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Seltsame Gedanken, die Bibel zu lesen


nannyogg57

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@Ennasus

 

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Entgegen der landläufigen Meinung bin ich nicht daran interessiert, meinen Gesprächspartnern Katechismussätzchen abzuringen. Dafür muss ich in keinen Dialog treten, sondern kann selbst nachschlagen. Es ging mir - in deinem Fall - wirklich darum, einmal nachvollziehen zu können, was Du glaubst bzw. wie Du es glaubst. Das konnte ich jetzt viel besser als zuvor. 

 

Sicher sind das keine Gedanken, wie ich sie in der Regel anstelle (scholastisch geprägte), aber ich verstehe sie. Ich kann auch bei vielen Aussagen von Dir mitgehen. Beispielsweise halte ich es für keine Schande angesichts der supereminentia divinitatis zu konzedieren, dass für vieles, was Gottes Wesen und die Vorgänge in ihm bzw. an Christus anlangt, der menschliche Horizont zu furchtbar begrenzt ist, um definitive Aussagen (die dann auch tatsächlich mit dem göttlichen Wesen korrespondieren) zu machen. Das halte auch ich (in den Spuren eines Augustinus oder Pseudo-Dionysius Areopagita) für das Grundproblem der Theologie: Wenn wir im Angesicht der göttlichen Majestät nicht stumm bleiben wollen, sondern zu reden wünschen, so müssen wir dies in Analogie zu dem tun, was unserer menschlichen Natur zugänglich ist (analogia entis). Dass dergleichen Aussagen dann nur bedingt auf Gottes wahres Wesen zutreffen, scheint klar zu sein.

 

Daher darf ich Dir nochmals danken, dass Du dich "gestellt" hast. Und ja, deine Antwort löst bei mir natürlich eine Reaktion aus, aber keine negative. Ich kann Dir vielmehr in machen zustimmen, was ich zuvor - bevor Du es für mich konkretisiert hast - nicht konnte.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

 

 

bearbeitet von Studiosus
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Ich stieß im vorbezeichneten Buch noch auf einen weiteren Gedanken, der mir, mit leicht geänderten Inhalten, ebenfalls bereits präsent war, der für die meisten hier wohl nichts neues darstellt: Das sich im Wesen Christi mindestens drei "Jesusse" überlagern.

 

a) Das Lamm, dessen Blut notwendigerweise vergossen wird, um die Welt zu erlösen. Das ultimative Opfer. Nicht sein vorleben, nicht was er tut, im Grunde auch die Auferstehung ist nicht von fundamentaler Bedeutung, sondern sein Blutvergiessen, als Erlösung für die Sünden aller Welt. Hierauf, und nur hierauf, gründet sich das "wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet", nämlich im Annehmen dieses Blutes zum abwaschen der eigenen Sünden, als Rettung vor ewiger Hölle, wo der Wurm nicht stirbt. Ein Bild von faszinierender, archaischer, anachronistischer Kraft.

 

 

b ) Der Liebe Jesus. Der Jesus der Bergpredigt, der Vergebung, Liebe etc. predigt, dessen Sorge selbst bei der Verhaftung der Wunde eines seiner Häscher und in der Todesstunde dem Seelenheil eines Mitgekreuzigten gilt. Über diesen Jesus schrieb Nietzsche zurecht "Der einzige Christ starb am Kreuz".

 

c) Der - und diesen Gedanken fidne ich interessant, er wird nämlich meist verschwiegen - der identitäre Jesus. Sozusagen. Der das Schwert bringen will, statt des Friedens. Der gesandt ist nur zu den Schafen des Hauses Israel. Der mit "Liebet eure Feinde" natürlich nur die Feinde innerhalb Israels meint, wie auch der "Nächste" der Tora nur der Nächste in der Sippe innerhalb Israels war. Ein Messias eines bedrängten, von Feinden besetzten Volkes, dass sich des auserwähltseins durch den Weltenschöpfer und ultimativen Gesetzgeber bewusst ist.

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vor 22 Minuten schrieb Studiosus:

[...] Beispielsweise halte ich es für keine Schande angesichts der supereminentia divinitatis zu konzedieren, dass für vieles, was Gottes Wesen und die Vorgänge in ihm bzw. an Christus anlangt, der menschliche Horizont zu furchtbar begrenzt ist, um definitive Aussagen (die dann auch tatsächlich mit dem göttlichen Wesen korrespondieren) zu machen. Das halte auch ich (in den Spuren eines Augustinus oder Pseudo-Dionysius Areopagita) für das Grundproblem der Theologie: Wenn wir im Angesicht der göttlichen Majestät nicht stumm bleiben wollen, sondern zu reden wünschen, so müssen wir dies in Analogie zu dem tun, was unserer menschlichen Natur zugänglich ist (analogia entis). Dass dergleichen Aussagen dann nur bedingt auf Gottes wahres Wesen zutreffen, scheint klar zu sein. [...]

