Mecky Geschrieben 15. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2013 Selbst wenn die Kirche um 1400 angefangen hätte und sich immer wieder "a weng" refomiert hätte, stünden wir heute vor der gleichen Situation. Oder die Kirche hätte sich zum Institut für Soziales entwickelt, bei dem der theoretische Überbau allenfalls noch schmückenden Charakter hat. Du meinst, die Reformrichtung wäre in Richtung Sozialverein verlaufen? Einfach mal von den Themenstellungen: 1400, nach den großen Pestepidemien wäre eine grundlegende Antwort auf die Theodizee dran gewesen. 1450 wäre auch die Frage nach der Herrschaftsform dran gewesen. Da hat man nach dem Konstanzer Konzil die praktischen Fragen erst mal geklärt gehabt. Aber dann hat man nicht weiter reformiert. Im ganzen 15. Jahrhundert wäre die Frage nach einer Strukturreform notwendig gewesen, aber auch nach einer Moralreform (Hus Kritik am hohen Klerus hätte man gleich mitbedenken können). Und dann die ganze Fragen, die dann in der Reformation eruptiv aufgebrochen sind, hätte man dringend im 15. Jahrhundert angehen müssen. Geschwelt haben sie schon lange. Wenn wir allein nur den Zeitraum von 1400-1500 anschauen, dann sieht es doch so aus, als wäre da unheimlich viel drin gewesen. Aber man hat ja jede Kritik folgenlos gelassen, bis sich die ganze Soße selbst explodiert hat. Hätte man allein in diesem Jahrhundert angemessen reformiert, hätte man den Reformern zu verstehen gegeben, dass ihr Mitdenken Folgen hat, dass sich dann wirklich auch was tut, dann wäre die Reformation völlig unnötig gewesen. Und, ja: Dann würden wir heute anders dastehen. So aber hat man dann im 16. Jahrhundert lediglich kämpferisch dagegen gehalten, hat sich sozusagen die Entwicklungsrichtung vorgeben lassen, indem man im Tridentinum das Alte noch fester zementiert hat und hat man die Gegenreformation in Gang gesetzt, die unsinnig viele Kräfte gebunden hat. Ab 1488 hätte man dringend über eine Reform des Hexenhammers nachdenken müssen. Okay, so schnell geht das nicht. Dieses ganze aufwühlende und absolut zerstörerische Thema kam aber auf dem Trienter Konzil nicht vor. Man musste ja noch Altlasten abarbeiten. Und dies wollte man möglichst gut zementieren. Hätte man auf Trient das ganze Verhältnis zu Volksaberglaube und Hexenwahn reformiert, hätte dies sehr wohl Auswirkungen gehabt. Bis in die heutige Zeit. Und dann kam der Fall Galilei. Shit. Irgendwas kommt ja immer dazwischen. Hexenwahn und Kirchenspaltung grassieren immer noch so vor sich hin. Da muss man nicht eine über eine Reform "Glaube und Wissen" nachdenken. Man hat ja auch biblisch dazu nicht die nötigen Hilfsmittel, weil die angemahnte Bibelsichtreform ja auch nicht durchgeführt wurde. Und dann veränderten sich die Herrschaftsverhältnisse. Absolutismus. Grassierender Machtverlust der Kirche. Dann knallte es wieder in der französischen Revolution. Die Kirche hatte ja auch ihr Verhältnis zu Herrschaft und Freiheit nicht reformiert. Wozu denn nur. Und dann kam die Säkularisierung. Und dann die industrielle Revolution, bei der die Kirche nicht auf so eklige Reformer wie Ketteler hörte. Und die Bildung von Nationalstaaten. Da hatte die Kirche schon gar nicht mehr mitzureden. Die hatten doch ihr eigenes Herrschaftsverständnis noch auf dem Stand von Anno Tubak. Und dann wurden die Nationalstaaten immer imperialistischer und nationalistischer. Wissen kam immer mehr in den Konflikt mit dem Glauben. Und die Kirche hatte immer weniger dazu zu sagen, der Spalt zwischen profaner Weiterentwicklung und kirchlicher Starre wurde immer breiter. Dann bildete sich das katholische Mileu und man zog Mauern darum, damit man nicht bei der Entwicklung mitmachen musste. Und immer, immer, immer wieder blieb man starr. Und immer, immer, immer wieder hat man gesagt, dass Reformen ja doch nichts bewirken würden. Und meiner Meinung nach war nach der französischen Revolution wirklich keine große Chance mehr da. "Ich hab's verkackt" sagen meine Jugendlichen zu so einer Situation. Und jetzt sagst Du, dass Reformen keine Auswirkungen gehabt hätten? Nö. Und vielleicht ergänze ich noch: Die Evangelischen sind genauso reformunfähig, was echte Reformen angeht. Sie sind sogar durch ihre stärkere Bibelbindung und die Ablehnung von Tradition (Tradition ist doch eigentlich lebendige Entwicklung. Oder) noch mehr an die Vergangenheit gefesselt und in den zentralen Punkten oft noch schlimmer dran, als wir Katholiken. