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Historische vs. psychologische Bibelauslegung


Aleachim

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vor 41 Minuten schrieb Chrysologus:

 

Zumindest Theologen unterscheiden durchaus zwischen der historischen Person Jesus und dem geglaubten Christus. Und diese beiden kann man durchaus auseinanderhalten.

 

Ich dachte, genau das ginge nicht. Wie war das noch? "Unvermischt und ungeteilt"? 

 

vor 42 Minuten schrieb Chrysologus:

Es sind zweifelsohne Texte von Gläubigen - was sie aber als historische Quellen nicht entwertet. Man entschuldige den Vergleich - auch aus den (Tage-)Büchern von Joseph Goebbels und Rudolph Hess kann man historische Informationen über den Nationalsozialismus gewinnen, auch wen hier die weitere Quellenlage besser ist.

 

Das ist jetzt unter deinem Niveau! Für die Qualität historischer Quellen braucht man Vergleichsmaterial. Hat man das nicht, hat man ein Problem, weil keinen Beurteilungsmaßstab. Das größte Problem in diesem Zusammenhang ist das erkenntnisleidende Interesse der Theologen. Es fehlt die für wissenschaftliches Arbeiten notwendig Distanz zum Thema. Wie man an der Auswahl deiner Vergleiche deutlich sieht. 

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vor 9 Minuten schrieb rorro:

 

Nun, Du bewertest die Quellen damit aber nicht wirklich historisch - Du bist voreingenommen. Da ich selber historisch promoviert habe, glaube ich sagen zu dürfen, daß das nicht wissenschaftlich ist.

 

Wieso? Gehörte die Überlieferungsgeschichte einer Quelle nicht zu deinem Studium? Für mittelalterliche Quellen ist es Standard zu fragen, ob eine Quelle gefälscht ist. Die meisten, in denen Ansprüche formuliert werden, sind es übrigens. ;)

 

P.S.: Nein, ich bin nicht voreingenommen. Ich möchte nur wissen, wie es gewesen ist. Der übernatürliche Teil diese Geschichten ist eh geschenkt. Der Rest interessiert mich.

bearbeitet von Marcellinus
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Natürlich muss immer gefragt werden, ob eine Quelle gefälscht ist (und ich hatte in meiner Diss. weniger mit per se gefälschten Quellen als mit inhaltlich schöngefärbten zu tun). Doch halte ich es insbesondere in den Geisteswissenschaften für notwendig, sich seine eigene Meinung zu machen - diese auch als solche zu deklarieren, eben als eine Hypothese - und nicht einfach dem Mainstream hinterherzuhecheln.

Warum soll gerade einem Juden misstraut werden, der doch schon religös gegen Christen - die damals noch nicht aus der Synagoge verbannt waren - eingestellt war?

 

P.S.: Ich habe als Arzt medizin-historisch promoviert, allerdings keine typische 20-Seiten-Diss abgeliefert, wie es den Ärzten immer unterstellt wird ...

bearbeitet von rorro
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vor 8 Minuten schrieb Marcellinus:

Ich dachte, genau das ginge nicht. Wie war das noch? "Unvermischt und ungeteilt"? 

"Unvermischt und ungetrennt" ist eine christologische, keine historische Aussage, und sollte einen ernsthaften Historiker nicht einschüchtern.

 

Die Einordnung Jesu in die religiösen Gruppierungen seiner Zeit oder die Einordnung seines Strafverfahrens in die römische Rechtsordnung sind historische Fragen, denen man sich ohne theologisches Interesse stellen kann.

 

vor 8 Minuten schrieb Marcellinus:

 

Das ist jetzt unter deinem Niveau! Für die Qualität historischer Quellen braucht man Vergleichsmaterial. Hat man das nicht, hat man ein Problem, weil keinen Beurteilungsmaßstab.

Die Quellenlage ist so, wie sie ist - aber es gibt durchaus Vergleichsmaterial. Wenn man allerdings der Ansicht ist, dass eine Fälschung des 8 Jahrhunderts die Seriosität von Texten des 1. und 2. Jahrhunderts beschädigt, dann hat man den Bereich der Wissenschaft lange verlassen und erfreut sich an Ideologien.

