theresa??? Geschrieben 2. August 2017 Melden Share Geschrieben 2. August 2017 (bearbeitet) "Amen, das sage ich euch: Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer, doch der kleinste im Himmelreich ist größer als er." Mit diesem Satz habe ich zunächst einmal ein logisches Problem. Wenn Johannes der größte unter dem Menschen ist, aber der kleinste im Himmelreich größer ist, sind dann im Himmelreich keine Menschen? Erinnert Jesus mit diesem Satz einfach daran, dass alle Menschen, sogar Johannes, eben kleiner sind als selbst das kleinste Göttliche, das Gott nicht greifbar ist? Oder will er durch so einen paradoxen Satz unsere Begriffe von groß und klein in Frage stellen? Meint er das bereits anbrechende Himmelreich, das Reich Gottes auf Erden? Und wenn ja, warum gehört Johannes nicht in dieses anbrechende Gottesreich? Oder ist der Himmel als Jenseits gemeint? Dann klänge dieser Satz nach "Johannes kommt nicht in den Himmel" und das wäre dann wirklich seltsam. So oder so, wenn Johannes nicht zum Himmelreich gehört (und nur so würde sich nach meinem Logikverständnis, das aber natürlich nicht zwangsläufig mit dem Logikverständnis zu Jesu Zeit übereinstimmen muss, erklären, wenn selbst der kleinste im Himmelreich größer als er ist) wer kann dann gerettet werden? (Ich weiß, die biblische Antwort ist "Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.") Wenn Johannes nicht wenigstens als einer der kleinsten zum Himmelreich gehört, wie können wir dann hoffen, den Ansprüchen dieses unfassbar strengen Gottes zu genügen? (Diese letzte Frage habe ich auch in Bezug auf die Bibelstelle "Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen" -Wie kann das sein, wenn die Schriftgelehrten und Pharisäer sich doch so gut sie es vermochten, um Gerechtigkeit bemühten? Wie sollen wir diese Gerechtigkeit steigern? Ist nicht das besondere des Christentums, dass eben keine maximale Gerechtigkeit und Perfektion verlangt wird sondern Gott die Sünder sucht und ihnen vergibt? Steht das im Widerspruch zu solchen Aussagen? Schaut Gott jetzt auf "Werkgerechtigkeit" oder nicht?) bearbeitet 2. August 2017 von theresa??? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
theresa??? Geschrieben 2. August 2017 Autor Melden Share Geschrieben 2. August 2017 Ist MM Mariamante? Naja, egal welcher User gemeint ist: Ich stelle diese Fragen zum Schriftverständnis bewusst hier im Forum. Ich möchte nicht nur die Auslegung/das Bibelverständnis von einem User, sondern das von mehreren hören. Falls Mariamante dazu etwas schreiben mag, freue ich mich. Aber ich hoffe, dass vielleicht noch mehr von euch etwas dazu zu sagen haben. Die meisten von euch leben schon wesentlich länger mit solchen Stellen als ich, ihr müsst ja in der Zeit irgendwas damit gemacht haben. Vielleicht lasst ihr mich ja an euren Überlegungen teilhaben. Außerdem würde ich mich freuen, wenn wir hier mehr über die Bibel diskutieren, schreiben, nachdenken würden. Vielleicht mögen ja andere User auch mal Themen mit Bibelstellen anfangen, die sie beschäftigen. Würde mich sehr freuen Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Long John Silver Geschrieben 3. August 2017 Melden Share Geschrieben 3. August 2017 Hi, Theresa, vielleicht zunaechst zum Vorverstaendnis: es handelt sich hier um ein Oxymoron (zwei Begriffe stehen sich inhaltlich gegenueber und/oder schliessen sich inhaltlich aus). Dieses Stilmittel findet sich wiederholt im Neuen Testament, um Unsagbares auszudruecken. Der Begriff Oxymoron ist selbst eines, er bedeutet "scharfsinnige Dummheit". Meines Erachtens muesste man bei dieser Textstelle sich fragen, was denn das Unsagbare ist, dass Jesus es nicht anders ausdruecken kann, sondern diese Rhetorik anwendet (die ihm nicht fremd ist, sondern eine Tradition). Das wiederum haengt mit der gesamten Person und dem Wirken des Johannes zusammen, der/das voellig hinter der Person und dem Wirken des Messias zuruecktreten soll/wird. Was sich auch aufloest ist das die Figur des alttestamentarische Propheten, den Johannes als letzter darstellt, die sich in der Gestalt des Messias aufloest. Johannes ist zunaechst eine masssive Erscheinung, die in sich aber bereits die Botschaft traegt, dass ihre Vollendung darin liegt, in dem aufzugehen, was sie verkuendigt, naemlich dem Messias. Zumindest scheint das im Neuen Testament die Botschaft des Johannes zu sein und sein Auftrag. Ich denke, es ist immer angebracht, solche Textstellen im gesamten Kontext zu sehen, also wie Jesus generell spricht, wie die Gleichnisse formuliert sind und wie er in scharfen Gegensaetzen redet und warum. Es handelt sich ja um spirituelle Aussagen und der Spannungsbogen bezieht sich wie gesagt auf etwas, das eigentlich jenseits der sprachlichen Moeglichkeiten liegt. 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