 

Danke.
Bei solchen Sätzen geht es mir mit dir, wie es dir zuvor mit Ennasus' Beschreibungen gegangen ist. Es entsteht ein Stück neue Erkenntnis und neue Einschätzung.
Wobei ich lieber von einer Chance als von einem Grundproblem der Theologie sprechen würde. Der Chance, sich den Grenzen des Erkennbaren immer neu zu nähern. (Dass "Gott" für mich - da auch auf den Spuren des Dionysius Areopagita - ein metaphorischer Ausdruck für das Nicht-Sagbare ist, erwähne ich nur für das Verständnis anderer mitlesender Foranten).

Alfons

 

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vor 3 Stunden schrieb Merkur:

Daran soll es gelegen haben? :lol:

Ja, klingt lächerlich. Aber wenn du wegen einer Seite Papier ein ganzes Schaf schlachten musst, wirst du  auch sparsam. Schon mal was von Palimpsest gehört?

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vor 3 Stunden schrieb nannyogg57:

Aber auch du interpretierst Dinge nicht objektiv. Du idealisierst die Antike und dämonisierst das Christentum.

 

Nein, ich idealisiere nicht, und ich moralisiere nicht. Ich bin mir der Tatsache, daß ich auch in der heidnischen Antike nicht hätte leben wollen, durchaus bewußt, aber darum geht es auch nicht. Mir geht es um eine möglichst realistische Darstellung der Ereignisse, mehr noch, und darin bin ich eher Soziologe als Historiker, um nachprüfbare Modellen davon, wie damalige Ereignisse zusammengehangen, sich miteinander entwickelt haben.

 

Richtig ist allerdings, daß mit dem Aufstieg des Christentums das Römische Reich nachprüfbar zerfällt, im Westen direkt, im Osten eher indirekt, indem das Oströmische Reich immer mehr Gebiete verliert, bis es Anfang des 13. Jh. aus kaum mehr als aus der Stadt Konstantinopel besteht, und ihm die Lateiner mit ihrem Kreuzzug des Todesstoß versetzen, von dem sich Ostrom bis zur Eroberung durch die Osmanen nicht mehr erholt hat.

 

Wie diese beiden Prozesse zusammenhängen, der Aufstieg des Christentums und der Untergang des Römischen Reiches, das interessiert mich, genauer gesagt, das hat mich interessiert, denn in groben Zügen ist der Ablauf klar (keine Angst, ich werde hier niemanden damit langweilen).

 

Was mich im Moment viel mehr interessiert, und was mit dem oben gesagten zusammenhängt, ist der Aufstieg des Islam, denn man kann die Untergang des Römischen Reiches nicht verstehen, wenn man nicht die drei Teile betrachtet, in die es zerfällt, das Frankenreich im Westen, Byzanz im Osten und Arabien. Es wird oft vergessen, daß das ebenso ein Teil des Römischen Reiches war, und sich in der ersten Expansionsphase in Nordafrika bis nach Spanien vor allem in altem römischen, mittlerweile christianisierten Kulturland rasend schnell ausgebreitet hat. Da ist allerdings die Datenerhebung noch schwieriger, die islamische Religionsgeschichte noch mehr bemüht, einen Schleier von Mythen über die tatsächlichen Ereignisse zu breiten. Aber das ist ein anderes Thema und hier garantiert OT.

 

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vor 3 Stunden schrieb Merkur:

Religionen haben ein großes Beharrungsvermögen. Warum ist das Christentum in der Türkei nicht wieder aufgelebt? Dort ist das Christentum erst seit einigen Jahrhunderten nicht mehr die dominierende Religion.

Abgesehen davon, dass ich dir recht gebe - unter Religionsfreiheit stelle ich mir nicht das System Erdogan vor.

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vor 4 Stunden schrieb nannyogg57:

Z.B.: Das Christentum war schon im 2. Jahrhundert im ganzen römischen Reich verbreitet. Dass es ein städtisches Phänomen war, ist bekannt. Die Faszination für die Antike, die sich z.B. auch in den Vatikanischen Museen zeigt, ist mit deiner Darstellung der kompletten Vernichtung der Antike nicht kompatibel. Tatsache ist, dass es eine Phase der Vernichtung gab, aber das war wirklich kein dauerhafter Zustand.

Dass man die antiken Autoren nicht allesamt bewahrt hat: Papier ist nicht ewig haltbar und es gab in Europa im Frühmittelalter, eigentlich bis zum 15. Jahrh. Papiermangel. Unter anderem, weil der Papyrushandel zusammengebrochen war. Dass man da den Celsus nicht bewahrte, ist eher verständlich. Dich mag es ärgern, aber wenn du die Wahl hättest, eine Enzyklika zu retten oder ein Werk von Giordano Bruno, dann würdest du vermutlich Letzteres nehmen.

 

Deine Darstellung, eine wunderbare heile Antike sei von finsteren christlichen Gestalten überrollt worden, hat für mich den Hauch von Verschwörungstheorie: Die Christen waren böse machtgeile Gestalten und wenn sie mal was Gutes taten, dann waren das Verrückte.

