Der Geist Geschrieben 9. November 2013 Melden Geschrieben 9. November 2013 (bearbeitet) Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 Am 9. November 2013 ist es 75 Jahre her, dass in einer konzertierten Aktion des nationalsozialistischen Regimes im gesamten damaligen Deutschen Reich Synagogen zerstört und jüdische Menschen schikaniert, gefoltert und getötet wurden. Auch ganz Österreich war davon erfasst, besonders stark Wien, wo eine große jüdische Gemeinde ein blühendes und die Gesellschaft inspirierendes Leben entfaltet hatte. Wenn sich die Kirche heute dieser Ereignisse erinnert, dann steht sie an der Seite der jüdischen Gemeinde. Die österreichischen Bischöfe sind mit ihr bestürzt über die Qualen, die jüdische Menschen erlitten haben und wir erkennen, dass mit der Zerstörung der Synagogen auch das Lob des Ewigen geschändet wurde. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren hat die Kirche im Judentum die Wurzel ihres Glaubens wiederentdeckt. Wenn der jüdische Glauben geschmäht und zerstört wird, verlieren wir Christen jene Kraft, die uns nährt und aus der wir leben. 1938 hat das die Kirche in Österreich nicht erkannt, obwohl sie selbst wenige Wochen zuvor beim Sturm auf das Erzbischöfliche Palais in Wien Ziel des Naziterrors geworden war. Die Kirche hat auch in ihrer damaligen Theologie versagt, weil sie kein eindeutiges Zeugnis für den ungekündigten Bund des Ewigen mit seinem Volk gegeben hat. Und sie hat in der Liebe versagt, denn es waren unsere Nächsten, die unschuldig Opfer des gewalttätigen Anti-semitismus wurden. Einzelne Christinnen und Christen haben die Not gesehen. Sie haben aus Eigeninitiative und unter großer Gefahr geholfen und gemahnt. Aber es waren viel zu wenige. Wir sehen heute klar, dass auch die Kirche durch Akzente ihre Verkündigung im Sinn einer Verachtung des Judentums mitverantwortlich für jenes Klima war, in dem sich der nationalsozialistische Antisemitismus ausbreiten konnte. Daran erinnert ein bedeutendes kirchliches Dokument, wo es heißt: "Die Tatsache, dass die Schoa in Europa stattfand, das heißt in Ländern mit einer langen christlichen Kultur, wirft die Frage nach der Beziehung zwischen der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und der Haltung der Christen gegenüber den Juden in allen Jahrhunderten auf." (Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden: Wir erinnern, Eine Reflexion über die Schoa, 1998). Vor diesem Hintergrund sind die Bischöfe dafür dankbar, dass sich die Kirche heute in einer tragfähigen Freundschaft mit den jüdischen Gemeinden verbunden weiß. Die zahlreichen christlich-jüdischen Veranstaltungen und Initiativen - nicht nur jetzt im Gedenken an das Novemberpogrom, sondern ganz selbstverständlich auch bei vielen anderen Anlässen - zeugen davon und geben Hoffnung. Die Bischöfe unterstreichen die Auffassung von Papst Franziskus: "Gott ist dem Bund mit Israel immer treu geblieben, und die Juden haben trotz aller furchtbaren Geschehnisse dieser Jahrhunderte ihren Glauben an Gott bewahrt. Dafür werden wir ihnen als Kirche, aber auch als Menschheit, niemals genug danken können." Dies ist ein Anlass auf die Kirche und die Bischöfe stolz zu sein. (Quelle: http://www.bischofskonferenz.at/content/site/dokumente/presseerklaerungen/2013/article/597.html bearbeitet 9. November 2013 von Monika
Petrus Geschrieben 9. November 2013 Melden Geschrieben 9. November 2013 Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe.
