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Diskussionen und Diskussionszwecke


Xamanoth

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Ich wollte hier schon länger mal einen Thread über die Frage eröffnen, was eine gute Diskussion ausmacht und wie man eine gute Diskussion führt; denn offenkundig bestehen darüber diverse Vorstellungen. Daher erscheint es mir sinnig, eine entsprechende Metadiskussion nicht immer mal wieder einzuschieben, sondern zum Kern eines Threads zu machen. Einer der Gründe für immer wieder aufkeimende Irritationen zwischen anderen Usern und - nun, mir - resultuiert m.E. nämlich gerade auf entsprechend unterschiedlichen Vorstellungen. Zumal auch mein Grimm über den Relaunch - der abgekühlt ist, liebes Team, ihr macht eure Arbeit momentan sehr, sehr gut - resultierte daraus, dass die von mir bevorzugte Diskursweise nahezu verunmöglicht werden sollte, zumindest schien es so. Ich habe diese Diskussion schon in einem anderen Forum geführt, und erwartungsgemäß konnte dort niemand meine Anischt teilen, obgleich ich meine bevorzugte Diskussionsweise im echten und nicht zuletzt beruflichen Leben  als absoluten Standard erlebt habe.

 

Dies vorab. Im einzelnen:

 

1. Welche Arten von Diskussionen gibt es?

Aus dem Stehgreif fallen mir drei Kategorien von Diskussionen ein.

a)
Diskussionen, die von Personen mit grundsätzlich gleichen Interessen über die beste Methode zum erreichen eines bestimmten Ziels geführt werden. Beispiel: Wie gestalten wir die Geburtstagsparty für X? Wie teilen wir die Parkplätze der Firma auf? Aus der Anwaltspraxis: Raten wir zu einem Generalunternehmer oder einem Generalübernehmervertrag; empfehlen wir ein offenes Verfahren oder eine beschränkte Ausschreibung? Unter zivilisierten Leuten sind solche Diskussionen in der Regel kaum konfrontativ, da jeder im Prinzip das gleiche Ziel verfolgt, hängt auch kaum jemand emotional an seiner Position.

Solche Diskussionen finden in weltanschaulichen Foren naturgemäß kaum statt.

b)
Diskussionen, die einem (insbesondere wissenschaftlichen) Erkenntnisziel dienen. Jeder bringt sein Wissen ein, damit die Kombination der Kompetenzen ein großes intellektuelles ganzes ergeben. In der Wissenschaft mag es das geben, in der Rechtswissenschaft aber selten. Zu viele Narzissten.

c)
Worum es mir geht, sind aber Diskussionen, die keinen harmonischen Gemeinschaftstanz bilden, sondern einen Boxkampf. Bam, Smash in the face.

Es geht um einen Kampf zwischen Personen mit Interessen, die Inkompatibel sind und sich gegenseitig ausschließen. Es gibt keinen Kompromiss.

Beispiele: Ist mein Klient schuldig oder nicht? 'Besteht der Anspruch meines Mandanten oder nicht? Partikularismus vs. Universalismus; Autoritarismus vs. Liberalismus; Kollektivismus vs. Individualismus. Also nicht nur der Kampf im Gerichtssaal sondern auch zwischen komplementären politischen Gruppen. Auch der Kampf unterschiedlicher weltanschaulichen Gruppen kann darunter fallen.

Ich mag Diskussionen der Kategorie c). Man sollte sich nicht einbilden, hier den Gegner überzeugen zu können. Es geht darum, einen Dritten, etwa einen Richter, einen Wähler oder auch nur stille Forenleser davon zu überzeugen, das man Recht hat und der Kontrahent Unrecht. 

 

Hierzu muss ich sagen: Ich war darin schon immer ganz gut. Ich denke schnell, ich rede schnell (finde ich). Und jeder hat Spaß an einem Sport indem er gut ist. Ich bin seit einiger Zeit in einem Boxverein, es gibt nichts besseres um fit zu werden. Aber als Bewegungslegasteniker würde ich nie einen Kampf durchstehen. Bei einem rhetorischen Kampf halte ich mich aber für ein Schwergewicht, daher gehe ich keinem solchen Kampf aus dem Weg.

