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Auferstehung – individuell oder kollektiv?


Alfons

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Das ist so nicht ganz richtig. Gewitter und andere Naturerscheinungen (wie z.B. Hagel) waren eine Bedrohung fuer das, was die Menschen besassen, vom Blitz getroffene Scheunen und Haeuser sind eine Existenzgefaehrdung des Lebens, wenn die Ernte und die Vorraete im Eimer sind sieht es sehr schlecht aus. Da faellt das Persoenlichnehmen nicht schwer, wenn einem der Hungerstod im Winter droht, weil die Ernte verhagelt ist. Die Furcht (ich denke auch, dass das besser als der Begriff Angst) hat also ein existenziellen Grund und ist nicht blosser Aberglaube, dass der "Gewittergott" es auf jemand persoenlich abgesehen haette.

 

Ich bin auch im Gegensatz zu dir der Ansicht, dass unsere Gefuehle unser Denken steuern und wir uns nur gern einbilden, das waere anders.

Du schreibst, daß unsere Gefühle unser Denken steuern, was unterstellt, daß Gefühle und Denken prinzipiell unterscheidbar sind, andererseits schreibst du, daß es Denken ohne Gefühle nicht gäbe. So wie du es schriebst, ist das ein veritabler Widerspruch und du darfst dich nicht beschweren, wenn tribald dich nicht versteht. So wie du es formulierst, ist es einfach nur eine Behauptung, die nicht zu entscheiden ist, denn auf jeden, der wie du behauptet, die Gefühle dominierten unser Denken, kommt mindestens einer, der dir mit Gegenbeispielen kommt.

 

Wenn man dagegen sagt, daß das Denken von Menschen mehr oder weniger engagiert oder distanziert sein kann, sich also auf gleitenden Skala zwischen vollkommen engagiert und vollkommen distanziert bewegt (wobei wir die beiden Extrempositionen, die vollkommene Gefühlsorientierung wie die vollkommen Gefühlslosigkeit, wohl als behandlungsbedürftig bezeichnen würden), dann haben wir auf einmal etwas, was wir beobachten und beurteilen können.

 

In diesem Sinne ist die Einstellung der heutigen, eher naturalistisch orientierten Menschen zu Naturphänomenen wie Gewittern eher distanzierter als in vorwissenschaftlichen Zeiten. Was nicht heißt, daß sie emotionslos ist. Im Gegenteil, wie man an der Reaktion von tribald sehen kann.

 

Und nein, die Einstellung von Menschen zu Naturereignissen wie Gewittern hat nicht nur etwas mit der potentiellen Bedrohung zu tun. Ein Gewitter kann auch heute noch Haus und Hof verwüsten. Aber unsere Einstellung (oder zumindest die der meisten) ist nicht mehr in dem Sinne engagiert, in dem sie sich persönlich gemeint und bedroht fühlen. Es ist ein Unterschied, ob ich einen Blitz für ein zwar potentiell gefährliches, aber doch unpersönliches Naturereignis halte, gegen daß ich mich mit geeigneten Maßnahmen schützen kann (oder manchmal auch nicht; auch das gibt es ja), oder ob ich dahinter eine wie auch immer geartete Absicht vermute, was der Bedrohung noch mal einen ganz anderen Charakter gibt.

 

Unser Naturerleben erscheint uns so selbstverständlich, daß wir uns kaum vorstellen können, daß Menschen zu anderen Zeiten oder in anderen Kulturen, dazu ein ganz anderes Verhältnis haben. Wir nennen unsere gern "rational", obwohl unsere Vorstellungen ebenso von Gefühlen begleitet sind wie jene. Darauf weißt du zurecht hin. Der Unterschied liegt nicht darin, ob Gefühle im Spiel sind, sondern welche, und vor allem, welche Vorstellungen damit verbunden sind.

 

....

 

Es geht also nicht um einen scheinbaren Gegensatz zwischen Denken und Gefühl, sondern um eine Veränderung unserer gesamten Habitus hin zu einer sachgerechteren Einstellung von Gedanken und Gefühlen im Bezug auf bestimmte Aspekte außermenschlicher Naturzusammenhänge.

 

 

Nein, ich unterstelle nicht, dass Denken und Fuehlen unterscheidbar sind, im Gegenteil, sie sind es nicht.

 

Da hast du mich voellig falsch gelesen, ich schrieb genau das Gegenteil.

