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Böse Konservative, gute Liberale? Vorurteil und Realität.


Studiosus

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Liebe User, 

 

gemeinhin werden unter den Etiketten "konservativ" und "liberal" gewisse Haltungen und Eigenschaften von Institutionen, Personengruppen und Individuen subsumiert. Diese möchte ich - absichtlich plakativ und undifferenziert - in ungeordneter Sammlung wie folgt zusammenfassen:

 

Die Konservativen: rückwärtsgewandt, unflexibel, diskriminierend, intolerant, fundamentalistisch, unbarmherzig, traditionalistisch, totalitär, dogmatisch, menschenfeindlich, empathielos, Buchstabentreue, Paragraphenreiterei, Uniformiertheit, Gehorsam, Prinzipientreue, Absolutheitsanspruch.

 

Summe: Die Bösen.

 

Die Liberalen: fortschrittlich, wissenschaftsaffin, tolerant, aufgeschlossen, flexibel, empathisch, menschenfreundlich, beliebig, areligiös, humanistisch, solidarisch, Freiheit, Individualität, Subsidiarität, Egalität.

 

Summe: Die Guten.

 

Soweit die mir spontan einfallenden Vorurteile über beide Gruppen. Nun frage ich mich und euch: Ist das tatsächlich so? Nehmt ihr dies so wahr oder habt selbst einschlägige Erfahrungen gemacht? Kennt ihr Gruppen oder Einzelne, die aus diesem Raster herausfallen? Sind die Konservativen immer böse und die Liberalen immer gut? 

 

Lasst uns an euren Erfahrungen und Meinungen teilhaben!

 

Um Mitgliedern aller Weltanschauungen die Teilnahme an dieser Diskussion zu erlauben, sei darauf hingewiesen, dass dieses Thema nicht ausschließlich dazu gedacht ist, konservative und liberale Strömungen innerhalb des Christentums zu diskutieren, sondern sich auch auf die Bereiche Gesellschaft, Politik und sonstige Situationen erstreckt. 

 

Sollte dieser Thread besser in ein anderes Unterforum passen, so kann er gerne verschoben werden.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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21 minutes ago, Studiosus said:

... gemeinhin ...

Falsch.  Die politische Mehrheit hat sowohl in Deutschland als auch in den USA die Konservativen (ob sie nun CDU/CSU oder Republikaner heissen) gewählt.  Das Etikett "konservativ" ist also in der Sicht der Wähler mehr positiv als negativ besetzt.

 

Fussnote: Mit "politische Mehrheit" meine ich hier: diejenige Gruppe, die die Wahl gewinnt.  Ich weiss, dass mehr Leute für Secretary Clinton als für Herrn Trump gestimmt haben, und das Frau Merkel's CDU weniger als 50% aller Wählerstimmen bekommt, aber die Politik hat ihre eigene Definition von "Mehrheit".

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vor 7 Minuten schrieb Baumfaeller:

Falsch.  Die politische Mehrheit hat sowohl in Deutschland als auch in den USA die Konservativen (ob sie nun CDU/CSU oder Republikaner heissen) gewählt.  Das Etikett "konservativ" ist also in der Sicht der Wähler mehr positiv als negativ besetzt.

 

Fussnote: Mit "politische Mehrheit" meine ich hier: diejenige Gruppe, die die Wahl gewinnt.  Ich weiss, dass mehr Leute für Secretary Clinton als für Herrn Trump gestimmt haben, und das Frau Merkel's CDU weniger als 50% aller Wählerstimmen bekommt, aber die Politik hat ihre eigene Definition von "Mehrheit".

 

Stimmt, zumindest für die politische Wahrnehmung. 

 

Wobei man, jedenfalls hier in DE, meiner Auffassung nach schon die berechtigte Fragen stellen kann, inwieweit die CDU/CSU noch "konservativ" ist. Wenn man sich, ohne zu werten, die jüngsten Entwicklungen und Positionsänderung in Bezug auf "konservative" Klassiker, wie die Ehe für Alle, vor Augen führt können einem Zweifel kommen. 

 

Aber ein guter Beitrag, gerade auch mit der Perspektive auf die Vereinigten Staaten.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 28 Minuten schrieb Studiosus:

 

Stimmt, zumindest für die politische Wahrnehmung. 

