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Germanistische Frage: Die Juden oder die Jüden?


Baumfaeller

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Auf meiner Tastatur gibt es keine Umlaute; die werden meist automatisch vom Spellchecker eingefügt, oder ich muss es von Hand tun.  Dabei ist mir aufgefallen, dass der Apple Mac Spellchecker anscheinend nicht weiss, dass "juedisch" ein gültiges deutsches Adjektiv ist, und es rot unterstreicht, und sich weigert, das u-umlaeut zu ändern.  OK, damit kann ich leben.

 

Und letzten Freitag Abend war ich "in der Kirche" (nicht wegen Gottesdienst!), weil da Bach's Johannes-Passion aufgeführt wurde.  Richtig gute Musik, sehr gut musiziert.  (Jetzt muss ich wieder an Franciscus nP denken und eine Weile heulen ...)  Aber was mir dabei auffiel: der Evangelist sagte immer "die Jüden".  Erst dachte ich, der hatte bei der Aussprache-Uebung gepennt, aber dann stellte ich fest, dass der im Programm abgedruckte Text auch "Jüden" enthält.  Und habe es gerade nachgesehen: das ist, wohlwahr, der Bach'sche Originaltext.  Gilt genauso für die Matthaeus-Passion. War mir noch nie aufgefallen.

 

Hier also die Frage an die Germanisten: Wann hat sich das von Juden auf Jüden geändert?

bearbeitet von Karfunkel
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vor 1 Stunde schrieb Baumfaeller:

Hier also die Frage an die Germanisten: Wann hat sich das von Juden auf Jüden geändert?

 

 

Ich bin zwar kein Germanist, aber...  um 1700  bis 1750 herum.

Zu Luthers Zeiten war der Plural "Jüden" der geläufige. "Von den Jüden und iren Lügen" hieß Luthers 1543 verlegte Schmähschrift gegen die Juden. Für die Zeit nach 1700 sind beide Formen belegt. Johann Sebastian Bach schrieb die Johannes-Passion 1724, bei ihm heißt es "Jüden". Wenige Jahre später, ab 1731, erschien der "Zedler", das erste bedeutende deutsche Lexikon (ich habe einige der 64 riesigen Bände mal in der Hand gehabt und darin geblättert, mit Ehrfurcht und Entsetzen. Ehrfurcht vor dem historischen Großprojekt, Entsetzen über das, was damals als gesichertes Wissen verbreitet wurde). Im Zedler sind beide Plural-Formen aufgeführt: "Juden, oder Jüden, ist der Name eines eignen Volcks, so ehemahls GOttes Volck, ingleichen das Volck Israel genennet wurde, und von dem Patriarchen Jacob durch seine 12. Söhne herstammte." Singular-Form übrigens "Juda", nicht Jude. Es folgen dann sämtliche über die Jüden verbreiteten Vorurteile: "Sie sind unsere geschworne Feinde. Und wie offt haben sie nicht Christen-Kinder geschlachtet, gecreutziget, im Mörser zerstossen..." Bei Adelung, also im "Grammatisch-kritischen Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart" von 1793 bis 1801, ist der Plural dann schon allein Juden: "Der Jude, des -n, plur. die -n, Fämin. die Jüdinn, plur. die -en." Aber dort findet sich auch die Anmerkung: "Ehedem der Jüde, welche Form noch in der Deutschen Bibel vorkommt, in dem Isidor Judea, in der Fränkischen Mundart des 9ten Jahrh. Guotman, Judo. Das e am Ende ist das euphonicum, ohne welches das d wie ein t lauten würde."

 

Alfons


 

bearbeitet von Alfons
Tippfehler korrigiert
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Danke.  Interessant.

 

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vor 9 Stunden schrieb Alfons:

der "Zedler", das erste bedeutende deutsche Lexikon (ich habe einige der 64 riesigen Bände mal in der Hand gehabt und darin geblättert, mit Ehrfurcht und Entsetzen. Ehrfurcht vor dem historischen Großprojekt, Entsetzen über das, was damals als gesichertes Wissen verbreitet wurde).

