theresa??? Geschrieben 31. Juli 2017 Melden Share Geschrieben 31. Juli 2017 (bearbeitet) "Seit den Tagen Johannes´ des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan, die Gewalttätigen reißen es an sich." (Mt 11, 12) Wie kann man das Himmelreich durch Gewalttätigkeit an sich reißen? Wie kann man dem Himmelreich Gewalt antun? bearbeitet 2. August 2017 von Monika Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 31. Juli 2017 Melden Share Geschrieben 31. Juli 2017 Indem man sich selbst zum Verwalter des Himmelreiches ernennt und allen anderen seine Vorstellung vom Reich Gottes auf Erden aufzwingen will. 1 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 1. August 2017 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 1. August 2017 (bearbeitet) Der so genannte Stürmerspruch. Eine schwierige und theologisch kontrovers diskutierte Stelle. Ich muss da ein wenig ausholen. Die Rede ist von einer zentralen Botschaft Jesu: dass die schon im Ersten Testament angekündigte Königsherrschaft, das Reich Gottes, „nahe herbeigekommen“ sei, wie es in Markus 1,15 formuliert ist. Ob mit diesem „nahe herbeigekommen“ gemeint ist, dass die Gottesherrschaft unmittelbar bevorsteht, oder ob sie von Jesus als bereits begonnen, bereits gegenwärtig verstanden wird (futuristische versus präsentische Eschatologie – ein theologisch spannendes Thema), lasse ich hier einmal beiseite. Nach christlicher Darstellung ist dieses Verständnis von der „basileia tou theou“ eine Grenzscheide zwischen der Lehre Johannes des Täufers und der Lehre Jesu. Im Lexikon für Theologie und Kirche kann man da Erhellendes nachlesen, Stichwort Basileia. Der Autor des Matthäus-Evangeliums beschreibt in Matth. 11,7-19 Jesu Wertschätzung seines Lehrers Johannes ebenso wie die Unterschiede zu ihm. Bei Lukas steht das in Luk. 7, 24-35. Eine Parallel-Stelle des Stürmerspruchs – woher der Name kommt, erzähle ich gleich – findet sich in Lukas 16,16: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes. Von da an wird das Evangelium vom Reich Gottes verkündet, und jedermann drängt mit Gewalt hinein.“ (So die neue Einheits-Übersetzung, fast wortgleich mit der jüngsten Luther-Revision). In der Rekonstruktion der Logienquelle Q lautet der Spruch: „Gesetz und Propheten bis Johannes; von da an bricht sich das Gottesreich mit Macht Bahn (oder: leidet das Gottesreich Gewalt) und Gewalttäter reißen es an sich.“ Die unterschiedlichen Formulierungen machen bereits den Dissens deutlich. Wird „dem Himmelreich Gewalt angetan“? Oder „bricht es sich mit Gewalt Bahn“? Kann man „Gewalttaten“ nur negativ oder auch positiv verstehen? Und wer ist mit den Gewalttätern gemeint, die das Gottesreich an sich reißen? Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die heutige Verkündigung. Denn biblische Texte werden von Christen ja nicht nur in ihrem historischen Kontext gelesen: Wann, was und für wen haben die damaligen Autoren geschrieben? Mit welcher Wahrscheinlichkeit geht das auf tatsächliche Aussprüche oder Taten Jesu zurück? Und was könnte, sofern es dafür überhaupt eine Wahrscheinlichkeit gibt, Jesus damit gemeint haben? Sondern die Texte werden (mitunter wie ein Orakel, ich sage nur „Herrnhuter Losungen“) im christlichen Sinn als Handlungsanweisungen, Denkanstöße und Lebensrichtlinien verstanden. Und da sind dann zwei Deutungen möglich. Die eine ist die klassische: Die Gewalttätigen, ob Pharisäer, Kirchenfürsten, weltliche Machthaber oder welche negativ empfundene Gruppen auch immer, reißen das Gottesreich an sich und verfälschen allein dadurch schon die christliche Botschaft. Flo77 hat es oben ganz wunderbar formuliert: „Indem man sich selbst zum Verwalter des Himmelreiches ernennt und allen anderen seine Vorstellung vom Reich Gottes auf Erden aufzwingen will.“ Auch Eugen Drewermann deutet den Spruch Matthäus 11 Vers 12 in diesem Sinne: „Die Gewalttäter reißen das Reich Gottes an sich. Das war schon immer so! Das hört nie auf! Kaum rührt sich etwas, das wirklich energisch die Sache Gottes betreibt, (…) da werden augenblicklich die Verwalter und Amtsträger in Kirche und Staat dastehen und sehen, wie sie es in den Griff bekommen können. Es wäre doch gelacht, wenn es etwas gäbe, das sie nicht in den Griff bekommen könnten. Auch das Reich Gottes wird und muss in die Hände solcher >Gewalttäter< geraten!