 

Wobei man, jedenfalls hier in DE, meiner Auffassung nach schon die berechtigte Fragen stellen kann, inwieweit die CDU/CSU noch "konservativ" ist. Wenn man sich, ohne zu werten, die jüngsten Entwicklungen und Positionsänderung in Bezug auf "konservative" Klassiker, wie die Ehe für Alle, vor Augen führt können einem Zweifel kommen. 

 

Aber ein guter Beitrag, gerade auch mit der Perspektive auf die Vereinigten Staaten.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

"Liberal" und "Konservativ" sind relative Begriffe: Im Verhältnis zur Auffassung, dass Homosexualität ein Verbrechen ist, auf das die Todesstrafe stehen muss, ist die Auffassung, dass Homosexuelle ihre Sexualität leben sollen, eine homosexuelle Partnerschaft aber der Ehe nicht gleichgestellt werden soll, "ultraliberal".

 

In der Politik ist (in Deutschland, in den USA ist es anders) liberal zudem nicht das Gegenteil von konservativ: Liberale im europäischen Sinn wollen möglichst wenig Staat und möglichst viel Freiheit des Einzelnen und stünden daher wirtschaftspolitisch in den USA eher auf Seiten der Republikaner, gesellschaftspolitisch (Stichwort Abtreibung, Homosexualität...) eher auf der der Demokraten.

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@MartinO

 

Ja, diese Unterscheidung ist wichtig. Zumindest, wenn wir über Politik sprechen.

 

Dieser Thread nimmt allerdings eine gewisse Zwitterstellung ein, da er sowohl die Diskussion über Religion (insbesondere den Katholizismus) als auch über andere Lebensbereiche erfasst. Dass dabei die Terminologie notwendigerweise etwas unscharf wird ist es ein in Kauf zu nehmendes Übel. Konservativ und liberal schienen mir Begriffe zu sein, die auf die Mehrheit der Themen angewendet werden können. Daher entschied ich mich für diese. Für eine rein innerkatholische Diskussion hätte ich wohl auch eher das Gegensatzpaar "traditionalistisch" und "modernistisch" gewählt. Es ist eben ein Kompromiss.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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35 minutes ago, MartinO said:

In der Politik ist (in Deutschland, in den USA ist es anders) liberal zudem nicht das Gegenteil von konservativ: Liberale im europäischen Sinn wollen möglichst wenig Staat und möglichst viel Freiheit des Einzelnen und stünden daher wirtschaftspolitisch in den USA eher auf Seiten der Republikaner, gesellschaftspolitisch (Stichwort Abtreibung, Homosexualität...) eher auf der der Demokraten.

Da hast Du vollkommen Recht.  Erstens ist die Bedeutung des Worts "Liberal" unterschiedlich: In den USA bedeutet es mehr Staat, der Staat als "Rächer der Unterdrückten", weniger Militär, mehr Pazifismus, aber auch mehr international Engagement, mehr Umverteilung, mehr gleiche Rechte (aber nicht alle, zum Beispiel mögen die meisten US-Liberalen nicht das Recht auf freie Meinungsäußerung oder das Recht auf Waffen).  Das was man in den USA als "Liberal" bezeichnet ist in Deutschland eher "sozialdemokratisch".  Und Ultra-Konservative in den USA bezeichnen die Demokratische Partei der USA gerne als "Sozialisten", und sie liegen damit eigentlich gar nicht falsch: die Ziele von Politikern wie Bernie Sanders liegen eher in der Nähe der europäischen Sozialisten (z.B. in Deutschland der Linken).

 

Das andere ist, dass sich die Begriffe überschneiden, genau wie Du gesagt hast: Man kann wirtschaftlich konservativ und gesellschaftspolitisch freizügig sein (Frau Clinton, Herr Schroeder).  Man kann genau das Umgekehrte sein (Papst Franziskus, in der Politik existiert dieser Typus im Moment nicht, war aber wahrscheinlich in der Mitte des letzten Jahrhunderts unter totalitären Sozialisten/Kommunisten beliebt, die gesellschaftspolitisch sehr kleinbürgerlich waren).

