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Theologie in der Krise?


nannyogg57

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Jetzt sind wir am Punkt angekommen "alles kann als Zeichen für irgendwas dienen, notfalls halt als schlechtes Beispiel". Das hilft uns aber in der Diskussion nicht weiter

Das hiflt sogar sehr weiter. Jemand formulierte mal: Gott immer und hinter allem sehen- das ist der Himmel. Gott immer ablehnen- die Hölle.

Eine Theologie, die Gott hinter allem wahrnehmen kann ist offenbar auf einer guten Spur. Es bedarf ja auch eines wirklich starken Glaubens Gott in seiner Kirche wirken zu sehen, da die äußere Fassade entsetzenserregende Eindrücke hervorruft.

 

 

So ist mir das zu pauschal, deine übliche Schwarz-weiß-Malerei.

 

Wenn ich die Kirche so sähe, so ganz ohne positiven Aspekte, hätte ich ihr sicher längst den Rücken gekehrt.

 

Das, was Mariamante von der äußeren Fassade schreibt, die entsetzenserregende Eindrücke hervorruft, mag vielleicht schwarz-weiß sein. Aber es gibt ziemlich genau das wider, was sehr viele empfinden.

Unter anderem bestätigt es mein Bibel-Stech-Experiment.

 

Klar gibt es an der Bibel und an der Kirche keineswegs nur die dunkle Nacht zu beobachten. Es gibt sogar entscheidende Schätze zu gewinnen, die zumindest einmal mein Leben erst zu dem machen, was es ist. Dennoch wirkt die Kirche und wirkt die Bibel erst einmal als entsetzenerregend. Auf den ersten Blick.

Um an die Schätze zu gelangen bedarf es in allzu vielen Fällen eines zweiten dritten und oft auch eines vierten Blickes oder sogar eines ganzen, lebenslangen Suchprozesses.

 

Und da stellt sich dann wieder das Motivationsproblem. Wenn man beim Bibelstechen eben zehn Mal hintereinander inakzeptable Stellen "erstochen" hat: Wieso sollte man es dann noch ein elftes oder 132stes Mal versuchen? Wenn es der Kirche nicht gelingt, die Trefferquote (Treffer: Schatz gefunden) erhöhen kann, dann werden eben sehr viele Menschen schon nach dem dritten Missgriff aufhören. Wer wollte ihnen dies verdenken?

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Dennoch wirkt die Kirche und wirkt die Bibel erst einmal als entsetzenerregend.

Mecky, muß ich eigentlich jedes Mal ein "nach Meinung nach" oder "in meinen Augen" dazudenken oder bist Du wirklich der Meinung, daß Deine Ansicht allgemeingültig ist?

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Wir haben in unserer Pfarrei schon zweimal einen Bibelmarathon gemacht. Man braucht 4,5 Tage, um die Bibel rund um die Uhr laut durchzulesen. Das zweite Mal war ich mit dem KIBIWO-Team irgendwann um 3 Uhr in der Früh dran. Eine liest, die anderen hören zu. Die meisten übrigens in Decken gewickelt im Halbschlaf. Es war irgendwas in Levitikus, Bundesbuch. Was man alles nicht darf, in den meisten Fällen Todesstrafe. Die Theologin in mir wusste, dass da gerade irgendwelche Phantasien eines zwangsneurotischen Kontrollfreaks verlesen wurden, der irgendeine ideale Gesellschaft entwerfen wollte. Aber es ging ja nicht um Auslegung. Meine Freundin brachte die Sache dann mit einem Zwischenruf irgendwann auf den Punkt: "Lebt da überhaupt noch einer?"

 

Ich fand es am Schlimmsten, als später die Glosse im 1. Korintherbrief (Frauen sollen in der Versammlung schweigen) kommentarlos verlesen wurde.

 

Wir hatten im Vorraum ein Buch, wo man seine Eindrücke hineinschreiben konnte. Die meisten waren dankbar, weil das Projekt unserer Pfarrei gut getan hat. Trotz allem. Unvergesslich der Kommentar der Pfarrjugend zu den Anweisungen, wie man den Tempel zu bauen hat: "Besser als jede IKEA-Bauanleitung!"

 

Und ein paar Sachen blieben mir hängen. Der Hinweis unseres zuständigen Weihbischofs, der damals die Lesung eröffnete: "Die Bibel ist ein Buch, das einen Weg der Menschen beschreibt." Habe ich hier schon mehrfach verwurstet.

 

Und dann das Resümee unseres übernächtigten Pastoralreferenten, der das Projekt geleitet hatte: "Die Bibel ist ein Buch, das man mit klarem Menschenverstand lesen sollte."

 

Mecky, wir sind erwachsene Menschen. Wenn wir nicht erwachsen sind und selbstständig zu denken vermögen, wozu uns Jesus und Paulus ermutigen, dann darf man uns kein Messer in die Hand geben, kein Streichholz und schon gar nicht die Bibel. Natürlich kann man damit Unfug treiben, natürlich wird das gemacht.

