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Seltsame Gedanken, die Bibel zu lesen


nannyogg57

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vor 14 Minuten schrieb Ennasus:

Was ich bis jetzt verstanden zu haben glaube: Es geht - wenn man der Spur der Namen folgt - um Verbundenheit und Treue und Zuverlässigkeit in der Befolgung von Regeln ("Levi"), um die Auseinandersetzung damit, wie es ist, wenn es einem gut geht, wenn alles gelingt und man das nicht einordnen kann und sich in diesem Gutgehen nicht wohl fühlen kann (Levi lebte "als Fremder im entlegensten Teil des Gebirges Ephraim" (Ephraim  - "Doppelfruchtbarkeit!")), es geht um die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Gedanken.
Wer setzt sich durch? Was hat Vorrang? Was wird geopfert?

 

Sehe ich das richtig, dass Du die wörtliche Bedeutung hebräischer Namen als gezieltes Spurenlegen zum Symbolgehalt der Texte verstehst? Dann bedeutet das Neme Ephraim (als Bezeichnung eines Gebirges) wörtlich "doppelte Fruchtbarkeit"?

 

vor 18 Minuten schrieb Ennasus:

und er geht auf die Suche nach ihr, mit seiner Sehnsucht (den Eseln) und seiner Bereitschaft zu dienen (seinem Knecht).

 

Das mit dem Knecht leuchtet ein. Aber warum sind Esel ein Symbol für Sehnsucht? Es macht sich doch nicht jeder, der sich sehnt, damit zum Esel! Oder wäre das ein gedanklicher Kurzschluss?

Alfons

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vor 1 Minute schrieb Alfons:

 

Sehe ich das richtig, dass Du die wörtliche Bedeutung hebräischer Namen als gezieltes Spurenlegen zum Symbolgehalt der Texte verstehst? Dann bedeutet das Neme Ephraim (als Bezeichnung eines Gebirges) wörtlich "doppelte Fruchtbarkeit"?


Ja. Ephraim = doppelt fruchtbar, doppeltes Erbteil.

Es sind immer sprechende Namen (auch die der Landschaften), die das Themenfeld eines Textes vorgeben. Nur leider ist es für nicht hebräisch Sprechende wie mich ziemlich mühsam, das jeweils nachzusuchen. (Hier gibt es übrigens online ein Lexikon zum Runterladen dazu.)
In der jüdischen Tradition wurde aber seit je her so gearbeitet: Die Rabbinen versuchten immer schon buchstabengetreu und rational die Geheimnisse der Wortwahl zu ergründen und die Texte auf dieser Basis auszulegen. (Die kabbalistisch-mystisch Religiösen tun das auch, aber sie lassen sich noch mehr intuitiv auf die Bilder ein.)

Zum Esel :):
"Sehnsucht" ist für mich einfach die wichtigste Assoziation, die ich zu den biblischen Eseln habe.
Dass ich das so verstehe, hängt mit einigen anderen Texten zusammen, in denen Esel vorkommen: Warum benutzt Jesus z.B. ausgerechnet so ein Tier zum Einreiten nach Jerusalem?
Klar, da drängt sich die Verbindung zur alttestamentlichen Verheißung mit dem Friedensfürsten auf und dass Jesus (oder die Evangelisten) diesen Zusammenhang herstellen wollte. Aber warum reitet dieser Friedensfürst auf einem Esel? Und was hat z.B. Bileams Esel für eine Funktion?


Mir kommt vor, immer, wenn ein Esel in der Bibel auftaucht, geht es um die Frage:
Was trägt uns vorwärts, auf was "reiten" wir dorthin, wo wir hinkommen wollen? Was weiß um die richtige Richtung?
Ein Esel in der Wüste weiß das. Und für mich ergeben diese Stellen Sinn, wenn ich den Esel als Bild für die Sehnsucht verstehe. Oder auch als Bild für den Alltag, für die Achtsamkeit im ganz banalen Alltag mit all seinen vielen notwendigen, mühsamen Schritten.

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vor 9 Stunden schrieb rince:

Nun spricht die Bibel bei der Noah-Geschichte sehr wohl von Gott... :unsure:

 

Sag doch einfach ehrlich: Man soll die Bibel nur wörtlich nehmen, wenn sie von Gott so spricht, wie es in dein Gottesbild ("Gott ist ein Hirte, ein Burg, ein Fels.") passt, und da, wo sie vom Gott als Schlächter und Auftraggeber für Mord und Genozid berichtet, ganz selbstverständlich nicht.

 

Cherrypicking vom feinsten, nichts Neues unter der Sonne...

 

Sorry, da habe ich wohl schlampig formuliert. Ich gehe davon aus, dass die Sintflut so nicht stattgefunden hat. Unleugbar aber ist, dass der Text ein konkretes Gottesbild transportiert, das ernst genommen werden muss. Es besagt, dass der Schöpfer das Recht hat, seine Schöpfung rückgängig zu machen. Es wird ein Grund angegeben, warum er das macht, nämlich die Schuld der Menschen. Es erzählt, dass Gott diesen Beschluss nicht zurücknimmt, aber mit Noach der Schöpfung einen Neuanfang einräumt und es erzählt, dass Gott beschließt, nie wieder eine Vernichtung der Erde anzustreben.

 

Assoziationen daran, dass die Schöpfung ohne Einwirken Gottes durch der Menschen Schuld gefährdet ist, dass wir Harmageddon für wahrscheinlicher halten als die Vollendung des Gottesreiches. all diese Gedanken kann man dann sekundär an diese seltsame Geschichte herantragen.

 

Für den Untergang der Schöpfung brauchen wir Gott nicht.

bearbeitet von nannyogg57
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vor 19 Minuten schrieb nannyogg57:

Für den Untergang der Schöpfung brauchen wir Gott nicht.

