Mecky Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Szene mit Maria und Johannes unter dem Kreuz. Anscheinend hatte sich die Madonna ja bereits so weit von ihrer Familie entfremdet, daß sie von dieser Seite keine Unterstützung mehr erwarten konnte. Inwiefern Jakob Josephson sich in seinem Amt als "Herrenbruder" da wieder seiner familiärer Pflichten erinnert hat, wird ja leider nicht berichtet. Über diesen hochinteressanten Zusammenhang wird sich der Johannesevangelist gewiss den Kopf zerbrochen haben. Umfangreiche Recherchen betrieben haben. Und durch die klare Stellungnahme, dass Jesus keine Brüder hatte, strömen heutzutage immer noch die Menschenmassen in die Kirche, um sich und ihre Kinder taufen zu lassen. Könnte es einen besseren Grund und ein besseres Fundament für den Glauben geben, als die Geschwisterlosigkeit Jesu? Wer sein Leben auf die Geschwisterlosigkeit Jesu baut, ist wie ein Mann, der sein Haus auf einen Felsen baute und sich gleichzeitig noch einen Betonkopf zulegte, damit alles ganz fest und haltbar ist. Das müsste man einmal katechetisch aufarbeiten und den Leuten vermitteln. Einen solchen Zugang darf man ihnen nicht vorenthalten. Ihr demonstriert hier das Problem einer abgehobenen theologischen Diskussion wirklich prächtig. Und wenn Ihr Euch über diese Petitesse auch noch in die Haare bekommt, dann ist auch die Entstehung von Religionskriegen demonstriert. Und wenn Ihr dann zum hehren Ergebnis kommt, dass man diese ganzen Familiengeschichten nicht wirklich sicher nach 2000 Jahren aus der Bibel herausfinden kann, man aber trotzdem aus einer behaupteten Klarheit weitreichende theologische Konsequenzen ziehen kann, dann wirkt diese ganze Form der Theologie so, wie es ihrem öffentlichen Ruf entspricht: Undurchschaubare, mit viel Kompetenz vorgetragene, Haarspalterei über des Kaisers Bart. Dies alles trifft weder den Puls unserer Zeit, noch unserer Menschen, noch den Puls des Glaubens. Abgehobene Sophisterei ohne Lebens- und Glaubensbedeutung.
Flo77 Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Sag mal, was willst Du von mir? Daß Du die Bibel für überflüssig hältst, mag ja sein, aber deshalb jeden schräg von der Seite anzumachen, der sich mit dieser Bibliothek beschäftigt und sich in den Texten frei bewegen oder gar verlieren kann, ist seelsorgerisch eher suboptimal.
Chrysologus Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Inwiefern Jakob Josephson sich in seinem Amt als "Herrenbruder" da wieder seiner familiärer Pflichten erinnert hat, wird ja leider nicht berichtet. Jesus hatte es nicht so mit der klassischen Familie, das hat er mehrfach deutlich werden lassen. Jenseits der Frage, ob die Szene unter dem Kreuz realistisch ist, wird hier vor allem deutlich, dass sich die zwischenmenschlichen Beziehung an der Haltung der Menschen zu ihm und nicht an Blutsverwandschaften ausrichten. 1
kam Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Ich weiß nicht, ob die hier sich äußernde Kritik die Zustände nur in D. im Blick hat. Ich hatte vor Jahren die Theologie Teilhard de Chardins im Ansatz spannend gefunden. Leider kann ich nicht genug französisch, um ihn im Original zu lesen. Und die deutsche Theologie hat ihn kaum rezipiert, wahrscheinlich nimmt man Franzosen nicht ernst. Oder das Thema scheint nicht talkshowtauglich zu sein. Da hatte es der reaktionäre, heimlich antisemitische Drewermann leichter. 1
MartinO Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Was nun genau der Unterschied zwischen "wesensgleich" und "wesensähnlich" ist und mit welchen Worten das Verhältnis zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist am Besten zu beschreiben ist, gehört nun in die akademische Theologie - für die meisten Menschen ist es weniger wichtig; wer wissenschaftlichen Anspruch erhebt, muss sich damit auseinandersetzen - möglicherweise mit dem Resultat, dass eine endgültige Klärung unmöglich ist. Er wird bei dieser Auseinandersetzung - so er redlich denkt - zu denselben Ergebnissen kommen, wie die Denker vergangener Zeiten. Die waren ja nicht doof. Aber wozu soll man sich überhaupt mit diesen ollen Unterscheidungen belasten? Da springt mir viel, viel zu wenig heraus. Allein schon Deine Perspektive, dass in diesem Denksystem eine endgültige Klärung nicht möglich ist, wirkt auf mich furchtbar düster. Viel Aufwand, bis man diese Diktion erst mal begriffen hat. Und dann? Der ganze Aufwand war entbehrlich. Wie erheiternd. Jeder, der ernsthafte wissenschaftliche Studien betreibt, muss mit der Möglichkeit rechnen, erfolglos zu bleiben. Wenn das für dich zu düster ist, dann lass es eben bleiben! Natürlich kann ich Theologie auch anders angehen: Ich bastele mir meinen Gott zusammen, aus Versatzstücken aus dem NT, aus hinduistischer und buddhistischer Literatur usw. Ich frage dann andere, welchen Gott sie haben möchten und sehe, was am Ende herauskommt. Legitim. Dabei kann ein wunderschönes Buch herauskommen, sei es als Roman, sei es als Abhandlung über die Wunschträume der Menschheit. Nur: Mit einem christlichen Gott hätte das Ergebnis nur noch wenig zu tun.