 

Die andere wichtige Kategorie, für die ich aber im Moment keine Zeit habe, ist die Tendenz zur Akzeptanz von Fremdbestimmung in der Weltanschauung.  Die sieht man vor allem unter Konservativen, aber auch unter traditionellen Kommunisten.  Zitate wie "Ich lasse in Rom denken", oder "die Partei hat immer Recht" sind da Beispiele.  Man sehe sich zum Beispiel Peppone an: als erstes kommt er immer mit der offiziellen Antwort der kommunistischen Partei (bevor er die Dinge dann doch differenziert sieht).  Oder die UKK (Ultra-Konservativen Katholiken) hier im Forum, die hauptsächlich "Lehramt" schreien: Es muss stimmen, weil der KKK (oder der Vatikan oder der Papst oder Levebre oder ...) hat es so gesagt.  Das ist unter Linken eher verpönt, die müssen alles selber durchdenken, vor allem, wenn sie die typischen Intellektuellen aus Boston oder Göttingen sind, oder evangelische Theologen (die ja bei den UKK verhasst sind).  Komischer Zufall, dass das Resultat des selber-Denkens immer auch von Noam Chomsky oder von Bullmann hätte kommen können :)

 

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Long John Silver
12 hours ago, Studiosus said:

 

 

Soweit die mir spontan einfallenden Vorurteile über beide Gruppen. Nun frage ich mich und euch: Ist das tatsächlich so? Nehmt ihr dies so wahr oder habt selbst einschlägige Erfahrungen gemacht? Kennt ihr Gruppen oder Einzelne, die aus diesem Raster herausfallen? Sind die Konservativen immer böse und die Liberalen

 

Meine einschlaegigen Erfahrungen sind, dass es unter allen Gruppen Schwachkoepfe und Dumpfbacken gibt und dass man gut daran tut, sich nicht von Etiketten und Kategorien blenden zu lassen. 

 

 

 

 

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Mit meiner Brille betrachtet sieht das mit dem konservativ und dem liberal so aus:

 

Da gibt es Konservativ, Liberal, Endanwender und "Andere Systeme".

 

Das konservative Lager ist gut darin ewige Wahrheiten zu bestimmen und ist auch bereit für diese Wahrheit die Verantwortung zu übernehmen.

 

Nun gibt es aber den Endanwender und die "Anderen Systeme", die "andere Sorgen" haben und sich nur um die Wahrheiten kümmern, die für sie gerade wichtig sind.

Für die geht es weniger um Wahrheit, sondern eher um eine "Erwartungshaltung".

 

Hier kommen die Liberalen ins Spiel, die mit diesen Erwartungshaltungen umgehen können und auch wahrnehmen, wie "andere Wahrheiten" gebaut sind.

 

(soweit passt es für mich sowohl auf Religionen als auch aufs Projektgeschäft. Allerdings unterscheiden sich Religion und Projektgeschäft in der Gewichtung der Zufriedenheit von Endanwender und anderen Systemen)

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vor 20 Stunden schrieb Studiosus:

Liebe User, 

 

gemeinhin werden unter den Etiketten "konservativ" und "liberal" gewisse Haltungen und Eigenschaften von Institutionen, Personengruppen und Individuen subsumiert. Diese möchte ich - absichtlich plakativ und undifferenziert - in ungeordneter Sammlung wie folgt zusammenfassen:

 

Die Konservativen: rückwärtsgewandt, unflexibel, diskriminierend, intolerant, fundamentalistisch, unbarmherzig, traditionalistisch, totalitär, dogmatisch, menschenfeindlich, empathielos, Buchstabentreue, Paragraphenreiterei, Uniformiertheit, Gehorsam, Prinzipientreue, Absolutheitsanspruch.

 

Summe: Die Bösen.

 

Die Liberalen: fortschrittlich, wissenschaftsaffin, tolerant, aufgeschlossen, flexibel, empathisch, menschenfreundlich, beliebig, areligiös, humanistisch, solidarisch, Freiheit, Individualität, Subsidiarität, Egalität.

 

Summe: Die Guten.

 

Soweit die mir spontan einfallenden Vorurteile über beide Gruppen. Nun frage ich mich und euch: Ist das tatsächlich so? Nehmt ihr dies so wahr oder habt selbst einschlägige Erfahrungen gemacht? Kennt ihr Gruppen oder Einzelne, die aus diesem Raster herausfallen? Sind die Konservativen immer böse und die Liberalen immer gut? 

 

Lasst uns an euren Erfahrungen und Meinungen teilhaben!