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Clown Geschrieben 15. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2013 Reformen sind im Katholizismus immer nur dadurch möglich, dass sich die reformwillige Generation auf die Glaubens- und Lehrsätze zurückzieht, die ihr in den Kram passen und diese ausbaut. Alles andere wird ignoriert. Bis dann eine neue Generation ihre eigenen Akzente setzt. Das funktioniert erstaunlich gut. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 15. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 15. Juli 2013 Eine wirkliche Reaktion auf die Gegenwart ist auf jeden Fall, was die Glaubensprägung angeht, schon lange her. Die Erfindung von Fegefeuer und Beichte waren mal gute Beispiele. Aber sich auf diese Beispiele zurückzuziehen heißt diesen von Dir beleuchteten Mangel an wirklicher Innovation zu manifestieren. Deswegen mache ich mir da keine Illusionen. Trotzdem mache und sage ich das, was ich für richtig halte. Der reformerische Nutzen ist zwar fast gleich Null. Aber auf diese Weise bleibe ich dann immer noch ich. (Auch so eine Kunst, die nicht jeder Katholik pflegt.) Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
agnostiker Geschrieben 17. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 Ich halt eine solche Symbolik für unverzichtbar. Ich erfahre in der Regel aus der Zeitung wer da neuer Amtsinhaber ist. Die Symbolik juckt mich nicht im geringsten. Ich halte dieses eine Symbol für ganz dolle verzichtbar! Schließlich gibt es noch viele andere die aber subtilerer Natur sind. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Sokrates Geschrieben 17. Juli 2013 Autor Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 Ich halt eine solche Symbolik für unverzichtbar. Ich erfahre in der Regel aus der Zeitung wer da neuer Amtsinhaber ist. Die Symbolik juckt mich nicht im geringsten. Ich halte dieses eine Symbol für ganz dolle verzichtbar! Schließlich gibt es noch viele andere die aber subtilerer Natur sind. Ich kann die Bedeutung deiner Wortmeldung nur schwer einordnen. Willst du damit sagen, dass du sehr wohl wie ich an die Macht der Symbole glaubst und daher Symbole für wichtig hältst, aber dieses spezielle Symbol (die Vereidigung) für überflüssig hältst? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
agnostiker Geschrieben 17. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 (bearbeitet) Ich halt eine solche Symbolik für unverzichtbar. Ich erfahre in der Regel aus der Zeitung wer da neuer Amtsinhaber ist. Die Symbolik juckt mich nicht im geringsten. Ich halte dieses eine Symbol für ganz dolle verzichtbar! Schließlich gibt es noch viele andere die aber subtilerer Natur sind. Ich kann die Bedeutung deiner Wortmeldung nur schwer einordnen. Willst du damit sagen, dass du sehr wohl wie ich an die Macht der Symbole glaubst und daher Symbole für wichtig hältst, aber dieses spezielle Symbol (die Vereidigung) für überflüssig hältst? Ja das hab ich wohl geschrieben. Gedacht habe ich aber, dass wir einen Amtsinhaber nicht an der Vereidigung erkennen, sondern daran dass ein Konsens bestimmter Personen darüber herrscht dass er das Amt inne hat und dass ihm die daraus resultierende Authorität zugebilligt wird. Das kann man meinetwegen auch als Symbol sehen. Das Symbol