Werner001 Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Inwiefern Jakob Josephson sich in seinem Amt als "Herrenbruder" da wieder seiner familiärer Pflichten erinnert hat, wird ja leider nicht berichtet. Jesus hatte es nicht so mit der klassischen Familie, das hat er mehrfach deutlich werden lassen. Jenseits der Frage, ob die Szene unter dem Kreuz realistisch ist, wird hier vor allem deutlich, dass sich die zwischenmenschlichen Beziehung an der Haltung der Menschen zu ihm und nicht an Blutsverwandschaften ausrichten. Die Geschichten um seine Mutter sind ja auch alle erst nach Jahrhunderten entstanden. In den Schrift ist Maria nach der Hochzeit in Kana nur noch eine unbedeutende Randfigur. Werner
Werner001 Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Natürlich kann ich Theologie auch anders angehen: Ich bastele mir meinen Gott zusammen, aus Versatzstücken aus dem NT, aus hinduistischer und buddhistischer Literatur usw. Ich frage dann andere, welchen Gott sie haben möchten und sehe, was am Ende herauskommt. Legitim. Dabei kann ein wunderschönes Buch herauskommen, sei es als Roman, sei es als Abhandlung über die Wunschträume der Menschheit. Nur: Mit einem christlichen Gott hätte das Ergebnis nur noch wenig zu tun. Ketzerisch (ich hoffe man sieht mir das hier in GG nach) könnte man fragen: Wie ist das christliche Bild Gottes denn anders entstanden? Werner
MartinO Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Natürlich kann ich Theologie auch anders angehen: Ich bastele mir meinen Gott zusammen, aus Versatzstücken aus dem NT, aus hinduistischer und buddhistischer Literatur usw. Ich frage dann andere, welchen Gott sie haben möchten und sehe, was am Ende herauskommt. Legitim. Dabei kann ein wunderschönes Buch herauskommen, sei es als Roman, sei es als Abhandlung über die Wunschträume der Menschheit. Nur: Mit einem christlichen Gott hätte das Ergebnis nur noch wenig zu tun. Ketzerisch (ich hoffe man sieht mir das hier in GG nach) könnte man fragen: Wie ist das christliche Bild Gottes denn anders entstanden? Werner Wenn man ganz an den Anfang geht, dann vielleicht. Bereits für die Evangelisten gab es einige Quellen, denen sie vertrauten: - die Heilige Schrift der Juden, d.h. unser Altes Testament - das, was sie selbst über Jesus hörten
MartinO Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Interessant ist in diesem Zusammenhang die Szene mit Maria und Johannes unter dem Kreuz. Anscheinend hatte sich die Madonna ja bereits so weit von ihrer Familie entfremdet, daß sie von dieser Seite keine Unterstützung mehr erwarten konnte. Inwiefern Jakob Josephson sich in seinem Amt als "Herrenbruder" da wieder seiner familiärer Pflichten erinnert hat, wird ja leider nicht berichtet. Über diesen hochinteressanten Zusammenhang wird sich der Johannesevangelist gewiss den Kopf zerbrochen haben. Umfangreiche Recherchen betrieben haben. Und durch die klare Stellungnahme, dass Jesus keine Brüder hatte, strömen heutzutage immer noch die Menschenmassen in die Kirche, um sich und ihre Kinder taufen zu lassen. Könnte es einen besseren Grund und ein besseres Fundament für den Glauben geben, als die Geschwisterlosigkeit Jesu? Wer sein Leben auf die Geschwisterlosigkeit Jesu baut, ist wie ein Mann, der sein Haus auf einen Felsen baute und sich gleichzeitig noch einen Betonkopf zulegte, damit alles ganz fest und haltbar ist. Das müsste man einmal katechetisch aufarbeiten und den Leuten vermitteln. Einen solchen Zugang darf man ihnen nicht vorenthalten. Ihr demonstriert hier das Problem einer abgehobenen theologischen Diskussion wirklich prächtig. Und wenn Ihr Euch über diese Petitesse auch noch in die Haare bekommt, dann ist auch die Entstehung von Religionskriegen demonstriert. Und wenn Ihr dann zum hehren Ergebnis kommt, dass man diese ganzen Familiengeschichten nicht wirklich sicher nach 2000 Jahren aus der Bibel herausfinden kann, man aber trotzdem aus einer behaupteten Klarheit weitreichende theologische Konsequenzen ziehen kann, dann wirkt diese ganze Form der Theologie so, wie es ihrem öffentlichen Ruf entspricht: Undurchschaubare, mit viel Kompetenz vorgetragene, Haarspalterei über des Kaisers Bart. Dies alles trifft weder den Puls unserer Zeit, noch unserer Menschen, noch den Puls des Glaubens. Abgehobene Sophisterei ohne Lebens- und Glaubensbedeutung. Nun, ich weiß ja nicht, wen du mit "ihr" meinst, aber derjenige, der in erster Linie auf die Frage, ob Jesus Brüder hatte, abhebt, bist ja wohl du. Derjenige, der ernsthaft meint, bei der Erstkommunionvorbereitung mit unkommentierten theologischen Fachbegriffen kommen zu müssen, auch. 1
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 "Ihr" wart die, die so eifrig über die Geschwister Jesu diskutiert habt. Jetzt seid "ihr" die, die die Situationskomik nicht erkennen, die darin liegt.
MartinO Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 "Ihr" wart die, die so eifrig über die Geschwister Jesu diskutiert habt. Jetzt seid "ihr" die, die die Situationskomik nicht erkennen, die darin liegt. Ihr wer? "Ihr" Theologen? Ich dachte, du bist selber einer. "Ihr" Katholiken? "Ihr", die nicht Meckys Meinung seid?
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Du hast die Sitcom immer noch nicht erfasst. Ich habe geschrieben, die Theologie befasst sich mit Themen, die keine Relevanz für das Leben und den Glauben haben. Und dann kommt eine Diskussion, ob Jesus Brüder hatte und ob und welcher Jakobus nun dazu gehört. Irrelevantes Theologiegezänk zur Demonstration und Illustration dessen, was ich gerade eben als Problem benannt habe. Mir ist es so was von egal, ob Jesus Brüder hatte. Das berührt weder meinen Alltag noch meinen Glauben. Ich würde Gott in gleicher Weise vertrauen oder an ihm zweifeln, ob Jesus nun keine Brüder, hundert Brüder oder zehn Dackel gehabt hat. So lange sich Theologie ganz begeistert auf solche Themen stürzt, bringt sie nichts. Genau genommen ist das auch nicht mehr Theologie im Wortsinne "Rede von Gott". Man kann selbiges Phänomen auch mit Transsubstanziation, Trinitätstheologie, Christologie oder anderem betreiben. Großer Aufwand, großes Engagement - minimaler Gewinn. Die feine Unterscheidung zwischen Homoousianern oder Homoioousianern bringt selbiges zum Vorschein. Da haben sich Leute die Köpfe heißgedacht und aneinandergekloppt und es hat damals nur minimalen Nutzen gebracht. Nach dem Ausscheiden der hellenistischen Ontologie bringt es überhaupt nichts mehr - außer natürlich Verdruss, Gezänk und hagestolzer Besserwisserei. Und dennoch wird Theologie noch heute auf diese Weise betrieben. Da muss man sich durch den jahrhundertelangen und höchst komplexen christologischen Streit hindurchkämpfen - und hat hinterher immer noch keine Klarheit. Mariamante hat uns eine seltsame Christologie vorgeführt - keiner konnte oder wollte ihm widersprechen. Das ist mir durchaus einleuchtend: Sobald man widerspricht, gerät man in das Dickicht der antiken Christologie. Und hinterher hat man Mariamante bestenfalls verwirrt (und womöglich bei dieser Gelegenheit die eigenen Unklarheiten erkannt). Überzeugen tut das nicht. Helfen tut das nicht. Zugänge eröffnet es nicht. Warum, zum Geier, will kaum noch jemand Theologie studieren? Warum, zum Geier, wird der Sinn theologischer Fakultäten mehr und mehr angezweifelt? Wo sie doch so lustige Sachen treiben.