 

Das betrifft aber jeden von uns.

 

Mir ist die Gewitter-Geschichte eigentlich egal, mir ging es darum, dass Denken stets von Gefuehlen beherrscht wird, unabhaengig vom Bereich und Thema, weil sich das gar nicht verhindert laesst.

 

Wenn du also schreibst "wir sollten unser Denken nicht von Gefuehlen beherrschen lassen", widerspreche ich eben dieser Aussage, weil es ist nicht eine Frage von "wir sollten nicht", sondern von tatsaechlich nicht vorhandenem Vermoegen, das zu unterlassen.

 

Um nichts weiter ging es mir, als das festzustellen.

 

Es bilden sich zu viele Menschen ein, sie seien unabhaengig von ihrem Fuehlen und ihre Entscheidungen fielen rein rational. Das fuehlt sich eben auch gut an :-))), wahr ist es trotzdem nicht.

 

______

PS: Auf eine Diskussion mit Leuten, die mir Gegenbeispiele vorhalten wuerden, dass ihr Denken nicht von Gefuehlen dominiert wird, kann ich mich beruhigt einlassen, wenn es dazu kaeme. Denn es ist so, dass ohne Gefuehle ueberhaupt nicht gedacht wird, das geht gar nicht. Der gesamte Denkprozess basiert auf Gefuehlen, die die Richtung steuern. Natuerlich kann man diese in gewisser Weise ergruenden, man kann sich da sogar zunutze machen, wenn man darueber Bescheid weiss.

Ich kann da gern ein Beispiel geben von den Prozess, den ich gerade beim Denken ueber die Hausarbeiten mache, die ich gerade kontrolliere und wie Gefuehle dabei meine Arbeit beeinflussen und steuern und ueber das reine handwerkliche Korrigieren hinaus noch Wirkung haben werden. Aber das fuehrt zu weit vom Thema weg.

bearbeitet von Long John Silver
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Nein, ich unterstelle nicht, dass Denken und Fuehlen unterscheidbar sind, im Gegenteil, sie sind es nicht.

 

Da hast du mich voellig falsch gelesen, ich schrieb genau das Gegenteil.

 

Das betrifft aber jeden von uns.

 

Mir ist die Gewitter-Geschichte eigentlich egal, mir ging es darum, dass Denken stets von Gefuehlen beherrscht wird, unabhaengig vom Bereich und Thema, weil sich das gar nicht verhindert laesst.

 

Wenn du also schreibst "wir sollten unser Denken nicht von Gefuehlen beherrschen lassen", widerspreche ich eben dieser Aussage, weil es ist nicht eine Frage von "wir sollten nicht", sondern von tatsaechlich nicht vorhandenem Vermoegen, das zu unterlassen.

 

Um nichts weiter ging es mir, als das festzustellen.

 

Es bilden sich zu viele Menschen ein, sie seien unabhaengig von ihrem Fuehlen und ihre Entscheidungen fielen rein rational. Das fuehlt sich eben auch gut an :-))), wahr ist es trotzdem nicht.

Könnte es sein, daß du dich gerade verhedderst? Du schreibst, daß Denken und Fühlen nicht unterscheidbar sind. Und schreibst du, daß Gefühle stets unser Denken beherrschen. Ja, was denn nun?

 

An diesem Beispiel kann man sehr gut zeigen, um was es eigentlich geht. Du vertrittst sehr engagiert eine bestimmte Position, die dir offenbar ziemlich wichtig ist. Du willst die Meinung von Leuten zurückweisen, die behaupten, sie träfen Entscheidungen "rein rational", unabhängig von Gefühlen. In diese Schachtel bin auch ich bei dir gefallen. Daher betonst du ganz entschieden, daß JEDE unserer Entscheidungen VORRANGIG von Gefühlen bestimmt wird.

 

Würdest du dich nur ein bißchen von dieser engagierten Position distanzieren, würdest du erkennen, daß das gar nicht das Problem ist. Die Frage ist, nicht, OB wir mit unserem Denken Gefühle verbinden, sondern WELCHE, und ob sie uns bei unserem Denken über bestimmte Tatsachenbeobachtungen eher motivieren, oder eher im Wege stehen.

