Merkur Geschrieben 29. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 29. Juni 2017 In einem anderen Thread wurde gerade aus den Leitlinien für die Glaubensgespräche zitiert: " .... Dabei wird die Wahrheit der Offenbarung vorausgesetzt, in der katholischen Auffassung von Schriftzeugnis und Tradition. ...." Kann mir jemand erklären, was unter Schriftzeugnis zu verstehen ist? Eine Zeugenaussage im umgangssprachlichen Sinn ist damit wohl nicht gemeint. Was genau soll die Schrift bezeugen können, abgesehen von den historischen Vorgängen, die dort beschrieben werden? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Werner001 Geschrieben 29. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 29. Juni 2017 Ein Schriftzeugnis ist, wenn ich für meine Behauptung einen (gerne auch aus dem Zusammenhang genommenen) Satz oder Halbsatz finde, der meine Behauptung zu stützen scheint. Bringt mein Diskussionspartner dann einen anderen Satz, der meine Behauptung zu widerlegen scheint, ist das kein Schriftzeugnis, sondern unzulässige "sola scriptura"-Argumentation. Werner 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Lothar1962 Geschrieben 29. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 29. Juni 2017 Ein Schriftzeugnis ist, wenn ich für meine Behauptung einen (gerne auch aus dem Zusammenhang genommenen) Satz oder Halbsatz finde, der meine Behauptung zu stützen scheint. Sprichworte 11,22 ist beispielsweise ein sehr wertvolles Schriftzeugnis. Ich weiß zwar nicht, wofür, aber das mit aller Kraft. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 29. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 29. Juni 2017 "Schriftzeugnis" ist eigentlich voll in Ordnung. Jemand gab Zeugnis von seiner Überzeugung und schrieb das auf oder sagte es weiter, und dieses Zeugnis wurde dann in die Bibel aufgenommen. Zeugnis ist das adäquate Mittel, seine Überzeugung authentisch zu äußern. Leider versteht man dieses Wort "Schriftzeugnis" gelegentlich auch anders. Jemand hat die Weisheit mit Löffeln gefressen - und diese Weiseheit ist nun in den biblischen Dokumenten aufgeschrieben, damit spätere Generationen davon löffeln können. Oder löffeln müssen, denn alles andere wäre ja die Unweisheit, Unwahrheit, falsches Zeugnis oder ein Bruch mit dem Zeugnis. Da Menschen unterschiedlicher Überzeugung sein können und auch das Recht haben, ihre Überzeugung zu äußern und schriftlich niederzulegen, gibt es kein EINHEITLICHES Schriftzeugnis, sondern eher einen großen Pool verschiedener Zeugnis. Folgender Satz missachtet diese Vielfalt: " .... Dabei wird die Wahrheit der Offenbarung vorausgesetzt, in der katholischen Auffassung von Schriftzeugnis und Tradition. ...." DAS Schriftzeugnis, DIE Tradition, ... Der Iwan, der ewige Jude, der Türke, die Homosexuellen ... als ob man da von etwas Einheitlichem sprechen würde. Zumal im gefetteten Satz anscheinend Schrift und Offenbarung einfach gleichgesetzt werden. Das ist natürlich Unfug. Gott offenbart sich seit der Schöpfung der Welt alle 10e-43 Sekunden neu, und nur das wenigste davon ist in der Bibel festgehalten. Die Bibel gibt auch nicht die Offenbarung 1:1 wieder, sondern ist Gotteswort IN MENSCHENWORT. Und auch DIE Tradition ist ein höchst widersprüchlicher Prozess mit vielen Einzeltraditionen, von denen die meisten einiges für sich haben und einen Aspekt ganz nett benennen. Es ist sinnvoll, sich bei religiösen Themen erst einmal zu recherchieren, was andere zum Thema schon gedacht haben. Man ist ja normalerweise nicht der erste, dem dieses religiöse Thema über den Weg läuft. Also liest man in der Bibel. Und man sieht mal in Konzils- oder Theologentexten nach. Und dann kommt der entscheidende Schritt: Man bildet sich auf der Grundlage des Gelesenen sein eigenes Bild. So sollte Bildung übrigens grundsätzlich laufen. Ohne den letzten Schritt ist es nur Informationssammlung. Erst mit dem erwachsen der eigenen Überzeugung zum Geschriebenen wird Bildung daraus. Wenn sich in der eigenen Person und Überzeugung etwas bildet. