Jump to content

Theologie in der Krise?


nannyogg57

Recommended Posts

 

Unterschiede und Widersprüche innerhalb der Bibel können wir sorgfältig abwägen und auf dieser Basis vorsichtig unser Verständnis der Texte und damit auch ihre Wirkung auf uns und unseren Glauben reflektieren, anstatt sich ganz schnell in Wertungen zu verlieren.

Die Wertung ist aber das, worauf es ankommt.

Die unterschiedlichen Aussagen der Bibel sind nämlich keineswegs gleichwertig, d.h. haben für den Menschen keinesweg den gleichen Wert.

Einige sind für die meisten Menschen reichlich wert-los.

Andere haben einen hohen Wert.

Wieder andere sind verderblich, gefährlich und zerstörerisch.

 

In Katastrophenfällen bleibt allerdings keine Zeit zum sorgfältigen Abwägen. In solchen Zeiten wirken sich die Abwägung vergangener Zeiten ab. Und aus diesen Abwägungen muss dann etwas Erkennbares greifbar sein, das die Kraft hat, den Glauben zu stärken. Hat man in der Vergangenheit keine solchen tragfähigen Werte erarbeitet, sondern sich in vielerlei ultra-detaillierten Abwägungen verloren, dann hat man im Katastrophenfall nichts zu bieten und kommt als Glaubensgemeinschaft zurecht in Verruf. Die Leute orientieren sich dann anders. Und das müssen sie auch, denn man will ja ideell überleben. Meistens läuft das dann so: Wenn die eigene Glaubensgemeinschaft keine überzeugende Botschaft hat, trägt man dies in ruhigen Zeiten lange Zeit mit. Gutwillig gibt man der Theologie ausreichend Zeit, ihre sorgfältige Erwägungen zu machen. Wenn es dann irgendwo brennt, dann erkennt man die Leere der Lehre ... und schmeißt sich dem nächstbesten Marktschreier an den Hals. Manchmal hat man damit ganz guten Erfolg. In anderen Fällen setzt man damit eine weitere Katastrophe erst richtig in Gang.

 

Die sorgfältige Abwägung trägt eine Pflicht in sich: Es muss aus diesen Erwägungen auch etwas Greifbares und Überzeugendes und Klares herauskommen. Sonst sind die Erwägungen trotz ihrer Sorgfalt sinnlos.

Und dazu muss man Entscheidungen treffen. Man kann auf die Dauer nicht zwei Herren dienen. Zum Beispiel dem Evangelium und der Straftheologie.

Die Widersprüche müssen entweder überzeugend ausgeräumt werden.

Oder man muss das eine verwerfen oder verändern, oder sich davon distanzieren, um das andere zu ermöglichen.

 

 

Das ist alles ja nicht falsch, was mich aber stört, ist, dass Wertungen auch auf einer sachlichen Basis stattfinden müssen.

Im biblischen Bereich wundere ich mich da über die Ignoranz von Predigern (sicher nicht alle, abver doch sehr viele), die selbst ein gutes exegetisches Fundament haben.

 

Ich fühle mich nicht besonders wohl, wenn ich in der Predigt Jesus auf dem Wasser durch den Altarraum wandern sehe, ohne dass auch nur irgendeine Bemerkung fällt, dass es sich erst einmal um eine Geschichte im Kontext frühchristlicher Gemeinden handelt und nicht um einen Berechit einer Chronik.

Zum einen ist das für mich die evangelikale Falle, dass es allein auf ein wörtliches Verständnis des Textes ankommt, und zum anderen nimmt das den Texten ihre Kraft. Weil Petrus nicht geglaubt hat, sinkt er ein - toll, ganz trivial und seit 30 Jahren mir so erzählt, als wäre das eine theologische Erkenntnis. Ich frage mich, warum diese Geschichte überhaupt in den Evangelien zu finden ist und warum die Menschen diese Frage nach Mut und Zweifel überhaupt bewegt hat. Darüber habe ich nie in einer Predigt etwas gehört.