 

Ja, das klingt echt nach Ideologie. Du hast da eine ideologische Ausstellung besucht und jetzt arbeitest du dich daran ab, indem du reziprok reagierst.

 

Und du solltest es eigentlich besser wissen.

 

 

 

Entschuldige, aber das Unsinn. Daß die Christen die Kultstätten der Heiden restlos zerstört haben, soweit sie sie nicht umwidmen konnten, genauso wie später die der heidnischen Germanen und Jahrhunderte später die der indigenen Völker Nord- und Südamerikas, ist einfach Fakt.

 

Die Sache mit dem Papier ist eine mit mehreren Seiten. Wie du richtig sagst, schrieb die heidnisch-römische Antike auf Papyrus. Das ist nicht besonders haltbar, und deshalb gab es einen staatlich organisierten Schreibdienst, in dem die Rollen kopiert wurden. Die überwiegende Zahl dieser Rollen beschäftigten sich mit weltlichen Themen, die den Christen ein Graus waren, Theaterstücke, Unterhaltung, Philosophie, Technik.

 

Dieser Dienst ist im Westen während der Völkerwanderung zusammengebrochen, und im Osten beendet worden. Statt dessen übertrug man die Schriften, die den Christen wichtig erschienen, auf Pergament, schon allein, aber nicht nur der Kosten wegen nur wenige Werke, wesentlich religiöse Texte, und wenige antike Klassiker, die harmlos erschienen. Im Westen hat kaum etwas davon überdauert, einerseits wegen der Zeitumstände, andererseits aus ideologischer Absicht. In Konstantinopel gab es mehr, wenn auch kein Vergleich zu den Bibliotheken der heidnischen Antike.

 

Nein, die heidnische Antike war von einem Ideal weit entfernt, und verstehe mich auch nicht in ihrer Tradition, höchstens um ein paar Ecken herum. Meine Ideale, so ich denn welche habe, liegen in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Aber das Christentum hat seiner Welt ein paar Probleme beschert, die es vorher nicht gab, darunter vor allem die religiöse Intoleranz, die nur die eigene „Wahrheit“ gelten ließ, über weite Strecken die Verständigung mit anderen Völkern unmöglich machte, selbst wenn sie ebenfalls Christen waren. Allein die ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der oströmischen Orthodoxie hat über Jahrhunderte die oströmische Politik gelähmt und behindert, und ist sicherlich auch eine der Ursachen für den rasanten Aufstieg des Islam in Nordafrika bis hin nach Spanien.

 

Während sich im Westen alle staatliche Strukturen bis runter zum keinen Gutshof auflösten, Geldwirtschaft und Handel fast vollkommen zum Erliegen kamen, und das Feudalsystem die Menschen vollkommen verarmt und ohne Rechte und Freiheiten ließ, während in Ostrom das Leben in einem überbürokratisierten theokratischen Kastensysten erstarrte, in seinem zunehmend schwindenden Reich eigentlich nur noch allerdings durchaus eindrucksvolle religiöse Kunstwerke hervorbrachte, zeigten die Araber, daß man auch mit einem theokratischen System durchaus wirtschaftlich, technisch und zivilisatorisch erfolgreich sein kann, zumindest ein paar Jahrhunderte lang.

 

Nein, ich denke, daß du mit der Ideologievermutung bei mir falsch liegst. Aber vielleicht solltest du man deinen gedanklichen Traditionslinien nachspüren. Du wirst da sicherlich eher fündig als ich. Womit wir dann auf Umwegen auch wieder beim Kirchenbezug gelandet wären.

 

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Hast du schon mal aufmerksam den Inhalt des Adventsliedes "Tauet Himmel den Gerechten" wahrgenommen?

 

Ich plädiere wie bei der Bibel zum genauen Hinhören.

 

Die Botschaft zum christlichen Geschichtsbewusstsein, die hier unterschwellig transportiert wird, lautet: Bevor Jesus kam, war alles blöd.

 

Tatsächlich war das das Weltbild der Christen. Ich kann mich erinnern, in meiner Kindheit noch die letzten Reste dieses Denkens vermittelt bekommen zu haben.

 

Aber ...

 

... dieses Weltbild ist im Christentum Vergangenheit. Der Blick auf das AT, auf die Geschichte vor Jesus hat sich grundlegend gewandelt und es gibt kein Zurück mehr. Du darfst mit Sicherheit davon ausgehen, dass der RU in unserer Zeit nicht mehr in dieser Form Advent und Weihnachten begleitet.

 

Warum man das früher bei Christens so sah, das hat nichts mit einer geplanten Gehirnwäsche zu tun. Es ist die Überzeugung von der eigenen Überzeugung gewesen. Man hat seine Religion verbreitet, weil man sie gut fand, und man hat Systeme dafür ausgenutzt. Erzähle mir nicht, der Atheismus würde das nicht auch machen, so er könnte.