 

Und dann wäre es Aufgabe der Theologie, die Menschen erwachsen sein zu lassen. Dann wäre es Aufgabe der Theologie, allen Leuten, die die Bibel benützen um Menschen zu Unmündigen zu machen, entgegenzutreten. Dann wäre es Aufgabe der Theologie, dass Unfug mit der Bibel in Frage gestellt wird. Nicht zu sagen, die Bibel hat immer Recht. Aber es ist nicht Aufgabe der Theologie, sich über die Bibel zu beklagen.

 

Und weil du Theologe bist, deshalb finde ich das nicht ok.

 

Der Typ, der die Sintflutgeschichte erzählt hat, der suchte irgendeine Erklärung. Und er war ein Depp. Denn die Menschen sind keinen Deut besser als vorher. Ich mag die Geschichte auch nicht, aber du weißt und ich weiß: Das ist eine komplette Randgeschichte, die überbewertet wird, weil TIERE drin vorkommen und das ist ja SO putzig! Und ich muss das jedes Jahr wieder zum Besten geben, Lehrplan. Und dann diese Interpretation, es ginge um die Bewahrung der Schöpfung. So what - Gott hat alles mit Salzwasser geflutet und wir reden von Öko? Leichen als Dünger?

 

Aber Gott ist ja lernfähig, dem Himmel sei Dank: Never again, guckt auf den Regenbogen! Und dann, so die Bibel sucht er einen neuen Weg und die Heilsgeschichte beginnt (mit Abraham, der bekanntermaßen auch nicht der Brüller war).

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Alle großen und heiligen Gestalten der Kirchengeschichte konnten nur deshalb etwas Positives bewirken, das heißt Umkehr, weil sie aus einer persönlichen Heilsgewissheit heraus gehandelt haben.

Zuerst herzlichen Dank für die interessante Antwort. Da mir manche Gestalten der Kirche bekannt sind (Franz von Sales war z.B. eine Zeit lang der festen Meinung, er wäre für die Hölle bestimmt) weiß ich allerdings auch, dass gerade die Heiligen ihr Heil zwischen "Bangen und Hoffen" gewirkt haben. Und der Eifer der Heiligen war meiner Einschätzung nach auch deswegen so groß, weil sie sich ihres Heiles eben NICHT so gewiß waren.

 

Aber eines ist klar- und das finden wir ja auch bei Johannes: unser Glaube und unsere Liebe werden erst dann reif, wenn wir nicht von Furcht sondern von Ehrfurcht getragen sind, d.h. von der liebevollen zärtlichen Angst, Gott durch unser Verhalten zu missfallen, IHM keine Freude zu bereiten. Diesen kleinen Weg des Bemühens, Gott Freude zu bereiten ist in besonderer Weise die hl. Therese vom Kinde Jesu gegangen.

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Das gilt für Franz von Assisi, für Theresa von Avila

Franz von Assisi sah sich als elender Sünder. Als seine Mitbrüder meinen und mahnten, wie er so etwas sagen könne bei seinem heiligen Eifer antwortete er: Wenn jemand anderer die Gnaden bekommen hätte, die er bekommen hat, der wäre um vieles besser.

 

Und von Teresa von Avila ist mir bekannt, dass sie jenen Platz in der Hölle geschaut hatte, der ihr zuteil geworden wäre, wenn sie in ihrer Lauheit fortgefahren wäre. Also so rosig sieht es nach meiner Einschätzung mit der Heilsgewissheit großer Gestalten in der Kirchengeschichte nicht aus.

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Wenn man beim Bibelstechen eben zehn Mal hintereinander inakzeptable Stellen "erstochen" hat:

 

Das sogenannte Bibelstechen, oder besser: Durch die Bibel eine Antwort auf Fragen suchen, die man an Gott hat, kann fruchtbar aber auch furchtbar werden. Ein Beispiel:

 

Jemand "stach" in der Bibel und kam an die Stelle "Und Judas erhängte sich". Das kann doch nicht wahr sein! Er stach ein zweites Mal und kam an die Stelle:

"Geh, und handle genau so".

 

Das Bibelstechen kann also tatsächlich gefährlich werden. Aber wir wissen aus dem Leben mancher Heiliger, dass das Aufschlagen der Bibel und das Ernstnehmen jener Stelle die sie auf den ersten Blick lasen (z.B. ein Wüstenvater Antonius) sie zum Verlassen von allem Besitz und zu einer großmütigen Hingabe an Gott führte.

bearbeitet von Mariamante
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Wenn man beim Bibelstechen eben zehn Mal hintereinander inakzeptable Stellen "erstochen" hat:

 

Das sogenannte Bibelstechen, oder besser: Durch die Bibel eine Antwort auf Fragen suchen, die man an Gott hat, kann fruchtbar aber auch furchtbar werden. Ein Beispiel:

 

Jemand "stach" in der Bibel und kam an die Stelle "Und Judas erhängte sich". Das kann doch nicht wahr sein! Er stach ein zweites Mal und kam an die Stelle:

"Geh, und handle genau so".

 

Das Bibelstechen kann also tatsächlich gefährlich werden. Aber wir wissen aus dem Leben mancher Heiliger, dass das Aufschlagen der Bibel und das Ernstnehmen jener Stelle die sie auf den ersten Blick lasen (z.B. ein Wüstenvater Antonius) sie zum Verlassen von allem Besitz und zu einer großmütigen Hingabe an Gott führte.