“ (Drewermann, Matthäus-Evangelium II S.197) Den Vertretern der anderen, fast entgegen gesetzten Deutung ist ein kleines Wort aufgefallen. Das Wort „heute“. Seit den Tagen Johannes des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan (oder: bricht es sich mit Gewalt Bahn). Wenn aber Jesus in seiner Predigt „heute“ gesagt hat, kann er nicht das Jahr 2017 meinen. Sondern er meinte den Tag, an dem er predigt! Johannes ist verhaftet, vielleicht schon ermordet, und nun strömen die Menschen zu seinem Schüler Jesus. Die Sünder, die Kranken, die Zöllner, die Ausgestoßenen – sie sind es, die das nahe bevorstehende, das vielleicht schon angebrochene Himmelreich stürmen! Diese Deutung legte bereits die Menge-Bibelübersetzung von 1909 nahe, die neben der Luther-Bibel die Bibel meiner Kindheit war. Deshalb wird diese Bibelstelle auch der Stürmerspruch genannt. Nicht die Gegner also, sondern die Anhänger des Jesus wären dann die in dem Jesus-Ausspruch handelnden Personen. Dem lässt sich entgegnen, dass in den griechischen Texten eindeutig von Gewalt und Gewalttätern die Rede ist. Oder? So eindeutig sei das nicht, schrieb Gerd Häfner 2014 im Internet-Blog Lectio brevior. Alle verwendeten Wörter seien damals im Griechischen nicht oder nicht nur negativ verstanden worden. Zum Beispiel konnte das Verb, das mit rauben oder wegreißen übersetzt wird, damals auch positiv verwendet werden und wurde es auch, etwa in der Apostelgeschichte, wo (Apg. 23,10) Paulus seinen Widersachern entrissen und damit gerettet wird. Und die Gewalttäter lassen sich, Texte der Kirchenväter seien der Beweis, auch als „zum ganzen Einsatz entschlossene Menschen“ übersetzen. Diese Deutung, dass es sich bei den „Gewalttätern“, die in das Gottesreich hineindrängen, um Jesus und seine Anhänger handelt, scheint sich derzeit in der Lehre durchzusetzen. In diese Richtung argumentiert zum Beispiel der renommierte katholische Neutestamentler Hubert Frankemöller in seinem neuen Matthäus-Kommentar. Gerne weise ich auch auf Oliver Achilles hin, der in seinem Internet-Blog „Auslegungssache“ zu dem Schluss kommt: „Die »Erstürmung« der Gottesherrschaft – eine Chance die sich seit der Predigt des Täufers bietet – liegt im ureigensten Interesse Jesu und seiner Schüler. Wer oder was sollte sonst sinnvollerweise gemeint sein?“ Leider nicht einsehen konnte ich auf die Schnelle einen 1995 entstandenen Aufsatz des Neutestamentlers und Lehrbuch-Verfassers Gerd Theißen zu dem Thema, aber schon den Titel finde ich spannend: „Jünger als Gewalttäter – Der Stürmerspruch als Selbststigmatisierung einer Minorität“. Und in einem Skript zur Vorlesung »Christologie der synoptischen Evangelien« (Katholische Theologie) der Münchener Uni fand ich den Satz: „Es geht nicht um eine Aussage über Gewalt, die die Gottesherrschaft erleidet, sondern um ihr machtvolles Vordringen“. Alfons bearbeitet 1. August 2017 von Alfons 5 Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
nannyogg57 Geschrieben 1. August 2017 Melden Share Geschrieben 1. August 2017 Spielverderber. Ach ne, du hast das echt super erklärt. Unsere theresa mit den drei Fragezeichen (Justin, Peter, Bob???) gräbt hier gerade gezielt alle Bibelverse aus, die Exegeten wirklich Kopfschmerzen verursachen. Bin gespannt auf die nächste Anfrage. Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
theresa??? Geschrieben 2. August 2017 Autor Melden Share Geschrieben 2. August 2017 Liebe Nanny Ogg, die drei Fragezeichen haben mit dem Kinderbuch überhaupt nichts zu tun, Theresa war schon vergeben und ich fand Fragezeichen gut, weil es davon in meinem Kopf auch recht viele gibt und aller guten Dinge sind drei. Ich grabe eigentlich eher Bibelstellen aus, die mir Kopfzerbrechen bereiten, dass das mit Kopfzerbrechen bei Exegeten einhergeht, war mir so nicht bewusst. Ich hoffe, deine Erwartungen bezüglich der nächsten Fragen nicht allzu sehr zu enttäuschen Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Recommended Posts