Katharer Geschrieben 9. November 2013 Melden Geschrieben 9. November 2013 (bearbeitet) Essen. Erstmals verbot Polizeipräsidentin Stephania Fischer-Weinsziehr eine NPD-Demo am Jahrestag der Pogromnacht. Allein ihre Argumente reichten dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen nicht. Es gab dem Antrag des NPD-Kreisverbandes Essen statt. Die Kammer führte mit Blick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, dass eine von der NPD durchgeführte Versammlung am 9. November, der in Deutschland seit Langem mit den Verbrechen des Nationalsozialismus und insbesondere den Ereignissen, die am 9. November 1938 gerade auch in Essen stattgefunden haben, in Verbindung gebracht wird, von der Öffentlichkeit als nicht veranlasst und unangemessen oder gar als moralisch verwerflich angesehen werden mag. Diesen Bandwurmsatz muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen bevor man kapiert was dieses Gerichtsurteil bedeutet:"Grundrecht schützt auch rechtsextreme Aussagen". Quelle; http://www.derwesten...-id8647279.html bearbeitet 9. November 2013 von Katharer
Der Geist Geschrieben 9. November 2013 Autor Melden Geschrieben 9. November 2013 (bearbeitet) Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe. Ich auch. bearbeitet 9. November 2013 von Der Geist
helmut Geschrieben 9. November 2013 Melden Geschrieben 9. November 2013 Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe. geht auch ein argument?
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 9. November 2013 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 9. November 2013 Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe. geht auch ein argument? Gern. Die Bezeichnung "Reichskristallnacht" - ich habe das aber hier im Forum schon einmal geschrieben - entstand im Volksmund als bitter-ironische Reaktion auf das Geschehen in der Nacht zum 10. November 1938. Keinesfalls ist dieser Begriff eine Verharmlosung der Pogrome. Im Gegenteil klingt für mich aus diesem Wort "Kristallnacht", das den Anblick der Einkaufsstraßen nach den Zerstörungen und Brandstiftungen der SA-Trupps wiedergibt, das Grauen dieser Nacht und die Angst der Opfer ebenso wie die Ohnmacht der Bevölkerung. Es ist nun aber so, dass neue Generationen, die ihren Mangel an historischem Wissen durch eine ausgeprägte "political correctness" wettmachen möchten, in dem Begriff "Reichskristallnacht" eine Verharmlosung zu erkennen meinen. Leider ist das ein derart großer Teil der Bevölkerung, dass ich mich inzwischen genötigt sehe, in Diskussionen und Vorträgen entweder zu erläutern, warum ich "Reichskristallnacht" sage, oder doch eine andere Bezeichnung zu verwenden. Allerdings sage ich dann nie "Pogromnacht", sondern spreche von den Novemberpogromen. Es gibt noch ein weiteres schwerwiegendes Argument gegen die Umbenennung der Kristallnacht in "Pogromnacht". Denn für Historiker ist "Reichskristallnacht", wie auf Wikipedia nachzulesen ist, das weltweit verwendete deutsche Wort für das Geschehen im November 1938. Die historische Forschung kommt ohne dieses Wort nicht aus. Alfons 5
Der Geist Geschrieben 9. November 2013 Autor Melden Geschrieben 9. November 2013 (bearbeitet) Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe. geht auch ein argument? Gern. Die Bezeichnung "Reichskristallnacht" - ich habe das aber hier im Forum schon einmal geschrieben - entstand im Volksmund als bitter-ironische Reaktion auf das Geschehen in der Nacht zum 10. November 1938. Keinesfalls ist dieser Begriff eine Verharmlosung der Pogrome. Im Gegenteil klingt für mich aus diesem Wort "Kristallnacht", das den Anblick der Einkaufsstraßen nach den Zerstörungen und Brandstiftungen der SA-Trupps wiedergibt, das Grauen dieser Nacht und die Angst der Opfer ebenso wie die Ohnmacht der Bevölkerung. Es ist nun aber so, dass neue Generationen, die ihren Mangel an historischem Wissen durch eine ausgeprägte "political correctness" wettmachen möchten, in dem Begriff "Reichskristallnacht" eine Verharmlosung zu erkennen meinen. Leider ist das ein derart großer Teil der Bevölkerung, dass ich mich inzwischen genötigt sehe, in Diskussionen und Vorträgen entweder zu erläutern, warum ich "Reichskristallnacht" sage, oder doch eine andere Bezeichnung zu verwenden. Allerdings sage ich dann nie "Pogromnacht", sondern spreche von den Novemberpogromen. Es gibt noch ein weiteres schwerwiegendes