Mecky Geschrieben 20. Oktober 2016 Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 (bearbeitet) Natürlich kann ich Theologie auch anders angehen: Ich bastele mir meinen Gott zusammen, aus Versatzstücken aus dem NT, aus hinduistischer und buddhistischer Literatur usw. Ich frage dann andere, welchen Gott sie haben möchten und sehe, was am Ende herauskommt. Legitim. Dabei kann ein wunderschönes Buch herauskommen, sei es als Roman, sei es als Abhandlung über die Wunschträume der Menschheit. Nur: Mit einem christlichen Gott hätte das Ergebnis nur noch wenig zu tun. Ketzerisch (ich hoffe man sieht mir das hier in GG nach) könnte man fragen: Wie ist das christliche Bild Gottes denn anders entstanden? Das Entstehen von Gottesbildern ist eine ziemlich komplexe Sache. Gemeinsam ist: Vorlagen spielen eine Rolle. Und das Basteln spielt eine Rolle. Das Basteln beginnt bereits beim Wahrnehmen der Vorlagen. Die verbreitete Version "Jesus glaubte an den Gott des AT" ist bereits eine höchst ungenaue Formulierung. Jesus glaubte also an denjenigen, der Säuglinge zu ermorden befahl? Soso. Gut zu wissen. Aber nein, aber nein. Jesus hatte als Jude eine Menge Einzelteile aus dem AT im Kopf. Das AT war vielleicht sogar seine Hauptvorlage. Aus den vielfältigen Gottesvorstellungen, die im AT zu finden sind, hat er dann aber zwangsläufig auswählen müssen - sonst wäre sein Gottesbild so widersprüchlich, wie es die verschiedenen AT-Gottesbilder nun mal sind. Und dann muss man sich auch fragen, ob er wirklich 1 zu 1 übernommen hat. Wirklich 1 zu 1 übernehmen geht gar nicht. Wahrnehmen ist ein komplexer Prozess. Das, was jemand rezipiert, ist nicht genau das, was der Ersteller der Vorlage im Sinn hatte. Wie viele weitere Vorlagen Jesus verwendet hat, ist nicht einmal abschätzbar. Erlebte Situationen und deren Assoziationen spielen zum Beispiel eine große Rolle als Vorlagenlieferant. Wie kreativ Jesus all diese Vorlagen verwendet hat, kann man anhand einiger seiner Gleichnisse erahnen. Es sieht so aus, als ob Jesus einer der großen Bastler gewesen sei. Er - oder die Evangelisten. Man kann Jesus natürlich vorwerfen, dass er sich an solcher Bastelei betätigt hat. Aber insgesamt bin ich darüber froh. Er ist sozusagen mein Vorbild in Sachen Gottesbildbastelei. Der Sprung vom Gottesbild Jesu zum christlichen Gottesbild ist wiederum so komplex, dass ich es hier kaum darstellen kann. Viel wichtiger ist auch die Frage, wie bei einem einzelnen Christen ein Gottesbild aufkommt. Das wäre ein Schwerpunktthema einer sinnvollen Theologie. Es gibt auch schon einiges an Literatur dazu. Aber angesichts der Geschwisterfrage Jesu verblasst dieses Thema. Im Studium hatten wir kein Fach für solche Fragen. Das ist viel zu nahe am Leben und am eigenen Glauben angesiedelt, als dass es sich gegen so wichtige Themen wie "Hatte Jesus Geschwister" und "war Maria Jungfrau" durchsetzen könnte. Denn zu diesen elendswichtigen Fragen haben wir viel gehört. bearbeitet 20. Oktober 2016 von Mecky
Dies ist ein beliebter Beitrag. nannyogg57 Geschrieben 20. Oktober 2016 Autor Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 Ich finde eine Diskussion über die Sache mit den Geschwistern Jesu durchaus für wichtig. Es ist Aufgabe der Theologie, hier der exegetischen Fraktion, diese Diskussion zu führen. Gerade die derzeitige Diskussion in der Exegese, in der Theologen ihre Meinung sagen und nicht so schwammig daherreden wie seinerseits der im Übrigen äußerst liebenswürdige Professor Gnilka, finde ich sehr interessant. Die Frage nach dem historischen Jesus zu einem Tabu zu erklären halte ich für einen ziemlich großen Fehler. Damit hat die Theologie jedem, der dazu was sagte, einen Maulkorb verpasst und zum naiven Deppen erklärt. Das löst sich gerade auf. Die Frage nach dem Menschen Jesu zum Tabu zu erklären - dümmer geht es doch nicht mehr! Damit schied man die Menschen in naive Gläubige, denen man exegetische Fakten nicht zumuten wollte, und die ultraklugen Theologen, die gar nichts glaubten und schon gar nicht nach diesem Jesus fragen durften, wenn sie wissenschaftlich anerkannt sein wollten. Antworten zu wagen und sachliche Widersprüche zu bekommen, das ist doch nichts Schlimmes. Jener Frau, die Lektorin ist, wurde von ihrem Pfarrer gesagt, sie müsse nicht verstehen, was Paulus, dessen Briefe sie vorlas, mit dem meinte, was er sagt! Der sei halt so! Dass der heilige Paulus der Briefe und der San Paulo, in dessen Basilika in Rom wir standen, als das Gespräch erfolgte, derselbe sei, ist ihr erstmal im Gespräch mit mir gekommen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade meinem Jüngsten mit Hilfe der Gemälde dort die Geschichte von Paulus erzählt, den er von der Kinderbibelwoche schon recht gut kannte, natürlich auch den Herrenbruder Jakobus und die Frau des Petrus, deren Erwähnungen im 1. Korintherbrief dazu führte, dass wir sie ins Szenenspiel einbauten (hihi). Der Konflikt, ob man sich an rituelle Gesetze halten muss oder nicht, um ein Jesus Jünger zu sein, und als dessen Kontrapunkt zu Paulus halt der Herrenbruder steht, war ihm auch geläufig (hatte auch eine sehr aktuelle ökumenische