 

Es gab aber keine Instanz, die die Geschichte generalstabsmäßig umschrieb. Das ist eine Projektion nach den Erfahrungen politischer Ideologien des 20. Jahrhunderts. Menschen früherer Zeit hatten dazu nicht die Möglichkeit.

 

Was den Untergang des römischen Reiches betrifft:

 

Ostrom hat mehr schlecht als recht, aber trotzdem noch fast ein Jahrtausend mit dem Christentum überlebt, du erwähntest das. An anderer Stelle wurde nicht zu Unrecht auf die Zerstörung des römischen Weltreiches durch die Völkerwanderung hingewiesen (Stichpunkt Migration).

Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, je nach Situation müssen mal die Barbaren oder die Christen als Sündenböcke herhalten.

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vor 9 Minuten schrieb nannyogg57:

Ich kann mich des Verdachtes nicht erwehren, je nach Situation müssen mal die Barbaren oder die Christen als Sündenböcke herhalten.

 

Das kommt davon, wenn man die Vergangenheit mit den Augen der Gegenwart betrachtet. Ich habe mich mit Geschichte, und vor allem der des Römischen Reiches schon zu Zeiten beschäftigt, als Migration im heutigen Sinne noch kein Thema war. Historiker sind in der Beziehung zum Glück etwas weltfremd. 

 

P.S.: es geht auch nicht um "Schuld", alle Beteiligten sind längst tot, sondern um nachprüfbare Erklärungen.

bearbeitet von Marcellinus
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vor 3 Stunden schrieb nannyogg57:

Abgesehen davon, dass ich dir recht gebe - unter Religionsfreiheit stelle ich mir nicht das System Erdogan vor.

Es ging mir um dein Argument, die antiken heidnischen Religionen könnten sich nicht mehr etablieren weil sie unattraktiv seien. Eine Religion, die einmal ausgelöscht wurde, läßt sich nicht wiederbeleben. Immerhin haben sich die heidnischen Elemente des Katholizismus bis heute erhalten. 

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Nun gut, das Argument war auch polemisch. Aber selbst bei Rick Riordan, den meine Söhne und ich gerne lesen, neigen weder die Germanen noch die Griechen dazu, Tieropfer wieder einzuführen. Das gibt mir zu denken.

 

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vor 1 Stunde schrieb Marcellinus:

 

Das kommt davon, wenn man die Vergangenheit mit den Augen der Gegenwart betrachtet. Ich habe mich mit Geschichte, und vor allem der des Römischen Reiches schon zu Zeiten beschäftigt, als Migration im heutigen Sinne noch kein Thema war. Historiker sind in der Beziehung zum Glück etwas weltfremd. 

 

P.S.: es geht auch nicht um "Schuld", alle Beteiligten sind längst tot, sondern um nachprüfbare Erklärungen.

"Je nach Situation" bezog sich auf den aktuellen Stand der Diskussion heute und darf übersetzt werden: "Wie man es halt braucht".

 

Historiker sind nicht weltfremd. Sie sind ihrem Forschungsgegenstand gegenüber neutral. Das bist du definitiv nicht in deinem obigen langen Post gewesen.

 

Und da sind wir wieder da, wo Studiosus dann gerne die moderne wissenschaftliche Theologie als kontraproduktiv geißelt: Kirchengeschichte ist heute kein Fach mehr, wo Theologiestudenten lernen, die Geschichte des Christentums als Triumphzug zu begreifen. Sollte ein Professor das machen, darf er gewiss sein, dass er herbe Kritik seitens der Kollegen auf anderen Lehrstühlen erhalten wird. Und die StudentInnen sind nicht blöd, das sind tatsächlich Kinder unserer Zeit.

 

Objektivität entsteht im Diskurs, keiner hat sie gepachtet. Du nicht, ich nicht.

bearbeitet von nannyogg57
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vor 7 Minuten schrieb nannyogg57:

Historiker sind nicht weltfremd. Sie sind ihrem Forschungsgegenstand gegenüber neutral. Das bist du definitiv nicht in deinem obigen langen Post gewesen.

 

Historiker sind in der Regel nicht neutral, wenn du damit wertfrei meinst, und das bin ich auch nicht. Nur versuche ich, meine Wertungen aus dem Gegenstand selbst zu  ziehen, nicht aus heteronomen, politischen oder ideologischen Wertungen. So habe ich nicht wirklich Sympathie für die heidnischen Kulte, und ein Christentum, wie es heute in Europa üblich ist, wäre vermutlich für die ferne Vergangenheit ein Gewinn gewesen.

 

Aber so funktioniert die Geschichte nicht. Ich denke, wenn ich mit meinen Kriterien eine andere Epoche der Geschichte mit dir diskutieren würde, würden wir vermutlich weniger unterschiedlich urteilen. Ich schließe daraus, daß nicht meine historische Wertung das Problem ist, sondern deine Wertschätzung des Christentums, die du auf die Vergangenheit überträgst, obwohl die Christen damals dir in der persönlichen Begegnung mindestens so unangenehm wären wie mir. Ich halte es also für möglich, daß nicht meine mangelnde Distanz zum damaligen Christentum das Problem ist, sondern dein Engagement für das heutige.