Argument gegen die Umbenennung der Kristallnacht in "Pogromnacht". Denn für Historiker ist "Reichskristallnacht", wie auf Wikipedia nachzulesen ist, das weltweit verwendete deutsche Wort für das Geschehen im November 1938. Die historische Forschung kommt ohne dieses Wort nicht aus. Alfons Ich hatte bisher nicht geantwortet, weil mein Thema eigentlich das Eingeständnis der österreichischen Kirche an der Mitschuld an der Judenvefolgung der Nazis war. Ich muss aber entschieden widersprechen....es ist heute Allgemeingut, dass dem Ausdruck Reichskristallnacht ein verniedlichender Euphemismus anhaftet und der Ausdruck wird heute im seriösen Schrifttum praktisch nicht mehr verwendet...wenn man sich via Internet einen schnellen Überblick über die Berichterstattung seriöser Zeitungen verschafft wir man dies bestätigt finden. bearbeitet 9. November 2013 von Der Geist
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 9. November 2013 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 9. November 2013 (bearbeitet) Aus Anlass des heutigen Gedenktages - die Novemberpogrome jähren sic zum 75. Mal, hat die österreichische Bischofskonferenz folgende Erklärung beschlossen und publiziert: 75 Jahre nach dem Novemberpogrom 1938 nö. "Reichskristallnacht". und ich weiß, was ich schreibe. geht auch ein argument? Gern. Die Bezeichnung "Reichskristallnacht" - ich habe das aber hier im Forum schon einmal geschrieben - entstand im Volksmund als bitter-ironische Reaktion auf das Geschehen in der Nacht zum 10. November 1938. Keinesfalls ist dieser Begriff eine Verharmlosung der Pogrome. Im Gegenteil klingt für mich aus diesem Wort "Kristallnacht", das den Anblick der Einkaufsstraßen nach den Zerstörungen und Brandstiftungen der SA-Trupps wiedergibt, das Grauen dieser Nacht und die Angst der Opfer ebenso wie die Ohnmacht der Bevölkerung. Es ist nun aber so, dass neue Generationen, die ihren Mangel an historischem Wissen durch eine ausgeprägte "political correctness" wettmachen möchten, in dem Begriff "Reichskristallnacht" eine Verharmlosung zu erkennen meinen. Leider ist das ein derart großer Teil der Bevölkerung, dass ich mich inzwischen genötigt sehe, in Diskussionen und Vorträgen entweder zu erläutern, warum ich "Reichskristallnacht" sage, oder doch eine andere Bezeichnung zu verwenden. Allerdings sage ich dann nie "Pogromnacht", sondern spreche von den Novemberpogromen. Es gibt noch ein weiteres schwerwiegendes Argument gegen die Umbenennung der Kristallnacht in "Pogromnacht". Denn für Historiker ist "Reichskristallnacht", wie auf Wikipedia nachzulesen ist, das weltweit verwendete deutsche Wort für das Geschehen im November 1938. Die historische Forschung kommt ohne dieses Wort nicht aus. Alfons Ich hatte bisher nicht geantwortet, weil mein Thema eigentlich das Eingeständnis der österreichischen Kirche an der Mitschuld an der Judenvefolgung der Nazis war. Ich muss aber entschieden widersprechen....es ist heute Allgemeingut, dass dem Ausdruck Reichskristallnacht ein verniedlichender Euphemismus anhaftet und der Ausdruck wird heute im seriösen Schrifttum praktisch nicht mehr verwendet...wenn man sich via Internet einen schnellen Überblick über die Berichterstattung seriöser Zeitungen verschafft wir man dies bestätigt finden. Dass Zeitungen nicht mehr "Kristallnacht" schreiben - da hast du natürlich Recht. Nicht, weil die Redakteure selber diese Bezeichnung für verharmlosend halten - mir ist übrigens noch nie jemand untergekommen, der dieses Wort verharmlosend benutzt - sondern weil sie nicht missverstanden werden möchten und ungern besserwisserische Leserbriefe provozieren. Ich sagte ja oben, dass ich da selber im Zwiespalt bin. Zum Beispiel werde ich am kommenden Wochenende bei einer Stadtführung überr das Thema Judenverfolgung und November 1938 sprechen. Rede ich da vom "Novemberpogrom" oder erkläre ich, warum ich bei "Kristallnacht" bleibe? Wichtig ist mir aber, dass auch für jene Menschen, die lieber "Pogromnacht" oder Ähnliches sagen, das Grauen fühlbar bleibt, das in diesem "Reichskristallnacht" schwingt. Mir ist wichtig, dass Bedeutungen nicht verloren gehen oder gar umgebogen werden. Wenn die Kölner Musikgruppe BAP von "Kristallnaach" singt, dann ist dieses Grauen fühlbar, ja mehr noch, dann wird dieses Wort zur Metapher und zur Warnung vor neuen Gefahren, Warnung vor Rassismus und Neonazis und