der Vereidigung ist allerdings völlig irrelevant. Statt einer Rundmail vom Chef kann man den neuen Sysadmin auch mit großem Tamtam vereidigen. Was soll sich ändern, außer dass man die Zeit von Leuten verschwendet? bearbeitet 17. Juli 2013 von agnostiker Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Sokrates Geschrieben 17. Juli 2013 Autor Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 Gedacht habe ich aber, dass wir einen Amtsinhaber nicht an der Vereidigung erkennen, sondern daran dass ein Konsens bestimmter Personen darüber herrscht dass er das Amt inne hat und dass ihm die daraus resultierende Authorität zugebilligt wird. Das kann man meinetwegen auch als Symbol sehen. Das Symbol der Vereidigung ist allerdings völlig irrelevant. Ist es eben nicht: Der Konsens der betroffenen Personen wird unter anderem auch dadurch hergestellt, dass die Vereidigung stattfindet. Der Akt der Vereidigung ist ein wichtiges Symbol, das mit hilft, diesen Konsens zu generieren und auf dauer zu erhalten. Dass einzelne Leute (wie du selbst) von diesem Symbol unabhängig sind (oder besser: glauben, davon unabhängig zu sein), ändert nichts an seiner Wichtigkeit. Statt einer Rundmail vom Chef kann man den neuen Sysadmin auch mit großem Tamtam vereidigen. Was soll sich ändern, außer dass man die Zeit von Leuten verschwendet? Beim Sysadmin kann man auf eine Vereidigung verzichten, da der als einziger das Superuser-Passwort hat. Etwas Vergleichbares gibt es im Umgang von Menschen untereinander nicht. Wie wichtig solche Symbole sind, sieht man dort, wo es sie nicht gibt bzw. wo sie nicht funktionieren oder in Grenzfällen. Beispiel 1: Ägypten. Wer ist da der anerkannte Präsident und warum ist er das? Beispiel 2: Amerikanische Präsidentenwahl 2000. Wer hat die Wahl gewonnen und warum? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
agnostiker Geschrieben 17. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 (bearbeitet) Gedacht habe ich aber, dass wir einen Amtsinhaber nicht an der Vereidigung erkennen, sondern daran dass ein Konsens bestimmter Personen darüber herrscht dass er das Amt inne hat und dass ihm die daraus resultierende Authorität zugebilligt wird. Das kann man meinetwegen auch als Symbol sehen. Das Symbol der Vereidigung ist allerdings völlig irrelevant. Ist es eben nicht: Der Konsens der betroffenen Personen wird unter anderem auch dadurch hergestellt, dass die Vereidigung stattfindet. GLaube ich dir nicht. Im Falle der Bundeskanzlerin wird der Konsens durch die Wahlergebnisse hergestellt. Und bei allen eben darunter wird der Konsens vom Vorgesetzten bestimmt. Der Akt der Vereidigung ist ein wichtiges Symbol, das mit hilft, diesen Konsens zu generieren und auf dauer zu erhalten. Die Vereidigung ist selbst eine konsequenz eines Verfahrens. In vielen Fällen ist dieses Ergebnis für jeden nachvollziehbar (die Wahlergebnisse, die Mail vom Chef, etc.) Dass einzelne Leute (wie du selbst) von diesem Symbol unabhängig sind (oder besser: glauben, davon unabhängig zu sein), ändert nichts an seiner Wichtigkeit. Hmm. Du deutest an ich sei unter Umständen auch abhängig von diesem Symbol? In der Tat könnte der Zeitungsartikel den ich lese ein Resultat der Vereidigung sein. Ich würde aber vermuten, in der Regel findet die Vereidigung statt, wenn sowieso schon jedem klar ist wer da vereidigt wird. Die Vereidigung ist nur das i-Tüpfelchen. Eine besondere Darstellung von etwas, was schon längst passiert ist. Statt einer Rundmail vom Chef kann man den neuen Sysadmin auch mit großem Tamtam vereidigen. Was soll sich ändern, außer dass man die Zeit von Leuten verschwendet? Beim Sysadmin kann man auf eine Vereidigung verzichten, da der als einziger das Superuser-Passwort hat. Etwas Vergleichbares gibt es im Umgang von Menschen untereinander nicht. Wie wichtig solche Symbole sind, sieht man dort, wo es