 

Ohne Schöpfer gibt es auch keine Schöpfung, und damit auch nicht deren Untergang. Diese Welt ist ein autonomer, selbststeuernder aber bewußtloser und sinnloser Prozeß.  Untergehen kann die Welt, die wir Menschen miteinander bilden, aber selbst das ist nicht besonders wahrscheinlich. Oder wie es Philipp Blom in seinem Buch "Böse Philosophen" formuliert: 

 

"Die Möglichkeit, die Menschheit könnte sich auch noch einige weitere Jahrtausende irgendwie durchmogeln (die bei weitem wahrscheinlichste), sie könnte einige Katastrophen vermeiden und andere erleiden, am Ende aber weder dem Himmel noch der Hölle wesentlich näher sein als heute, entspricht unseren kulturellen Instinkten deutlich weniger. Unsere theologisch konditionierten Hirne denken lieber in Bildern wie Erlösung und Verdammnis, und damit auch Belohnung und Strafe, als mit der Erwartung einer Zukunft voller Zufälle und Zwänge, unvorhersehbar, sinnlos, ohne Ziel."

 

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Naja, das führt jetzt vom Threadthema weg, aber der deuteronomistische Gedanke, dass jedes Unglück dieser Erde - das Universum mag kein Bewusstsein haben, aber wir Menschen haben es nun mal - auf uns zurückzuführen sei, hat sich in der modernen Welt erhalten. Das stimmt, zum Teil. Aber manche Leute haben sogar die Theorie aufgestellt, Erdbeben hätten menschengemachte Gründe! Wenn, dann wollen wir wenigstens wegen unserer Sünden sterben und nicht wegen eines blöden Zufalls.

 

Und Durchmogeln allein ist kein sinnerfüllender Daseinszweck. Wir sind nun mal keine Mikroben, so ein Mist aber auch.

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vor 11 Minuten schrieb Marcellinus:

Du magst versuchen, deinem Dasein einen Sinn geben zu wollen, aber das kannst du nur, weil diese Welt keinen hat.

Mit diesem Befund über die Welt bist du auf einer Linie mit Paulus. "Nichtigkeit" kann man auch mit "Sinnlosigkeit" übersetzen.

 

Römer 8, 20 Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin

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vor 7 Minuten schrieb duesi:

Mit diesem Befund über die Welt bist du auf einer Linie mit Paulus. "Nichtigkeit" kann man auch mit "Sinnlosigkeit" übersetzen.

 

Römer 8, 20 Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin

 

Nur mit dem entscheidenden Unterschied, das dieser Paulus, so es ihn denn gegeben hat, sich ein metaphysisches Jenseits herbeifantasiert hat, was mir durchaus fern liegt.

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@Marcellinus: Mach dich nicht lächerlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Paulus gegeben hat, ist ziemlich hoch. Das Thema hatten wir schon mal. Du kannst dich hier natürlich als Verschwörungstheorie-Experte für die Antike outen, aber ohne mich als Widerpart. Dafür ist mir zum zweiten Mal meine Zeit zu schade.

 

@duesi: Diese Welt hat keinen Sinn. Ohne Metaphysik. Erläutere das. Das klingt spannend.

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vor 20 Minuten schrieb nannyogg57:

@Marcellinus: Mach dich nicht lächerlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass es Paulus gegeben hat, ist ziemlich hoch.

 

Ob meine Ansichten hier jemand lächerlich findet, ist mir egal. Ich habe nicht behauptet, daß es ihn nicht gegeben hat. Es war einfach die Einschränkung, die der Historiker sich selbst schuldet, wenn es um eine Figur geht, für die es außerhalb der christlichen Tradition keinen Beleg gibt. 

bearbeitet von Marcellinus
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Ich denke, dass der Begriff "Jenseits" dem nicht gerecht wird, was Paulus verkündet hat. Das, was in der Bibel mit dem kommenden "Reich Gottes, das bereits unter uns ist", mit "Wiederkunft Christi", mit "neue Schöpfung" usw. versprachlicht wird, hat durchaus mit DIESER Welt zu tun. Nicht, dass ich nicht an die leibliche Wiederkunft Christi glauben würde. Und ich will dir auch gar nicht einreden, daran zu glauben. Auch das, was die Kirche als die "Gottesschau" bezeichnet, die den Heiligen schon jetzt nach Lehre der Kirche zuteil geworden ist, ist kein "Jenseits" im strengen Sinne. Die Verheißung des "neuen Himmels und der neuen Erde, wo Gerechtigkeit wohnt" ist Verheißung und Aufgabe zugleich. Und dafür braucht es keine Metaphysik. Es ist ein Lebenssinn, den sich Christen selbst gegeben haben im Vertrauen auf Christi Verheißungen. Ein Lebenssinn, der sich eben nicht zwingend aus der Gegebenheit dieser Welt ergibt. Das ist aber ein riesiger Unterschied zu der Hybris der Kommunisten, die meinten, sie WÜSSTEN, wie das Paradies Wirklichkeit werden könnte. Deshalb ist der Kommunismus zur totalitären Ideologie verkommen. Und ja, es ist eine Gefahr, der das Christentum auch erliegen kann, wenn die notwendige Demut fehlt. Aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken und aufzugeben. Die Geschichten, die Christen zu erzählen haben, von Oskar Romero, von Franz Jägerstätter, von Vinzenz von Paul und eben auch von Christus selbst, ach, die Kirche hat ja viele Geschichten zu erzählen, können auch einem Atheisten, der nicht an metaphysische Zusammenhänge glaubt, Inspiration geben, wenn er denn offen ist, sich darauf einzulassen. Die Freiheit, dir einen eigenen Lebenssinn zu geben, der nicht mit der christlichen Hoffnung in Beziehung steht, sei dir unbenommen.