 

Mit anderen Worten, man muss nur solange "stechen", bis man etwas findet, was man als gut interpretieren kann.

Da kann man es auch gleich lassen.

(so habe ich auch Chrysos verstanden)

 

Werner

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Man kann Bibelstechen als eine Sonderform des Ordals betrachten - indem ich mich dazu "verpflichte", das zu tun, was ich dabei entdecke, "zwinge" ich Gott, mein Messer entsprechend zu lenken. In dieser Form ist das Bibelstechen alles andere als christlich!

 

Dass das Bibelstechen als theologische Methode nicht taugt, sollte ohnehin klar sein. Man kann nicht verantwortet einen Vers aus dem Zusammenhang gerissen zur Grundlage einer Argumentation machen.

 

Aber: Es kann als spirituelle Übung durchaus spannend sein - was sagt mir die Zufallsstelle? Was sagt uns diese Stelle. Das sagt (die psychologischen Überlegungen setze ich als bekannt voraus) natürlich mehr über mich oder über uns aus als alles andere. Das von mir / uns erkannte ist aber keine Offenbarung, es muss im Gebet vor Gott getragen und durchbetet werden, bevor ich daraus Taten folgen lassen sollte.

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Kann es sein, dass die Theologie als Wissenschaft gerade in der Krise steckt?

Ja, ganz sicher. Früher trat die Theologie als "Königin der Wissenschaften" auf, heute wird mehr und mehr bestritten, dass sie überhaupt eine Wissenschaft ist. So weit würde ich nicht gehen, wer Theologie studiert, arbeitet schon wissenschaftlich. Theologie ist aus meiner Sicht eine Art Querschnittsdisziplin zwischen Altphilologie, Philosophie, Psychologie, Anthropologie u.a.. Ein Grundproblem ist, dass Theologie nie frei ist und dass das zugrundeliegende Bekenntnis nicht mehr selbstverständlich ist, in weltweiter Sicht schon gar nicht.

 

Und Theologie vermeidet den Abgleich mit den Naturwissenschaften. Damit kann sie sich selbst erhalten, schließt sich aber gleichzeitig auch ein.

 

Die Folge ist ein Autoritätsverlust, der aber schon länger bekannt ist:

 

"ein geistiger Autoritätsverlust, der, wie mir scheint, auf der Unfähigkeit der Kirchen beruht, ein adäquates Verhältnis zum wissenschaftlichen Geist zu finden. Die Wissenschaft sucht die Wahrheit, weil sie sich nicht im Besitz derselben fühlt. Die Kirche hat die Wahrheit, und darum sucht sie sie nicht." C.G.Jung

bearbeitet von Tojak
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Mit anderen Worten, man muss nur solange "stechen", bis man etwas findet, was man als gut interpretieren kann. Da kann man es auch gleich lassen.

"Die Bibel allein" ist meines Wissens kein katholisches Prinzip. Man kann durchaus auch auf die innere Stimme- oder (für Gläubige) auf das Wirken und die Eingebungen des Heiligen Geistes vertrauen und dabei die Gabe der Unterscheidung anwenden. Kann schwer sein. Leicht ist das "es sein lassen". Aber ich persönlich halte den leichteren Weg nicht für den christlichen oder gar richtigen Weg.

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Man kann durchaus auch auf die innere Stimme- oder (für Gläubige) auf das Wirken und die Eingebungen des Heiligen Geistes vertrauen

Ja, damit fahre ich ganz gut.

 

Werner

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Es wäre ganz gut, wenn man durch die Lektüre der Bibel die innere Stimme stärken könnte. Sowohl überhaupt mal den inneren Lautsprecher anschalten, die Lautstärke erhöhen und die erklungene Botschaft klarer machen könnte. Das wäre meine Vorstellung von einem sinnvollen Umgang mit der Bibel.

 

Leider haben einige Bibelstellen bei mir überhaupt keine Wirkung auf die innere Stimme. Pure Öde, krudes Gelaber.

 

Andere Bibelstellen vermögen es, sehr wohl meine innere Stimme in Wallung zu bringen - aber der Inhalt dessen, was mir die innere Stimme sagt, widerspricht dabei vehement dem Text der Bibelstelle. Brutale, unmoralische, gotteslästerliche, aufhetzende, gewaltfordernde Texte, gegen deren Aussage meine innere Stimme aufbegehrt. Manchmal lassen sich durch Nachdenken oder Nachlesen einige dieser Stellen umwandeln. Heraus kommen dann entweder öde oder wertvolle Aussagen.

 

Wieder andere Bibelstellen dagegen sind wahre Schätze, die meine innere Stimme lebendig machen, sie befeuern, sie (die innere Stimme) wertvolle Ermahnungen aussprechen lassen, neue Zugänge zu Gott aufstellen oder schlichtweg die innere Stimme Worte des Trostes oder der Hoffnung sprechen lassen. Diese Bibelstellen treten in einen fruchtbaren Dialog mit meiner inneren Stimme. "Vater in Deine Hände befehle ich meinen Geist". Sie werden (im Dialog mit der inneren Stimme) zur Quelle des Glaubens, innerer Festigkeit und Klarheit. Sie werden zu verstehbarer Kritik oder zu wohltuender Bestätigung.