Predigen ist kein Kinderspiel und es ist auch nicht verlangt, aus pastoralen Gründen immer nur dieselben Gedanken zu verwenden, die sich mittlerweile in jedem Predigtbuch dazu finden.

Es ist erlaubt, historische Kontexte zu ermitteln und auch Vergleiche innerhalb der Bibel anzustellen, und unterschiedliche Perspektiven zu ermitteln, bevor man sich an den Predigttext macht.

  • Like 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Erkenntnis. Ich frage mich, warum diese Geschichte überhaupt in den Evangelien zu finden ist und warum die Menschen diese Frage nach Mut und Zweifel überhaupt bewegt

Die Sache ist einfach: Wenn Jesus Gott ist, dann ist Wandeln auf Wasser für einen Gott eine Kleinigkeit. Wenn Jesus nicht Gott ist, können wir die Evangelien und das übrige fromme zeug samt christlicher Theologie ohnehin in die Tonne schmeissen und uns dem Essen und Trinken so wie allen möglichen irdischen Vernügungen widmen, denn das wäre dann "sinnvoller".

bearbeitet von Mariamante
  • Like 1
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Erkenntnis. Ich frage mich, warum diese Geschichte überhaupt in den Evangelien zu finden ist und warum die Menschen diese Frage nach Mut und Zweifel überhaupt bewegt

Die Sache ist einfach: Wenn Jesus Gott ist, dann ist Wandeln auf Wasser für einen Gott eine Kleinigkeit. Wenn Jesus nicht Gott ist, können wir die Evangelien und das übrige fromme zeug samt christlicher Theologie ohnehin in die Tonne schmeissen und uns dem Essen und Trinken so wie allen möglichen irdischen Vernügungen widmen, denn das wäre dann "sinnvoller".

 

Ich gehe mal davon aus, die Quintessenz dieser Geschichte lautet nicht "Ey, guckt mal, ein Gott kann sogar übers Wasser laufen".

Insofern passt deine Antwort nicht so ganz zu dem Posting, auf das du reagiert hast.

 

Werner

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Insofern passt deine Antwort nicht so ganz zu dem Posting, auf das du reagiert hast.

Wenn man die Stelle bei Matthäus 14, 22-33 liest, passt es schon ganz gut:

 

http://www.bibleserver.com/text/EU/Matthäus14

 

22 Gleich darauf forderte er die Jünger auf, ins Boot zu steigen und an das andere Ufer vorauszufahren. Inzwischen wollte er die Leute nach Hause schicken.
23 Nachdem er sie weggeschickt hatte, stieg er auf einen Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Spät am Abend war er immer noch allein auf dem Berg.
24 Das Boot aber war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind.
25 In der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen; er ging auf dem See.
26 Als ihn die Jünger über den See kommen sahen, erschraken sie, weil sie meinten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst.
27 Doch Jesus begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!
28 Darauf erwiderte ihm Petrus: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme.
29 Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und ging über das Wasser auf Jesus zu.
30 Als er aber sah, wie heftig der Wind war, bekam er Angst und begann unterzugehen. Er schrie: Herr, rette mich!
31 Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
32 Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.
33 Die Jünger im Boot aber fielen vor Jesus nieder und sagten: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.
bearbeitet von Mariamante
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Franciscus non papa

nein, Werner, ich glaube​ denke, du verstehst da MM falsch. Er hebt auf die Kernfrage ab "wer ist dieser Jesus?" und er gibt darauf die gleiche Antwort, die Paulus gibt. Das Christentum ist nicht Morallehre an die zu glauben ist. Wir glauben nicht irgendwas, sondern wir glauben Jesus, den Sohn Gottes, gestorben, auferstanden und zur Rechten des Vaters sitzend. Dieser Glaube ist nicht einfach und war es auch für Jesus selbst nicht. Auch der Mensch Jesus hatte schwer es zu glauben (siehe die Versuchungsgeschichte, wo er offensichtlich gerne Gewissheit haben wollte.)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

nein, Werner, ich glaube​ denke, du verstehst da MM falsch. Er hebt auf die Kernfrage ab "wer ist dieser Jesus?" und er gibt darauf die gleiche Antwort, die Paulus gibt. Das Christentum ist nicht Morallehre an die zu glauben ist. Wir glauben nicht irgendwas, sondern wir glauben Jesus, den Sohn Gottes, gestorben, auferstanden und zur Rechten des Vaters sitzend. Dieser Glaube ist nicht einfach und war es auch für Jesus selbst nicht. Auch der Mensch Jesus hatte schwer es zu glauben (siehe die Versuchungsgeschichte, wo er offensichtlich gerne Gewissheit haben wollte.)