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„Sinn“ ist eine individuelle, subjektive Kategorie, weil sie Bewußtsein voraussetzt und es kein kollektives Bewußtsein gibt. Menschen dagegen gibt es nur im Plural, nur in der Gesellschaft mit anderen. Entsprechend findet das, was wir tun, seinen Sinn nur in der Beziehung zu anderen Menschen, und das Gefühl der Sinnlosigkeit ist eben nur das, ein Gefühl, das sich ergibt, wenn wir uns unserer Beziehungen zu anderen nicht bewußt sind. 

 

Die Behauptung der Sinnlosigkeit unseres individuellen Lebens ist also nichts als der Versuch, unsere Existenz auf „den Menschen“ zu reduzieren, als wenn es Menschen im Singular gäbe. Es ist eindeutig eine Fehltheorie, die aber bis heute von Religion wie Philosophie gepflegt wird. Es wird Zeit, sie als das zu entlarfen, was sie ist: ein Irrtum.

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vor 1 Minute schrieb Marcellinus:

Die Behauptung der Sinnlosigkeit unseres individuellen Lebens ist also nichts als der Versuch, unsere Existenz auf „den Menschen“ zu reduzieren, als wenn es Menschen im Singular gäbe. Es ist eindeutig eine Fehltheorie, die aber bis heute von Religion wie Philosophie gepflegt wird. Es wird Zeit, sie als das zu entlarfen, was sie ist: ein Irrtum.

Ich habe nicht behauptet, dass unser individuelles Leben keinen Sinn haben würde. Es kann in unserem individuellen Leben und Beziehungsgeflecht vieles geben, was uns ausfüllt und uns Sinn gibt. Aber wir sind Menschen, die den SInn, den sie ihrem Dasein geben, reflektieren und hinterfragen können und sich täglich neu dafür entscheiden können, welchen Sinn ihr Dasein haben soll. Und deshalb ruft Jesus zur metanoia, zur Umkehr auf, unser Denken anhand der Wirklichkeit und der Wahrheit zu überprüfen und neu auszurichten. Und auch dafür braucht es keine Metaphysik. Und auch da steht es jedem frei, diesen Ruf zu ignorieren oder sich für diesen Ruf zu öffnen.

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Long John Silver
vor 11 Stunden schrieb Ennasus:


Ich glaube nicht, dass man in jedem Stück Text der Bibel einen spirituellen Wert finden m u s s. Aber man k a n n - vor allem in den Texten, die einigen beschäftigen, ärgern, anrühren, ...
Sobald ein solcher Text die eigenen abgespeicherten Emotionen und Bilder anrührt, nimmt er Kontakt auf mit unserer "Seele" und fordert uns dazu heraus, unsere Antwort auf diese Berührung zu finden. Und - ich denke, darum sind das seit je her "heilige Texte" - unsere Anteilnahme, unsere Bereitschaft, uns in dieser Auseinandersetzung mit dem Text bewegen und verändern zu lassen, macht, dass wir wirklich bewegt und verändert werden, in allen vorgefertigten Bewusstseins- und Gedächtnisstrukturen.

Das heißt nicht, dass jeder Text spirituell erbaulich sein muss, ganz im Gegenteil, es gehört zum Wesen von Symboltexten, dass sie einfach nur bebeildern, was passiert, wenn...
Sie können durchaus auch Warnung sein vor Irrwegen, vor Sackgassen, vor einem Tun, Denken oder Fühlen, das zum Tod führt. 
Stellung dazu beziehen und Konsequenzen für unser Handeln daraus schließen, das müssen wir mit unserem bewussten Ich.

Gehen tut es dabei immer primär um das individuelle lebendige Sein eines jeden. Dass es in der Geschichte Israels eine Ambivalenz gegenüber dem Königtum gab und dass es eine Zeit gab, in der Richter das Land regierten, ist vor allem darum wichtig, weil mit Hilfe dieser Geschichte etwas über die Geschichte eines jeden Menschen gesagt wird. Mit Hilfe dieser Geschichten würde für uns das Geheimnis des Zukünftigen Schritt für Schritt lebbar gemacht. Sie zeigen - wenn wir ihnen Gehör schenken und ihnen folgen - die richtig (lebensfreundliche) Richtung ins noch Ungewordene.

Worum es konkret bei dieser Stelle geht, das fände ich spannend herauszufinden.
Was ich bis jetzt verstanden zu haben glaube: Es geht - wenn man der Spur der Namen folgt - um Verbundenheit und Treue und Zuverlässigkeit in der Befolgung von Regeln ("Levi"), um die Auseinandersetzung damit, wie es ist, wenn es einem gut geht, wenn alles gelingt und man das nicht einordnen kann und sich in diesem Gutgehen nicht wohl fühlen kann (Levi lebte "als Fremder im entlegensten Teil des Gebirges Ephraim" (Ephraim  - "Doppelfruchtbarkeit!")), es geht um die Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und Gedanken.
Wer setzt sich durch? Was hat Vorrang? Was wird geopfert?
Da gibt es eine "Nebenfrau" (ein "Nebengefühl", eine "Neben-Ahnung", aus Bethlehem, dem Haus des Brotes, dem Grundnahrungsmittel für die Liebe) - ein Gefühl der Liebe. Und dieses Gefühl wird zu Zorn - vielleicht darüber, dass die Liebe nicht einfach gelebt und das Glück nicht einfach dankbar genossen wird. Die Nebenfrau aus Bethlehem zieht sich dorthin zurück, woher sie gekommen ist - und er geht auf die Suche nach ihr, mit seiner Sehnsucht (den Eseln) und seiner Bereitschaft zu dienen (seinem Knecht).
Es geht dann wohl irgendwie um Gedanken, die einen umwerben, zum Bleiben auffordern, immer wieder, aber es scheint dem treuen zuverlässigen Regelbefolger dabei nicht wohl zu sein und er will wieder zurück in sein Fremdsein. Als ob er seinem seinem Glück nicht trauen will. Oder vielleicht hat er Angst vor der Mühsal und vor der Arbeit, die ein solches Bleiben in der Liebe bedeuten würde - er haut vor dem 6. Tag ab (6 ist die Zahl vor der 7, vor der Fülle, 6 Tage arbeiten, dann ist Sabbath, 6 Jahre Sklavenarbeit, dann Befreiung,...) - ich weiß nicht, ich bin am Suchen.
Was dann jedenfalls passiert, ist sicher nichts Richtiges: Man darf seine Gefühle und seine Intuition nicht den rationalen "ruchlosen" Gedanken preisgeben, auch wenn die noch so drängend das Haus umstellen - die Folgen, wenn man sich auf diese Weise selbst verrät, sind definitiv fatal für das ganze Gefüge.