 
   
 



2. Diskurstechnik

Ich war mehrere Jahre in der "Corporate Litigation"-Abteilung einer Großkanzlei tätig. Das heißt, meine Arbeit bestand praktisch nur darin, mündlich und schrifltich Diskussionen der Kategorie c) zu führen. Der Kalauer, dass ich das dafür nicht gerade gut mache, ist geschenkt. Es geht mir um etwas anderes. Mir wurden da ein paar Diskurstechniken regelrecht eingedrillt, die ich natürlich auch sonst anwende. Und die hier zu Irritationen führen bzw. durch den Relaunch abgeschafft werden sollten.

Ich möchte gerne drei, die mir spontan einfallen, zur Diskussion stellen, weil diese hier nicht als selbstverständlich betrachtet werden.

a) Höflichkeit und Contenance
Werde niemals persönlich, emotional, grob, oder unhöflich. Stets angedeutetes lächeln, stets sanfter Tonfall. Diszipliniere dich hierzu umso stärker, je mehr dir dein gegenüber zuwider ist. Unhöflichkeit, gar Aggression, ist schwäche; wer sich auf die Persönliche Ebene begibt, zeigt, dass er nicht von der Kraft seiner Argumente überzeugt ist, vielleicht gar keine Argumente hat.

 

Zur Klarstellung: Es geht NICHT um ein Wertschätzung des Gegenübers. Es geht darum, sich selbst nicht zu beschmutzen, bzw. wie die Asiaten sagen "das Gesicht zu verlieren". Wer Laut oder grob wird, hat im Grunde verloren.

 

b) Umgang mit Tatsachen

Bestreite jede Tatsache die deiner Position schadet; unabhängig davon, ob du diese für objektiv richtig hältst, es sei denn, dein Gegner hat sie in einer Weise belegt, die du für unangreifbar hältst (dann wäre ein weiteres Bestreiten töricht).  Sprich: Alles was nicht zweifelsfrei belegt ist, gilt für die Diskussion als falsch.

 

c) Umgang mit Werturteilen

Verwendet dein Gegner einen Auslegungsbedürftigen bzw. fähigen Begriff, frage ihn umgehend, wie er diesen Begriff definiert. Kann er keine Definition nennen, hat er praktisch verloren. nennt er eine Definition, stelle entweder die Definition in Frage oder bestreite, dass sie auf den Sachverhalt passt. Beispiele für solche Begriffe wären "rechtsextrem", "faschist", "Betrug", "fremd" oder aktuell "Hedonismus".  Im Umkehrschluss: Verwende KEINEN Begriff, den du nicht ohne nachdenken in einer Weise definieren kannst, die einerseits deiner Sache nützt, andererseits intersubjektiv mindestens vertretbar ist.

 

3. Zwei mögliche Einwände

 

a) Warum sollte jemand überhaupt mit dir diskutieren wollen?

Nun, in einem Forum kann man andere ignorieren und Diskussionen aus dem Weg gehen. In der Realität kann man das in der Regel nicht. Man kann nicht wählen, wer bei Gericht die Gegenseite bildet/vertritt. Man kann nicht wählen, mit wem man in einer Talkshow oder im Parlament sitzt.   

 

b) Warum sollte man dir irgendetwas glauben?

Wer mir irgendetwas ungeprüft glaubt, ist dumm. Wie gesagt: Alles, was nicht zweifelsfrei belegt oder logisch hergeleitet wird, gilt m.E. für die Diskusion als falsch.

 

 

Ich wäre sehr an der allgemeinen Meinung hierzu interessiert; insbesondere der von Alfons, Ennasus, Chrysologus, Frank, Rorro und Flo77.

 

Ich betone: Dies kann ich zwar NICHT belegen, muss aber als Diskussionsgrundlage gelten - dass ich all das nicht für provokativ und besonders übel, sondern für ganz selbstverständlich halte, dass es mir - teilweise ausdrücklich, Stichwort "Wir sind nicht objektiv. Sie sollen nicht die Argumentation darstellen, die sie für richtig halten, sondern diejenige, die dem Mandanten nützt." genauso beigebracht wurde und dass ich das in meiner anwaltlichen Berufspraxis auch alles als relativ selbstverständliche Praxis erlebt habe.

 

bearbeitet von Xamanoth
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Noch etwas: Mir wurde oft vorgeworfen, ich würde Diskussionen zerstören. Das ist NIE meine Absicht. Zerstören - besser gesagt dekonstruieren - will ich im Regelfall die Position meines Gegners. Gerne auch mit rhetorischen Kniffen und  Spitzfindigkeiten. M.E. zerstört das keine Diskussion, sondern macht eine Diskussion aus.