 

Wenn du dich nur ein wenig von deiner aktuellen Position distanzierst, und damit von der Frage, ob Menschen sich rational entscheiden können oder nicht, dann könntest du dich fragen, was mit diesem "rational" eigentlich gemeint ist. Meistens wird es im Sinne eines absoluten, philosophischen Begriffs gebraucht. Man ist eben "rational" oder nicht.

 

Die beobachtbare Wirklichkeit zeigt aber, daß es "rational" im absoluten Sinne nicht gibt. Das gleiche gilt übrigens für "irrational" (vielleicht von einigen extremen Psychopathen einmal abgesehen, und selbst deren Verhalten hat meistens rationale, will heißen realitiätsorientierte Anteile, sonst wären sie nicht so gefährlich).

 

Es geht also nicht darum, ob Menschen "rational" handeln können oder nicht, sondern die Frage ist einfach falsch gestellt. Die Frage müßte heißen, wie sich eher sachorientiertes Verhalten von eher subjektorientiertem unterscheidet. Denn das es diesen Unterschied im Verhalten der Menschen gibt, daran, denke ich, besteht kein Zweifel.

 

Ein Modell zur Erklärung dieses Unterschieds habe ich vorgestellt. Es ist sicher unvollständig, aber es erklärt meiner Ansicht nach besser als der absolute Gegensatz zwischen "rational" und "emotional" (nagel mich nicht auf diese Begriffe fest, sie sind nur eine von vielen Möglichkeiten, diesen scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz zu beschreiben), das was wir wirklich beobachten können: daß sich das Verhalten der Menschen danach einordnen läßt, ob sie bezüglich eines bestimmten Zusammenhangs eher distanziert oder eher engagiert verhalten.

 

Eines möchte ich noch hinzufügen, weil es in diesem Zusammenhang gern übersehen wird. Erkenntnis und Wissenserwerb ist mindestens so sehr eine kollektive wie eine individuelle Tätigkeit. Das Subjekt der Erkenntnis und des Wissenserwerbs sind DIE Menschen, nicht "der Einzelmensch". Unsere Gedanken wie unsere Gefühle, besser: unser psychosozialer Habitus ist das Produkt eines sozialen Prozesses. Unser Wissen wie unsere Einstellung zB zur außermenschlichen Natur beruht auf dem, was wir von unseren Eltern, Lehrern und denen, unter denen wir aufwachsen, übernehmen und dann für uns weiterentwickeln. Angefangen mit unserer Sprache, den Begriffen und Symbolen, aus denen sie besteht, und die Vorstellungen, die wir und andere damit verbinden, beruht unser gesamtes Denken und Fühlen, auch hier besser: unser gesamter Habitus auf dem der Menschen, unter denen wir aufwachsen.

 

Wenn wir also, um noch einmal auf das Beispiel zurückzukommen, das dich doch eigentlich nicht interessiert, das aber sehr schön zeigt, worum es geht, zu grundsätzlich bedrohlichen Naturereignissen wie Blitz und Donner heute ein anderes Verhältnis haben als unsere Vorfahren, oder auch heute noch in Gegenden, in denen ein eher magisches Weltbild vorherrscht, so ist das nicht eine angeborene Gefühlswelt, oder ein persönlich defektes Weltbild, sondern ein gegenüber Naturerscheinungen weniger distanziertes, und umso mehr engagiertes Weltbild, in dem diese Menschen aufgewachsen sind (in all diesen Fällen ist der Komparativ, "mehr" oder "weniger" der entscheidende Punkt).

 

Wenn dir ein anderes Beispiel lieber ist, schau dir die Reaktion der Menschen auf eine Sonnenfinsternis an, je nachdem unter welchen Vorstellungen von dieser Welt sie groß geworden sind. Es ist nicht einfach nur eine Frage des Wissens, oder des Mangels daran, sondern es ist verbunden mit einem psychosozialen Habitus der Gruppe, in der sie aufgewachsen sind und leben. Nichts davon ist angeboren, nichts davon in Stein (oder Gene) gemeißelt, aber weil es eben nicht nur eine Frage des Wissens ist, braucht es, sich von solchen Vorstellungen zu lösen.

 

Der Satz, man solle seinen Gefühlen nicht erlauben, das eigene Denken zu beherrschen, beschreibt also nicht einen absoluten Zustand, den "rational" zu sein, sondern einen durchaus mühsamen Prozeß, sich von den eigenen, engagierten, emotional befangenen Positionen an jeweils konkreten Punkten zu lösen, einen Schritt zurückzutreten, um aus größerer Distanz ein größeres Bild zu sehen. Oder anders ausgedrückt: Entweder man findet eine Lösung, oder man ist selbst ein Teil des Problems.