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Das gilt für Franz von Assisi, für Theresa von Avila

Franz von Assisi sah sich als elender Sünder. Als seine Mitbrüder meinen und mahnten, wie er so etwas sagen könne bei seinem heiligen Eifer antwortete er: Wenn jemand anderer die Gnaden bekommen hätte, die er bekommen hat, der wäre um vieles besser.

 

Und von Teresa von Avila ist mir bekannt, dass sie jenen Platz in der Hölle geschaut hatte, der ihr zuteil geworden wäre, wenn sie in ihrer Lauheit fortgefahren wäre. Also so rosig sieht es nach meiner Einschätzung mit der Heilsgewissheit großer Gestalten in der Kirchengeschichte nicht aus.

Bei Franz muss ich dir widersprechen, das, was du da zitierst, trifft den Kern nicht. Die Quellen von und über ihn sind recht gut erschlossen und insgesamt übersichtlich, von daher leicht zu lesen. Ebenso verhält es sich mit dem, was du zu Teresa schreibst. In dem Moment, wo sie aktiv wurde, war sie nicht von der Angst vor der Hölle motiviert.

 

Über Franz von Sales wage ich kein Urteil, weil ich den zu wenig kenne, mir ist das halt beim Studium der Quellen, nicht der Sekundärliteratur, immer wieder aufgefallen.

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Es wäre ganz gut, wenn man durch die Lektüre der Bibel die innere Stimme stärken könnte. Sowohl überhaupt mal den inneren Lautsprecher anschalten, die Lautstärke erhöhen und die erklungene Botschaft klarer machen könnte. Das wäre meine Vorstellung von einem sinnvollen Umgang mit der Bibel.

 

Leider haben einige Bibelstellen bei mir überhaupt keine Wirkung auf die innere Stimme. Pure Öde, krudes Gelaber.

 

Andere Bibelstellen vermögen es, sehr wohl meine innere Stimme in Wallung zu bringen - aber der Inhalt dessen, was mir die innere Stimme sagt, widerspricht dabei vehement dem Text der Bibelstelle. Brutale, unmoralische, gotteslästerliche, aufhetzende, gewaltfordernde Texte, gegen deren Aussage meine innere Stimme aufbegehrt. Manchmal lassen sich durch Nachdenken oder Nachlesen einige dieser Stellen umwandeln. Heraus kommen dann entweder öde oder wertvolle Aussagen.

 

Wieder andere Bibelstellen dagegen sind wahre Schätze, die meine innere Stimme lebendig machen, sie befeuern, sie (die innere Stimme) wertvolle Ermahnungen aussprechen lassen, neue Zugänge zu Gott aufstellen oder schlichtweg die innere Stimme Worte des Trostes oder der Hoffnung sprechen lassen. Diese Bibelstellen treten in einen fruchtbaren Dialog mit meiner inneren Stimme. "Vater in Deine Hände befehle ich meinen Geist". Sie werden (im Dialog mit der inneren Stimme) zur Quelle des Glaubens, innerer Festigkeit und Klarheit. Sie werden zu verstehbarer Kritik oder zu wohltuender Bestätigung.

Ich habe nicht so hohe Erwartungen an die Bibel. Ich sehe Menschen, die vor mir Dinge geschrieben haben.

 

Ich finde einen wichtigen Beitrag der Exegese, dass diese Menschen weder dich noch mich vor Augen hatten, sondern andere Leser, und dass sie in komplett anderen Kontexten gelebt haben.

 

Die krudesten Dinge haben die größten Loser geschrieben, die dämlichsten Gewaltphantasien in der Regel Leute, die gerade die A-Karte der Geschichte gezogen hatten.

 

Das entspannt bei der Lektüre.

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Leider haben einige Bibelstellen bei mir überhaupt keine Wirkung auf die innere Stimme

 

Wie gut dass Du geschrieben hast "bei mir". Denn die Bibel ist voll von unterschiedlichsten Gotteserfahrungen und spirituellen Perspektiven. Dabei mag es manche geben, mit denen man sich selbst nicht identifizieren kann, die man nicht versteht.

 

Aber neben der Tiefentheologie braucht es die Weitentheologie in Bezug auf die Bibel, die kontroverse Gotteserfahrungen nicht als unsinnig abtut. Gott will ja durch die Bibel nicht nur uns etwas sagen- sondern vielen, unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Zeiten.

 

Und da kann es durchaus sein dass manche Stellen für den einen nichtssagend ja "unsinnig und öde" sind- aber für einen anderen sehr wichtig und sinnvoll.

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"Die Bibel lesen" und "in den Schriften seine Glaubensstärkung finden" suggeriert eine Idee eines einheitlichen Werkes. Und da das nicht der Fall ist, weder zeitlich noch textlich, überfordert das erst einmal den Leser. Zwei populäre Hilfsmittel mit dieser Komplexität fertig zu werden sind die Annahmen, man könne die Bibel als Wort für Wort direkt von Gott stammend wortwörtlich verstehen oder aber, man komme nicht drum herum sich aus den Widersrpüchlichkeiten das Wichtige herauszuzususchen und den Rest zu lassen.