sie nicht gibt bzw. wo sie nicht funktionieren oder in Grenzfällen. Beispiel 1: Ägypten. Wer ist da der anerkannte Präsident und warum ist er das? Beispiel 2: Amerikanische Präsidentenwahl 2000. Wer hat die Wahl gewonnen und warum? Beispiel 1: wenn man übermorgen irgendeinen dahergelaufenen vereidigt, dann wird definitiv in Frage gestellt ob diese der Präsident ist. Vereidigung hin oder her. Nicht zuletzt haben wir den Schlamassel in Ägypten sowieso erst, seitdem klar ist dass die letzte Vereidigung durch keinen Konsens mehr getragen wird. Der Konsens fehlt - nicht die Vereidigung. Beispiel 2: kannst du das näher erläutern? Ich vermute es war Kopf an Kopf rennen und es bestand Klärungsbedarf? bearbeitet 17. Juli 2013 von agnostiker Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Sokrates Geschrieben 17. Juli 2013 Autor Melden Share Geschrieben 17. Juli 2013 Beispiel 2: kannst du das näher erläutern? Ich vermute es war Kopf an Kopf rennen und es bestand Klärungsbedarf? ja, so etwa. Normalerweise erkennt der Unterlegene die Niederlage an, auch so ein Symbol, und dann greift eins ins andere. Aber hier bestanden objektive Zweifel am Ergebnis, weshalb Al Gore den Rechtsweg beschritt. wer obhjektiv gewonnen hatte, ist bis heute strittig. Wer Präsident war, war spätestens nach der Vereidigung unstrittig. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Petrus Geschrieben 26. Juli 2013 Melden Share Geschrieben 26. Juli 2013 "Und was verstehen sie unter einem Sakrament?" also für mich ist das alles Magie. 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Petrus Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 "Und was verstehen sie unter einem Sakrament?" also für mich ist das alles Magie. ausnahmsweise mich selber geantwortet: jemand anderer Meinung? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 "Und was verstehen sie unter einem Sakrament?" also für mich ist das alles Magie.ausnahmsweise mich selber geantwortet: jemand anderer Meinung? Ja, allerdings hoffe ich einfach, daß wir einen unterschiedlichen Begriff von "Magie" haben und es darum im Eigentlichen doch keine unterschiedlichen Meinungen sind. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Selbst wenn die Kirche um 1400 angefangen hätte und sich immer wieder "a weng" refomiert hätte, stünden wir heute vor der gleichen Situation. Oder die Kirche hätte sich zum Institut für Soziales entwickelt, bei dem der theoretische Überbau allenfalls noch schmückenden Charakter hat. Du meinst, die Reformrichtung wäre in Richtung Sozialverein verlaufen? Einfach mal von den Themenstellungen: 1400, nach den großen Pestepidemien wäre eine grundlegende Antwort auf die Theodizee dran gewesen. 1450 wäre auch die Frage nach der Herrschaftsform dran gewesen. Da hat man nach dem Konstanzer Konzil die praktischen Fragen erst mal geklärt gehabt. Aber dann hat man nicht weiter reformiert. Im ganzen 15. Jahrhundert wäre die Frage nach einer Strukturreform notwendig gewesen, aber auch nach einer Moralreform (Hus Kritik am hohen Klerus hätte man gleich mitbedenken können). Und dann die ganze Fragen, die dann in der Reformation eruptiv aufgebrochen sind, hätte man dringend im 15. Jahrhundert angehen müssen. Geschwelt haben sie schon lange. Wenn wir allein nur den Zeitraum von 1400-1500 anschauen, dann sieht es doch so aus, als wäre da unheimlich viel drin gewesen. Aber man hat ja jede Kritik folgenlos gelassen, bis sich die ganze Soße selbst explodiert hat. Hätte man allein in diesem Jahrhundert angemessen reformiert, hätte man den Reformern zu verstehen gegeben, dass ihr Mitdenken Folgen hat, dass sich dann wirklich auch was tut, dann wäre die Reformation völlig unnötig gewesen. Und, ja: Dann würden wir heute anders dastehen. So aber hat man dann im 16. Jahrhundert lediglich kämpferisch dagegen gehalten, hat sich sozusagen die Entwicklungsrichtung