Notation). Für die Kinder in meiner Gemeinde ist Theologie nichts, wovor man sich fürchten muss. Dass die Gemälde in der alten Basilika mit ihrer traditionellen Paulusbiographie wenig mit den Erkenntnissen moderner Exegese zu tun haben, bemerkte ich übrigens beim Erzählen. Aber wer belästigt schon Kinder gerne mit der Dramatik des antiochenischen Zwischenfall, nach dem Paulus nie mehr nach Antiochus zurückkehrte und sein eigenes Ding anfing, entgegen der Apostelgeschichte? Dass er wohl starb mit dem Gefühl versagt zu haben, ein Verlierer zu sein, und erst seine Schüler verhalfen ihm zu der Wirkungsgeschichte, die er hatte? Woher ich das weiß? Weil ich Theologin bin. Wozu ich das brauche? Um nach besten Wissen und Gewissen von Gott und Jesus und seinen Jünger so wahr zu erzählen, wie ich es kann. Damit die toten Leichen lebendig werden. Dazu brauche ich Theologie in jeder sich bietenden Form. Und natürlich bin ich nicht besser als jeder, der nach besten Wissen und Gewissen geprüft hat und behalten hat, was am Vertrauenswürdigsten zu sein scheint. Was ist die T-Lehre zur Eucharistie? Historisch gesehen zunächst eine Absage an allzu realistische Vorstellungen des frühen Mittelalters mit fast magischen Tendenzen (Hostien bluten bei Gelegenheit, zum Beispiel wenn jemand nicht glaubt). Ein Versuch, in rationalen Mustern das Mysterium erst mal zu begrenzen auf einen inneren, geistigen Akt. Von den Eigenschaften her in allen Bereichen Brot (blutet nicht), vom Wesen her aber Jesus selbst. Damit wurde das Brot als Zeichen leider abgewertet, stellen wir heute fest. Da wir nicht mehr der Versuchung erliegen, ständig nach blutenden Hostie Ausschau zu halten, können wir, was die T-Lehre betrifft, die Gläubigen damit verschonen. Mit diesem beruhigenden historischen Faktenwissen im Hintergrund kann man dann gut in einfachen Worten die Lehre der Kirche verkünden in dieser Zeit. Aber das ist ein pastorales Problem, all das, was ich bisher schrieb, ist ein pastorales Problem. Das lässt sich lösen und ich sehe keinen Konflikt zwischen guter Theologie und Pastorale. Ich bemerke nur, dass ansonsten, im gesellschaftlichen Diskurs, der Beitrag der Theologen fehlt. Zum Beispiel, dass der Monotheismus Motor sein kann dafür, dass alle Menschen gleichberechtigt sind. Kein Gott bevorzugt, Botschaft des Christentums, irgendeine Nation, nicht einmal die Amerikaner. Der Glaube an einen Gott für alle bedingt, dass niemand weniger wert ist als der andere, oder, jede Wertung nach Intelligenz oder Geschlecht ist sekundär. Welche ethischen Konsequenzen sich daraus ergeben müssen. Das können Atheisten nur schlapp postulieren, aber nicht mal good old Aristoteles hatte es mit der allgemeinen Menschenwürde, geschweige denn Menschenrechten. Dass TvA schon was von allgemeiner Menschwerdung wusste, halt nichts von Menschenrechten. Dass die Abschaffung des Klerus im Calvinismus die Mutter der Demokratie war, nicht das attische Vorbild (wer zahlt, schafft an). Und dass das Christentum die ganze Sache mit speziellen Kasten schon lange hinterfragt hätte, wäre es nicht so verdammt korrumpierbar gewesen. Aber welcher Theologe macht sich schon die Mühe und liest dazu mal Fachliteratur, wenn er mit beiden Ohren in der Pastorale steckt? Und es ist ja so wichtig, dass man ständig ganz furchtbar fruchtbar praktisch-pastoral unterwegs ist und nicht so wahnsinnig theologisch-theoretisch? Und dann? Theologie ist kein Ersatz für Glauben. Aber so als Hintergrundprogramm im Freestyleglauben, als Denkfabrik, als Reflexionsmaschine, als Kontrollmechanismus, als Implusgebetin, da finde ich Theologie wichtig. Kein Ding, Theologen müssen mit anderen Leuten kommunizieren ohne Theologensprech. Sonst hört Ihnen keiner zu. Aber dass Theologen der Gesellsxhaft nix zu sagen haben, das ist beängstigend. 4
nannyogg57 Geschrieben 20. Oktober 2016 Autor Melden Geschrieben 20. Oktober 2016 (bearbeitet) Und wer weiß schon, dass es ein Theologe und Physiker war, der (neben Friedmann) den Big Bang als Erster postuliert, weil er die Relativitätstheorie ernst nahm? Dass Einstein, um die Unendlichkeit und Unveränderbarkeit des Universums, die Lieblingsidee der Naturwissenschaften bis Hubble, zu retten, deswegen die kosmologische Konstante erfand, die er später dann als "größte Eselei seines Lebens" bezeichnete? Und dass er dann George Lemaitre unterstützte, so hieß der Mann? Und wo ist heute der Beitrag der Theologie im Diskurs mit Physik und Biologie, außer im komplett ideologisch verwirrten Kreationismus? Sind uns die physikalischen Formeln zu kompliziert? Und warum denken Christen überhaupt, sie wären auf der sicheren Seite mit dem Kreationismus? Wo ist der Beitrag der Theologie, der Christen erklärt, wie toll das Universum ist und dass es Nullkommanull Probleme mit den naturwissenschaftlichen Erklärungen gibt, wie es Paul VI. schon 1951 sagte? Warum muss ich mir immer noch von Leuten anhören, Theologen würden die 7-Tage-Schöpfung propagieren? Bin ich der einzige theologische Trottel, der sich mit den Naturwissenschaften beschäftigt, obwohl ich eine Null in Mathe bin? bearbeitet 20. Oktober 2016 von nannyogg57