 

Ja, das ergaenzt fuer mich gut mit  dem, was ich ich ueber den Text denke. Ich versuche es einmal,  die beiden Ebenen zusammen zu bringen.

 

Es sind nicht nur die  "eigenen ruchlosen" Gedanken, es ist  (und da denke ich gerade an die aktuelle Zeit, in der wir leben, mit der endlosen Ueberfluetung mit  Informationen und Meinungen und Ansichten aus allen Ecken und Kanten, die behaupten, sie seien richtig, so solle man denken, fuehlen und sich orientieren, bis hin zu dem, was hier im Forum neulich als Fortschritt angepriesen wuerde, naemlich, es gaebe nur eine Art ueber die Gesellschaft nachdenken und diskutieren und die nicht fraglos zu uebernehmen,  sondern daraus ausscheren zu wollen, sei  sogar schaedlich fuer die Gesellschaft). 

 

Da kommt das innere Verlangen, sich anzupassen, mit halten zu wollen,  sich lieb Kind zu machen, und eins ums andere wird aufgeben und zerrieben, was eigentlich einem wertvoll war bzw. wonach man sich sehnt.

 

Ja, diese Passage, wie der Mann immer wieder aufgefordert wird, zu bleiben, hat einen besonderen Stellenwert in der Geschichte, zuerst ja irgendwie unverstaendlich. Fast bedrohlich. 

 

Ja, ich glaube, dass diese Geschichte sehr akuell ist (immer noch, an diesen inneren Mechanismen hat sich seit damals nichts geaendert und zwar funktioniert die Art und Weise, wie Dinge und Ansprueche einem korrumpieren wollen, heute etwas anders und ist auch viel massiver, aber im Grund ist es dasselbe Lied, naemlich fuer sich zu sortieren, was fuer unverzichtbar gehalten wird und nicht aufgeben darf, um einem selbst willen. 

 

Sonst geht es einem wie diesem Mann. "Aber sie antwortete nicht mehr".  Das ist so ein Schluesselsatz.  Was ist jetzt mit den Fragen, die man vielleicht doch noch hat, wenn das, was antworten koennte, gestorben ist, ausgeblutet, nur noch eine Huelle?

 

In einem breiten Bogen waere  durchaus auch auf das zu  kommen, was hier in einem anderen Thread als Glaubensverdunstung bezeichnet wurde. Man kann Glauben auch selbst zerstoeren in sich, wenn man die Entfremdung (von den eigenen Werten) akzeptiert, die andere (oder die Gesellschaft) einem als Gewinn anpreisen.

 

Also, ein Text, der ganz aktuelle Bezuege hat und wie ich meine, auch fuer einem selbst.

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Am 29.10.2018 um 08:52 schrieb nannyogg57:

Das Buch der Richter ist so ein Fall, wo man beim Lesen eher auf Alkoholmissbrauch durch die Verfasser als Inspiration durch den heiligen Geist schließt. 

 

Wenn man Beides ausschließt, dann hat man einen Plot, der als Vorlage für Game of Thrones dienen könnte. 

 

Damit habe ich, für mich, einen ersten hermeneutischen Schlüssel: Es handelt sich um Unterhaltungsliteratur, Genre Sex und Crime. 

... 

Und ich würde da keinen vierfachen Schriftsinn drüberlegen. Da kommt nichts Gutes bei raus.

 

Ich denke, der hermeneutische Schlüssel zum Buch der Richter findet sich im Buch selbst, in seinem letzten Satz:

 

"In jenen Tagen gab es keinen König in Israel; jeder tat, was in seinen eigenen Augen recht war." (Ri 21,25)

 

Das Buch bietet einen durchaus realistischen (wenn auch natürlich erzählerisch komponierten) Blick auf Geschehnisse in einer Gesellschaft, in der Gott nicht König ist.

 

Ähnlich wie auch an vielen anderen Stellen der hebräischen Bibel (z. B. die eben erwähnte Sintflut-Geschichte) gehen die Verfasser von einem negativen Menschenbild aus. Der Mensch ist böse und den anderen Menschen von Natur aus ein Wolf. Selbst vermeintlich moralisch/rechtlich richtige Handlungen der Akteure führen letzten Endes nur zu Mord, Krieg und sexueller Ausbeutung.

Ohne Gott als König versinkt eine Gesellschaft in Dunkelheit, Gewalt und Anarchie.

 

Gottes Königsherrschaft muss dabei auch und gerade die staatliche Herrschaft mit umfassen. Wie die spätere Geschichte im Buch der Könige und im Samuel zeigen wird, genügt es dabei auch nicht, formal eine Monarchie zu sein und einen König zu haben, wenn dieser sich nicht auch selbst der unbedingten Königsherrschaft Gottes unterwirft. Gott muss König sein - überall und ausnahmslos. Dann - und nur dann - kamn ein friedliches und gerechtes Leben im Einklang mit der Schöpfung gelingen.

 

Insofern finde ich das Buch der Richter durchaus vom Heiligen Geist inspiriert und auch heute noch inspirierend, wenn es darum geht, an einer Welt mitzubauen, in der Gott König ist. 

 

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vor 10 Stunden schrieb nannyogg57:

Es wird ein Grund angegeben, warum er das macht, nämlich die Schuld der Menschen.