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 29. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 29. Juni 2017 Kann mir jemand erklären, was unter Schriftzeugnis zu verstehen ist? Eine Zeugenaussage im umgangssprachlichen Sinn ist damit wohl nicht gemeint. Was genau soll die Schrift bezeugen können, abgesehen von den historischen Vorgängen, die dort beschrieben werden? Da kanonische Verfahren als Aktenverfahren geführt werden - was bedeutet, dass die am Ende entscheidenden Richter die Parteien nie zu Gesicht bekommen haben müssen, was in Strafverfahren schon eigenartig wirken mag - fühle ich mich befähigt, hier etwas zu schreiben. Ich meine zwei Arten des Schriftbeweises ausmachen zu können: Das eine ist die steinbruchexegetische Verwendung einzelner (Halb-)Sätze, die dann etwas belegen sollen. Das andere ist eine Arbeit ähnlich der Wahrheitsfindung in einem gerichtlichen Verfahren an einem kirchlichen Gericht. Zunächst einmal wird eine oder mehrere Prozessfragen festgelegt, die notwendig mit Ja oder Nein beantwortbar sein müssen. Also etwa in dieser Form: "Ist die dann und dann da und da zwischen diesem und jenem Menschen geschlossene Ehe nichtig, weil...." oder "Steht es fest, dass X dem Y ein Buch geklaut hat?", wobei in solchen Fällen anschließend auch Raum für weitere Anordnungen gelassen wird: "Steht es fest, dass der Priester X des Bistums Y sexuelle Handlungen zum Nachteil der damals minderjährigen A bis Z vorgenommen hat? Welche Maßnahmen sind gegen ihn zu verhängen?" Dann wir ermittelt, es werden also Beweise in Schriftform gesammelt. Und dann liest man die Dokumente - verschriftlichte Zeugenaussagen und andere Dokumente aller Art - und versucht, mir deren Hilfe die Prozessfrage zu beantworten. Dabei reicht es naturgemäß selten, nur nach dem richtigen Halbsatz zu suchen, es geht viel mehr darum, ein in sich schlüssiges Gesamtbild zu entwickeln, dass dann eine Antwort zulässt. In analoger Weise kann man mit biblischen Texten auch arbeiten - es produziert allerdings nicht die vermeintliche Sicherheit der ersten Methode. 2 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Merkur Geschrieben 30. Juni 2017 Autor Melden Share Geschrieben 30. Juni 2017 "Schriftzeugnis" ist eigentlich voll in Ordnung. Jemand gab Zeugnis von seiner Überzeugung und schrieb das auf oder sagte es weiter, und dieses Zeugnis wurde dann in die Bibel aufgenommen. Ein Zeugnis in diesem Sinne kann sich anscheinend nicht nur auf Tatsachenbehauptungen beziehen, sondern auf alles mögliche, was durch Sprache mitgeteilt werden kann, also auch Werturteile, Gefühle, Überzeugungen, Meinungen, Vorlieben und Abneigungen und dies nicht nur im Berichtsform, sondern auch verschlüsselt, durch Gleichnisse, Sprichwörter, Metaphern usw. Mit einer Zeugenaussage, also der Mitteilung von Tatsachen zwecks Bildung einer Überzeugung hat ein Zeugnis nur teilweise etwas zu tun. Sehe ich das so richtig? Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Merkur Geschrieben 30. Juni 2017 Autor Melden Share Geschrieben 30. Juni 2017 (bearbeitet) ... Dann wir ermittelt, es werden also Beweise in Schriftform gesammelt. Und dann liest man die Dokumente - verschriftlichte Zeugenaussagen und andere Dokumente aller Art - und versucht, mir deren Hilfe die Prozessfrage zu beantworten. Dabei reicht es naturgemäß selten, nur nach dem richtigen Halbsatz zu suchen, es geht viel mehr darum, ein in sich schlüssiges Gesamtbild zu entwickeln, dass dann eine Antwort zulässt. Gibt es einen Grund, warum die Zeugen nicht direkt befragt werden? Schriftliche Zeugenaussagen vermitteln oft ein ganz anderes Bild als mündliche, insbesondere wenn mittels der schriftlichen Aussage eine Frage geklärt werden soll, die der Zeuge nicht bedacht hat. bearbeitet 30. Juni 2017 von Merkur Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 30. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 30. Juni 2017 (bearbeitet) Der Grund liegt schlicht im Prozessrecht - das Schriftlichkeitsprinzip. bearbeitet 30. Juni 2017 von Chrysologus Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 30. Juni 2017 Melden Share Geschrieben 30. Juni 2017 "Schriftzeugnis" ist eigentlich voll in Ordnung. Jemand gab Zeugnis von seiner Überzeugung und schrieb das auf oder sagte es weiter, und dieses Zeugnis wurde dann in die Bibel aufgenommen. Ein Zeugnis in diesem Sinne kann sich anscheinend nicht nur auf Tatsachenbehauptungen beziehen, sondern auf alles mögliche, was durch Sprache mitgeteilt werden kann, also auch Werturteile, Gefühle, Überzeugungen, Meinungen, Vorlieben und Abneigungen und dies nicht nur im Berichtsform, sondern auch verschlüsselt, durch Gleichnisse, Sprichwörter, Metaphern usw. Mit einer Zeugenaussage, also der Mitteilung von Tatsachen zwecks Bildung einer Überzeugung hat ein Zeugnis nur teilweise etwas zu tun. Sehe ich das so richtig? Ein Zeugnis ist dann wahr, wenn es authentisch ist. Drastisches Beispiel: Ein Schüler ist davon überzeugt, dass 1+1 fünfunzwanzig ergibt. Wenn er nun ganz ehrlich sagt: 1+1=25 dann hat er ein wahres Zeugnis abgelegt, auch wenn die Aussage 1+1=25 grottenfalsch ist. Ein wenig realistischer: Ein Lagerleiter in einem Lager sagte nach einigen Problemen zu mir: "Das schaffe ich nicht. Ich bin damit überfordert!" Das war, erkannte ich recht schnell, eine falsche Aussage. Er hat sich unterschätzt. Ich habe ihm gesagt, er soll trotzdem versuchen, die Probleme in den Griff zu bekommen. "Ich stehe hinter Dir!", sagte ich. Trotz der sachlichen Falschaussage war ich dem Lagerleiter sehr dankbar für sein ehrliches Selbstzeugnis. Zum einen: Dass er mir seine realen Selbstzweifel vorbehaltlos anvertraut hat. Das ergibt bei mir so ein Gänsehautfeeling. Und zum anderen dass er mir damit die Gelegenheit gegeben hat, ihm meine Solidarität zu bekunden und ihn zu fördern, indem ich ihn fordere. Ob diese gefühlte Überforderung nun realistisch oder schlicht falsch war, sieht man ja erst im Nachhinein. Ich war mir ja auch nicht sicher, ob er das schafft. Die tatsächlichen Fähigkeiten spielten eine untergeordnete Rolle gegenüber seiner Zeugnis-Offenheit und meinem Zutrauen. Viel wichtiger, als die Fakten, war unser persönliches Verhältnis. Er vertraute auf meine Zeugnis-Ehrlichkeit, dass ich ihn im Ernstfall schon nicht hängen lassen würde. Bei den biblischen Zeugnissen handelt es sich ebenso nicht um Tatsachenaussagen. Wenn da steht: "Gott hat mir xy aufgetragen", dann kann man diesen Satz auch als Zeugnis deuten. Dann hieße der Satz: "Ich bin davon überzeugt, dass Gott mir diesen Auftrag vor die Füße legt!" Der Satz ist genau dann wahr, wenn er tatsächlich von diesem göttlichen Auftrag überzeugt ist - und ihn nicht z.B. als Vorwand nimmt. "Gott hat mir aufgetragen, die Amalekiter zu vernichten!" Wenn man nur geistig genügend verroht ist, dann kann man dies tatsächlich glauben. Ich halte einen solchen Auftrag für sachlich falsch. Wenn der Zeugnisaspekt des Satzes ehrlich gemeint ist, dann sehe diesen Satz als Zeugnis eines sehr verrohten Menschen, der sich zum Handlanger einer Ideologie macht, mit der ich nichts zu tun haben will und wider die ich kräftig den Mund aufmache. Trotzdem kann dieser Satz zeugnismäßig ehrlich sein. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Merkur Geschrieben 2. Juli 2017 Autor Melden Share Geschrieben 2. Juli 2017 Ein Zeugnis ist dann wahr, wenn es authentisch ist. Ein wahres Schriftzeugnis ist in diesem Sinne also nicht mehr als eine ehrliche Äußerung des Verfassers zu einem bestimmten Thema. Das hieße: Man kann es zur Kenntnis nehmen oder auch nicht. Warum haben Schriftzeugnisse dann eine so große Bedeutung in religiösen Angelegenheiten? Anscheinend geht es ja nicht nur darum, eine Meinung zu lesen, sondern religiöse Lehren aus den Schriftzeugnissen abzuleiten. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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