 

Bei allem Respekt könnte ich bei Beidem oft die Haare raufen, weil Beides den Texten nicht gerecht wird. Die Bibel spricht aus eine fernen Zeit und auch wenn wir manche Texte für vertraut halten, wir können nur ahnen, was der Verfasser und seine ersten Zuhörer verstehen wollten, welche Bilder der Text in ihnen erweckte. Wir können mit einer gewissen Sorgfalt versuchen, uns diesen Texten zu nähern. Unterschiede und Widersprüche innerhalb der Bibel können wir sorgfältig abwägen und auf dieser Basis vorsichtig unser Verständnis der Texte und damit auch ihre Wirkung auf uns und unseren Glauben reflektieren, anstatt sich ganz schnell in Wertungen zu verlieren.

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"Die Bibel lesen" und "in den Schriften seine Glaubensstärkung finden" suggeriert eine Idee eines einheitlichen Werkes. Und da das nicht der Fall ist, weder zeitlich noch textlich, überfordert das erst einmal den Leser.

 

Da wir nicht einmal mit uns selbst wirklich eins sind, und nicht nur das "Fleisch" gegen den "Geist" begehrt wie Paulus formuliert (auch vom anderen Gesetz in seinen Gliedern wird da geschrieben) - warum sollten wir "überfordert" sein, durch die Uneinheitlichkeit der Bibel?

 

Wenn wir uns selbst mit uns oft unverständlichen Facetten kennen lernen, dann lernen wir auch die Bibel kennen. Wir verstehen uns selbst nicht. Wir verstehen die Bibel nicht. Aber wir bleiben doch von Gott geliebte Menschen. Und wenn wir die Bibel in dieser Einheitlichkeit des unterschiedlichen Sprechens von Gott erkennen, dann bleibt uns immer jener Zugang des Gott- Vertrauens, des Glaubens und der Liebe.

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hallo Mariamante,

 

bei den Sachen, die Du hier schreibst, steht bei mir immer ein Satz:

 

"Dieser Beitrag wird aufgrund deiner nicht angezeigt, da du Beiträge von folgendem Mitglied ignorierst: Mariamante."
deshalb bitte ich Dich, mir nicht übelzunehmen, dass mir darauf manchmal keine Antwort einfällt.
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Ich wage eine Übersetzung dessen, was Mariamante meint:

 

Wir sind selbst unsicher und es wäre ein Fehler, von der Bibel Sicherheit zu erwarten.

 

Was ich mir denke, dass er meint:

 

Bibelfundamentalismus in dem Sinne, dass man die eigene Unsicherheit durch die Bibel zu kompensieren sucht, das eigene Denken einstellt und das Denken der Bibel überlässt, ist nicht im Sinne des Erfinders.

 

Welchen wir im frommen Glauben Gott nennen.

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Der Fall Malagrida/Erdbeben zeigt recht anschaulich:

 

Die Theologie war schwach. Schwächer sogar, als die damalige Ingenieurskunst.

Es war wirklich eine Schwäche der Theologie, nicht eine Schwäche des Verkünders. Hätte die Kirche bessere Antworten gehabt, als diejenige, die Malagrida zeigte, dann wäre die Verbreitung des Vorfalls die perfekte Gelegenheit gewesen, diese bessere Theologie anzubringen. Mag sein, dass es sogar solche Versuche gegeben hat, aber durchgesetzt hat sich keiner von ihnen.

 

Marquês de Pombal setzte sich mit seiner Nicht-Deutung durch. Während Malagrida zu Gebet, Reue und Buße aufrief, organisierte Pombal den Wiederaufbau und versuchte, die neuen Gebäude so erdbebensicher zu machen, wie es damals eben ging.

 

Es ist besser, hier auf Erden die Ärmel hochzukrempeln, als zum Himmel zu starren, wo Gott schweigt. Oder seinen Diener Malagrida anweist, dummes Zeug zu reden, das dem Volk nur weitere Lasten auferlegt, aber nicht hilft.

Die Ingenieurskunst war damals noch nicht so ausgefeilt, wie heute. Die erdbebengefestigten Gebäude waren sehr wahrscheinlich in den Augen heutiger Ingenieure eher eine Lachnummer, was die Erdbebenfestigkeit angeht. Trotzdem hat er die Konkurrenz gewonnen. Er hat sich fleißig an Kirchenkassen bedient, um den Leuten Hilfsunterkünfte, Versorgung und ein Aufbauprojekt zu geben.

Ingenieurs- und Organisationswissenschaften gegen Kirche und Theologie: Eins zu Null.

 

Dem hatte die Theologie nichts entgegenzusetzen. So schwach war sie. So wenig Vertrauen war übrig geblieben.

Und die Schwäche der Theologie ist geblieben - in Relation zu anderen Konzepten. Zwar ist die Theologie von heute einsichtiger, als die Theologie von damals. Aber auch die Wissenschaften haben zugelegt.