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Ich denke, wir reden aneinander vorbei, Marcellinus.

 

Nur so als weiterer Hinweis: auch unsere Faehigkeit zu diesem muehsamen Prozess, von dem du sprichst, wird von Gefuehlen gesteuert. Entweder durch Leidensdruck oder Neugierde oder was immer, der Prozess existiert nicht im Vakuum. Und er setzt ebenfalls Gefuehle frei - Befreiung, Stolz, Freude an der Anerkennung, was immer man erreicht, wenn man sich von erkannten Blockaden befreit. Eine Freiheit von Gefuehlen gibt es also nicht, es gibt lediglich eine Moeglichkeit der Reflexion bestimmter Zustaende, die einem nicht mehr gefallen, und warum das so ist, und das Erstreben eines anderes Zustandes mit angenehmeren Gefuehlen.

 

Leidensdruck z.B. ist auch ein Gefuehl. Das Nachdenken ueber bestimmte Dinge entspringt auch Gefuehlen, moeglicherweise dem Gefuehl, das irgendetwas so nicht stimmen kann, das man nachbohren muss.

Deshalb meine ich: Denken geht nicht ohne Fuehlen. Da ich aber nicht weiss, ob wir ueberhaupt von derselben Ebene reden, moechte ich jetzt nicht noch mehr schreiben, ich habe gesagt, was ich meine.

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Ich denke, wir reden aneinander vorbei, Marcellinus.

Ja.

 

Da ich aber nicht weiss, ob wir ueberhaupt von derselben Ebene reden, ...

 

Nein, tun wir nicht. Ich rede von bestimmten Gefühlen, die bei konkreten Problemen unserem Denken in Weg stehen, du dagegen von Gefühlen allgemein, um nur eines zu nennen.

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Ich denke, wir reden aneinander vorbei, Marcellinus.

Ja.

 

Da ich aber nicht weiss, ob wir ueberhaupt von derselben Ebene reden, ...

 

Nein, tun wir nicht. Ich rede von bestimmten Gefühlen, die bei konkreten Problemen unserem Denken in Weg stehen, du dagegen von Gefühlen allgemein, um nur eines zu nennen.

 

 

Das weiss ich, Marcellinus. Deshalb solltest du deine Aussage auch entsprechend so formulieren, so kann sie auch falsch aufgefasst werden, naemlich allgemein.

 

Das was mir naemlich wichtig ist - auch die Bearbeitung bestimmter konkreter Probleme, die unserer Denken und unsere Handlungen blockieren, koennen nur dann analysiert und aus dem Weg geraeumt werden, wenn wiederum andere Gefuehle das forcieren und "erlauben", wenn also eine Einsicht besteht fuer die Notwendigkeit einer Aenderung. Oft wird dieser Prozess durch eine Veraenderung der aeussere Bedingungen und darauf folgende Chancen freigesetzt, also Druck von aussen, oft durch Druck von innen (so kann es nicht weitergehen etc.)

 

Um noch mal auf den Thread Willkommenskultur zu verweisen: wie viele Menschen sehen diese momentane Veraenderung als Chance? Zwar aufgezwungen, aber trotzdem Herausforderung? Wie viele Menschen sind imstande, sich rasch in eine neue, unabaenderbae Situation mit neuen Anforderungen einzufinden und entsprechend zu reagieren und zu agieren? Wir haben hier eine Situation, die ungeheuer von Emotionen beherrscht wird, in der eine Menge Furcht und Angst so rationalisiert wird, dass sie als "Denken" und "Analyse" sich verkaufen laesst, dabei reagiert lediglich die nackte Angst vor Veraenderungen. Man sieht aber auch, wie sinnlos es ist, manchen Menschen zu erklaeren, dass man sich sein Denken nicht einfach von (bestimmten) Gefuehlen bestimmen lassen sollte, sondern moeglicherweise eine Wahl hat, welchen Gefuehlen man erlaubt, es zu bestimmen.