Mat Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 (bearbeitet) Ich möchte zu den bisher genannten Aspekten noch zwei Aspekte hinzufügen. Die Theologie ist mittlerweile eine Wissenschaft, die sich in viele Spezialdisziplinen aufteilt. Ein Fundamentaltheologe sollte nicht nur die Dogmatik überblicken, sondern möglicht viele relevante Ansätze der modernen Philosophie. Ein Exeget hingegen sollte nicht nur Spezialist in den altorientalischen Sprachen, der zeitgenössischen Literatur sowie der Methoden aus Literatur- und Sprachwissenschaften sein, er sollte darünber hinaus auch über ethnologische, lesepsychologische und archäologische Kenntnisse verfügen und dabei in der Lage sein, die aktuellen wissenschaftlichen Beiträge in den wichtigen Sprachen (englisch, französich, spanisch) zu verstehen. Es ist offensichtlich, dass sich eine Fachargumentation auf Basis dieser Quellen nicht nur dem Laien, sondern auch einem Fachtheologen anderer Richtungen verschließt. Kardinal Lehman merkte vor einigen Jahren an, dass es der Theologie an Wssenschaftlern fehle, die in der Lage wären eine fundierte Gesamtdarstellung der Theologie zu geben. Der zweite Punkt ist, dass viele Aspekte von Theolgie für die Glaubenspraxis nichtssagen geworden sind. Verschärft wird diese Diskrepanz dadurch, das eine Konkurrenz in der Form freikirchlicher Gemeinden entstanden sind, die die Glaubenserfahrung in den Mittelpunkt stellen, gleichzeitig aber auf theologische Entwürfe weitgehen verzichten. Es gibt für Viele ein Bedürfnis, dass Glaube anfassbar und erfahrbar ist. Und hier hat gerade die systematische Theolgie ein großes Problem. Die praktische Theologie ist leicht nachzuvollziehen und auch die Exegese kann mit griffigen Ergebnissen punkten (s.o. Jesus hatte Geschwister, oder etwa doch nicht?....). Die Systematik hingegen ist abstrakte und spekulativ (oder hat schon einmal jemand von Euch das innertrinitarsche liebende Verhältnis der drei göttlichen Personen beobachtet und ihre Auswirkung auf die Heilsökonomie direkt gespürt...). Und die Ethik wird als altbacken und lebensfeindlich erlebt. Es gibt natürlich Fragestellungen, in denen die Sytematik und Ethik sehr relavant ist: beispielsweise zum Thema Zusammenleben in einer Gesellschaft. Das lässt sich mit einem unmittelbar in einer kleinen Gemeinschaft von Gleichgesinnten erfahrenen Glauben nicht hinteichend diskutieren. Aber da erlebe ich in der Kirche eine Art Wagenburgmentalität, eine Kapitulation vor dem Überkommenen. Beispielsweise, wenn sich jemand in das Feld Umgang mit Homosexualität wagt, dann wird jede Diskussion letztendlich mit dem Argument der Tradition, der taditionellen Bibelauslegung und einem traditionellen Wissenschaftsverständnis niedergebügelt. Da sind dann plötzlich neue wissenschaftliche Erkenntnisse vollkommen irrelevant zugunsten der Erhaltung eines Status quo. Da dürfen dann eben nicht die neusten Diskussionen aus der Entwicklungspsycholgie rezepiert oder die biblischen Texte im Kontext ihrer Zeit gelesen werden, sondern man ringt sich hier höchstens eine Idee der Barmherzigkeit ab. Aber auf diese Weise brauchen wir keinen wissenschaftlichen Diskurs sondern eine Katechismuslehre, die sich nur noch mit der Auslegung und Didaktik eines lehramtlichen Buches beschäftigt. bearbeitet 21. Oktober 2016 von Mat 1
MartinO Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Nun, warum muss man sich anhören, dass die Theologie die 7-Tage-Schöpfung propagiert oder dass der Vatikan dies fordert? Vielleicht deshalb, weil nicht jeder Kirchenkritiker gleich gut informiert ist? Könnte es sein, dass nicht nur nicht jeder Gläubige, sondern auch nicht jeder Kritiker, sich so genaue Gedanken gemacht hat? Als Johannes Paul II. die Verurteilung Galileis als Unrecht bezeichnete (und schon vorher) wurde in durchaus seriösen Quellen behauptet, Galilei habe als erster herausgefunden, dass die Erde eine Kugel und die Kirche bis 1990 offiziell geglaubt, dass die Erde eine Scheibe sei. Zur Zeit des Missbrauchsskandals hieß es, katholische Priester unterstünden nicht den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland oder die Reformation sei wegen der Zölibatsfrage ausgebrochen. Schon früher schrieben Zeitungen oft irgendwelchen Stuss unkritisch ab und heute, in der Zeit des Internets, ist die Informationsflut noch viel verwirrender. Man findet im Internet sowohl Argumente für den Young-Earth-Kreationismus als auch dafür, dass die Freimaurer eine Unterorganisation der Jesuiten sind, dass "Mein Kampf" in Wahrheit von einem Jesuiten verfasst wurde, dass der wahre Papst Paul VI. von den Freimaurern ermordet und durch einen von ihnen ersetzt worden sei usw. usf. Herausforderung der Verkündigung ist es, sich das klar zu machen. 2
kam Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Warum muss ich mir immer noch von Leuten anhören, Theologen würden die 7-Tage-Schöpfung propagieren? Bin ich der einzige theologische Trottel, der sich mit den Naturwissenschaften beschäftigt, obwohl ich eine Null in Mathe bin? Das mit Mathe ist natürlich bedauerlich. Aber warum bist du dann nicht auf Teilhard de Chardin gestoßen?