OK, vielleicht habe ich das wirklich falsch verstanden.

 

Worauf ich hinaus will:

Heute lässt sich doch kein Mensch mehr von solchen Wundergschichterln von irgendwas überzeugen. Wer glaubt denn hier tatsächlich (wir sind ja in den GG), dass Jesus so wie beschrieben über das Wasser gewandelt ist? So als historische Begebenheit?

 

Die Interpretation als Gleichnis dagegen kann auch heutigen Menschen etwas sagen, und ich kann mir vorstellen, dass die auch schon damals so verstanden wurde: Die Gemeinde (Schiff), die in feindseliger Umgebung (Sturm) Angst hat, unterzugehen, und die Botschaft "Habt keine Angst, haltet euch an Jesus, dann wird euch nichts passieren. WEIL Jesus Gottes Sohn ist." Und letzteres ist die Glaubensvoraussetzung, nicht etwas, das durch diese Geschichte "bewiesen" werden soll oder kann.

 

Werner

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Menschen, die Schweres durchgemacht haben und hinterher sagen können: "Hätte ich meinen Glauben nicht gehabt, wäre ich untergegangen." denken in hilfreicheren Bahnen - auch wenn sie sich von der "offiziellen Lehrmeinung" unterscheiden. Das wirft ein bitteres Licht auf die offiziell gelehrte Theologie, bzw. auf ihre Schwäche. Eine Theologie, die im Ernstfall versagt, einstürzt oder unbedeutend wird, ist für die Katz. Ebenso wie ein Glaube, der im Ernstfall nichts zu bieten hat. Wozu eigentlich so ein unnötiges Teil? Und wozu sich über ein so unnötiges Teil sich Gedanken machen?

 

Ich persönlich würde im Katastrophenfall einen solch brüchigen Glauben samt seiner ganzen theoretischen Begründung in Grund und Boden verdammen. Und ich befürchte, dass dagegen menschliche Zuneigung nicht ankommen wird.

 

 

Dass manche Menschen im Katastrophenfal den Glauben in Grund und Boden verdammen, hat weniger damit zu tun, dass er davor schon bruechig war, sondern damit, dass eine wirklich existenzielle Katastrophe zum Zusammenbruch aller Strukturen und Denkmuster fuehrt, zu einer Situation, in der das unterste zu oberst sich kehrt und nichts mehr sich zusammen fuegen laesst und im vorherigenSinn funktioniert. Glaube, egal wie stark er davor war und wie gefestigt, ist von diesem Zusammenbruch der Welt um einen herum und in einem innen nicht einfach ausgenommen, nur weil es Glaube ist. Und jeder Glaube wird sich angesichts dieser extrem veraenderten Situation veraendern, wohin, das ist wohl individuell verschieden.

 

Gegen diesen Zusammenbruch der Welt wappnet auch fester vorheriger Glaube nicht automatisch und eine Theologie, die solche existenziellen psychischen Umwaelzungen verhindert oder gar ein Schutzschild davor bietet, gibt es nicht. Deshalb ist deine Schuldzuschreibung an die Theologie Unsinn.

 

Manche Menschen verdammen den Glauben überhaupt nicht, weil er ihnen im Katastrophenfall den entscheidenden Rückhalt gibt. Es ist sogar erstaunlich, was Menschen durch den Glauben durchgestanden haben, ohne dass es zum Zusammenbruch aller Strukturen und Denkmuster kam. Manche haben sich sogar im Vertrauen auf diesen Rückhalt im Glauben willentlich in die Katastrophe hineinbegeben. Makkabäer, Jesus, Märtyrer. "Denk daran ... Jesus!" - "Ja. Du aber auch!" Kommentar, der Jesus angedichtet wurde: "Dein Glaube hat Dir geholfen!" - zum Beispiel im Angesicht eines dankbaren Aussätzigen.