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vor 1 Minute schrieb rorro:

Das Testimonium kenne ich und die christlichen Bestandteile/Zeugnisse halte ich für untergeschoben (also gefälscht). Den Rest nicht.

 

Worüber reden wir dann?

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Es geht tatsächlich nicht um den Christus des Glaubens. Es geht um den historischen Jesus. Du weichst aus, Marcellinus. Eventuell habe ich dich und dein zartes Historikerherz - ok, das war jetzt gemein - verschreckt, als ich mit dem historischen Faktum vorgeprescht bin, dass er wohl geheilt hat.

 

Es geht mir hier nicht um Wunder. Ich gebe mich mit einer psychosomatischen Erklärung nicht nur zufrieden, ich erwarte sie.  Jesus, der historische Jesus, hat daran geglaubt, dass er Dämonen austreibt.

 

Diese Sache, der Dämonenglaube, und meine Vermutung, da lief was psychosomatisch, können in meinen Augen gut miteinander.

 

Also, ich hätte jetzt nicht gedacht, dass du soooo dogmatisch unterwegs bist.

 

Ein Mensch namens Jesus, mehr nicht ....

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vor 7 Minuten schrieb Chrysologus:

Die Einordnung Jesu in die religiösen Gruppierungen seiner Zeit oder die Einordnung seines Strafverfahrens in die römische Rechtsordnung sind historische Fragen, denen man sich ohne theologisches Interesse stellen kann.

 

Ich hätte kein Problem mit einem historischen Jesus, wenn man denn unabhängige Belege für ihn finden würde. Nur genau die fehlen. Wenn ich aber nicht weiß, wer diese Jesus war, kann ich auch nichts über seine Position im römischen Rechtssystem sagen. Wanderprediger wurden jedenfalls von den Römern nicht gekreuzigt, und bei Aufrührern brauchte es keine großen Prozesse, schon gar nicht unter jüdischer Beteiligung. All diese Schilderungen sind motiviert durch die späteren Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen und ihre gemeinsame und doch gegensätzliche Position in der römischen Gesellschaft, sagen aber wenig bis gar nichts über irgendwelche tatsächlichen Ereignisse.

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Das verstehe ich auch nicht ganz. 

 

Das was da vollmundig als Testimonium angepriesen wird, sind im Endeffekt zwei verhältnismäßig knappe Absätze in dem weitaus umfangreicheren Werk der Antiquitates Iudaicae. Dass die Authentizität gerade dieser Stelle bezweifelt wird ist bekannt und nachvollziehbar.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Minuten schrieb nannyogg57:

Es geht tatsächlich nicht um den Christus des Glaubens. Es geht um den historischen Jesus.

 

Wir reden trotzdem aneinander vorbei. Es geht nicht um den historischen Jesus. Es geht um die Zentralfigur des christlichen Glaubens, sonst hätten wir bei dieser Faktenlage die Debatte gar nicht erst angefangen. Diese Person ist nur interessant, weil sie im Narrativ des Christentums einen solchen Raum einnimmt. Es gibt eine Reihe von "Messiasanwärtern" in dieser Zeit, über die wir sogar unabhängige Zeugnisse haben, und um die sich keine Sau kümmert. Diese Debatte findet nur statt, und wird von Christen so engagiert betrieben, weil sie mit eurer Religion zu tun hat, nicht mit Geschichte. Zum Rest siehe Post zu Chrysologus.

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vor 2 Minuten schrieb Marcellinus:

Diese Person ist nur interessant, weil sie im Narrativ des Christentums einen solchen Raum einnimmt.

Ja. Aber das gilt für praktisch jede historische Person. Wäre Napoleon als Kadett ums Leben gekommen, interessierte sich auch niemand für ihn.

 

vor 13 Minuten schrieb Marcellinus:

All diese Schilderungen sind motiviert durch die späteren Auseinandersetzung zwischen Juden und Christen und ihre gemeinsame und doch gegensätzliche Position in der römischen Gesellschaft, sagen aber wenig bis gar nichts über irgendwelche tatsächlichen Ereignisse.

Sie sind sicherlich auch motiviert durch innerchristliche Auseinandersetzungen und Verkündigungsabsichten - und dennoch sagen sie wenig, aber doch etwas über tatsächliche Ereignisse aus.