Damit sich der Schöpfer bequem aus der Verantwortung stehlen kann für seine schlampige Schöpfung, zu der der Mensch ja gehört, schiebt Gott dem Menschen den Schwarzen Peter zu.

 

Eine Bankrotterklärung für einen allmächtigen und allwissenden Schöpfergott und der Beweis, dass der biblische Gott ein jämmerlicher und feiger Versager ist, unfähig, sein eigenes Versagen einzugestehen, der die Schuld lieber auf andere schiebt. Typisch menschlich halt, was nicht weiter verwundert, da es sich um von Menschen erfindene Geschichten über einen von Menschen ausgedachten Gott handelt.

 

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vor 43 Minuten schrieb rince:

Damit sich der Schöpfer bequem aus der Verantwortung stehlen kann für seine schlampige Schöpfung, zu der der Mensch ja gehört, schiebt Gott dem Menschen den Schwarzen Peter zu.

 

Eine Bankrotterklärung für einen allmächtigen und allwissenden Schöpfergott und der Beweis, dass der biblische Gott ein jämmerlicher und feiger Versager ist, unfähig, sein eigenes Versagen einzugestehen, der die Schuld lieber auf andere schiebt.

 

 

"O Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Sagt etwa das Werk zu dem, der es geschaffen hat: Warum hast du mich so gemacht? Ist nicht vielmehr der Töpfer Herr über den Ton? Kann er nicht aus derselben Masse ein Gefäß herstellen zu ehrenhaftem, ein anderes zu unehrenhaftem Gebrauch? Wie aber, wenn Gott in der Absicht, seinen Zorn zu zeigen und seine Macht zu erweisen, die zur Vernichtung bereiteten Gefäße des Zorns mit großer Langmut ertragen hat, auch um den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefäßen des Erbarmens zu erweisen, die er zuvor zur Herrlichkeit bestimmt hat?" (Röm 9,20 ff.)

 

Wenn Eltern ihre Kinder lieben, müssen sie sie irgendwann in die Freiheit und Selbständigkeit entlassen. - Und diese Freiheit bedeutet dann zugleich auch die Verantwortung für das eigene Leben und Handeln. Genauso wenig, wie es eine "Bankrotterklärung" der Eltern ist, wenn die erwachsenen Kinder auf 'die schiefe Bahn' geraten, genausowenig trifft Gott dieser Vorwurf. Der jüdisch-christliche Gott ist Vater (und Mutter) und kein Computerspieler. Wir sind keine künstlichen Avatare mit von Gott beliebig kombinier- und definierbaren Charaktereigenschaften, sondern wir sind Gottes Ebenbild. Vielfältig, bunt und zur Freiheit berufen.

 

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Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.

 

Eltern sind weder allmächtig noch allwissend.

 

Aber du plädierst anscheinend nun dafür, dass Eltern ihre Kinder umbringen dürfen, wenn sie Mist bauen?

bearbeitet von rince
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vor 37 Minuten schrieb rince:

Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.

 

Eltern sind weder allmächtig noch allwissend.

 

 

Natürlich sind sie nicht all-mächtig und all-wissend, sonst wären sie ja Gott.
Im Hinblick auf das Leben ihrer Kinder sind sie jedoch sehr wohl mächtig und wissend.

 

Wie jeder von seinen eigenen Eltern weiß, bleiben diese zeitlebens im Leben, Denken und Handeln des Kindes präsent und wirksam. Man kann sich ihrem Einfluss überhaupt nicht völlig entziehen, selbst wenn man das gerne möchte. Dazu haben die Eltern im Körper und Geist viel zu tiefe Spuren hinterlassen. Ja, gerade wenn man sich ihnen besonders bewusst entziehen möchte, wirkt ihre Präsenz besonders stark nach.

 

Auch wissen wir als Eltern nur deswegen nicht alles von unseren Kindern, weil wir irgendwann nicht mehr alles wissen 'wollen' . Also den Kindern die Freiheit geben, ihre eigenen Wege zu gehen. Wir tun dies, weil wir sie lieben und sie nicht als unsere Sklaven ansehen, die es rund um die Uhr zu kontrollieren gilt.

 

Auch ein liebender Gott, der alles in allem wirkt, wird nicht alles wissen wollen. Denn anderenfalls gäbe es keine Freiheit mehr sondern nur noch vollendeten Determinismus. Wir wären keine Personen mehr - kein Gegenüber Gottes - kein Ich und Du - sondern nur künstliche Avatare in einem globalen Computerspiel.

 

Das wäre nicht mehr mein Gott. 

 

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vor 23 Minuten schrieb Fidelis:

 

Auch ein liebender Gott, der alles in allem wirkt, wird nicht alles wissen wollen. Denn anderenfalls gäbe es keine Freiheit mehr sondern nur noch vollendeten Determinismus. Wir wären keine Personen mehr - kein Gegenüber Gottes - kein Ich und Du - sondern nur künstliche Avatare in einem globalen Computerspiel.

 

Das wäre nicht mehr mein Gott. 

 

Ich habe eurer Phantasiefigur nicht das Attribut "allmächtig" verpasst. Auch habe ich nicht die göttliche Vorsehung erfunden.  Mit den daraus resultierenden Logik-Problemen müsst ihr alleine klar kommen, ich weise ja nur auf sie hin. Mich selber tangiert das ja mal gar nicht.

 

Aber eure geistigen Verrenkungen, um diese Behauptungen mit euren anderen Wunschvorstellungen und dazu noch mit der Realität in Einklang zu bringen, sind immer wieder unterhaltsam belustigend.

bearbeitet von rince
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vor 11 Stunden schrieb duesi:

Ich habe nicht behauptet, dass unser individuelles Leben keinen Sinn haben würde. Es kann in unserem individuellen Leben und Beziehungsgeflecht vieles geben, was uns ausfüllt und uns Sinn gibt. Aber wir sind Menschen, die den SInn, den sie ihrem Dasein geben, reflektieren und hinterfragen können und sich täglich neu dafür entscheiden können, welchen Sinn ihr Dasein haben soll. Und deshalb ruft Jesus zur metanoia, zur Umkehr auf, unser Denken anhand der Wirklichkeit und der Wahrheit zu überprüfen und neu auszurichten. Und auch dafür braucht es keine Metaphysik. Und auch da steht es jedem frei, diesen Ruf zu ignorieren oder sich für diesen Ruf zu öffnen.