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Das was mir naemlich wichtig ist - auch die Bearbeitung bestimmter konkreter Probleme, die unserer Denken und unsere Handlungen blockieren, koennen nur dann analysiert und aus dem Weg geraeumt werden, wenn wiederum andere Gefuehle das forcieren und "erlauben", wenn also eine Einsicht besteht fuer die Notwendigkeit einer Aenderung. Oft wird dieser Prozess durch eine Veraenderung der aeussere Bedingungen und darauf folgende Chancen freigesetzt, also Druck von aussen, oft durch Druck von innen (so kann es nicht weitergehen etc.)

 

Um noch mal auf den Thread Willkommenskultur zu verweisen: wie viele Menschen sehen diese momentane Veraenderung als Chance? Zwar aufgezwungen, aber trotzdem Herausforderung? Wie viele Menschen sind imstande, sich rasch in eine neue, unabaenderbae Situation mit neuen Anforderungen einzufinden und entsprechend zu reagieren und zu agieren? Wir haben hier eine Situation, die ungeheuer von Emotionen beherrscht wird, in der eine Menge Furcht und Angst so rationalisiert wird, dass sie als "Denken" und "Analyse" sich verkaufen laesst, dabei reagiert lediglich die nackte Angst vor Veraenderungen. Man sieht aber auch, wie sinnlos es ist, manchen Menschen zu erklaeren, dass man sich sein Denken nicht einfach von (bestimmten) Gefuehlen bestimmen lassen sollte, sondern moeglicherweise eine Wahl hat, welchen Gefuehlen man erlaubt, es zu bestimmen.

Ich denke nicht, daß wir die Wahl haben, welche Gefühle unser Denken bestimmen. Es gibt Situationen, in denen Angst und Furcht dem nüchternen Denken kaum eine Chance lassen, und ich habe auch nicht vor, anderen Menschen auf diesem Gebiet Vorschriften zu machen, schon weil es, wie du richtig sagst, nichts bringt, wenn sie es nicht selbst einsehen.

 

Aber ich denke auch, daß man sich bemühen kann, sich von der aktuellen Situation ein Stück weit zu distanzieren, und sei es, daß man in ruhigeren Zeiten gelernt hat, emotionale Befriedigung daraus zu ziehen, daß man sich von einer bedrohlichen Situation nicht einnehmen läßt.

 

Denn, und diese Erkenntnis ist mir wichtig, es gibt dieses unterschiedliche Maß an Engagement und Distanzierung gegenüber menschlichen wie außermenschlichen Zusammenhängen. Es hat sich im Laufe der Entwicklung unserer Gesellschaften auf unterschiedlichen Gebieten verändert, entwickelt, und diese Entwicklung war nicht immer einheitlich. So kann man beobachten, daß sich die Einstellung der Menschen zu physikalischen Zusammenhängen in den Industrienationen mit der Entwicklung der Naturwissenschaften von engagierteren Einstellungen zu mehr Distanzierung entwickelt hat.

 

Gleichzeitig ist im gleichen Zeitraum ihr Engagement im sozialen Bereich erheblich und auf ungute Weise gestiegen. War noch im 16. u. 17. Jh die "Nation" einfach ein Begriff für die Sprachgemeinschaft, aus der man stammte, nahm ab dem 18. Jh. das emotionale Engagement für die eigene Volks- und Sprachgruppe unter dem Stichwort "Nationalismus" immer absurdere Formen an, und gipfelte in der 2. Hälfte des 20. Jh. in den Antagonismus zwischen Ost und West, der eine distanziertere Position, die versuchte, diesen Konflikt gewissermaßen von außen zu betrachten, kaum noch zuließ.

 

Heute ist der Islam das "Reich des Bösen", und wir alle, auf beiden Seiten des Zauns, werden von einer Welle des emotionalen Engagements für die eine oder andere Seite überrollt, die einer größeren Distanz kaum noch Raum gibt. Gegen das Engagement der anderen Seite ein gesteigertes Engagement auf unserer zu setzen (wie man aus kirchlichen Kreisen letzthin hören konnte), ist jedenfalls keine Lösung (schon deshalb, weil die kirchliche Seite für viele Menschen gar nicht mehr "unsere Seite" ist).

 

Allenthalben beherrscht jedenfalls Hektik die Debatte, und da es an überzeugenden Argumenten mangelt, beherrschen zunehmend Verunglimpfung die Szene, auch hier. Mir scheint die Aufforderung nach mehr Distanzierung aktueller denn je, und da kann jeder nur bei sich selbst anfangen.

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