MartinO Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Natürlich ist es wichtig, zu betonen, dass Jesus wahrer Mensch und nicht ein Geist oder Superwesen war. Gleichzeitig - und das ist das Problem - gibt es viele Dinge, die wir, selbst mit der besten Theologie, nie endgültig klären können. Hatte er Geschwister? Die Bibel sagt ja, die katholische Kirche spricht von der "immerwährenden Jungfräulichkeit" Mariens und sagt daher nein. Pastoral empfiehlt sich hier die Gegenfrage: Was würde sich ändern, wenn Jesus (keine) Geschwister gehabt hätte? Ist ein Einzelkind weniger Mensch? Wäre, wenn Maria und Josef noch mehrere gemeinsame Kinder gehabt hätten, dadurch die Gottessohnschaft Jesu infrage gestellt? Meiner Meinung nach nein. Wichtig ist hier Folgendes: Die Verwandtschaft zu Jesus begründet keinen Anspruch auf einen besonderen Rang: Petrus, die Zebedäussöhne und schon gar Paulus waren offenbar nicht mit Jesus verwandt. Wichtig ist weiter: Jesus wurde von seinen eigenen Angehörigen nicht verstanden. Zumindest seine Mutter scheint später ihre Meinung geändert zu haben - laut Johannesevangelium stand sie unter dem Kreuz, nach der Apostelgeschichte lebte sie nach Christi Himmelfahrt mit den Aposteln zusammen. Das heißt: Dass Eltern das Handeln ihrer Kinder nicht nachvollziehen können, ist nichts per se Schlechtes. Oder auch: War Jesus verheiratet? Die Bibel schreibt nichts davon. Kann man es deshalb ausschließen? Nein.Jesus könnte mit 30 Jahren bereits Familienvater (das wäre in der Tat bedenklich) oder Witwer gewesen sein. Von Kindern Jesu ist nirgends die Rede, nicht einmal eine Polemik gegen jemand, der zu Unrecht behauptet hätte, Sohn des Messias zu sein. Meiner Meinung nach spricht das dafür, dass es auch keine Kinder Jesu gab. Pastoral: Wenn jemand einen verheirateten Jesus menschlicher findet als einen unverheirateten, mag er es tun. Welcher Art war die Beziehung zu Maria Magdalena?Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass Maria Magdalena offiziell mit Jesus verheiratet war. Es hätte - gerade historisch - überhaupt keinen Grund gegeben, dies zu verschweigen: Was wäre logischer als, dass die Witwe eines Hingerichteten die erste ist, die sich um das Grab kümmert? Den Zölibat als Ideal oder gar Pflicht gab es zur Zeit der Evangelien nicht.Dagegen war eine enge Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die offenbar mit ihm weder verwandt noch verschwägert war, für fromme Juden, aber auch für viele Heiden, ein Skandal. Empfand Jesus eine (sexuelle) Liebe zu ihr? - Möglich. Sicher zu klären ist es nicht und wird es nie sein. Pastoral scheint mir hier wichtig: Eine Frau spielt eine entscheidende Rolle in der Verkündigung. Sie gehört zu den engsten Anhängern Jesu, ob die Beziehung nun platonisch blieb oder nicht, und dies wird nirgends in der Bibel als Problem gesehen. 3
Dies ist ein beliebter Beitrag. Chrysologus Geschrieben 21. Oktober 2016 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Herausforderung der Verkündigung ist es, sich das klar zu machen. Allerdings setzt eine gute Verkündigung voraus, dass der, der sie betreibt, das durchdacht hat, was er da verkündigt. Und hier kommt die Theologie ins Spiel. Sie ist ja nicht die Lieferantin auftrumpfender Aussagen über Jesu Familienverhältnisse, die Form der Erde oder die Frage der Zelebrationsrichtung. Das erstere wie das letztere kann im richtigen Kontext wichtig sein, aber eben auch nur da. Die Systematik hingegen ist abstrakte und spekulativ (oder hat schon einmal jemand von Euch das innertrinitarsche liebende Verhältnis der drei göttlichen Personen beobachtet und ihre Auswirkung auf die Heilsökonomie direkt gespürt...). Beobachtet sicherlich nicht - aber mit auch spirituellem Gewinn durchdacht durchaus. Gerne denke ich an die letzte mündliche Prüfung in Theologie zurück, es ging um Christologie und es prüfte Thomas Pröpper. Wir hatten uns auf einige Kapitel aus Rahner Grundkurs als Grundlage verständigt, von denen ausgehend wir uns über dies und das unterhalten haben. Es ging dabei natürlich auch um die Frage, ob und wie ich den Kollegen Rahner verstanden habe, aber es war kein klassisches Abfragen. Ohne dass es privat geworden wäre, wurde es persönlich: Man kann sich nicht wirklich ernsthaft mit diesen Themen beschäftigen, ohne dass es an die eigene Substanz geht. Es stellt das eigene Denken in Frage und lässt einen gleichzeitig neuen Boden gewinnen, von dem aus man weiter denken kann. Denn zumindest meine akademischen Lehrer haben dieses eigene Weiterdenken geschätzt und gefördert, wofür ich ihnen bis heute dankbar bin. Es ging aber nie um Satzwahrheiten, die man lernen und dem anderen um die Ohren schlagen kann. Im Zuge der Bachelor/Masterdeformen gab es spannende Diskussionen im Fachbereichsrat um die Frage, wie man Methodenlehre vs. Inhalte gewichten solle. Vor allem aus der RelPäd kamen Vorschläge, die die Inhalte weitgehend auszuklammern versuchten, was nach meiner Ansicht zu Recht nicht durch kam. Dass man in Teilen von Pastoral, Liturgie und RelPäd Methodenlehre betreibt, ist richtig und kam in meinem Studium eher zu kurz. Aber ich habe leider viele, zu viele Priester und Laien im Verkündigungsdienst erlebt, die vor lauter Methoden (die manche beherrschen, andere nicht) kaum noch Inhalt haben. Transsubstantiation ist zu schwer zu erklären, bleiben wir beim lieben Jesulein mit dem wir ein Fest feiern. Inkarnation ist zu anspruchsvoll, reden wir lieber übe die heil(ig)e Familie und das süße Baby in der Krippe. So nehmen die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen einen guten Eindruck von Kirche mit und gehen - zwar ohne Groll, aber auch ohne Verlustgefühle. Dies ist das, was man