 

Wer täglich den „Sinn“ seines Lebens hinterfragt, hat aus meiner Sicht ein ernstes Problem, und wird vermutlich im Leben kaum etwas Nützliches zustande bringen, weder für sich noch für andere. Vielleicht stellt er aber auch nur die falschen Fragen.

 

Was diesen Jesus betrifft, der ist seit 2000 Jahren tot. In dieser langen Zeit hat man ihn schon als alles mögliche angepriesen, als Wunderheiler, Zauberer, Wanderprediger, göttlicher Erlöser, Pantokrator, usw. Entsprechend zahlreich waren und sind die Richtungen, in die Menschen in seinem Namen „umkehren“ sollten.

 

Hinzu kommt, daß die allermeisten dieser Rollen (einschließlich des schließlich als für Christen allgemein verbindlich behaupteten Glaubensbekenntnisses) eben nicht ohne Metaphysik auskommen. Wenn aber über fast 2000 Jahre eine Idee immer wieder anders verkauft worden ist, und immer mit dem Anspruch, das wäre nun endlich die „einzige, alleinige und absolute Wahrheit“, dann kommt irgendwann der Augenblick, an dem eine Idee einfach verbraucht ist.

 

Jeder mag natürlich glauben, was er will, nur sollte er sich eben nicht wundern, wenn das auf Außenstehende wenig Eindruck macht. Ich bin zum Glück frühkindlicher, religiöser Indoktrinierung entgangen. Historisches Interesse hat mich dann mit allen möglichen Religionen und Weltanschauungen in Kontakt gebracht, und so faszinierend diese Produkte menschlicher Fantasie auch sein mögen, schon der Vergleich relativiert sie alle.

 

Das Christentum hast sich viel Mühe gegeben, die Götter der heidnischen Religionen für Dämonen oder mehr noch für nicht existent zu erklären. Letztlich haben die Christen damit den Gedanken in die Welt gesetzt, der sich nun, wo seit 500 Jahren die Macht ihrer Kirchen langsam schwindet, gegen auch ihren Glauben richtet.

 

Immer mehr Menschen, mich eingeschlossen, halten es für eine Tatsache, daß wir uns in unserem Leben nicht auf die Hilfe übernatürlicher Vater- oder Muttergestalten verlassen können, sondern wir Hilfe nur bei uns selbst und unseresgleichen erwarten dürfen. Das stellt umso dringender die Frage, wie wir unsere gegenwärtigen und zukünftigen Probleme angehen sollten.

 

Ich bin der festen Überzeugung, daß nicht nur der Götterglaube der Vergangenheit angehört, sondern daß unsere Vorfahren auch in allen anderen Fragen von aktueller Bedeutung keine besseren Antworten wußten als wir, meistens sogar schlechtere, oder solche, die heute überholt sind. Das ist ihnen nicht vorzuwerfen, aber Lösungen für die Probleme von Gegenwart und Zukunft finden wir nicht in der Vergangenheit.

 

So wie die Mediziner irgendwann einsehen mußten, daß der ständig neue Versuch, die Schriften von Galen zu interpretieren, zu keinem medizinischen Fortschritt führte, so ist es für mich klar, daß das Studium religiöser oder philosophischer „Klassiker“ nur noch für Historiker von Interesse ist, für unser heutiges Leben aber nicht nur keine Hilfe, sondern nur ein Hindernis darstellt. Das ist der tiefere Grund, warum für Leute wie mich Debatten über Religion kein (mehr) Gewinn sind, und zwar unabhängig davon, wie sympathisch oder unsympathisch einem die Leute sind, die daran teilnehmen.

bearbeitet von Marcellinus
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vor 7 Stunden schrieb Fidelis:

 

Ich denke, der hermeneutische Schlüssel zum Buch der Richter findet sich im Buch selbst, in seinem letzten Satz:

 

"In jenen Tagen gab es keinen König in Israel; jeder tat, was in seinen eigenen Augen recht war." (Ri 21,25)

 

Das Buch bietet einen durchaus realistischen (wenn auch natürlich erzählerisch komponierten) Blick auf Geschehnisse in einer Gesellschaft, in der Gott nicht König ist.

 

 

Ich stimme dir zu, dass das ein Schlüsselsatz ist. Zumal die Geschichte auch mit dem Satz beginnt, dass es in jenen Tagen keinen König in Israel gab.
Und überhaupt das ganze Richterbuch ja den Übergang von der Landnahme zur Implementierung der Königsherrschaft erzählt.

Und ich stimme dir auch zu, dass das eine durchaus realistische Sichtweise auf eine Umbruchssituation in einer Gesellschaft ist, in der nicht klar ist, wer das Sagen hat.
Im Grund geht es das ganze Richterbuch durch um diese Frage: Wer soll das ganze Gefüge denn leiten und regieren?
Das Richterbuch ist damit ein Teil der Bücher, die das, was in der Thora wie in einem Generalfahrplan angekündigt wurde, ausfalten, konkret erläutern. Zu diesen Büchern gehören auch die Bücher Josua, Samuel, Könige und Chronik.

