbstreferenz ein Bestseller in vielen Ländern, wobei ich natürlich auch einiges Spritzige und Witzige über das Wesen der Selbstreferenz einfließen lasse, worüber ja schon Douglas Hofstadter sich ausgelassen hat, der es immerhin zu einem Pulitzerpreis geschafft hat. Vor allem ist wichtig, das Ziel nie aus den Augen zu lassen, ein Lehrgang in Bestsellerschreiben, denn was habe ich mir denn doch schon angelesen, das auch einmal verwertet werden muss. Natürlich stoße ich auch sämtliche Regeln des richtigen Schreibens um, indem ich gleich mit der Tür ins Haus falle und das Buch vielleicht mit den Worten beginnen lasse: Nun, einfallen muss einem schon etwas. Das Buch muss trügerisch naiv sein, damit sich der Leser geschmeichelt fühlt und er die Naivität durchschaut. Damit sich irgendeine Stadt damit schmücken kann, werde ich die hohe Kunst ausüben, meine Stadt Linz zu würdigen und nicht mit Schleim sparen, aber doch so diskret, daß man nicht sagen kann, ist das jetzt aus dem Herzen oder aus der Berechnung heraus. Daran anklingend lasse ich meine religiöse Prägung durchscheinen, was ja ganz natürlich ist und keine Berechnung ist, und werde daran erinnern, daß Jesus ja für gutes Benehmen den Himmel versprochen hat, was zwar die Hochleistungsmystiker immer mit scheelen Augen betrachten, denn diese kommen immer mit dem Gutsein um seiner selbst willen daher und mit der Liebe um der Liebe willen, aber da mach ich mir nichts vor. Es soll schon auch Geld dabei herausspringen. Nachdem ich mir also mit Linz die Seele herausgeschrieben habe, um sie an das Buch zu binden, muss ich natürlich auch die anderen Städte loben, und werde wohl ein mattes - Aber auch Wien ist schön - einfließen lassen, sozusagen als pars pro toto. Der rote Faden, der sich um das Buch zieht, ist wohl das Thema des Buchtitels, aber die Abschweifungen sind der eigentliche Inhalt, ich werde eine Theorie des Humors abhandeln, da gibt es gelehrte Abhandlungen, worüber man aber gar nicht lachen kann, die Religion ist drin und die Physik und Philosophie, aber nicht systematisiert, sondern eine naive Ansammlung von Spritzkerzen und Perlenkullern. Wir sind allerdings angehalten, keine Perlen vor die Säue zu werfen, damit ich nicht zerrissen werde oder das Buch. Leider ist jeder Mensch so zusammengebaut, als ob sich Gott von Picasso inspirieren lassen hat bei seiner Schöpfung und er eine Mischung ist aus Engel, Teufel und Sau und anderen Tieren, so daß des einen Perle des anderen Kuhfladen ist. Und in diesem Minenfeld muss ich mich bewegen, ohne daß jemand explodiert, gähnt, sich entsetzt, durchdreht, der Blasphemie anklagt, sich totlacht oder sich zu Tode schämt. Denn es gibt nicht Peinlicheres als eine verpatzte Pointe, und entgegen dem tröstlichen Glauben tut sich bei solchen Situationen nicht die Erde auf und verschlingt einen, wenn man es am nötigsten braucht. Selbstverständlich handle ich meinen festen Glauben an die reale Existenz von Himmel, Hölle und Welt ab, diese drei werde ich nicht wegdenken, weganalysieren, sublimieren oder verdrängen oder transponieren können, das Leben prasselt da einfach zu sehr, wie es das Feuer tut, wichtig ist nur, daß man nicht drin ist im Feuer. Nach dieser Vorrede sage ich vielleicht, also incipiam, das ist Latein und heißt: Lass uns beginnen, eigentlich im 1. Person Singular das kann man im Deutschen nicht bilden und zeigt, daß ich gebildet bin, aber selbstverständlich muss auch der Rauchfangkehrer meine Worte verstehen, es ist ja ein Volksbuch und für die breite Masse, und ich komme ja vom Land und denen wird ja eh nachgesagt, daß sie bauernschlau sind. Dumme Leute gibt es nicht, sondern lauter Spezialisten auf irgendeinem Gebiet, Gott ist ja ALLES, und ich bedaure nur die Spezialisten, die von fast allem nichts wissen und die anderen, die von fast nichts alles wissen, ich habe mich für den Mittelweg entschieden und rede bei allem mit und weiß von fast allem ein bißchen, das klingt bescheiden, und Bescheidenheit ist ja eine Tugend. Also, incipiam. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Einsteinchen Geschrieben 20. Februar 2013 Autor Melden Share Geschrieben 20. Februar 2013 Der Sinn des Lebens Für den Gläubigen und geeichten Katholiken ist ja die Frage nach dem Sinn des Lebens die Fangfrage schlechthin. Und leider auch eine Gretchenfrage für einen faustischen Menschen wie mich, der mit Maria nicht darf, nicht daß ich will, sondern ich meine es eher so wie Angelus Silesius in seinem cherubinischen Wandersmann. Aber was tut man bei einer Fangfrage? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
gouvernante Geschrieben 20. Februar 2013 Melden Share Geschrieben 20. Februar 2013 Aber was tut man bei einer Fangfrage? Rückfragen: "Was bezweckst Du mit Deiner Fangfrage?" Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Einsteinchen Geschrieben 20. Februar 2013 Autor Melden Share Geschrieben 20. Februar 2013 (bearbeitet) Ich könnte da gewiss lange darüber schreiben, aber für mich ist Gott das, woran das Herz hängt. Hänge es an einer Frau, wäre die Frau Gott, hänge es an einem Mann, der Mann. Eine typische Fangfrage für einen Gottsucher. bearbeitet 20. Februar 2013 von Einsteinchen Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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