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Ich denke, dass es damals wie heute Leute gab, die unsympathisch waren, und solche, die es nicht waren. Da, auf Grund der von dir genannten Umstände, das Wirken vieler prominenter Christen in ihren Schriften gut dokumentiert ist, kann man sich da schon ein Bild machen. Ich leugne nicht, bei der Lektüre der Predigten eines Zeno von Verona die Augen verdreht zu haben oder Augustinus noch heute für verschroben zu halten. Ich entdecke Gedankengänge, die mich begeistern, und ich bin mir sicher, Basilius von Cäsarea war eine außergewöhnliche Person, die auch nach heutigen Maßstäben Großes geleistet hat. Ich weiß auch, dass Diokletian, bis auf seine Leidenschaft, Christen wegen mangelnder Opferbereitschaft in den Tod zu schicken, kein übler Herrscher war.

 

Ich finde Justinian dämlich. Ich mag Gregor den Großen, auch wenn er verschrobene Ansichten über Sex hatte, ich habe Respekt vor Leo, ich finde Kyrill von Alexandria hat irgendwas von Söder und Athanasius war vermutlich persönlich ziemlich seltsam, hatte aber christologisch einfach recht.

 

Hieronymus hatte seine Groupies, vielleicht wäre ich eine davon gewesen.

 

Meine Wertschätzung des Christentums betrifft nicht die Personen der Kirchengeschichte. Sie betrifft ihren Gründer, wenn man so will, Jesus von Nazaret.

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vor 5 Stunden schrieb Xamanoth:

Ich stieß im vorbezeichneten Buch noch auf einen weiteren Gedanken, der mir, mit leicht geänderten Inhalten, ebenfalls bereits präsent war, der für die meisten hier wohl nichts neues darstellt: Das sich im Wesen Christi mindestens drei "Jesusse" überlagern.

 

a) Das Lamm, dessen Blut notwendigerweise vergossen wird, um die Welt zu erlösen. Das ultimative Opfer. Nicht sein vorleben, nicht was er tut, im Grunde auch die Auferstehung ist nicht von fundamentaler Bedeutung, sondern sein Blutvergiessen, als Erlösung für die Sünden aller Welt. Hierauf, und nur hierauf, gründet sich das "wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet", nämlich im Annehmen dieses Blutes zum abwaschen der eigenen Sünden, als Rettung vor ewiger Hölle, wo der Wurm nicht stirbt. Ein Bild von faszinierender, archaischer, anachronistischer Kraft.

 

 

b ) Der Liebe Jesus. Der Jesus der Bergpredigt, der Vergebung, Liebe etc. predigt, dessen Sorge selbst bei der Verhaftung der Wunde eines seiner Häscher und in der Todesstunde dem Seelenheil eines Mitgekreuzigten gilt. Über diesen Jesus schrieb Nietzsche zurecht "Der einzige Christ starb am Kreuz".

 

c) Der - und diesen Gedanken fidne ich interessant, er wird nämlich meist verschwiegen - der identitäre Jesus. Sozusagen. Der das Schwert bringen will, statt des Friedens. Der gesandt ist nur zu den Schafen des Hauses Israel. Der mit "Liebet eure Feinde" natürlich nur die Feinde innerhalb Israels meint, wie auch der "Nächste" der Tora nur der Nächste in der Sippe innerhalb Israels war. Ein Messias eines bedrängten, von Feinden besetzten Volkes, dass sich des auserwähltseins durch den Weltenschöpfer und ultimativen Gesetzgeber bewusst ist.


Da es aber nicht drei Jesusse gegeben hat, sondern einen, ist die Herausforderung der Nachfolge, diese drei Aspekte so zu verstehen zu lernen, dass sie sich nicht mehr widersprechen, sondern dass  alles zusammenpasst.
(Z.B. geht dein dritter Punkt, so wie du das verstehst, ganz sicher nicht mit dem zweiten zusammen!)
 

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vor 6 Stunden schrieb Xamanoth:

c) Der mit "Liebet eure Feinde" natürlich nur die Feinde innerhalb Israels meint, wie auch der "Nächste" der Tora nur der Nächste in der Sippe innerhalb Israels war. Ein Messias eines bedrängten, von Feinden besetzten Volkes, dass sich des auserwähltseins durch den Weltenschöpfer und ultimativen Gesetzgeber bewusst ist.

Also, bei den Textstellen, die ich nicht mitzitiert habe, kann ich nachvollziehen, dass du sie so interpretieren würdest. Aber wie kommst du darauf, dass Jesus Nächsten- und Feindesliebe selbstverständlich innerisraelitisch gedacht hat?

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vor 15 Stunden schrieb Xamanoth:

Ich stieß im vorbezeichneten Buch noch auf einen weiteren Gedanken, der mir, mit leicht geänderten Inhalten, ebenfalls bereits präsent war, der für die meisten hier wohl nichts neues darstellt: Das sich im Wesen Christi mindestens drei "Jesusse" überlagern.