 

Die Wirkungslosigkeit des Glauben vorraussetzen führt zur Schwächung des Glaubens. Und leider wird dies sehr häufig betrieben.

Ich glaube, dass es in schweren Zeiten sehr wohl auf die Stärke des Glaubens ankommt. Die Frage ist eher: Wie kann ich denn den Glauben so prägen und stützen, dass er Halt gibt?

Und dabei spielt die Theologie eine wichtige Rolle.

 

Wenn der Glaube durch eine erbarmungslose Rächergottvorstellung geprägt ist, müsste man ja doof sein, in Katastrophen auch noch auf dieses Monster zu vertrauen. Ein solcher "Glaube" ist schon im Normalfall eine zerstörerische Selbstvernichtungsanlage. Wenn der Tsunami oder das Erdbeben ein Rachemittel Gottes ist, der gerade Vater, Mutter, Schwester, Nachbarn, Frau und Kinder ersäuft oder erschlägt, wird das Vertrauen auf diesen Gott nicht gestützt, sonder unterminiert. Und dann ist es nur folgerichtig, dass er dem überlebenden Opfer keinen Halt mehr bietet.

Als Jesus auf dem Ölberg seine Lebenskatastrophe in die Hand seines Vaters legt, verbindet er mit dem Abba eben eine ganz andere Vorstellung.

 

Wenn man stattdessen auf ein kitschiges Liebjesulein vertraut, dann wird man im Katastrophenfall bitter enttäuscht, weil einen das liebe Jesulein keineswegs vor der Katastrophe schützt. Ein solcher Glaube zerplatzt selbstverständlich.

 

Daraus aber abzuleiten, dass Glaube in Katastrophen seine haltgebende Wirkung verliert, ist aber trotzdem nicht möglich. Das scheitert an der Zahl der Zeugen, die gerade in Katastrophen im Glauben Halt gefunden haben. Die Frage ist schlicht: Welche Glaubensformen zerplatzen? Und welche Glaubensformen tragen? Und wie kommt man zu einem nicht-zerplatzenden und tragfähigen Glauben?

 

Diese Fragen wären meiner Meinung nach das Grundgerüst einer hilf- und wirkungsreichen Theologie. Einen haltgebenden Glauben könnte nämlich jeder Mensch ganz gut brauchen. Dieses Bröselteil, das bei beliebigen Katastrophen nicht trägt, sondern zerbröselt, ist völlig zurecht in Verruf.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

 


Worauf ich hinaus will: Heute lässt sich doch kein Mensch mehr von solchen Wundergschichterln von irgendwas überzeugen. Wer glaubt denn hier tatsächlich (wir sind ja in den GG), dass Jesus so wie beschrieben über das Wasser gewandelt ist? So als historische Begebenheit?

 

Letztlich bleibt es ein Zirkelschluss: Wenn ich (mit) den Autoren (Zeugen) des Neuen Testaments glaube, dass Jesus der Gekreuzigte der Auferstandene ist, dann kann ich auch glauben, dass er auf dem Wasser gelaufen ist. Ich kann die Geschichte aber auch als Parabel verstehen, ohne jede Einbuße. Wenn ich den Autoren des NT die Auferstehung aber nicht glaube, dann ist es letztlich egal, ob und ggf. wie Jesus auf dem Wasser gelaufen ist.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Franciscus non papa

klar, und für den Glauben ist dann die Geschichte vom Wandeln auf dem See nicht wirklich wichtig. Genauswenig wie der medizinische Zustand Marias vor, während und nach der Geburt. Ich gestehe, daß ich fast jedes Mal, wenn ich die betreffende Stelle aus Lukas zu hören bekomme, eine Menge unkeuscher Gedanken habe. Aber das ist Privatsache von Maria und Gabriel.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich fühle mich nicht besonders wohl, wenn ich in der Predigt Jesus auf dem Wasser durch den Altarraum wandern sehe, ohne dass auch nur irgendeine Bemerkung fällt, dass es sich erst einmal um eine Geschichte im Kontext frühchristlicher Gemeinden handelt und nicht um einen Berechit einer Chronik.