vorgeben lassen, indem man im Tridentinum das Alte noch fester zementiert hat und hat man die Gegenreformation in Gang gesetzt, die unsinnig viele Kräfte gebunden hat. Ab 1488 hätte man dringend über eine Reform des Hexenhammers nachdenken müssen. Okay, so schnell geht das nicht. Dieses ganze aufwühlende und absolut zerstörerische Thema kam aber auf dem Trienter Konzil nicht vor. Man musste ja noch Altlasten abarbeiten. Und dies wollte man möglichst gut zementieren. Hätte man auf Trient das ganze Verhältnis zu Volksaberglaube und Hexenwahn reformiert, hätte dies sehr wohl Auswirkungen gehabt. Bis in die heutige Zeit. Und dann kam der Fall Galilei. Shit. Irgendwas kommt ja immer dazwischen. Hexenwahn und Kirchenspaltung grassieren immer noch so vor sich hin. Da muss man nicht eine über eine Reform "Glaube und Wissen" nachdenken. Man hat ja auch biblisch dazu nicht die nötigen Hilfsmittel, weil die angemahnte Bibelsichtreform ja auch nicht durchgeführt wurde. Und dann veränderten sich die Herrschaftsverhältnisse. Absolutismus. Grassierender Machtverlust der Kirche. Dann knallte es wieder in der französischen Revolution. Die Kirche hatte ja auch ihr Verhältnis zu Herrschaft und Freiheit nicht reformiert. Wozu denn nur. Und dann kam die Säkularisierung. Und dann die industrielle Revolution, bei der die Kirche nicht auf so eklige Reformer wie Ketteler hörte. Und die Bildung von Nationalstaaten. Da hatte die Kirche schon gar nicht mehr mitzureden. Die hatten doch ihr eigenes Herrschaftsverständnis noch auf dem Stand von Anno Tubak. Und dann wurden die Nationalstaaten immer imperialistischer und nationalistischer. Wissen kam immer mehr in den Konflikt mit dem Glauben. Und die Kirche hatte immer weniger dazu zu sagen, der Spalt zwischen profaner Weiterentwicklung und kirchlicher Starre wurde immer breiter. Dann bildete sich das katholische Mileu und man zog Mauern darum, damit man nicht bei der Entwicklung mitmachen musste. Und immer, immer, immer wieder blieb man starr. Und immer, immer, immer wieder hat man gesagt, dass Reformen ja doch nichts bewirken würden. Und meiner Meinung nach war nach der französischen Revolution wirklich keine große Chance mehr da. "Ich hab's verkackt" sagen meine Jugendlichen zu so einer Situation. Und jetzt sagst Du, dass Reformen keine Auswirkungen gehabt hätten? Nö. Und vielleicht ergänze ich noch: Die Evangelischen sind genauso reformunfähig, was echte Reformen angeht. Sie sind sogar durch ihre stärkere Bibelbindung und die Ablehnung von Tradition (Tradition ist doch eigentlich lebendige Entwicklung. Oder) noch mehr an die Vergangenheit gefesselt und in den zentralen Punkten oft noch schlimmer dran, als wir Katholiken. Jede Gemeinschaft hat irgendwann das Problem, daß ihre Regeln nicht mehr "zeitgemäß" sind. Die einen früher die anderen später. Selbst so etwas banales wie die Teilungserklärung einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist irgendwann von der Realität überholt bzw. entstellt. Natürlich hätten die "Reformen" ihre Auswirkungen gehabt - ich wäre nur nicht so enthusiastisch wie Du, daß diese Auswirkungen in die "richtige" Richtung gegangen wären. Schau nach England oder nach Skandinavien. Dort gibt es ja Landeskirchen, die immer wieder mitreformiert wurden. Egal ob Liturgie, Ämterbesetzung, Morallehre, Hierarchie, rechtlicher Status - es wurde immer wieder was geändert, angepasst, gewandelt. Nur ob ich das Ergebnis so gut finden soll weiß ich nicht. Hier Zerrissenheit, dort Marginalisierung und bei uns heiterer Synkretismusreigen. Sieh Dir die Kopten, Armenier oder Serben an. Hier ist die Religion unmittelbarer Teil der Identität, aber das ist nicht der stetigen Reformation zu verdanken. Und so sehr ich die Selbstverständlichkeit der jeweiligen Konfession bewundere so wenig neide ich den Betroffenen ihre Geschichte, die dazu geführt