 

Als besonders peinlich finde ich den Gedanken, dass die Katastrophe 1775 in Lissabon doch nicht die erste Katastrophe der Menschheitsgeschichte war. Die Theologie hatte Zeit in Hülle und Fülle, gute Antworten zu geben. Als im 14. Jahrhundert die Pest katastrophale Ausmaße annahm, hätte man dringend nach tragfähigen Antworten suchen müssen. Vielleicht hat man es auch getan - eine völlige Untätigkeit der Theologen kann ich mir nicht vorstellen. Aber zwischen 1351 und 1775 liegen ein paar Jahrhunderte, in denen man einfach mehr vollbringen muss, als es real geschehen ist. 1755 den Katastrophengeschädigten den alten Schmarrn von Straftheologie aufzuwärmen und aufs Brot zu schmieren, ist eine Frechheit ohnegleichen. Das ist dreist. Und diese Frechheit wurde geschichtlich nicht vergeben. Eine Theologie, die nach vielen Jahrhunderten der Arbeit nichts Besseres zu sagen weiß, ist völlig zurecht dem Untergang und dem Spott geweiht.

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Ich habe nicht so hohe Erwartungen an die Bibel. Ich sehe Menschen, die vor mir Dinge geschrieben haben.

Ich finde einen wichtigen Beitrag der Exegese, dass diese Menschen weder dich noch mich vor Augen hatten, sondern andere Leser, und dass sie in komplett anderen Kontexten gelebt haben.

 

Die krudesten Dinge haben die größten Loser geschrieben, die dämlichsten Gewaltphantasien in der Regel Leute, die gerade die A-Karte der Geschichte gezogen hatten.

 

Das entspannt bei der Lektüre.

 

Ich sehe ebenso Menschen, die vor mir Dinge geschrieben haben. Aber meine Erwartungen sind dennoch weitaus höher.

Ja, es gibt in der Bibel krude Dinge, und es mögen Loser gewesen sein, die die dämlichsten Gewaltphantasien geschrieben haben.

 

Aber die von ihnen geschriebenen Texte sind dennoch gefährlich und hatten gerade in der christlichen Geschichte üble Folgen (natürlich auch in der jüdischen, aber das Christentum hat da die Nase vorne).

Die Texte wurden Vorlage für noch schlimmere Untaten, als die biblischen Geschichten - die ja oftmals im irrealen Terrain liegen.

 

Dein Bischof hat sich sehr unpräzise ausgedrückt: "Die Bibel ist ein Buch, das einen Weg der Menschen beschreibt."

 

Die Bibel beschreibt keineswegs einen Weg, sondern hunderte, wenn nicht sogar tausende. Vielfach widersprechen sich diese Wege. Der Weg Hiobs widerspricht dem Weg Noachs, widerspricht dem Weg der Propheten, widerspricht dem Weg "Gott lässt die Sonne scheinen über Guten und Bösen, und er lässt es regnen über Gerechte und Ungerechte". Die Deuteropaulinen (gleich mal ein Wort in Mehrzahl) widersprechen dem Weg Pauli.

Wenn man die Bibel als "Buch der vielen Wege" bezeichnen würde, bekäme man eine sehr unübersichtliche Landkarte vor Augen. Ich würde sie auch lieber vergleichen mit einem Swimmingpool voller unterschiedlichster Kleinteile. Rosinen sind dabei, Pfefferkörner. Aber auch Arsen und Spitzenhäubchen, Sprenggürtel und Guillotinebeile. Aufgabe der Theologie wäre erst einmal herauszufinden, was jedes dieser Einzelteile ist. Rosine? Goldschatz? Sprenggürtel? Mistkügelchen? Das müsste man benennen. In den meisten Fällen wird eine eindeutige Benennung nicht möglich sein.

 

Noch wichtiger aber ist, dass man die tragfähigen Schätze findet und so aufarbeitet, dass sie auch erkennbar sind.

Klar: Die Worte wurden in biblischen Zeiten nicht auf eine Nachwelt hin gesprochen, sondern entlang den Gewohnheiten der damaligen Zeit. Es liegt also ein Haufen Arbeit an, die Schätze so aufzuarbeiten, dass sie heutiger Sprache zugänglich werden. Aber noch viel mehr: Es sind doch nicht nur die Worte. Sondern auch die Gedankengänge. Noch mehr Arbeit. Und noch schwieriger.

 

Das andere Feld ist auch wichtig - allerdings nicht von derselben Wichtigkeit, wie das Aufarbeiten der Schätze. Es geht um die Frage, was man mit den Sprenggürteln, Miskügelchen, dem Arsen und den Spitzenhäubchen macht. So, dass sie nicht noch weiteren Schaden anrichten, als sie es ohnehin schon getan haben. So, dass sie nicht mehr ein bloßes, entsetztes Kopfschüttlen beim unvoreingenommenen Leser hervorrufen.

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Als besonders peinlich finde ich den Gedanken, dass die Katastrophe 1775 in Lissabon doch nicht die erste Katastrophe der Menschheitsgeschichte war. Die Theologie hatte Zeit in Hülle und Fülle, gute Antworten zu geben. Als im 14. Jahrhundert die Pest katastrophale Ausmaße annahm, hätte man dringend nach tragfähigen Antworten suchen müssen. Vielleicht hat man es auch getan - eine völlige Untätigkeit der Theologen kann ich mir nicht vorstellen. Aber zwischen 1351 und 1775 liegen ein paar Jahrhunderte, in denen man einfach mehr vollbringen muss, als es real geschehen ist. 1755 den Katastrophengeschädigten den alten Schmarrn von Straftheologie aufzuwärmen und aufs Brot zu schmieren, ist eine Frechheit ohnegleichen. Das ist dreist. Und diese Frechheit wurde geschichtlich nicht vergeben. Eine Theologie, die nach vielen Jahrhunderten der Arbeit nichts Besseres zu sagen weiß, ist völlig zurecht dem Untergang und dem Spott geweiht.