 

a) Das Lamm, dessen Blut notwendigerweise vergossen wird, um die Welt zu erlösen. Das ultimative Opfer. Nicht sein vorleben, nicht was er tut, im Grunde auch die Auferstehung ist nicht von fundamentaler Bedeutung, sondern sein Blutvergiessen, als Erlösung für die Sünden aller Welt. Hierauf, und nur hierauf, gründet sich das "wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet", nämlich im Annehmen dieses Blutes zum abwaschen der eigenen Sünden, als Rettung vor ewiger Hölle, wo der Wurm nicht stirbt. Ein Bild von faszinierender, archaischer, anachronistischer Kraft.

 

 

b ) Der Liebe Jesus. Der Jesus der Bergpredigt, der Vergebung, Liebe etc. predigt, dessen Sorge selbst bei der Verhaftung der Wunde eines seiner Häscher und in der Todesstunde dem Seelenheil eines Mitgekreuzigten gilt. Über diesen Jesus schrieb Nietzsche zurecht "Der einzige Christ starb am Kreuz".

 

c) Der - und diesen Gedanken fidne ich interessant, er wird nämlich meist verschwiegen - der identitäre Jesus. Sozusagen. Der das Schwert bringen will, statt des Friedens. Der gesandt ist nur zu den Schafen des Hauses Israel. Der mit "Liebet eure Feinde" natürlich nur die Feinde innerhalb Israels meint, wie auch der "Nächste" der Tora nur der Nächste in der Sippe innerhalb Israels war. Ein Messias eines bedrängten, von Feinden besetzten Volkes, dass sich des auserwähltseins durch den Weltenschöpfer und ultimativen Gesetzgeber bewusst ist.

 

Zu 1): Auferstehung gibt es nur mit einer Vorgeschichte und die haengt natuerlich damit zusammen, dass jemand zuerst sterben muss, um aufzustehen, ihr Wert ist aber untrennbar mit seinem Lebenswerk verbunden. Das  kann man nicht trennnen. Nicht das Kreuz ist der Kern des Christentums und der Botschaft des Jesus Christus, sondern dass er lebt. Darum ist bei uns das Kreuz ohne, denn Ostern hebel den Karfreitag aus. 

 

Das mit dem  Fokussieren auf das Blutvergiessen und einer bestimmten Kreuzestheologie ist eine von bestimmten Theologien, mehr aber nicht.  Die Suenden der Welt (was immer man darunter verstehen mag, das ist eine andere Diskussion) sind nicht "wegzuwaschen" mit einer Kreuzigung und einem Blutvergiessen, sondern mit den Folgen dieser Kreuzigung, naemlich der Auferstehung,  dadurch wie es theologisch heisst, Jesus durch Gott gerechtfertigt wurde durch die Auferstehung. Im Grund geht es darum was mit Erloesung der Welt und dem Begriff Suende gemeint ist. 

 

Ohne die Auferstehung waere der Tod von Jesus nur einer von vielen, zeitbedingt ueblichen Foltertoden gewesen, nach denen kein Hahn mehr gekraeht haette. Und ohne sein Leben und seine Botschaft waere diese Kreuzigung gar nicht gekommen.  Mich erinnert dein Punkt 1 eher an diesen unsaeglichen Film (ich habe den Titel vergessen). 

 

Das Kreuz macht nur Sinn durch die Auferstehung und der Brechung der Macht des Todes (der Hoelle). Es geht hier um die Frohe Botschaft, das Leben, und nicht darum, einen Menschen zu Tode zu foltern, nur damit die Welt erloest sei. Wenn das so einfach waere, koennten  wir uns vor Erloesung nicht mehr retten, so immens waere sie, angesichts all der Graeueltaten, durch die Menschen durch die Hand anderer ums Leben kamen. Und auf eine solche Farce von "Erloesung", sorry, kann die Welt verzichten. 

 

Im Bewusstsein der fruehen Christen stand Der Gute Hirte. Die Kreuzestheologie und die ideelle Erhoehung des blutigen Opfers kam erst viel spaeter (und steht im Zusammenhang mit einer bestimmten Gesellschaftsform und ihrem Rechtsverstaendnis von Schuld und Suehne,  ich erinnere, dass Ennasus vor langer Zeit darueber etwas postete). Da sollte man zeitbedingte Auffassungen nicht mit dem Evangelium als solchem verwechseln. Es gibt im Evangelium keinen magischen Zusammenhang zwischen Blut und Erloesung und auch nicht zwischen Opfer und Erloesung. Des weiteren entstand ueber die vielen Jahrhunderte eine voellig ueberbordende und ueberfrachtete Theologie, die sich in vielem unterscheidet von der der fruehen Christen. 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 12 Stunden schrieb Ennasus:


Da es aber nicht drei Jesusse gegeben hat, sondern einen, ist die Herausforderung der Nachfolge, diese drei Aspekte so zu verstehen zu lernen, dass sie sich nicht mehr widersprechen, sondern dass  alles zusammenpasst.
(Z.B. geht dein dritter Punkt, so wie du das verstehst, ganz sicher nicht mit dem zweiten zusammen!)
 

