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Lesenswert und nachdenkenswert


Der Geist

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Dann werde ich einmal OT hier:

 

Ja, es ist Österreich-speziell.

Nein, es ist doch nicht Österreich-speziell.

 

Ebensee war eines der "Nebenlager" von Mauthausen und ein absolutes "Todeslager".

Von Ebensee kam man nämlich nur in einem Fall weg: "Überstellung KLM".

"KLM" steht für "Konzentrationslager Mauthausen" (die Bezeichnung "KZ" war nie offiziell) und "Überstellung" bedeutet hier: "Gaskammer" - denn es handelte sich nur um Häftlinge, die nicht mehr "arbeitsfähig" waren.

 

Ebensee war klein, aber brutal. Es sind Horror-Szenen bekannt, die selbst abgebrühten Kennern der KZ-Erinnerungsliteratur den Magen umdrehen.

 

Nach Ebensee war ein Teil der Raketenproduktion der V 2 ausgelagert, da absolut bombensicher.

 

Es gibt ein relativ bekanntes Foto nach der Befreiung, ohne näheren Kommentar in vielen Büchern abgedruckt: Skelette um ein Feuer und vor einer Art Blockhaus stehend. Der Hintergrund: idyllisch. Sommerfrische sozusagen. Und so idyllisch sieht es dort tatsächlich aus. Ebensee liegt im Salzkammergut, an der Strecke nach Bad Ischl, Hallstatt etc.

 

Die überlebenden Häftlinge von Ebensee haben sich letztlich selbst gerettet. Es gab eine gut funktionierende Widerstandsgruppe im Lager, die Kontakte zu einer Wehrmachtsgruppe hatte, die für die Außenbewachung zuständig war. Die schmuggelte sogar Waffen ein, und es gab eine Zusage: wenn sie Euch in die Stollen treiben wollen, geht nicht! Sie wollen sie sprengen. Weigert Euch, kämpft, wir kommen und helfen Euch!

 

Und als der Kommandant die Häftlinge "zu ihrem Schutz" in die Stollen locken/treiben wollte, wurde er niedergeschrien: "Nein!" Und was passierte? Er verließ mit seinen Mannen fluchtartig das Lager. Die Wehrmacht kam hinein, sicherte es gegen allfällig zurückkehrende SS, und man machte sich auf die Suche nach der US-Army, dem einzig effektiven Schutz, von der aber befürchtet wurde, sie würde vorbeifahren. (Das Lager liegt an einem militärisch sehr unangenehmen und sehr schmalen Seitenstraße in einem Seitental...). Nun, man fand sie, man überredete sie, sie kam, sie half.

 

Das war also "damals".

Ich war vor einigen Jahren einige Tage in Ebensee.

 

Heute ist einer der Stollen als Gedenkstätte eingerichtet, der ein Stück entfernt liegende Ort Ebensee hat ein musterhaftes, liebevoll gepflegtes, regionalgeschichtlich hochinteressantes Museum dieser Zeit (und bettelt ständig um Geld, um es auch weiter zu haben). Sie sind hoch aktiv, was Publikationen aller Art betrifft.

 

Vom ehemaligen Lager ist nur der Torbogen über und ein Stück des "Löwenganges", der Weg vom Lager zu den Arbeitsbereichen. Ein schmaler Waldweg heute, überwuchert, die Natur hat ihn zurückerobert. An einer Stelle kann man die ehemalige Breite sehen. Dort, wo Stufen eingebaut sind, weil der Abhang bei Feuchtigkeit oder im Winter nicht anders zu begehen war.

 

Auf dem Lagergelände sind idyllische Einfamilienhäuser gebaut. Eine richtig schmucke kleine Siedlung. Mit viel "rustikal" und Holz und Blümchen und Gartenzwergen und furchtbar netten Menschen. Ein österreichischer Großbetrieb hat einen Kinderspielplatz an den Rand gebaut. Ganz entzückend.

 

Und am Rande des Spielplatzes ist ein niedriges Mäuerchen, entlang dem Mäuerchen sind Bäume und Bänke, mit Blick auf den KZ-Friedhof.

 

Der ist nahezu immer geschlossen. (Man kann mit wenig Aufwand über die Mauer hinein klettern, aber heraus wird es schwieriger, weil er tiefer liegt).

 

Geöffnet wird er gegen Voranmeldung natürlich für Angehörige. Aber sonst nur bei den jährlichen Gedenk-, Bedenk- und Betroffenheitsveranstaltungen (Befreiungsfeier, Allerseelen usw.) Da ist dann ausreichende Sicherung durch die anwesende Polizei gegeben. Ansonsten ist das zu riskant.

 

Er war früher offen. Die Gräberschändungen von Neonazis, I****** oder A****löchern (Schnittmengen der Typen sind anzunehmen) ließen die Verantwortlichen zur Vorsichts-Schließung schreiten.

 

Gewalt, Massenmord, Horror, Mut, Museen, Idylle.