Stimmt, die Theologie hatte dem nichts entgegenzusetzen. Die Theologie hat auch keine plausible Erklärung für Auschwitz, auch keine für den Tsunami in Japan etc.

Oder hast du sie?

Daher gibt es eine logische Schlussfolgerung: Die Theologie ist absolute Scheiße, alle Pfaffen sind Lügner und Betrüger.

Gott existiert nicht, sondern wurde von den einen zur Rechtfertigung ihrer Macht missbraucht, während die anderen ihn als Phantasieprodukt behalten haben.

Jesus mag ein netter Mensch gewesen sein, das ja. Aber alles, was wir von ihm zu wissen glauben, "wissen" wir von Lügnern und Anhängern eines Mördergottes. Das alles hat sogar Pfarrer Mecky zugegeben.

 

Was hast du, Mecky, konkret dieser eindeutigen Logik entgegenzusetzen? Oder was könnte deiner Meinung nach ein Theologe dem entgegensetzen?

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Die zeitgenössische Theologie hatte tatsächlich Pombals Zielen nichts entgegenzusetzen. Es war doch tatsächlich so, dass das Vertrauen in die Kirche, ihre Botschaft und Theologie aufs Heftigste erschüttert wurde.

Und es hat kein Ausweichen von diesem Niedergang stattfinden können. Diese Theologie war zum Scheitern verurteilt. Sie orientierte sich an dem alten Dreck der Sintflutlogik: Geschieht was Schlimmes? Dann ist der sündige Mensch dran schuld und hat sich das ganze Unheil selbst zuzuschreiben. Das Unglück ist eine Strafe Gottes.

 

Das bedeutet nicht, dass es nicht viel bessere Theologien geben könnte. Ansätze dafür finden sich interessanterweise auch in der Bibel. Hiob habe ich schon ausführlich benannt. Aber Lukas finde ich noch interessanter. Lk 21

 

11 Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.
12 Aber bevor das alles geschieht, wird man euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen.
13 Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können.
14 Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen;
15 denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.
16 Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten.
17 Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden.
18 Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden.
19 Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.
20 Wenn ihr aber seht, dass Jerusalem von einem Heer eingeschlossen wird, dann könnt ihr daran erkennen, dass die Stadt bald verwüstet wird.
21 Dann sollen die Bewohner von Judäa in die Berge fliehen; wer in der Stadt ist, soll sie verlassen, und wer auf dem Land ist, soll nicht in die Stadt gehen.
22 Denn das sind die Tage der Vergeltung, an denen alles in Erfüllung gehen soll, was in der Schrift steht.
23 Wehe den Frauen, die in jenen Tagen schwanger sind oder ein Kind stillen. Denn eine große Not wird über das Land hereinbrechen: Der Zorn (Gottes) wird über dieses Volk kommen.
24 Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie in alle Länder verschleppen und Jerusalem wird von den Heiden zertreten werden, bis die Zeiten der Heiden sich erfüllen.

25 Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres.
26 Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über die Erde kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
27 Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf einer Wolke kommen sehen.

28 Wenn (all) das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.

 

Eine Mischtheologie, die einerseits die Strafe und den Zorn Gottes zu integrieren versucht, ... dann aber deutlich darüber hinaus geht.

 

"Richtet euch auf! Erhebt Eure Häupter! Eure Erlösung ist nahe!" Ich fahre fort: "Gott hat Euch als seine geliebten Kinder angenommen!"

 

Noch eine Stufe weiter: Joh 6

37 Alles, was der Vater mir gibt, wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen;
38 denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.
39 Es ist aber der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich keinen von denen, die er mir gegeben hat, zugrunde gehen lasse, sondern dass ich sie auferwecke am Letzten Tag.
40 Denn es ist der Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und dass ich sie auferwecke am Letzten Tag.

 

Ich mache weiter: "Liebe, geschundene Lissabonner und Lissabonesinnen! Gott schindet Euch überlebende mehr, als er Eure Verstorbenen geschunden hat. Ihr werdet eine Mühsal tragen, um die Eure Verstorbenen herumgekommen sind. Während Ihr Euch Pombal zuwendet und tut, was er in seiner Weisheit euch zu tun aufträgt, nämlich den Kopf nicht hängen zu lassen und stattdessen für Eure Zukunft zu sorgen, werden Euch traurige Gedanken und Zweifel kommen. Ihr werdet euch fragen, warum Gott dies alles zugelassen hat. Und diese Fragen und Zweifel werden Euch weh tun.

Ihr macht Eure Rechnung aber ohne Gott und ohne das christliche Vertrauen in den himmlischen Vater. Für Eure Verstorbenen ist bestens gesorgt. Die können Euch vom Himmel aus bei der Aufbauarbeit und bei der Versorgung der Verkrüppelten und Kranken, der Obdachlosen und Verzweifelten in aller Ruhe zuschauen. Lasst sie stolz auf Euch sein!