Natürlich hat es nur einen Jesus, gegeben (zumindest m.E. wahrscheinlich), über den konkret wir aber kaum etwas wissen. Und mir geht es keineswegs um Nachfolge. Wie beschrieben, lese ich die Bibel einerseits als Hochliteratur (das ist nicht abwertend gemeint - ich schätze große Literatur außerordentlich), andererseits als historische Quelle.

 

Und als solchen kommt den Evangelien keine höhere Autorität zu als den Biographien Plutarchs oder Suetons (wobei ich ersteren ungleich höher stufe als zweiteren).

 

Die Bibel ist nicht das Werk einer Person, die ein konsistentes Konzept entwerfen wollte, sondern ein Konglomerat der Werke dutzender Autoren dutzender Wertvorstellungen und Intentionen. Das beginnt bereits bei der Genesis, deren Gottesbild ebenfalls nicht wirklich konsistent ist.

 

Macht nichts, die Vorstellungen, die man sich von Wotan , Siegfried oder Batman macht, gehen auch nicht alle recht zusammen.

 

Und ich halte es für sicher, dass der historische Jesus - so er überhaupt greifbar ist - nicht die Intention hatte, eine Weltreligion zu begründen, sich nicht als Retter der gesamten Menschheit verstand, sondern als Jude unter  Juden, und als solcher auch nur zu Juden sprechen wollte. Der Gedanke, hinzugehen und "zu Jüngern alle Völker zu machen" wäre diesem Jesus absurd erschienen. So jedenfalls die These des Buches und was ich auch vorher schon oft gelesen habe, z.B. bei Lüdemann.

 

Bei den quasi kosmopolitischen Aussprüchen handelt es sich hingegen m.E. um Autoren, die im Rahmen bzw. Auftrag einer Kirche mit allumfassenden Anspruch schrieben.

bearbeitet von Xamanoth
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vor 10 Stunden schrieb theresa???:

Also, bei den Textstellen, die ich nicht mitzitiert habe, kann ich nachvollziehen, dass du sie so interpretieren würdest. Aber wie kommst du darauf, dass Jesus Nächsten- und Feindesliebe selbstverständlich innerisraelitisch gedacht hat?

Weil - siehe oben - Jesu als Jude unter Juden schrieb und lehrte. und das ganze antike und prähistorische wie auch alttestamentarische Judentum ist auf Abgrenzung nach außen bedacht. Ich denke nicht, dass Jesus da einen Bruch begründen wollte, zumindest der Jesus eines Teils der Autorenschaft.

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vor 3 Stunden schrieb Long John Silver:

 

Zu 1): Auferstehung gibt es nur mit einer Vorgeschichte und die haengt natuerlich damit zusammen, dass jemand zuerst sterben muss, um aufzustehen, ihr Wert ist aber untrennbar mit seinem Lebenswerk verbunden. Das  kann man nicht trennnen. Nicht das Kreuz ist der Kern des Christentums und der Botschaft des Jesus Christus, sondern dass er lebt. Darum ist bei uns das Kreuz ohne, denn Ostern hebel den Karfreitag aus. 

 

Das mit dem  Fokussieren auf das Blutvergiessen und einer bestimmten Kreuzestheologie ist eine von bestimmten Theologien, mehr aber nicht.  Die Suenden der Welt (was immer man darunter verstehen mag, das ist eine andere Diskussion) sind nicht "wegzuwaschen" mit einer Kreuzigung und einem Blutvergiessen, sondern mit den Folgen dieser Kreuzigung, naemlich der Auferstehung,  dadurch wie es theologisch heisst, Jesus durch Gott gerechtfertigt wurde durch die Auferstehung. Im Grund geht es darum was mit Erloesung der Welt und dem Begriff Suende gemeint ist. 

 

Ohne die Auferstehung waere der Tod von Jesus nur einer von vielen, zeitbedingt ueblichen Foltertoden gewesen, nach denen kein Hahn mehr gekraeht haette. Und ohne sein Leben und seine Botschaft waere diese Kreuzigung gar nicht gekommen.  Mich erinnert dein Punkt 1 eher an diesen unsaeglichen Film (ich habe den Titel vergessen). 

 

Das Kreuz macht nur Sinn durch die Auferstehung und der Brechung der Macht des Todes (der Hoelle). Es geht hier um die Frohe Botschaft, das Leben, und nicht darum, einen Menschen zu Tode zu foltern, nur damit die Welt erloest sei. Wenn das so einfach waere, koennten  wir uns vor Erloesung nicht mehr retten, so immens waere sie, angesichts all der Graeueltaten, durch die Menschen durch die Hand anderer ums Leben kamen. Und auf eine solche Farce von "Erloesung", sorry, kann die Welt verzichten. 