 

Das ist für den Prediger ein nahezu unlösbares Problem.

 

In der Kirche sitzen ganz unterschiedliche Menschen. Die meisten haben noch gelehrt bekommen, dass die biblischen Aussagen völlig vertrauenswürdig sind und dass alles vor 2000 Jahren so geschah, wie es aufgezeichnet wurde. Wer sich in so mancher Barockkirche umschaut, wird auch prima Illustrationen auf Altar- oder Deckenbildern finden.

Diejenigen, denen eine frühchristliche Gemeindeprägung im Schulunterricht nahegebracht wurde, befinden sich zum größten Teil nicht in der Kirche. Und ob sie die Sache mit der Gemeindetheologie wirklich verstanden haben? Und wenn sie es verstanden haben: Ob sie diese Erkenntnisse zufrieden stellen?

 

Das Problem liegt nicht einfach beim Prediger. Sondern es liegt daran, dass der Bibeltext eine Story vorgibt, die so macht, als ob das wirklich so geschehen wäre. Viele Generationen haben es auch so angenommen. Und der arme Prediger soll nun die tolle Erkenntnis verbreiten, dass es NICHT so geschehen ist. Bevor er nun auf den Gehalt dieses neuen Umgangs mit biblischen Texten eingehen kann, sind die 10 Minuten Predigtzeit längst vorbei. Die einen denken: "Hab ich's doch gewusst: Nur billige Phantasiegeschichten in der Bibel!". Die anderen denken: "Ich lass mir doch mein Vertrauen in die biblischen Texte nicht von diesem Pausenclown nehmen!" Auch nicht, wenn er sich mit hundert klangvollen Professorennamen schmückt, mit dem 2. Vatikanum oder dem Papst höchstpersönlich.

 

Was ist dann das Ergebnis einer solchen Predigt?

 

Ich habe es tatsächlich in meiner Kaplanszeit versucht, die neueren Erkenntnisse mit in die Predigt einzuflechten. Und ich habe bemerkt: Auf direkte Weise geht das nicht.

Die besten Ergebnisse gibt es, wenn man den Stiefel umstülpt. Das sieht dann so aus:

 

Man hat in der Predigtvorbereitung die Lebens- und Glaubensfrage der jeweiligen Bibelstelle lokalisiert. Mit dieser Lebens- und Glaubensfrage trifft man letztlich das, was die Menschen bewegt.

Dann predigt man erst mal gar nicht über den Bibeltext, sondern über die Lebens- und Glaubensfrage.

Und erst gegen Ende der Predigt weist man dann darauf hin, dass sich die Predigt schon die ganze bisherige Predigtzeit mit der Bibelstelle befasst. Einzelne Sätze des Bibeltextes haben nun deutlichen Wiedererkennungswert zum bisher gesagten.

 

Damit drücke ich mich natürlich um die Formung des Bibeltextes in den Gemeinden des 1. Jahrhunderts. Aber diese ist für die allermeisten Menschen sowieso nicht so interessant.

Ich drücke mich damit auch um ein exegetisches Einleitungsverständnis der präsenten Gottesdienstgemeinde. Damit fördere ich dann leider weitere Bibel-Unverständnisse außerhalb der Predigt.

Aber ich habe noch keine Möglichkeit gefunden, Predigtanliegen und Theorieanliegen besser zu vereinbaren.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Heute lässt sich doch kein Mensch mehr von solchen Wundergschichterln von irgendwas überzeugen. Wer glaubt denn hier tatsächlich (wir sind ja in den GG), dass Jesus so wie beschrieben über das Wasser gewandelt ist? So als historische Begebenheit?

Oooch ... ein paar Spinner finden sich da immer.

 

Das Problem liegt in einer Spaltung:

 

1. Die biblischen Texte sind unglaubwürdig. Mal sind sie historisch unglaubwürdig, mal moralisch, mal wissenschaftlich. Manchmal auch alles zusammen.