nannyogg57 Geschrieben 3. August 2017 Melden Share Geschrieben 3. August 2017 (bearbeitet) Meine Spekulation: Jesus spricht hier über seinen Lehrer. Über Johannes lässt er nichts kommen. Er nennt ihn den "Größten aller Menschen". So erwarten wir LehrerInnen, dass unsere SchülerInnen über uns sprechen. Bedauerlicherweise sahen das die Evangelisten anders. Hintergrund ist, dass es auch zu ihrer Zeit noch Johannesjünger gab.In Apg 18,24 - 19,7 kann man lesen, wie Paulus Johannesjünger begegnet. In Ephesus, wohlgemerkt. Da läuft das ganz friedlich ab. Die Johannesjünger werden praktisch jesusmäßig upgedatet und dann richtig, also auf den Namen Jesu, getauft. Gehen wir davon aus, dass nicht alle Johannesjünger den Schwenk zu Jesus mitgemacht haben. Schon mal von den Mandäern gehört? Es sind nicht viele, aber Johannesjünger gibt es heute noch. Und die sahen diesen Jesus nicht nur kritisch, sie konnten auch darauf verweisen, dass Johannes das Original gewesen sei, Jesus damit logischerweise eine Fälschung sei. Perspektivwechsel. Deswegen arbeiten sich die Evangelisten, speziell Matthäus, am Täufer ab. Und Leute vor ihm. Mt 11,11 usw. gehen auf die Logienquelle zurück. Jesus hat Johannes hochgeachtet, die Evangelisten haben ihn runtergeschraubt. Deswegen haben Exegeten den Verdacht, das Kleinsein Johannes´ im Gottesreich ist eine Einfügung der Evangelisten. Nur bei Mt und Joh übrigens erkennt Johannes in Jesus den Messias. Mit 94 Erwähnungen im NT befindet sich Johannes an 4. Stelle nach Jesus, Paulus und Petrus. Ziemlich oft für einen fünfminütigen Auftritt im Leben Jesu. In folgendem Artikel in der Zeitschrift "Welt" finden sich weitere, sehr interessante Spekulationen zum Verhältnis zwischen Johannes und Jesus: Die rätselhafte Tragödie von Johannes dem Täufer Es geht nicht um Werkgerechtigkeit und nicht um Theologie, es geht bei diesen Bibelversen um Konkurrenz. Diese Konkurrenz sah nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger. Übrigens: Jesus äußert sich über keinen Herrscher persönlich negativ, nur über Herodes Antipas. Und der hat Johannes um die Ecke gebracht. Sehr bedenkenswert. bearbeitet 3. August 2017 von nannyogg57 2 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Long John Silver Geschrieben 5. August 2017 Melden Share Geschrieben 5. August 2017 On 3.8.2017 at 4:06 AM, nannyogg57 said: Meine Spekulation: Jesus spricht hier über seinen Lehrer. Über Johannes lässt er nichts kommen. Er nennt ihn den "Größten aller Menschen". So erwarten wir LehrerInnen, dass unsere SchülerInnen über uns sprechen. Bedauerlicherweise sahen das die Evangelisten anders. Hintergrund ist, dass es auch zu ihrer Zeit noch Johannesjünger gab.In Apg 18,24 - 19,7 kann man lesen, wie Paulus Johannesjünger begegnet. In Ephesus, wohlgemerkt. Da läuft das ganz friedlich ab. Die Johannesjünger werden praktisch jesusmäßig upgedatet und dann richtig, also auf den Namen Jesu, getauft. Gehen wir davon aus, dass nicht alle Johannesjünger den Schwenk zu Jesus mitgemacht haben. Schon mal von den Mandäern gehört? Es sind nicht viele, aber Johannesjünger gibt es heute noch. Und die sahen diesen Jesus nicht nur kritisch, sie konnten auch darauf verweisen, dass Johannes das Original gewesen sei, Jesus damit logischerweise eine Fälschung sei. Perspektivwechsel. Deswegen arbeiten sich die Evangelisten, speziell Matthäus, am Täufer ab. Und Leute vor ihm. Mt 11,11 usw. gehen auf die Logienquelle zurück. Jesus hat Johannes hochgeachtet, die Evangelisten haben ihn runtergeschraubt. Deswegen haben Exegeten den Verdacht, das Kleinsein Johannes´ im Gottesreich ist eine Einfügung der Evangelisten. Nur bei Mt und Joh übrigens erkennt Johannes in Jesus den Messias. Mit 94 Erwähnungen im NT befindet sich Johannes an 4. Stelle nach Jesus, Paulus und Petrus. Ziemlich oft für einen fünfminütigen Auftritt im Leben Jesu. In folgendem Artikel in der Zeitschrift "Welt" finden sich weitere, sehr interessante Spekulationen zum Verhältnis zwischen Johannes und Jesus: Die rätselhafte Tragödie von Johannes dem Täufer Es geht nicht um Werkgerechtigkeit und nicht um Theologie, es geht bei diesen Bibelversen um Konkurrenz. Diese Konkurrenz sah nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger. Übrigens: Jesus äußert sich über keinen Herrscher persönlich negativ, nur über Herodes Antipas. Und der hat Johannes um die Ecke gebracht. Sehr bedenkenswert. Danke fuer den Link. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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