hat. Die Kirche hat es zugelassen, daß ihr die Deutungshoheit über die Welt genommen wurde. Insofern halte ich die einzige Reform, die wirklich notwendig gewesen wäre, das Verhältnis von Wissenschaft und Theologie an die Kandare zu nehmen. Und ich bin mir nicht sicher, ob es sinnvoll war, weich zu werden, was die innerkirchliche Disziplin angeht. Das Seelenheil zuerst - keine Frage. Aber ob die Aufhebung des Laktizinienverbots wirklich im völligen Niedergang der Bußdisziplin hätte enden müssen? Und das ist wieder nur ein kleiner äußerlicher Teil. Klar, die Kirche sähe heute anders aus, wenn die Bischöfe nach 400 nicht landesherrliche Funktionen übernommen hätten (auf der anderen Seite bin ich kein Franziskaner, für den eine arme Kirche besonders erstrebenswert wäre). Klar, sähe die Kirche anders aus, wenn der Westen die Kanones der alten Konzilien beibehalten hätten und z.B. die Wahl der Bischöfe immer noch nur durch die Mitbrüder der Metropolie stattfände oder wir zweimal im Jahr Metropolitansynoden erleben könnten mit offener Aussprache. Und noch anders wäre es sicherlich gekommen, wenn niemals Bischöfe zu Quasibeamten geworden wären. Allein, ich habe den Verdacht, daß Du dafür einen neuen Menschen erschaffen müsstest. 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Die Kirche hat es zugelassen, daß ihr die Deutungshoheit über die Welt genommen wurde. Das war wohl die unvermeidliche Folge der Entwicklung der Wissenschaften. Jede Weltanschauung oder Ideologie, die für sich den Anspruch erhebt, endgültige Aussagen über diese Welt zu machen, wird früher oder später von den Wissenschaften überholt - wenn sie deren Fortschritt nicht verhindern kann, was zum Glück in den letzten 500 Jahren weder Religionen noch Ideologien gelungen ist. Insofern halte ich die einzige Reform, die wirklich notwendig gewesen wäre, das Verhältnis von Wissenschaft und Theologie an die Kandare zu nehmen. Diese Reform hätte dann nur die klare Trennung zwischen beidem gewesen sein können, das selbsterklärte, definitive Ende der Religion als Welterklärung - so wie es ja in der Praxis auch gekommen ist. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
helmut Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Die Kirche hat es zugelassen, daß ihr die Deutungshoheit über die Welt genommen wurde. Das war wohl die unvermeidliche Folge der Entwicklung der Wissenschaften. Jede Weltanschauung oder Ideologie, die für sich den Anspruch erhebt, endgültige Aussagen über diese Welt zu machen, wird früher oder später von den Wissenschaften überholt - wenn sie deren Fortschritt nicht verhindern kann, was zum Glück in den letzten 500 Jahren weder Religionen noch Ideologien gelungen ist. Insofern halte ich die einzige Reform, die wirklich notwendig gewesen wäre, das Verhältnis von Wissenschaft und Theologie an die Kandare zu nehmen. Diese Reform hätte dann nur die klare Trennung zwischen beidem gewesen sein können, das selbsterklärte, definitive Ende der Religion als Welterklärung - so wie es ja in der Praxis auch gekommen ist. eine kleine korrektur wirst du gestatten: "...das selbsterklärte, definitive Ende der Religion als einzige und vollständige Welterklärung..." bißchen quantentheorie und neurobiologie und evolutionstheorie und psychologie und soziologie und ökonomie gehören dazu. du siehst, selbst die naturwissenschaften reichen nicht zur welterklärung. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Sieh Dir die Kopten, Armenier oder Serben an. Hier ist die Religion unmittelbarer Teil der Identität, aber das ist nicht der stetigen Reformation zu verdanken. Stetige Reformation würde aber nichts daran ändern. Die Religion ist zwar Teil der Identität, aber nicht in ihrer Dogmatik, sondern in ihrer Praxis. Die dahinterstehenden Dogmen sind ziemlich beliebig und in der Regel auch gar nicht bekannt. Ein Beispiel ist die bekannte Kalenderfrage. ich hatte früher immer geglaubt, Altkalendarier müssten eigentlich prinzipiell furchtbar konservativ bis rückständig sein, aber das war ein Irrtum. Es geht dabei lediglich um Brauchtum, man will die Feiertage feiern, wie man das immer gemacht hat, dahinterstehenden Glaubens-/Konzilsaussagen sind völlig gleichgültig. Das gilt, soweit ich das sehen kann, für alle zur National-/Stammes-Identität benutzten Religionen. Werner Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Wiebke Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 bißchen quantentheorie Hab gerade "The Grand Design" von Hawking und Mlodinow gelesen. Sie schreiben es da nicht so klar, aber, was sie sagen, scheint darauf hinauszulaufen, dass Universen beliebig entstehen, somit keine Begrenzung von deren Anzahl besteht, also letztlich unendlich viele Universen existieren. Das wiederum würde bedeuten, dass jeder quantenmechanisch mögliche Ablauf der Geschichte auch wirklich irgendwo eintritt. Den Gedanken finde ich zum Grausen (was natürlich weder ein Argument gegen noch für seine Richtigkeit ist, aber darum geht's mir gerade nicht). Ich frage mich, ob diese Art von Antworten den Bedarf an Religion nicht eher wird steigen als sinken lassen, wenn unsere armen überforderten Menschenhirne das verarbeiten müssen, ohne komplett wahnsinnig zu werden (was natürlich - wiederum - weder ein Argument für noch gegen die Richtigkeit einer Religion oder von Religion allgemein ist). Es könnte sich da tatsächlich ein enormer "Markt" für Religionen im neuheidnischen Sinne auftun, die keine "Wahrheiten" verkaufen, sondern mit ihren Mythen und Ritualen einfach den Menschen etwas Spirituelles geben wollen, das ihr Leben bereichert und einen gewissen Halt bietet. Für eine Reform kirchlicher Dogmengebäude sehe ich da allerdings schwarz. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
tribald_old Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 "Und was verstehen sie unter einem Sakrament?" also für mich ist das alles Magie. ausnahmsweise mich selber geantwortet: jemand anderer Meinung? Nee . Eventüll müsste man noch den Begriff "Magie" definieren. Kann ja sein, dass du da was ganz anderes darunter verstehst als ich. aber bis dahin dem Petrus seiner Meinung seiend............tribald Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Stetige Reformation würde aber nichts daran ändern.Die Religion ist zwar Teil der Identität, aber nicht in ihrer Dogmatik, sondern in ihrer Praxis. Die dahinterstehenden Dogmen sind ziemlich beliebig und in der Regel auch gar nicht bekannt. Vordergründig ja. Die Praxis (Kalender, Fastenregeln, Umgangsformen (wobei wir ja mittlerweile weit davon entfernt sind, Katholiken noch am Umgang miteinander erkennen zu können)) ist sicherlich auch gemeinschaftsstiftender als das dogmatische Gebäude dahinter. Das Ganze erinnert ja ein wenig an die Geschichte der jüdischen Urgroßmutter und ihrer Pfanne. Aber wie diese Geschichte auch zeigt ist eine Praxis völlig ohne "sinnvollen" Unterbau auch anfällig. Ich glaube z.B. nicht, daß lex orandi, lex credendi völlig aus der Luft gegriffen ist. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
mn1217 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Gedacht habe ich aber, dass wir einen Amtsinhaber nicht an der Vereidigung erkennen, sondern daran dass ein Konsens bestimmter Personen darüber herrscht dass er das Amt inne hat und dass ihm die daraus resultierende Authorität zugebilligt wird. Das kann man meinetwegen auch als Symbol sehen. Das Symbol der Vereidigung ist allerdings völlig irrelevant. Ist es eben nicht: Der Konsens der betroffenen Personen wird unter anderem auch dadurch hergestellt, dass die Vereidigung stattfindet. Der Akt der Vereidigung ist ein wichtiges Symbol, das mit hilft, diesen Konsens zu generieren und auf dauer zu