 

Für einen Wissenschaftler stemmst Du Dich erstaunlich beharrlich gegen die Option, auch nur die Möglichkeit einer Hypothese einzuräumen, die dann durch weitere Forschung verändert wird.

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Nein, es geht um den historischen Jesus. Nur um ihn, ohne Glaube, ohne Lüge. 

 

Vier Biographien tendenziöser Art, mehr aber als ein Kaiser des 1. Jahrh. vorweisen kann. Vergleichsweise zeitnah. Bei den punischen Kriegen ist man heutzutage toleranter. 

 

Gab es jemals neutrale Kaiserbiographien?

 

Quellen in den Quellen. Woanders akzeptiert, aber natürlich nicht in den Evangelien.

 

Der Jesus mag seltsam sein, nicht mein Wunschjesus, schon gar nicht der von Tiefgläubigen ...

 

Wenn du verstanden hast, dass ich nach einer historischen Gestalt frage ...

 

Kannst du mich widerlegen?

 

PS: Und argumentiere bitte nicht alls Theologe. Ich suche nicht den Christus des Glaubens.

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Man könnte das Pferd einmal von hinten aufzäumen und fragen, wie denn eine historische Quelle beschaffen sein müsste, damit sie als authentisches Zeugnis über den historischen Jesus von Nazareth - nicht den geglaubten - die Nagelprobe des Historikers besteht.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

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vor 3 Minuten schrieb Studiosus:

Man könnte das Pferd einmal von hinten aufzäumen und fragen, wie denn eine historische Quelle beschaffen sein müsste, damit sie als authentisches Zeugnis über den historischen Jesus von Nazareth - nicht den geglaubten - die Nagelprobe des Historikers besteht.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

Eine Art offizielle Aktennotiz zum Prozess vor Pilatus? Eine kritische Notiz eines der vielen angegriffenen Pharisäers? Also irgendein schriftliches Zeugnis, das irgendein konkretes Jesu zugeschriebenes Ereignis bestätigt aber definitiv weder von einem Christen stammt, noch durch christliche Fälschungen in eine andere Quelle hineingeschrieben wurde?

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vor 6 Minuten schrieb Xamanoth:

Eine Art offizielle Aktennotiz zum Prozess vor Pilatus? Eine kritische Notiz eines der vielen angegriffenen Pharisäers? Also irgendein schriftliches Zeugnis, das irgendein konkretes Jesu zugeschriebenes Ereignis bestätigt aber definitiv weder von einem Christen stammt, noch durch christliche Fälschungen in eine andere Quelle hineingeschrieben wurde?

 

Genau. Dergleichen wäre historisch belastbar. Sitzungsprotokolle des Sanhedrin, eine Tonscherbe von der Volkszählung des Kaisers Augustus, ein eindeutig datierbarer Kreuztitulus. Es müsste ja nicht einmal eine literarische Quelle sein. Realien gingen auch. Nur müssten sie eindeutig ohne den Hintergrund der frühen christlichen Gemeinde entstanden sein. Je weniger Glaubensaussagen darin wären, desto besser. Dann könnte man mit Recht behaupten, man hätte sich dem historischen Jesus angenähert.

 

Bisher wurde dergleichen meines Wissens nach noch nicht erbracht. Zwar wird alle Jahr' das Wohnhaus Mariä von irgendeinem Archäologen ausgegraben, aber da spielt Wunschdenken doch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus.

bearbeitet von Studiosus
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Eventuell auch noch eine echte Reliquie von Jesu Vorhaut?

 

Ich empfinde mich quellenmäßig als durchaus beschenkt. Ein Mann mit vier Biographien im 1. Jahrh. n. Chr. muss sich bei Gott vor Historikern nicht verstecken.

 

Dazu Paulus, die Apokryphen und die weiteren christlichen Quellen und ein Heer von pingeligen Erbsenzählern namens Exegeten? Die als Zweifler und Ungläubige verschrien sind?

 

 

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vor 2 Minuten schrieb nannyogg57:

Eventuell auch noch eine echte Reliquie von Jesu Vorhaut?