Was ich anders sehen gelernt habe: Das eigentlich Entscheidende, was da mit Hilfe der Erzählungen über die Entwicklung des Volkes Israel erzählt wird, ist die Geschichte der Entwicklung der Menschwerdung. Die Geschichte der menschlichen Bewusstseinsentwicklung, der Entwicklung der Fähigkeit zu lieben und zu erkennen und eigenständiges Gegenüber zu werden für die schöpferische Kraft, die das Leben schuf.
Das widerspricht den anderen Ebenen nicht - LJS beschreibt das für mich sehr stimmig, wie verwoben innen und außen sind und wie sehr sich die selben Fragen in anderen Zeiten und anderen Kontexten trotzdem immer gleich stellen.

Was ich glaube: Dass das alles, was da steht, Symbolgeschichten sind, Mythen. Und dass sie übersetzt werden sollten in Prozesse, die sich in der menschlichen Psyche und im menschlichen Bewusstsein abspielen. Ganz konkret, in die Situation jedes einzelnen Menschen.
Das kann man noch nicht so lang explizit und noch immer ist vieles nur mit Hilfe von Bildern sagbar -  die Sprache der Psychologie, die man dafür bräuchte, gibt es noch nicht sehr lange und für vieles genügt sie auch noch nicht. Aber trotzdem, so gut es geht, wäre es Sinn und (implizites) Anliegen dieser Texte, dass ihr Wissen bewusst gemacht, sagbar gemacht wird. 
Die Juden wussten das schon immer - ein klassisches Beispiel ist für mich z.B. die Einleitung zum Pessachabend: "In jeder Generation soll der Mensch sich betrachten, als sei er selbst aus Ägypten gezogen." Alles, was da erzählt wird, geschieht immer gleichzeitig in der Vergangenheit, im Jetzt und in der Zukunft , ist ein lebendiger Prozess, der sich in jedem Menschen aufs Neue abspielt.

Somit wäre dieses Buch Richter eine Auseinandersetzung damit, wer in uns, in mir, König ist. (Wobei sich diese Frage bis ins Neue Testament durchzieht - noch bei der Kreuzigung ist sie Thema. Nur wird sie dort dann auf einem anderen Entwicklungsniveau gestellt.) Ziemlich auf den Punkt gebracht in dieser noch recht frühen Phase der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Beziehungsfähigkeit ist diese Frage in der Jotam-Fabel (Ri 9,8-15), wo die Bäume sich einen König wählen und letztlich der Dornbusch bereit ist, die Königswürde anzunehmen. Auch die  Dornen tauchen in der Passionsgeschichte wieder auf - als Dornenkrone! Der Dornbusch zweifelt an der Bereitschaft der anderen, seine Königsherrschaft anzuerkennen, ist aber bereit, seinen kärglichen Dornen-Schatten als Schutz anzubieten. Aber er warnt vor dem Feuer von ihm ausgehen werde, wenn das nicht ernst gemeint ist.
Auf der Strukturebene der menschlichen Psyche ist es der rationale Verstand, der zu diesen Eigenschaften des Dornbuschs passt. Er ist es eigentlich, der die oberste Instanz bei den Entscheidungen sein sollte, die wir treffen. Er sollte die Veranwtortung übernehmen für unser Tun. Es ist unser Denkvermögen, das danach suchen müsste, wie alles zusammen passt, was wahr ist und was nicht, und was darum wie zu tun ist.
 

Zitat

Ähnlich wie auch an vielen anderen Stellen der hebräischen Bibel (z. B. die eben erwähnte Sintflut-Geschichte) gehen die Verfasser von einem negativen Menschenbild aus. Der Mensch ist böse und den anderen Menschen von Natur aus ein Wolf. Selbst vermeintlich moralisch/rechtlich richtige Handlungen der Akteure führen letzten Endes nur zu Mord, Krieg und sexueller Ausbeutung.


Ich sehe das nicht als negatives Menschenbild. Sondern als realistisches, das Wege beschreibt, die Menschen gehen können und das mit Hilfe von Symbolgeschichten bebildert, welche Dynamiken welche Folgen haben. Träume zeichnen ja auch kein negatives Menschenbild, sondern sie bringen nur ins Bild, was ist - was wir daraus lernen oder nicht, bleibt uns überlassen.
 

Zitat


Insofern finde ich das Buch der Richter durchaus vom Heiligen Geist inspiriert und auch heute noch inspirierend, wenn es darum geht, an einer Welt mitzubauen, in der Gott König ist. 

 


Kannst du das erklären, was das konkret bedeuten würde?
Siehst du nicht die Gefahr, dass "Gott" auch nur ein Platzhalter ist für die verschiedensten Vorstellungen, Ideale und Gottesbilder und immer nur über den Umweg menschlicher Gehirne "König" sein könnte? Für mich ist das einerseits viel zu vage und andererseits auch wirklich gefährlich, so etwas einzufordern. Wenn ich mir denke, dass der Gott irgendwelcher religiöser Fundis König sein sollte ...?!

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vor 2 Stunden schrieb Ennasus:

 

Was ich anders sehen gelernt habe: Das eigentlich Entscheidende, was da mit Hilfe der Erzählungen über die Entwicklung des Volkes Israel erzählt wird, ist die Geschichte der Entwicklung der Menschwerdung. Die Geschichte der menschlichen Bewusstseinsentwicklung, der Entwicklung der Fähigkeit zu lieben und zu erkennen und eigenständiges Gegenüber zu werden für die schöpferische Kraft, die das Leben schuf.

Was ich glaube: Dass das alles, was da steht, Symbolgeschichten sind, Mythen. Und dass sie übersetzt werden sollten in Prozesse, die sich in der menschlichen Psyche und im menschlichen Bewusstsein abspielen. Ganz konkret, in die Situation jedes einzelnen Menschen.

Somit wäre dieses Buch Richter eine Auseinandersetzung damit, wer in uns, in mir, König ist. (Wobei sich diese Frage bis ins Neue Testament durchzieht - noch bei der Kreuzigung ist sie Thema. Nur wird sie dort dann auf einem anderen Entwicklungsniveau gestellt.) 