Unmenschlichkeit: "Da, wo Darwin für alles herhält, / wo man Menschen vertreibt oder quält, / da, wo hinter Macht Geld ist, / wo stark sein die Welt ist, / von Kuschen und Strammstehn entstellt (...) ist täglich Kristallnacht." Jedes Mal, wenn ich das Lied höre, läuft es mir eiskalt den Rücken runter: . Du hast abermals Recht, wenn du darauf hinweist, dass dieses Thema "Kann man heute noch Kristallnacht sagen?" eigentlich nicht in deinen Thread gehört, sondern nur ein Nebenaspekt ist. Um auf dein eigentliches Anliegen zu kommen: Dieses Aussprechen der eigenen Mitschuld ist ein manchmal schmerzhafter und schwieriger Prozess, und ich freue mich, dass die Kirchen (nicht nur in Österreich) sich dem auch nach so vielen Jahrzehnten stellen. Mich hat es vor einigen Jahren beeindruckt, als die Nordelbische Kirche - die Evangelischen Kirchen in Deutschland hatten sich zu einem sehr großen Teil mit den Nazis gemein gemacht - ein deutliches Schuldbekenntnis ablegte: "Was im Nazi-Regime geschehen ist, war auch eine Konsequenz aus kirchlichem Handeln und Unterlassen. Wir empfinden ein hohes Maß an Scham und Schuld!" hieß es nach einer Synode 2001. Alfons bearbeitet 9. November 2013 von Alfons 7
Petrus Geschrieben 10. November 2013 Melden Geschrieben 10. November 2013 geht auch ein argument? @Alfons: danke. Besser hätte ich es nicht sagen können. Diese Aktion wurde ja auf Anweisung von Herrn Goebbels als "spontaner Volkszorn" versucht, zu verkaufen. Besser und entlarvender hätte man diese Lüge mit dem Wort "Reichskristallnacht" (die Nazis hatten das "Reichs-..." ja für sich besetzen wollen, bis hin zu Herrn Göring als "Reichsjägermeister" - da fällt mir ein, gibt es eigentlich schon eine Kampagne, in der man die Firma, die den Jägermeister herstellt, dringend zur Umbenennung dieses Produkts auffordert, so wie das damals mit den Dieckmann-Küssen, oder wie das heute heißt) unter den damals gegebenen Umständen (und auch da weiß ich, was ich sage - mein Großvater durfte bei der Gestapo antanzen, weil er nicht aufhören wollte, zu sagen, daß die Juden bittschön nach wie vor das auserwählte Volk Gottes sind, weil das steht in der Bibel - er hat nicht seinen Glauben aufgegeben, ist aber dann wohl ein bißchen vorsichtiger geworden, sonst gäb's mich heute nicht) nicht ausdrücken können. meine Meinung. Der Zwischenzustand der sicher gutgemeinten - das möchte ich niemandem absprechen - Umbenennung war übrigens "Reichspogromnacht".
Der Geist Geschrieben 10. November 2013 Autor Melden Geschrieben 10. November 2013 Wenn ich mir die beiden letzten Postings lese kann ich nur fesstellen, dass man offenbar in Österreich im Zusammenhang mit der Judenverfolgung der Nazis eine größere sprachliche Sensibilität entwickelt hat...ich habe jedenfalls in den letzten Jahren von niemand Ernstzunehmendem mehr das Wort Kristallnacht gehört. Aber "suum cuique"
Der Geist Geschrieben 17. Dezember 2013 Autor Melden Geschrieben 17. Dezember 2013 Ich beschäftige mich derzeit auf Grund eines Dissertationsprojekts sehr intensiv mit der Geschichte de Shoa und bin dabei, bei Befassung mit den Quellen auf zwei sehr interessante Umstände gestoßen. Zur Quelle: Der französische Journalist Claude Lanzmann, der bereits im Jahr 1984 den 9 stündigen Film Shoa produziert hat, hat nunmehr eine fast 4 stündige Doku mit einem Interview gestaltet, das ihm der letzte der Judenältesten im KZ Theresienstadt Benjamin Murmelstein gegeben hat. Dabei hat Murmelstein zwei interessante Behauptungen aufgestellt, die von der üblichen Geschichtsschreibung erheblich abweichen: 1. Adolf Eichmann ist beim Prozess in Jerusalem im Anklagepunkt "Teilnahme am Novemberpogrom im Wien 1938" mangels Nachweisbarkeit freigesprochen worden. Murmelstein behauptet in dem Interview mit eigenen Augen gesehen zu haben, wie Eichmann mit eine Eisentange Einrichtungsgegenständer der Synagoge in der Seitenstättengasse zertrümmert habe. 2. Die herrschende Aussage zur Pogromnacht ist, dass sie die Reaktion auf die Ermordung des deutschen Botschaftsekretärs Ernst Eduard vom Rath durch den jungen Juden Herschel Grynszpan gewesen sei. Benjamin Murmelstein sagt im Interview, dass er wisse, dass der eigentliche Anlass der 20. Jahrestag der Ausrufung der Weimarer Republik durch Philipp Scheidemann war, also jenes Staates der von der extremen Rechten von Anbeginn an als Judenrepublik diffamiert wurde.