2. Die modernen Interpretationen sind zumindest etwas glaubwürdiger. Aber sie sind so kompliziert und oft meilenweit vom Bibeltext entfernt (manchmal widersprechen sie sogar dem Bibeltext), dass man ihnen nicht richtig vertrauen kann. Ist das überhaupt noch richtig katholisch? Biblisch ist es jedenfalls nicht.

 

Mat hat darauf hingewiesen, dass vieles in den Evangelien Gemeindebildung ist. Das sagt Mat, das sagt jeder anständige Exeget. Aber: Die Bibel sagt das nicht.

Eigentlich wollte man doch was Biblisches. Und was Hilfreiches zugleich. Aber die Schnittmenge ist leider ziemlich klein. Und so steht man vor einer unseligen Wahl.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich kann die Geschichte aber auch als Parabel verstehen, ohne jede Einbuße.

Je nachdem. Die Parabel y=x^2 gibt meinem Glauben nicht so viel. y=x^200 ist zwar quantitativ besser, bringt aber auch nicht mehr.

Deswegen hält sich der Lateiner lieber an "si vis pacem parabellum"

So viel zu Spezialbegriffen wie "Parabel".

 

Vor allem aber geht bei der ganzen Parabelsache immer mehr die Autorität der Realität flöten. Wenn der Gang Jesu auf dem Wasser nur ein MärchenSageParabel-Teil ist, dann ist es die Auferstehung vielleicht auch. Oder die Menschwerdung Gottes ... auch nur so 'ne Story. Eigentlich jeglicher biblische Text. Und wenn ich Fiktion will, dann ziehe Tolkien oder Rowling den old-fashioned Markus, Matthäus, Lukas und Johannes vor. Und wenn ich fiktive Literatur will, dann ziehe ich den Gilgamesch-Epos der biblischen Sintflutstory eindeutig vor.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Theologie verändert nicht den Bibeltext (oder höchstens geringfügig - und dann noch eher restaurativ). Exegese versucht lediglich, aus den alten Texten etwas herauszulesen, was heute vielleicht bedeutsam sein könnte. Und freikirchliche Bibelausleger sagen dann gelegentlich auch noch was anderes, als katholische. Und Küng kommt zu anderen Ergebnissen, als Ratzi es kam.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich frage mich, warum diese Geschichte überhaupt in den Evangelien zu finden ist und warum die Menschen diese Frage nach Mut und Zweifel überhaupt bewegt hat.

 

Die einfachste Antwort wäre: Die Geschichte steht in den Evangelien, weil es sich so zugetragen hat.

Es hat sich so zugetragen ... und daraus können wir ablesen, welche Rolle Mut und Zweifel im Leben spielen.

 

Es hat sich aber nicht so zugetragen. Und deshalb müssen wir die Rolle von Mut und Zweifel einer fiktionalen Story entnehmen. Und Storys kann doch jeder erfinden. Und da kann dann jeder das herauslesen, was sich der Autor zum Thema hat einfallen lassen. Andere Autoren hatten eine andere Einstellung und haben eine andere Story geschrieben: Papier ist geduldig.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Auf dem Wasser zu Laufen ist so realistisch oder unrealistisch wie die Auferstehung von den Toten.

Ich bin noch nie auf einem See herumgelaufen. Was sagt das über meine Auferstehung aus?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Auf dem Wasser zu Laufen ist so realistisch oder unrealistisch wie die Auferstehung von den Toten.

Ich bin noch nie auf einem See herumgelaufen. Was sagt das über meine Auferstehung aus?

 

Du glaubst nicht genug. Steht bei Matthäus.

 

Werner

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das Problem hast du aber nur, wenn du die Geschichte historisch nimmst.

Und den Leuten auf den Leim gehst, die sagen "warum soll das nicht historisch sein, ist doch auch nicht unrealistischer als die Auferstehung"

 

Werner

bearbeitet von Werner001
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn ich die Geschichte nicht historisch nehme, habe ich mir dieses Problem gespart ... und mir dafür die Fülle all der Probleme eingehandelt, die ich oben beschrieben habe.