Sowohl den Zedler als auch den  viel späteren umfangreichen Ersch-Gruber gibt es online. Ist die digitale Welt nicht wunderbar.

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„Jüden“ kenne ich noch von meinem Großvater, für ihn war das offensichtlich der Plural. Aber im Dialekt halten sich ältere Begriffe ja oft länger

 

Werner

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vor 6 Stunden schrieb Werner001:

„Jüden“ kenne ich noch von meinem Großvater, für ihn war das offensichtlich der Plural. Aber im Dialekt halten sich ältere Begriffe ja oft länger

 

Werner

 

Völlig richtig. Mundarten bewahren veraltende Sprachformen (das ist jetzt nicht abwertend gemeint) hartnäckig auf. Im Grimm - das war das Buch, dessen erster Band auf dem 1000-DM-Schein abgebildet war; wer noch einen hat, sollte ihn bald mal umtauschen, ich meine den Schein, nicht das Buch - also in dem von den Gebrüdern Grimm begonnenen Deutschen Wörterbuch steht unter dem Stichwort "Jude" zum einen, dass der Plural "Jüden" aus dem Mittelhochdeutschen stammt, und zum anderen, dass diese Mehrzahlform "sich lange hält und mundartlich noch heute dauert". Dieses "noch heute" ist allerdings auch schon eine Zeitlang her. Der Band des DWB mit dem Buchstaben J erschien 1877. Da waren Wilhelm und Jacob Grimm (bitte den Tausender umdrehen, da sind sie abgebildet) schon beide tot.

Alfons

 

 

Kleiner Off-topic-Nachtrag: Als in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts die letze Serie der D-Mark-Scheine entworfen wurde, mit Abbildern berühmter Deutscher (ohne dass man ahnte, dass es die letzte sein würde), gab es nicht nur das Problem, eine genderkorrekt ausgewogene Mischung bedeutender Frauen und Männer hinzukriegen, sondern auch die regional korrekte Verteilung von Nord- und Süddeutschen. Und zusätzlich auch noch die Berücksichtigung der Religionen bzw. Konfessionen! Deshalb zierten die Deutschmark-Scheine drei Katholiken bzw. Katholikinnen, drei Lutheraner bzw Lutheranerinnen, die Grimm-Brothers als Reformierte - und ein Jude, nämlich der Mediziner Paul Ehrlich auf dem 200-Mark-Schein.

bearbeitet von Alfons
Nachtrag
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vor 7 Stunden schrieb Alfons:
vor 13 Stunden schrieb Werner001:

„Jüden“ kenne ich noch von meinem Großvater, für ihn war das offensichtlich der Plural. Aber im Dialekt halten sich ältere Begriffe ja oft länger

 

Werner

 

Völlig richtig. Mundarten bewahren veraltende Sprachformen (das ist jetzt nicht abwertend gemeint) hartnäckig auf. Im Grimm - das war das Buch, dessen erster Band auf dem 1000-DM-Schein abgebildet war; wer noch einen hat, sollte ihn bald mal umtauschen, ich meine den Schein, nicht das Buch - also in dem von den Gebrüdern Grimm begonnenen Deutschen Wörterbuch steht unter dem Stichwort "Jude" zum einen, dass der Plural "Jüden" aus dem Mittelhochdeutschen stammt, und zum anderen, dass diese Mehrzahlform "sich lange hält und mundartlich noch heute dauert". Dieses "noch heute" ist allerdings auch schon eine Zeitlang her. Der Band des DWB mit dem Buchstaben J erschien 1877. Da waren Wilhelm und Jacob Grimm (bitte den Tausender umdrehen, da sind sie abgebildet) schon beide tot.

Alfons

 

 

Kleiner Off-topic-Nachtrag: Als in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts die letze Serie der D-Mark-Scheine entworfen wurde, mit Abbildern berühmter Deutscher (ohne dass man ahnte, dass es die letzte sein würde), gab es nicht nur das Problem, eine genderkorrekt ausgewogene Mischung bedeutender Frauen und Männer hinzukriegen, sondern auch die regional korrekte Verteilung von Nord- und Süddeutschen. Und zusätzlich auch noch die Berücksichtigung der Religionen bzw. Konfessionen! Deshalb zierten die Deutschmark-Scheine drei Katholiken bzw. Katholikinnen, drei Lutheraner bzw Lutheranerinnen, die Grimm-Brothers als Reformierte - und ein Jude, nämlich der Mediziner Paul Ehrlich auf dem 200-Mark-Schein.