wohl progressive Variante nennen könnte. Der steht begrifflich die konservative Fassung gegenüber, die Transsubstantiation auch nicht versteht und dies hinter Pomp, Weihrauchschwaden und Kniebeugen zu verbergen sucht. Die bejammert, dass das Sündenbewußtsein verschwunden sei, wobei Sünde fast immer etwas sexuelles ist und etwas mit Regelübertretung zu tun hat. Die das Inkarnationsproblem (also das Problem, dass sie die Folgen derselben weder durchdacht noch begriffen zu haben scheinen) dadurch umgehen, dass sie heftig gegen Abtreibung predigen. Manchmal fehlt es an den Fakultäten und in den Seminaren schlicht am Vorwissen der Lernenden: Man setzt voraus, dass sie gute Katechese erlebt haben und aus funktionierenden Gemeinden kommen. Dass ihnen Liturgie in allen ihren Formen vertraut ist und sie die Bibel gut gelesen haben. Von den in der Schule nicht mehr vermittelten Künste des eigenständigen Lesens und Denkens ganz zu schweigen. Manchmal führt exemplarisches Lernen dazu, dass die Absolventen die Dinge leider nicht gelernt haben, die man in der Praxis als Grundlagen braucht. Fundamentalliturgik befähigt nicht dazu, den Ablauf der Messe des Kommunionkindern nahe zu bringen (auch vermeintlich Progressive sprechen gerne von "Wandlung"), das Setzen nötiger Schwerpunkte in Dogmatik lässt Lücken offen, unvermeidbar, aber bedauerlich. Aber die praktische Ausbildung danach reflektiert nicht mehr auf das Eucharistieverständnis der Katecheten (Priester oder Laien), Predigtvorbereitungen beginnen selten damit, dass man in einen Kommentar schaut, viele habe so etwas nicht einmal am Arbeitsplatz. Zu viele Priester wie Laien haben zwar Berge von Liederbüchern, Hilfen zum Gottesdienst für alle Altersklassen und eine Sammlung geeigneter DVDs, aber keinen Kommentar, kein gutes Lexikon, für viele Fachbereiche der Theologie nicht einmal ein Handbuch, und eine wie auch immer geartete Fachzeitung wird auch nicht mehr gelesen. Dass theologische Fachabteilungen in Buchhandlungen verkleinert werden, dass gute Zeitschriften Jahr um Jahr Leser verlieren, dass ist die Folge davon. Und so wird auch nicht mehr theologisch diskutiert in der Pastoral. Erstaunlicherweise kommen gleichwohl Angebote, dies zu tun, positiv an. Das füllt keine Säle, aber es kommen welche. 5
Moriz Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Ich habe geschrieben, die Theologie befasst sich mit Themen, die keine Relevanz für das Leben und den Glauben haben. Das hat die Theologie mit allen anderen Wissenschaften gemeinsam! An der Universität werden Grundlagen gelehrt und Grundlagenforschung betrieben. Meist hat diese Forschung keinerlei praktische Relevanz; selten werden Ergebnisse dieser Grundlagenforschung Jahre oder Jahrzehnte später praktisch verwendbar. Da haben Physiker mit wirklich extremem Aufwand das Higgs-Boson nachgewiesen. Das hat mir eine angenehme halbe Stunde beim Lesen des entsprechenden Spektrum-der-Wissenschaft-Artikels beschert, aber praktische Relevanz??? Wenn ich hier über einen hochkomplexen Computer mit dir kommunizieren kann, dann dank Fachleuten bei Infineon und Microsoft, die die entsprechende Hardware und Software entwickelt haben. In Unternehmen, nicht in Universitäten. Diese Fachleute haben die dazu nötigen Grundlagen in Universitäten gelernt (in dem Fall wohl eher in MINT-Fächern als in Theologie), nur dadurch waren sie dazu in der Lage, Prozessor und Betriebssystem zu schaffen. Wobei sie sich, nach der Uni, noch sehr viel Spezialwissen für ihren Job aneignen mussten. Das Studium hat sie dazu befähigt, es aber nicht vorweggenommen. Warum sollte das bei der Theologie anders sein? nannyogg hat das hier doch sehr schön beschrieben! Sie ist - dank ihres Theologiestudiums - in der Lage, die Christologie so korrekt auf Grundschulniveau runterzubrechen, daß wohl auch einem Karl Rahner dagegen allenfalls ein "Ja, aber..." eingefallen wäre. Es war nicht die Aufgabe Rahners, eine grundschultaugliche Christologie zu entwickeln, es ist die Aufgabe der Praktiker in der Pastoral, das zu machen. Und zwar möglichst so korrekt, daß die Fachleute darin ihre Christologie noch erkennen können. Was Du hier forderst, ist nicht die primäre Aufgabe der Universitäten, sondern DEINE Aufgabe als Pastor (Hirte deiner Gemeinden), deinen Gemeindemitgliedern Gott und den Glauben näher zu bringen. Und zwar ganz ganz konkreten Menschen, die Du kennst, die dein Prof. aber gar nicht alle kennen kann. Was Du an der Uni gelernt hast, kann und soll dir dabei Wegweiser sein - nicht mehr und nicht weniger. Das hat die Theologie auch wieder mit allen anderen Fächern gemeinsam: Die Universität muß den Akademiker befähigen, seine beruflichen Problemstellungen zu lösen, kann ihm aber in der Regel diese Lösungen nicht vorgeben. (Dann wäre es wohl höchstens Fachhochschule.) 1
gouvernante Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Denn zumindest meine akademischen Lehrer haben dieses eigene Weiterdenken geschätzt und gefördert, wofür ich ihnen bis heute dankbar bin.Dito.
nannyogg57 Geschrieben 21. Oktober 2016 Autor Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Warum muss ich mir immer noch von Leuten anhören, Theologen würden die 7-Tage-Schöpfung propagieren? Bin ich der einzige theologische Trottel, der sich mit den Naturwissenschaften beschäftigt, obwohl ich eine Null in Mathe bin? Das mit Mathe ist natürlich bedauerlich. Aber warum bist du dann nicht auf Teilhard de Chardin gestoßen? Interessanterweise bin ich auf Teilhard de Chardin nur im Rahmen meines eigenen gymnasialen RU gestoßen und habe ihn oft im Hinterkopf, wenn ich meine komplett vernetzten Söhne bewundere. Weswegen du Recht hast: Ich sollte Teilhard de Chardin lesen.