kam Geschrieben 17. Dezember 2013 Melden Geschrieben 17. Dezember 2013 Das mag so gewesen sein, wie sich Murmelstein erinnert. Der Freispruch Eichmanns bedeutet nicht viel, schließlich war das ein unwichtiger Anklagepunkt. Und ich halte für plausibel, daß ein Pogrom so oder so schon geplant war, als dann das Rath-Attentat noch ein wenig den Schein von Legitimität vermittelte. Seit der Machtergreifung der Nazis gab es ein An- und Abschwellen judenfeindlicher Aktionen, die auch vor dem Hintergrund gesehen werden müssen, daß das NS-Regime keineswegs so fest im Sattel saß, wie es ex post betrachtet den Anschein hatte. Und das 38er Pogrom, das dann auch im eroberten Österreich stattfand, ist nicht so einfach als Vorgeschichte der Shoah zu interpretieren. Das NS-Regime verfolgte keinen einheitlichen Plan; es gab militante Antisemiten wie Streicher und Mutschmann und Pragmatiker, die jüdisches Know How und Arbeitskraft erhalten sowie den bis zum Krieg eintretenden außenpolitischen Schaden von Verfolgungsmaßnahmen vermeiden wollten. Die Rolle Hitlers ist unklar, sicher ist, daß er die Shoah früh in Mein Kampf als Programm formuliert hat. Aber wer dann dieses Ziel immer wieder gegen alle Vernunft hochgehalten und befördert hat, ist bis heute nicht klar. (es gibt einzelne Eckpunkte, wie die Wannsee-Konferenz, die etwas erforschter sind.) Die Geschichtsschreibung scheint sich mit der pauschalen Feststellung, es seien die Nationalsozialisten gewesen, zu begnügen. Gelegentlich findet man noch die Schuldzuweisung an Deutschland insgesamt. So langsam scheint die Zeit reif, die Abläufe und Mechanismen, die zur Shoah führten, nochmal im Detail zu studieren. Sicher ist freilich, daß der politische Zustand Deutschlands und Hitler's NSDAP conditiones sine qua non waren, es geht nicht um moralische Freisprüche. Aber waren das auch hinreichende Bedingungen für die konkrete Ausformung der Shoah? Der Antisemitismus der NSDAP und va der SS scheint gerade im besetzten Ausland als übernationale Brückenideologie gedient zu haben.
Petrus Geschrieben 19. Dezember 2013 Melden Geschrieben 19. Dezember 2013 die Evangelischen Kirchen in Deutschland hatten sich zu einem sehr großen Teil mit den Nazis gemein gemacht aha.
Marcellinus Geschrieben 19. Dezember 2013 Melden Geschrieben 19. Dezember 2013 Mich hat es vor einigen Jahren beeindruckt, als die Nordelbische Kirche - die Evangelischen Kirchen in Deutschland hatten sich zu einem sehr großen Teil mit den Nazis gemein gemacht - ein deutliches Schuldbekenntnis ablegte: "Was im Nazi-Regime geschehen ist, war auch eine Konsequenz aus kirchlichem Handeln und Unterlassen. Wir empfinden ein hohes Maß an Scham und Schuld!" hieß es nach einer Synode 2001. Das war aber nicht das erste. Diese Schuldbekenntnis war wesentlich früher.
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