Helden, Opfer, Nachgeborene, Gartenzwerge, Neonazis.

 

Ebensee.

 

Spezifisch österreichisch?

Danke Edith.

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Spezifisch österreichisch?

Nein

Auch wenn ich auf Anhieb keine idyllischen Wohnsiedlungen auf dem Gelände ehemaliger KZ-Aussenlager (ich kenne inzwischen einige) aus dem Ärmel schütteln kann.

Es herrschte bis in die 1980er Jahre hinein vielfach das Bestreben der Gemeinden, auf deren Gebiet sich ein solches befunden hatte, die Spuren möglichst zu tilgen, im wahrsten Sinne des Wortes "

" zu lassen - oder Bäume (das Gelände der Wüste-KZ wurde gleich nach 1945 umfangreichst aufgeforstet - wir haben in Gemeindearchiven angrenzender Dörfer Beschwerden der Waldarbeiter über die zahlreichen Leichenreste gefunden, auf die sie beim Bäumchenpflanzen stießen). Und es waren nicht die Amerikaner, sondern die Franzosen, die die auf Todesmärsche Richtung Österreich geschickten überlebenden Häftlinge im Raum Oberschwaben einholten und befreiten (nachdem die SS-Wachen jeweils kurz zuvor stiften gegangen waren). Und es gab auch Menschen wie Erwin Dold: der einzige KZ-Kommandant, der nach dem Kriege wegen erwiesener Unschuld von einem französischen Tribunal freigesprochen wurde. Was ich hier nirgends dokumentiert finde aber von mehreren Zeitzeugen gehört habe: den Todesmarsch aus Dautmergen (Richtung Dachau) hat er mit allen möglichen Tricks und nicht ohne Gefahr für sich selbst verzögert, so dass diese Häftlinge in Ostrach/Oberschwaben von den Franzosen befreit werden konnten. bearbeitet von Julius
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Spezifisch österreichisch?

Nein

Auch wenn ich auf Anhieb keine idyllischen Wohnsiedlungen auf dem Gelände ehemaliger KZ-Aussenlager (ich kenne inzwischen einige) aus dem Ärmel schütteln kann.

Das war mein "Hauptproblem".

Es ist unlogisch, denn natürlich lebe ich auf einem "alten" historischen Boden und kann in Wien wohl kaum einen Schritt machen, ohne "über Leichen" zu gehen. (Und bei ein paar alten Hinrichtungsstätten kann ich es tatsächlich nicht. Und im Landesgericht gehe ich idiotische Umwege, um es mir zu ersparen, an dem Raum vorbeigehen zu müssen, in dem von 1938 bis 1945 die Guillotine stand). Und natürlich weiß ich nicht, was sich dort abgespielt hat, wo heute das Haus steht, in dem ich wohne. Und natürlich habe ich einen Fernseher, lese Zeitung und lebe trotzdem ganz glücklich.

 

Und trotzdem: auf dem Boden eines KZ ein idyllisches Einfamilienhaus zu bauen - da setzt es bei mir irgendwie aus.

 

Ich will niemanden beschuldigen oder so - ich verstehe es nur nicht.

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Und trotzdem: auf dem Boden eines KZ ein idyllisches Einfamilienhaus zu bauen - da setzt es bei mir irgendwie aus.

 

Auf dem Boden des ehemaligen KZ-Außenlagers Hailfingen-Tailfingen befindet sich jetzt ein Sportplatz, da kickt die Dorfjugend rum.

 

Flossenbürg habe ich eben erst ergoogelt.

bearbeitet von Julius
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Und trotzdem: auf dem Boden eines KZ ein idyllisches Einfamilienhaus zu bauen - da setzt es bei mir irgendwie aus.
Was hätte man sonst machen sollen?

 

Ich hoffe schon, daß die Toten dort ihre Ruhe gefunden haben und nicht die neuen Bewohner heimsuchen, aber generell halte ich es für fast unmöglich geschichtsträchtige Orte komplett der weiteren Nutzung zu entziehen.

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@Geist,Edith

 

Vielen Dank, ich bin ganz sprachlos über diese Geschichte, von so einer Art von Widerstand in der Endphase eines KZs hatte ich noch nie gehört.

(Lasst Euch also nicht beirren, gute Dinge sollten immer weiterberichtet werden! Ob österreichisch oder nicht.)

 

Was übrigens die "Nachnutzung" eines KZs angeht - auf dem Boden des Lagers Neuengamme bei Hamburg waren "praktischerweise" bis 2003/2006 Justizvollzugsanstalten gelegen.

Dagegen ist ein biederes Eigenheim oder ein Sportplatz wirklich "idyllisch".

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Spezifisch österreichisch?

Nein

Auch wenn ich auf Anhieb keine idyllischen Wohnsiedlungen auf dem Gelände ehemaliger KZ-Aussenlager (ich kenne inzwischen einige) aus dem Ärmel schütteln kann.

In Ravensbrück werden die Häuser der Aufseherinnen heute als Jugendherberge benutzt.

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