 

Wie man's dreht und wendet. Die Bibel und ihre Interpretation stecken in einer Zwickmühle. Und diese Zwickmühle hat erhebliche Konsequenzen.

bearbeitet von Mecky
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Auf dem Wasser zu Laufen ist so realistisch oder unrealistisch wie die Auferstehung von den Toten.

Richtig.

 

Allerdings steht im Glaubensbekenntnis kein Satz "der auf dem See Genezareth gewandelt ist", wohl aber "am dritten Tage auferstaden von den Toten". Wenn ein, zwei Wunder Jesu nicht passiert wären, dann hätte das keine zwingende Folge für den Glauben; auch nicht, wenn Jesus noch mehr Wunder gewirkt hätte als beschrieben.

Wenn aber die Auferstehung nur in den Visionen der Jünger passiert und Jesus ganz normal im Grab verwest wäre, dann hätten wir keinen Grund, auf die Auferstehung zu hoffen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wenn aber die Auferstehung nur in den Visionen der Jünger passiert und Jesus ganz normal im Grab verwest wäre, dann hätten wir keinen Grund, auf die Auferstehung zu hoffen.

 

Wenn Jesus dagegen nicht verwest wäre, mein Opa dagegen schon, dann gäbe es keinen Grund, auf die Auferstehung zu hoffen?

 

Die Auferstehung ist keineswegs der einzige Hoffnungsgrund. Auch nichtchristliche Religionen glauben an eine Auferstehung, zum Beispiel der Islam. Ganz ohne Auferstehung Jesu.

 

Der Zusammenhang zwischen historischem Geschehen, historisierender Beschreibung und realem Geschehen (bei uns) ist weitaus verwickelter.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

 

Wenn aber die Auferstehung nur in den Visionen der Jünger passiert und Jesus ganz normal im Grab verwest wäre, dann hätten wir keinen Grund, auf die Auferstehung zu hoffen.

 

Wenn Jesus dagegen nicht verwest wäre, mein Opa dagegen schon, dann gäbe es keinen Grund, auf die Auferstehung zu hoffen?

 

Die Auferstehung ist keineswegs der einzige Hoffnungsgrund. Auch nichtchristliche Religionen glauben an eine Auferstehung, zum Beispiel der Islam. Ganz ohne Auferstehung Jesu.

 

Der Zusammenhang zwischen historischem Geschehen, historisierender Beschreibung und realem Geschehen (bei uns) ist weitaus verwickelter.

 

Um andere Religionen geht es hier überhaupt nicht; es geht um die Grundbedingung des Christentums. Diesbezüglich spielt Jesus nun einmal eine andere Rolle als, bei allem Respekt, dein Opa. Ohne Jesus als menschgewordenen Gott, der wirklich gestorben und auferstanden ist, kein Christentum - so einfach ist das.

 

Wenn du einen Vergleich mit dem Islam haben willst: Wenn der Koran einfach nur ein frommes Buch wäre, in dem Irrtümer enthalten sein können, dann wäre der Islam seiner Grundlage beraubt - und weil ich glaube, dass der Koran genau das ist, kann ich kein Moslem sein, ganz unabhängig davon, wie sympathisch mir einzelne Moslems sind.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Es geht nicht um andere Religionen, sondern darum, dass der Glaube an Auferstehung nicht davon abhängt, ob Jesus nur in Visionen oder in der Realität auferstanden ist. Man kann auch völlig ohne Bezug auf Jesus an Auferstehung glauben. Wie andere Religionen beweisen, die ohne Bezug auf Jesus die Auferstehung lehren.

 

Wenn Jesus nicht verwest ist, dann ist der Aussagewert seiner Auferstehung für die Auferstehung anderer Menschen, die nach ihrem Tod verwesen, sehr begrenzt.

Alle, die nicht verwesen, erstehen vom Tode auf. Was aber ist mit den Verwesenden wie mit Dir, mit mir, mit meinem Opa? Gelten da dieselben Auferstehungshoffnungen wie für den unverwesten Jesus?

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

×
×
  • Neu erstellen...