Mecky Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 Natürlich ist es wichtig, zu betonen, dass Jesus wahrer Mensch und nicht ein Geist oder Superwesen war. Gleichzeitig - und das ist das Problem - gibt es viele Dinge, die wir, selbst mit der besten Theologie, nie endgültig klären können. Hatte er Geschwister? Die Bibel sagt ja, die katholische Kirche spricht von der "immerwährenden Jungfräulichkeit" Mariens und sagt daher nein. Pastoral empfiehlt sich hier die Gegenfrage: Was würde sich ändern, wenn Jesus (keine) Geschwister gehabt hätte? Ist ein Einzelkind weniger Mensch? Wäre, wenn Maria und Josef noch mehrere gemeinsame Kinder gehabt hätten, dadurch die Gottessohnschaft Jesu infrage gestellt? Meiner Meinung nach nein. Wichtig ist hier Folgendes: Die Verwandtschaft zu Jesus begründet keinen Anspruch auf einen besonderen Rang: Petrus, die Zebedäussöhne und schon gar Paulus waren offenbar nicht mit Jesus verwandt. Wichtig ist weiter: Jesus wurde von seinen eigenen Angehörigen nicht verstanden. Zumindest seine Mutter scheint später ihre Meinung geändert zu haben - laut Johannesevangelium stand sie unter dem Kreuz, nach der Apostelgeschichte lebte sie nach Christi Himmelfahrt mit den Aposteln zusammen. Das heißt: Dass Eltern das Handeln ihrer Kinder nicht nachvollziehen können, ist nichts per se Schlechtes. Oder auch: War Jesus verheiratet? Die Bibel schreibt nichts davon. Kann man es deshalb ausschließen? Nein. Jesus könnte mit 30 Jahren bereits Familienvater (das wäre in der Tat bedenklich) oder Witwer gewesen sein. Von Kindern Jesu ist nirgends die Rede, nicht einmal eine Polemik gegen jemand, der zu Unrecht behauptet hätte, Sohn des Messias zu sein. Meiner Meinung nach spricht das dafür, dass es auch keine Kinder Jesu gab. Pastoral: Wenn jemand einen verheirateten Jesus menschlicher findet als einen unverheirateten, mag er es tun. Welcher Art war die Beziehung zu Maria Magdalena? Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass Maria Magdalena offiziell mit Jesus verheiratet war. Es hätte - gerade historisch - überhaupt keinen Grund gegeben, dies zu verschweigen: Was wäre logischer als, dass die Witwe eines Hingerichteten die erste ist, die sich um das Grab kümmert? Den Zölibat als Ideal oder gar Pflicht gab es zur Zeit der Evangelien nicht. Dagegen war eine enge Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, die offenbar mit ihm weder verwandt noch verschwägert war, für fromme Juden, aber auch für viele Heiden, ein Skandal. Empfand Jesus eine (sexuelle) Liebe zu ihr? - Möglich. Sicher zu klären ist es nicht und wird es nie sein. Pastoral scheint mir hier wichtig: Eine Frau spielt eine entscheidende Rolle in der Verkündigung. Sie gehört zu den engsten Anhängern Jesu, ob die Beziehung nun platonisch blieb oder nicht, und dies wird nirgends in der Bibel als Problem gesehen. Der erste Satz ist für jeden Christen natürlich interessant. Bei allem, was Du dann weiter schreibst, verbleibst Du im Ungewissen. "Gleichzeitig - und das ist das Problem - gibt es viele Dinge, die wir, selbst mit der besten Theologie, nie endgültig klären können." Das ist nett ausgedrückt, aber trifft das Problem nicht wirklich. Wir können nämlich historisch von Jesus überhaupt nichts mit wirklicher Sicherheit sagen. Dies liegt einerseits an der damaligen Schreibweise. Aber noch tiefgründiger liegt es an dem "garstigen Graben", den 2 Jahrtausende gelegt haben. Du kannst Dir nicht vorstellen, dass Jesus mit Maria Magdalena offiziell verheiratet war. Klar: Bei dem Jesus, der in der Bibel beschrieben wird, ist das auch ein bisschen abwegig. Bei allen Deinen Aussagen stützt Du Dich immer wieder auf die Bibel. Geschrieben von Schreibern, denen die Realität wahrscheinlich als frei verfügbarer Denkanstoß hergehalten hat. Womöglich war der historische Jesus so gestrickt, dass man sich eine Verheiratung sehr wohl vorstellen könnte, aber nur mit einer classis Romana. Oder er war schwul? Nix genaues weiß man nicht. Und auf die unsichere, überformte und verzweckte Beschreibung in den Evangelien baust Du ... was eigentlich? Die ganze Witzigkeit des Disputes über die Geschwister Jesu ist davon getragen, dass sich hier hochgescheite und belesene Leute über etwas den Kopf zerbrechen, wovon sie eigentlich nichts wissen können. Und wer solche Dispute schon oft mitbekommen hat (unser Forum ist voll davon! Und die theologischen Fakultäten können das noch besser und noch gelehrter, als wir), fragt sich doch irgendwann mal, wozu das gut sein soll. Da bewirft man sich mit Bibelzitaten, die doch nur eine sehr unsichere Basis sind. Bei den Evangelen habe ich sogar welche kennen gelernt, die dabei auf höchste Wortgetreue zum Bibeltext wert legen. Also ob es darauf ankäme! Auch bei perfekter Wortgetreue oder sogar beim Original-Griechischtext wird die Basis nicht sicherer. Und hier entsteht dann das Theologengezänk. Eigentlich hat man kein sicheres Fundament. Und der eine wirft dem anderen vor, dass er sich nicht gut genug an dieses Fundament hält. Die Frage nach der Menschlichkeit und Göttlichkeit Jesu kann auf diese Weise nicht angegangen werden. Dass man es dennoch tut, ist einfach nur witzig. Nannyogg macht übrigens in ihrem Unterricht was anderes. Bin mal gespannt, ob jemand herausfindet, wo sie sich von dem gerade geschilderten Verfahren unterscheidet. Und guggeda: Sie erreicht die Kinder. Und ich habe nicht das Gefühl, dass sie was "runterbricht". Klingt alles ungebrochen echt. Vielleicht kann sich in ferner Zukunft einmal ein Papst dazu durchringen, sie zwar nicht heilig zu sprechen (ich weiß nicht, ob ihr das recht wäre), aber ihr eine Ehrenkatharina-Würde zuzuschreiben.
kam Geschrieben 21. Oktober 2016 Melden Geschrieben 21. Oktober 2016 die Transsubstantiation auch nicht versteht Ja, wer versteht die denn? Mysterium fidei. - Mir scheint, es fehlt den Theologen an einer Metatheorie der theologischen Erkenntnismöglichkeit.
Recommended Posts