 

Im Bewusstsein der fruehen Christen stand Der Gute Hirte. Die Kreuzestheologie und die ideelle Erhoehung des blutigen Opfers kam erst viel spaeter (und steht im Zusammenhang mit einer bestimmten Gesellschaftsform und ihrem Rechtsverstaendnis von Schuld und Suehne,  ich erinnere, dass Ennasus vor langer Zeit darueber etwas postete). Da sollte man zeitbedingte Auffassungen nicht mit dem Evangelium als solchem verwechseln. Es gibt im Evangelium keinen magischen Zusammenhang zwischen Blut und Erloesung und auch nicht zwischen Opfer und Erloesung. Des weiteren entstand ueber die vielen Jahrhunderte eine voellig ueberbordende und ueberfrachtete Theologie, die sich in vielem unterscheidet von der der fruehen Christen. 

 

Das Rechtsverständnis "von Schuld und Sühne" ist gleichzeitig römisch und germanisch, und ab einem gewissen Punkt sind dies Vorstellungen von der christlichen Lehre kaum noch sauer zu trennen.

 

Der Film hieß "die Passion Christi" und ich finde ihn großartig; denn er zeigt, wie drastisch-drakonisch das Schlachtopfer des Lammes tatsächlich war, was moderne Kreuzesdarstellungen nicht tun. So sah es auch Papst Benedikt.

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Am 17.11.2018 um 15:46 schrieb Xamanoth:

Ich weiß, dass unsere Kunst und Literatur fundamental auch dem Christentum beruht, meine Aussage war allerdings missverständlich. Mit "Kultur" meinte ich hier unser Rechtssystem, unser Verständnis von Ethik, unsere intersubjektiv-kollektiven Wertvorstellungen.

Wobei ich denke, dass die beiden Letzteren stark vom Christentum beeinflusst wurden.

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Am 17.11.2018 um 16:57 schrieb Marcellinus:

 

Nein, ich idealisiere nicht, und ich moralisiere nicht. Ich bin mir der Tatsache, daß ich auch in der heidnischen Antike nicht hätte leben wollen, durchaus bewußt, aber darum geht es auch nicht. Mir geht es um eine möglichst realistische Darstellung der Ereignisse, mehr noch, und darin bin ich eher Soziologe als Historiker, um nachprüfbare Modellen davon, wie damalige Ereignisse zusammengehangen, sich miteinander entwickelt haben.

 

Richtig ist allerdings, daß mit dem Aufstieg des Christentums das Römische Reich nachprüfbar zerfällt, im Westen direkt, im Osten eher indirekt, indem das Oströmische Reich immer mehr Gebiete verliert, bis es Anfang des 13. Jh. aus kaum mehr als aus der Stadt Konstantinopel besteht, und ihm die Lateiner mit ihrem Kreuzzug des Todesstoß versetzen, von dem sich Ostrom bis zur Eroberung durch die Osmanen nicht mehr erholt hat.

 

Wie diese beiden Prozesse zusammenhängen, der Aufstieg des Christentums und der Untergang des Römischen Reiches, das interessiert mich, genauer gesagt, das hat mich interessiert, denn in groben Zügen ist der Ablauf klar (keine Angst, ich werde hier niemanden damit langweilen).

 

Was mich im Moment viel mehr interessiert, und was mit dem oben gesagten zusammenhängt, ist der Aufstieg des Islam, denn man kann die Untergang des Römischen Reiches nicht verstehen, wenn man nicht die drei Teile betrachtet, in die es zerfällt, das Frankenreich im Westen, Byzanz im Osten und Arabien. Es wird oft vergessen, daß das ebenso ein Teil des Römischen Reiches war, und sich in der ersten Expansionsphase in Nordafrika bis nach Spanien vor allem in altem römischen, mittlerweile christianisierten Kulturland rasend schnell ausgebreitet hat. Da ist allerdings die Datenerhebung noch schwieriger, die islamische Religionsgeschichte noch mehr bemüht, einen Schleier von Mythen über die tatsächlichen Ereignisse zu breiten. Aber das ist ein anderes Thema und hier garantiert OT.

 

Wobei es sicher interessant ist.

Ist nun das Christentum " schuld" am Untergang des römischen Reiches oder umgekehrt oder hängt es überhaupt zusammen? Und wie hängen diese Prozesse mit dem Islam zusammen?

Und natürlich gibt es da Mythen, vermutlich auch in nichtchristlichen und nichtislamischen Erzählungen.

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Man kann schon sagen, dass Rechtsnormen und Wertekanon des Staates über weite Strecken nicht nur christlich beeinflusst, sondern in zahlreichen Fällen mit christlicher Morallehre kongruent waren. Das ging in Deutschland u.a. so weit, dass sich die höchste Judikative, das Bundesverfassungsgericht, noch im Jahre 1957 in seiner Entscheidung zur Strafwürdigkeit homosexueller Akte ziemlich direkt auf alt- und neutestamentliche Vorstellungen bezog, die auch im säkularen Recht prägend wirkten; ganz so wie es das Preußische Allgemeine Landrecht zuvor tat.

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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