erhalten. Dass einzelne Leute (wie du selbst) von diesem Symbol unabhängig sind (oder besser: glauben, davon unabhängig zu sein), ändert nichts an seiner Wichtigkeit. Statt einer Rundmail vom Chef kann man den neuen Sysadmin auch mit großem Tamtam vereidigen. Was soll sich ändern, außer dass man die Zeit von Leuten verschwendet? Beim Sysadmin kann man auf eine Vereidigung verzichten, da der als einziger das Superuser-Passwort hat. Etwas Vergleichbares gibt es im Umgang von Menschen untereinander nicht. Wie wichtig solche Symbole sind, sieht man dort, wo es sie nicht gibt bzw. wo sie nicht funktionieren oder in Grenzfällen. Beispiel 1: Ägypten. Wer ist da der anerkannte Präsident und warum ist er das? Beispiel 2: Amerikanische Präsidentenwahl 2000. Wer hat die Wahl gewonnen und warum? Heißt die Antwort auf Frage zwei nicht ungefähr: Im Prinzip Al Gore, aber einige walurnen wurden in den Everglades den Krokodilen geopfert und daher war es dann anchher doch George W. Bush? Die Amtsunhaber werden aber in dem Fall nur vereidigt, wenn sie eben Wahlsieger sind. Das funktioniert nur bei Königs anders, wobei die Vereidigungen in den Niederlanden und Belgien ja recht profan abliefen. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aristippos Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 wobei wir ja mittlerweile weit davon entfernt sind, Katholiken noch am Umgang miteinander erkennen zu können Wann konnte man das denn? 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 In gewisser Weise habe ich das als Kind tatsächlich noch erlebt. In meinem Umfeld gab es tatsächlich einige "Codes", die ich als "typisch katholisch" wahrgenommen habe. Das hatte weniger etwas mit einer besonderen Liebenswürdigkeit zu tun, sondern betraf eher das Lebensgefühl. Mein eigentlicher Hintergedanke war allerdings eher eine verklärte Illusion der Urkirche, sprich der Zeiten, als das Dasein als Randreligion noch andere Anforderungen an die Mitglieder stellte. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 In gewisser Weise habe ich das als Kind tatsächlich noch erlebt. In meinem Umfeld gab es tatsächlich einige "Codes", die ich als "typisch katholisch" wahrgenommen habe. Das hatte weniger etwas mit einer besonderen Liebenswürdigkeit zu tun, sondern betraf eher das Lebensgefühl. Mein eigentlicher Hintergedanke war allerdings eher eine verklärte Illusion der Urkirche, sprich der Zeiten, als das Dasein als Randreligion noch andere Anforderungen an die Mitglieder stellte. Welche Codes waren das? - Einen katholischen Haushalt erkennt man doch heute immer noch am Vorhandensein von Kreuzen, Heiligenbildern und Weihwasserkessel, beispielsweise. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Aristippos Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 In gewisser Weise habe ich das als Kind tatsächlich noch erlebt. In meinem Umfeld gab es tatsächlich einige "Codes", die ich als "typisch katholisch" wahrgenommen habe. Das hatte weniger etwas mit einer besonderen Liebenswürdigkeit zu tun, sondern betraf eher das Lebensgefühl. Mein eigentlicher Hintergedanke war allerdings eher eine verklärte Illusion der Urkirche, sprich der Zeiten, als das Dasein als Randreligion noch andere Anforderungen an die Mitglieder stellte. Welche Codes waren das? - Einen katholischen Haushalt erkennt man doch heute immer noch am Vorhandensein von Kreuzen, Heiligenbildern und Weihwasserkessel, beispielsweise. Das hat für mich nichts mit "Umgang miteinander" zu tun. Wo steht denn dein Weihwasserkessel? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
kam Geschrieben 6. August 2013 Melden Share Geschrieben 6. August 2013 Wo steht denn dein Weihwasserkessel? An der Haustür. - Das war ja eine Frage, welche Codes Flo da meint. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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