 

Um Mitgliedern aller Weltanschauungen die Teilnahme an dieser Diskussion zu erlauben, sei darauf hingewiesen, dass dieses Thema nicht ausschließlich dazu gedacht ist, konservative und liberale Strömungen innerhalb des Christentums zu diskutieren, sondern sich auch auf die Bereiche Gesellschaft, Politik und sonstige Situationen erstreckt. 

 

Sollte dieser Thread besser in ein anderes Unterforum passen, so kann er gerne verschoben werden.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Es ist keineswegs so, denn man kann und sollte die Linien nicht so ziehen.

 

Du hast zunächst deine Gegenüberstellung so dargestellt, wie du meinst, dass Liberale die Konservativen sehen, wobei du den Liberalen ein paar Adjektive hinzugefügt hast, die diese so nicht unterschreiben würden.

 

Mit dem, was du da schreibst, könnte sich nur ein Liberaler als von einem konservativ Denkenden ausgedachte Karikatur identifizieren, etwas, das also in der Realität nicht wirklich existiert.

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Konservativ? Liberal? Sch***egal!

 

Was mich ärgert, ist, wenn ich von einer Seite vereinnahmt werde.

 

Wenn ein Konservativer meint, 'man' sei nur katholisch, wenn man alle Dogmen glaubt, dann ärgert mich das.

Wenn ein Liberaler meint, 'man' könne Abtreibung doch nicht wirklich ablehnen, dann ärgert mich das.

 

Wenn jemand mich für meine Meinung vereinnahmt, dann ärgert mich das nicht. Da bin ich wohl auf einem Auge blind (dem Mittleren? ;))

 

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Am 10.8.2017 um 18:36 schrieb Studiosus:

Die Konservativen: rückwärtsgewandt, unflexibel, diskriminierend, intolerant, fundamentalistisch, unbarmherzig, traditionalistisch, totalitär, dogmatisch, menschenfeindlich, empathielos, Buchstabentreue, Paragraphenreiterei, Uniformiertheit, Gehorsam, Prinzipientreue, Absolutheitsanspruch.

 

Summe: Die Bösen.

 

Die Liberalen: fortschrittlich, wissenschaftsaffin, tolerant, aufgeschlossen, flexibel, empathisch, menschenfreundlich, beliebig, areligiös, humanistisch, solidarisch, Freiheit, Individualität, Subsidiarität, Egalität.

 

Summe: Die Guten.

 

Das sind einfach mal 2 Fremdwörter aus dem Lateinischen, von denen das eine von 'aufbewahren', das andere von 'befreien' kommt. Die sind von sich aus wertfrei, ein Zahnarzt, der meine Karies konservativ, also zahnerhaltend, behandelt ist mir immer noch lieber als einer, der mich vom Zahn gleich ganz befreit. Letzteres war früher üblich, konservative Zahnbehandlung ist definitiv die modernere, fortschrittlichere Form.

 

Es ist immer die Frage, was will man bewahren, was will man befreien. Ist das Stillen von Kindern konservativ, weil Fläschchen ja modern, oder ist es schon wieder liberal, denn während meine Mutter mir das moderne Fläschchen gab, weil die katholischen Klosterkrankenschwestern stillen altertümlich und unhygienisch fanden, habe ich meine Kinder gleich garnicht im Krankenhaus sondern zuhause bekommen und voll gestillt. Meine Mutter war da ein bisschen neidig. Nein, nicht neidig, traurig.

 

Das kann man gut mit dem Entrümpeln seines Kellers vergleichen. Es gibt Erinnerungsstücke, da muss man einfach lächeln wenn man sie sieht, die will man behalten und bewahren, auch wenn sie in Fetzen hängen und kaputgeliebt sind. Und dann gibt es Teile, die sind einfach unbrauchbar. Eine Klappbox mit zerbrochener Seitenwand, gefüllt mit Haaren aus meiner Bürste, weil ich mal die Idee hatte, daraus einen Pulli zu stricken, schon halbgefressen von Silberfischchen.

 

Die Liberalen von uns werden das liebgewonnene vielleicht vor dem Wegwerfen noch dokumentieren und fotografieren, die Konservativen heben es auf und wissen warum, werfen aber die sinnlose Klappbox frohen Herzens weg.

 

Und dann gibt von den beiden die hardcore Varianten. Die einen räumen alles unbesehen aus dem Keller raus und schmeissen einfach alles weg, die anderen heben alles auf, inklusive meiner Haare in der kaputten Box.

bearbeitet von Higgs Boson
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