 

 

Diese ausschließliche Verlagerung der Geschichten in die Innenwelt - und damit ihre Mythologisierung und Psychologisierung - wird m. E. der Bedeutung der Geschichten nicht gerecht. Wären das alles tatsächlich nur Mythen, hätte Marcellinus recht mit seiner Anfrage nach der Relevanz ausgerechnet dieser Mythen für unser Leben. Warum nicht die Mythen anderer Religionen? Warum keine germanischen, griechisch-römischen, indischen, afrikanischen oder indigenen Götter-, Helden- und Ahnensagen?

 

Zwar enthalten auch diese Mythen zweifellos Wahrheiten, aber ihnen fehlt erkennbar jeder Anspruch, Geschichte "echter" Menschen zu beschreiben. Einen Sitz im "echten" Leben zu haben. Natürlich haben sich nicht alle biblischen Geschichten so ereignet, wie sie beschrieben wurden. Aber sie hätten sich (von wenigen Passagen abgesehen) so ereignen können und sie ereignen sich bis heute. Die Menschen die leiden, leiden wirklich, die Menschen die sterben, sterben wirklich. Die biblische Welt ist kein Olymp, kein Auenland und kein Traumland, sondern unsere Welt, die Welt in der wir leben.

Verlangere ich diese reale Welt als Mythos allein in meine Innenwelt und die Psyche nehme ich ihr den Skandal und weltverändernden Anspruch. Einen Christus, der nur (!) noch "in mir" ist, braucht außer mir niemand - und vermutlich noch nicht einmal ich selbst.

 

Jesus Christus, ist aber nicht nur ein Mythos (auch wenn in seiner Biographie vieles mythologisch überformt ist), sondern er war ein Mensch aus Fleisch und Blut - wie du und ich -, der geliebt und gelitten hat und den der Hass und die Gewalt der Menschen ans Kreuz gebracht hat. Dennoch hat der Tod  keine endgültige Macht über ihn gewonnen, sondern er ist hindurch gegangen in ein neues (ewiges) Leben, das der Tod nicht trennen kann. Weil Jesus von Nazareth es konnte, habe auch ich diese Hoffnung für mich.

 

Genau so nehme ich auch die Geschichten des Alten Testaments, nicht als Mythos sondern als Hinweis auf den Logos - als Ansprache an mich, die Welt nicht in dem dort beschriebenen archaisch-anarchischen-gewalttätigen Zustand zu belassen bzw. alles zu tun, um zu verhindern, dass sie sich wieder dorthin entwickelt.

Wer nicht aus der Geschichte lernt, ist verurteilt, sie zu wiederholen. Das gilt für die biblische Zeit ebenso wie für die Kriege, Gräuel, Verbrechen und Katastrophen des 20. Jahrhunderts oder diejenigen unserer Zeit. Sie waren und sind weder Gott-gewollt noch unvermeidlich, sondern es liegt an uns allen, Gottes Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung wirksam werden zu lassen in der Welt.

 

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vor 2 Stunden schrieb Ennasus:

 

Somit wäre dieses Buch Richter eine Auseinandersetzung damit, wer in uns, in mir, König ist. (Wobei sich diese Frage bis ins Neue Testament durchzieht - noch bei der Kreuzigung ist sie Thema. Nur wird sie dort dann auf einem anderen Entwicklungsniveau gestellt.) 

 

Ich sehe das nicht als negatives Menschenbild. Sondern als realistisches, das Wege beschreibt, die Menschen gehen können und das mit Hilfe von Symbolgeschichten bebildert, welche Dynamiken welche Folgen haben. Träume zeichnen ja auch kein negatives Menschenbild, sondern sie bringen nur ins Bild, was ist - was wir daraus lernen oder nicht, bleibt uns überlassen.
 

"Gott" auch nur ein Platzhalter ist für die verschiedensten Vorstellungen, Ideale und Gottesbilder und immer nur über den Umweg menschlicher Gehirne "König" sein könnte? Für mich ist das einerseits viel zu vage und andererseits auch wirklich gefährlich, so etwas einzufordern. Wenn ich mir denke, dass der Gott irgendwelcher religiöser Fundis König sein sollte ...?!

 

Auch hier gehe ich bei der Verinnerlichung nicht mit. Gottes Anspruch ist nicht allein in mir zu herrschen, sondern in der ganzen Welt. Deswegen hat er uns zu seinen "Königen und Priestern" berufen (vgl. Ex 19,6; 1. Petr 2,9; Offb 1,6). Wir können die Verantwortung für diese Welt nicht mehr auf andere delegieren - nicht auf Könige und nicht auf religiöse Autoritäten.

 

Damit schließt sich auch der Kreis zum Buch der Richter: Die Rettung liegt nicht darin, dass jeder das tut, "was in seinen Augen recht" ist und auch nicht darin, sich königlichen oder priesterlichen Autoritäten zu unterwerfen (auch das geht schief), sondern selbst die Verantwortung für die Welt zu übernehmen und sich dabei (nur) Gottes Herrschaft zu unterwerfen.

 

Ein möglicher - wenn auch natürlich nicht der einzige - Ansatz könnte dabei sein, sich bei seinen Handlungen die Frage zu stellen, die in evangelikale Kreisen beliebt ist (deswegen aber noch nicht zwangsläufig falsch sein muss): W.W.J.D.  „Was würde Jesus tun?“

 

Natürlich besteht die Gefahr, dass hier Fundamentalisten ihr Christus-Bild zu verabsolutieren suchen. Aber wie bei allen Absolutheitsansprüchen ist es auch hier an mir, dem zu widersprechen. Niemand hat einen exklusiven Zugang zu Gott, niemand ist königlicher oder priesterlicher als die anderen. Wir müssen uns von Fundamentalisten nicht vorschreiben lassen, was wir zu tun und zu lassen haben. - Ja, wir dürfen das noch nicht einmal, wenn wir Gottes Anruf ernst nehmen.
 

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