Immer noch OT, aber wer keinen 1000-DM-SChein zur Hand hat: [klick] bei Wikipedia sind sie alle abgebildet, von Frau von Armin bis hin zu den Grimm-Brothers

bearbeitet von Frank
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vor 39 Minuten schrieb Aristippos:
vor 3 Stunden schrieb Frank:

Frau von Armin

Arnim, nicht Armin

Ja, selbstverständlich. Sorry, Fipptehler... äh... Tippfehler

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vor 9 Minuten schrieb Frank:

Ja, selbstverständlich. Sorry, Fipptehler... äh... Tippfehler

Einen Armin von Arnim scheint es übrigens nie gegeben zu haben. Humorlose Sippe.

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vor 4 Stunden schrieb Aristippos:

Einen Armin von Arnim scheint es übrigens nie gegeben zu haben. Humorlose Sippe.

Nun ja, man muss Nachsicht haben. Die Arnims sind ein märkisches Uradelsgeschlecht, also preußisch bis ins Mark. Die  Preußen haben es, aus süddeutscher Sicht, nicht so mit Humor. Angeblich sollen sie noch heute in manchen Gegenden zum Lachen in den Keller schleichen, sagt man halt so bei uns, im ehemals römischen Teil Germaniens. Eine meiner (Augenzwinker)Lieblingstheorien ist ja, dass Limes und Donaulimes in mehr als einer Hinsicht Deutschland heute noch trennen. Quasi die altehrwürdigen Ahnen des heutigen "Weißwurschtäquators". Südlich davon das barocke Lebensgefühl, nördlich davon, nun ja, was eben nördlich davon ist ...  in universum tamen aut silvis horrida aut paludibus foeda ... zumindest früher mal. Die Gegend formt  den Charakter.

bearbeitet von Mistah Kurtz
1 Wort ergänzt zur Vermeidung eines textlichen Missverständnis
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Durch die Wälder, durch die Auen, zog ich leichten Muts dahin.  'Tschuldigung, falsche Oper.  Tacitus war eine römische Tragödie; nix mit Arien von Weber.

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vor 12 Stunden schrieb Baumfaeller:

Durch die Wälder, durch die Auen, zog ich leichten Muts dahin.  'Tschuldigung, falsche Oper.  Tacitus war eine römische Tragödie; nix mit Arien von Weber.

 

Ne, die Oper ist schon die Richtige, und auch die Arie ist gut gewählt. Springen wir an ihr Ende und singen frohgemut mit dem Jägersburschen Max:

Zitat

Doch mich umgarnen finstre Mächte! 
Mich faßt Verzweiflung, foltert Spott! 
O dringt kein Strahl durch diese Nächte?
Herrscht blind das Schicksal? 
Lebt kein Gott? 
Mich faßt Verzweiflung, foltert Spott!

 

Na gut, frohgemut lassen wir vielleicht besser weg.

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3 hours ago, Mistah Kurtz said:

Lebt kein Gott? 

Richtige Oper, falscher Thread.  Aber in der Oper wird die Frage durch den Einsiedler beantwortet, welcher als Deus-ex-machina das Problem löst, damit alle Teilnehmer weitersingen können.  Man könnte vielleicht die Antwort in den anderen Thread übertragen.

 

Wenn man, wie ich leider, diese Oper in der 8ten oder 9ten Klasse gründlich behandelt hat, dann kann man sie nie wieder ernst nehmen.  Dazu ist der Schreifritz einfach zu lächerlich.  Aber das sind die meisten Opern.  Wie schon Ernst von Pidde, bei Betrachtung des Nonetts (!) der alten Meister aus Pfitzner's Palestrina richtig beobachtete: Gruppen-Singen sei ein "psycho-motorischer Ausnahmezustand".

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