Wir wissen nicht, warum es Gott den einen, den Verstorbenen, so viel Gnade erweist und er uns hier im Chaos zurück lässt. Aber wenn euch diese furchtbaren Gedanken und Zweifel an Gottes Güte quälen, dann denkt daran: Auch Euch wird Gott zu sich holen, früher oder später. Und wenn ihr dort dann wieder Euren Kindern, Frauen, Vätern und Müttern unter die Augen tretet, dann sollt ihr stolz sagen können: Wir haben uns nicht unterkriegen lassen. Wir haben den Mut nicht sinken lassen. Wir haben der Weisung des Herrn gehorcht, uns aus dem Elend aufgerichtet und die Häupter erhoben. Und wir haben, so gut wir konnten, dafür zu sorgen versucht, späteren Generationen ein möglichst sicheres und schönes Lissabon zu bereiten."

 

Jaja. Das ist nicht viel. Aber es ist deutlich mehr, als das Handgepäck von Malagrida. Die Kirche hatte sich im ungeheuren Wust biblischer Theologien verirrt und treffsicher jene Prinzipien hervorgezogen, die in diesem Moment am Verderblichsten waren. Geschundenen die Schuld für ihr Elend und das Elend der Gestorbenen zuweisen? Geht's noch? Menschen belasten, die sowieso schon am Boden liegen und ihnen die Schuld für den Tod und das Elend der Katastrophenopfer einreden? Sorry, das ist völlig durchgeknallt. Und es ist unmenschlich. Und es ist die bittere Konsequenz von überkommenen Theologien, die schon zu ihrer Zeit verderblich waren und Menschen gequält und getötet haben und die man immer noch nach Jahrtausenden warmhält und weitere Menschen mit dieser Theologie zusammenschlägt.

 

Die Trolos von 1755 hatten die ganze Theologie eines Irenäus von Lyon zur Verfügung. War damals schon längst bekannt. Aber nein. Aber nein. Was interessierte Augustinus der von Irenäus beschriebene Heilsplan Gottes. Und auf Augustinus mit seiner massa damnata und seinem rigiden Gottesstaat und seinen idiotisch-manichäischen-dualistischen Engelsreichen ist man abgefahren. Ebenso auf den Straftheoretiker Tertullian, der dem Augustinus viel Material für seine übelsten Vorstellungen geliefert hatte.

 

Eine andere Theologie soll nicht möglich gewesen sein? Oh doch. Von Hiob über Lukas und Johannes bis hin zum Heilstheoretiker Irenäus hätte es genügend Material gegeben. Aber man wollte die Strafe. Man zog das Moralische dem Gläubigen und dem Vertrauenden vor. Und vielerorts ist das heute noch so.

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Unterschiede und Widersprüche innerhalb der Bibel können wir sorgfältig abwägen und auf dieser Basis vorsichtig unser Verständnis der Texte und damit auch ihre Wirkung auf uns und unseren Glauben reflektieren, anstatt sich ganz schnell in Wertungen zu verlieren.

Die Wertung ist aber das, worauf es ankommt.

Die unterschiedlichen Aussagen der Bibel sind nämlich keineswegs gleichwertig, d.h. haben für den Menschen keinesweg den gleichen Wert.

Einige sind für die meisten Menschen reichlich wert-los.

Andere haben einen hohen Wert.

Wieder andere sind verderblich, gefährlich und zerstörerisch.

 

In Katastrophenfällen bleibt allerdings keine Zeit zum sorgfältigen Abwägen. In solchen Zeiten wirken sich die Abwägung vergangener Zeiten ab. Und aus diesen Abwägungen muss dann etwas Erkennbares greifbar sein, das die Kraft hat, den Glauben zu stärken. Hat man in der Vergangenheit keine solchen tragfähigen Werte erarbeitet, sondern sich in vielerlei ultra-detaillierten Abwägungen verloren, dann hat man im Katastrophenfall nichts zu bieten und kommt als Glaubensgemeinschaft zurecht in Verruf. Die Leute orientieren sich dann anders. Und das müssen sie auch, denn man will ja ideell überleben. Meistens läuft das dann so: Wenn die eigene Glaubensgemeinschaft keine überzeugende Botschaft hat, trägt man dies in ruhigen Zeiten lange Zeit mit. Gutwillig gibt man der Theologie ausreichend Zeit, ihre sorgfältige Erwägungen zu machen. Wenn es dann irgendwo brennt, dann erkennt man die Leere der Lehre ... und schmeißt sich dem nächstbesten Marktschreier an den Hals. Manchmal hat man damit ganz guten Erfolg. In anderen Fällen setzt man damit eine weitere Katastrophe erst richtig in Gang.

 

Die sorgfältige Abwägung trägt eine Pflicht in sich: Es muss aus diesen Erwägungen auch etwas Greifbares und Überzeugendes und Klares herauskommen. Sonst sind die Erwägungen trotz ihrer Sorgfalt sinnlos.

Und dazu muss man Entscheidungen treffen. Man kann auf die Dauer nicht zwei Herren dienen. Zum Beispiel dem Evangelium und der Straftheologie.

Die Widersprüche müssen entweder überzeugend ausgeräumt werden.

Oder man muss das eine verwerfen oder verändern, oder sich davon distanzieren, um das andere zu ermöglichen.

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