 

Darauf habe ich ja eigentlich nur gewartet. Leider gibt es mehrere Sancta Praeputia. Und das ist anatomisch recht schwierig. Da lese ich doch lieber mittelalterliche Besinnungsschriften, die das praeputium als Saturnring deuten...

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

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Oder sein Grab? Die Heiratsurkunde von Maria Magdalena?

 

Wir haben Quellen. Wir müssen und dürfen sie kritisch lesen. Aber sie sind da, gut überliefert.

 

Das wollte ich zeigen.

 

Man möge mich mit Vernunftgründen widerlegen.

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Mir persönlich reichen die Quellen, ob urchristlich oder heidnisch, übrigens völlig aus. Und ich stimme nannyogg jetzt einfach mal zu. Muss auch mal sein.

 

Auf welchem Palmblatt steht übrigens die Geburtsurkunde Siddharta Gautamas geschrieben und auf welcher Tonscherbe das Todesurteil des Sokrates? 

 

Man macht es sich, wenn man religiöse Quellen per se ausschließt, meiner Meinung nach etwas zu leicht. Allerdings haben sich die christlichen Exegeten, was die Evangelien angeht, selbst ein Bein gestellt, indem sie so datiert haben wie sie sie datiert haben.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 9 Minuten schrieb nannyogg57:

Oder sein Grab?

 

Nur wenn seine Knochen noch drin sind

 

vor 9 Minuten schrieb nannyogg57:

Die Heiratsurkunde von Maria Magdalena?

 

Liegt im Vatikan unter strengem Verschluß

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Jetzt möchte ich als historischer Laie doch mal meinen Senf dazugeben.

 

Ich denke nicht, daß irgendeine historische Quelle neutral sein kann im Sinne einer exakten Wiedergabe. Das klappt ja nicht mal heutzutage: Jede Zeitung hat eine Tendenz und damit keine absolut neutrale Berichterstattung. Dazu kommt, daß es triftige - und möglicherweise im Laufe der Jahrhunderte wechselnde - Gründe geben muß, Schriftliches zu bewahren. Ich vermute, daß man bei einer historischen Quelle beides berücksichtigen muß: Den ursprünglichen Grund der Verschriftlichung sowie die Gründe zur - mehr oder weniger getreuen - Überlieferung.

 

Wenn ich mir die oben aufgezählte Quellenlage des 1. Jhd. anschaue, dann muß ich nannyogg schon recht geben: Vier Evangelien und mehr sind da gar nicht so schlecht. Was nicht heißt, daß Quellen mit anderen Hintergründen nicht interessant wären.

 

vor 10 Stunden schrieb Studiosus:

Bisher wurde dergleichen meines Wissens nach noch nicht erbracht. Zwar wird alle Jahr' das Wohnhaus Mariä von irgendeinem Archäologen ausgegraben, aber da spielt Wunschdenken doch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Nicht mal Wunschdenken...

So, wie ich mir einen richtigen Archäologen vorstelle, der buddelt lieber im Dreck als Klinken zu putzen. Da Archäologie jetzt aber nicht so wirklich wirtschaftlich gewinnbringend ist, muß er trotzdem schauen, wo das Geld zum buddeln herkommt. Da kommt so ein bisschen Publicity nicht schlecht. Und wenn dann noch ein windiger Journalist aus "einem typischen Haus jener Zeit, in dem auch Maria gelebt haben könnte" das "Haus Mariens" macht, dann ist die Sensation perfekt.

 

Was wohl die Archäohistoriker in zweitausend Jahren dazu sagen werden, die einen solchen Zeitungsartikel ausbuddeln?

 

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vor 10 Stunden schrieb Chrysologus:

Ja. Aber das gilt für praktisch jede historische Person. Wäre Napoleon als Kadett ums Leben gekommen, interessierte sich auch niemand für ihn.

 

Merkst du nicht selbst den Widerspruch? Das ist doch gerade das Problem. Wir haben hier eine Figur, die in ihrem Leben (unterstellen wir das mal) offenbar nichts von überregionaler Bedeutung getan hat, und die trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) zur Zentralfigur einer Weltreligion geworden ist, wobei einer ihrer frühesten Propagandisten, Paulus, ausdrücklich darauf hinweist, daß er diesem Menschen nie begegnet ist. Am Anfang feiert auch niemand einen Geburtstag, geschweige denn, das man eine rührselige Geschichte von kleinen Jesulein hätte. All das kommt erstaunlicherweise viel später.

 

Es ist als wenn Napoleon schon als Kadett ums Leben gekommen wäre, ohne eine Schlacht zu schlagen, ohne irgendetwas, das jemand bemerkt hätte, der nicht zu seinen späteren Bewunderern gehört, wobei sich die Bewunderer nicht einmal einig sind, wofür sie ihn bewundern, und sich trotzdem das französische Kaiserreich auf ihn berufen würde.

 

Der Hinweis auf die zahlreichen Biographen ist natürlich nett, aber wenn man für eine Person nur die Biographen hat, ist das eben zu wenig. Ob Caesar, Karl der Große oder Napoleon, sie alle haben eine Rolle gespielt jenseits ihrer Biographen, eine historische Rolle. Bei Siddhartha Gautama haben wir übrigens das gleiche Problem. Auch da ist die Lebensgeschichte der realen Person unauffindbar verschüttet unter den späteren Legenden. Dabei haben wir bei ihm noch den "Vorteil", daß er wenigstens eine bestimmte Lehre und eine danach lebende Gemeinschaft hinterlassen hat. Wie sehr auch immer spätere Generationen diese Lehre umgedeutet, aus Buddha einen Gott gemacht haben, man ahnt doch zumindest noch den Ursprung.

 

Dagegen behauptet wohl niemand außer der Kath. Kirche, Jesus habe diese Kirche gegründet. Vielmehr ist für das frühe Christentum charakteristisch, daß es sich erst über Jahrhunderte zu dem entwickelt hat, was man später die Kirche nennen wird, und zwar sowohl bezüglich seiner Lehre als auch der Strukturen (und zum Teil erst unter kaiserlichem Druck). Erst zahlreiche Schismen später haben wir dann die RKK, die sich nachträglich den Gründungsmythos von Petrus als dem ersten Papst zulegt. Bis dahin gab es viele Christentümer, mit ganz unterschiedlichen Traditionen und ganz unterschiedlichen Zentren, die wichtiger waren als Rom, vor allem im Osten des Römischen Reiches sowie in Nordafrika.

 

Das alles schließt eine historische Person Jesus nicht aus, nur hat sie in der Tradition keine Spuren hinterlassen. Die Vorstellungen von Paulus, der sich ausdrücklich auf einen Privatoffenbarung berief (und damit offenbar zahlreiche Nachahmer gefunden hat, sodaß die frühen Christen sogar Regeln dafür aufstellten, wie mit selbsternannten Aposteln umzugehen war), oder die Figur des Pantokrators in den Ostkirchen sich dafür beredte Beispiele. 

 

Kurz: das Christentum ist nicht gegründet worden, es hat sich entwickelt. Das macht es für den Historiker spannend. Das macht es aber auch so schwer, über den Protagonisten etwas herauszufinden. Es scheint mir kein Zufall, daß die Religion nicht Jesus-Bewegung heißt, sondern Christentum. Und Christus ist definitiv keine historische Person.

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vor 27 Minuten schrieb Marcellinus:

Dagegen behauptet wohl niemand außer der Kath. Kirche, Jesus habe diese Kirche gegründet.

 

Kurzes ekklesiologisches Intermezzo: Behaupten das katholische Theologen heute überhaupt noch? 

 

Wenn ich mir die Wortmeldungen ab der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts so anschaue, dann gewinne ich eher den Eindruck, die Gründung der Kirche sei so etwas wie ein "Betriebsunfall" gewesen.

 

"Jesus verkündete das Reich Gottes, gekommen ist die Kirche..."

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 26 Minuten schrieb Marcellinus:

Und Christus ist definitiv keine historische Person.

 

Weshalb auch strikt zwischen kerygmatischem und historischen Jesus unterschieden wird.

 

NannyOgg fragt hier ausdrücklich nach dem Historischen. Du bist es, der die beiden permanent gleichsetzt und durcheinanderbringt. Ich kenne solches nur von fundamentalistischen Gläubigen. Die kriegen diese Differenzierung auch nicht hin.

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