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vor 7 Stunden schrieb Xamanoth:

Ich wollte hier schon länger mal einen Thread über die Frage eröffnen, ....

 
   
 

 


Hallo Xamanoth, ich finde das ziemlich interessant, was du schreibst - vor allem auch, weil es mir völlig fremd ist so zu denken und mir auch klar wird, warum mir die Diskussionen mit dir über kurz oder lang immer einfach zu mühsam geworden sind.
Auch auf die Gefahr hin, dass du auch diesen Thread nur eröffnet hast, um irgendeinen Kampf zu gewinnen und dass du diejenigen, die darauf eingehen, für deine Ziele benutzt, versuche ich dir zu antworten.

Die Gründe, warum i c h mich an Diskussionen beteilige, sind völlig andere als deine.
Diskussion als Boxkampf ist für mich einfach nur absurd. Ich wüsste nicht, was daran toll sein soll, einem andern ins Gesicht zu schlagen. Im Gegenteil. Warum sollte ich das wollen? Ich will niemanden verletzen. Ich habe auch Null Interesse an einer Diskussion, nur um Recht zu behalten und zu zeigen oder zu beweisen, wie toll ich bin. Gockelkämpfe fand ich immer schon lächerlich und zum Kopfschütteln.

 

Wenn i c h irgendwo mitdiskutiere, dann aus zwei verschiedenen Gründen. Der eine ist, dass mir ein Thema wirklich ein Anliegen ist und ich entweder meine, etwas (Wissen, Erfahrung,... ) dazu beisteuern zu können oder weil ich selbst noch offene Fragen zu dieser Thematik habe und mir meiner Position noch nicht sicher bin. In beiden Fällen gehe ich davon aus, dass ich dazu lerne. Entweder weil mich das Formulieren meiner Position dazu zwingt, noch genauer zu denken und mein Wissen zu überprüfen oder weil ich von den Mitschreibern und ihrem Wissen und Denken profitiere. Ich denke, es geht in die Richtung, die du unter b) beschreibst. Wobei mein Anliegen in Diskussionen nur teilweise wissenschaftliche Erkenntnisse sind (die kriege ich auch woanders her), sondern was mich interessiert, sind Haltungen oder Erfahrungen. Und dafür sind mir unterschiedliche Sichtweisen (z.B. aufgrund unterschiedlicher biografischer Prägungen) hilfreich.
Der zweite Fall, warum ich mich an Diskussionen beteilige, ist, dass mich einer der Mitdiskutierenden beschäftigt und ich den Eindruck habe, es könnte jemanden vielleicht bei der Beantwortung einer Frage unterstützen, wenn ich meine Sicht der Dinge zu erklären versuche. Oder weil ich mir wünsche, dass jemand mich und mein Denken besser versteht.
Positionen, die sich gegenseitig ausschließen und wo es auch keine Kompromisse gibt, können da schon auch vorkommen. Aber wenn das wirklich so ist, kann man nicht viel anderes tun, als das bedauernd zur Kenntnis zu nehmen.
Nur schreiben, damit geschrieben ist, dafür fehlt mir sowohl das Interesse als auch die Zeit.

Damit bin ich bei deinen Diskurstechniken. Die dienen, wie du selbst schreibst, genau diesen Zielen, an denen ich überhaupt nicht interessiert bin. Wobei ich mir - wenn ich an Postings von dir denke, die du in den vergangenen Monaten bzgl. deiner Arbeitsstelle geschrieben hast -  überlege, ob sie dich nicht auch selbst inzwischen nicht mehr so wahnsinnig überzeugen? Wie auch immer: Mir geht es sehr wohl um Wertschätzung und darum, dass ich meinem Diskussionspartner wirklich "begegne". Höflichkeit, um meine Überlegenheit zu belegen, ist für mich ein Unding. Höflichkeit aus Respekt, weil mein Gegenüber ein Mensch ist, den ich als solchen sehe und ernst nehme, ist selbstverständlich. Es kann schon sein, dass mich jemand an Grenzen bringt, wo es mir schwer fällt, z.B. nicht selbst aggressiv und abwertend zu reagieren und wo ich mit mir ringen muss, aber das tue ich dann nicht, damit ich mein Gesicht wahre, sondern weil ich mir selbst und meinen Werten nicht untreu werden will. Und weil ich spüre, dass ich nicht nur meinem Gegenüber, sondern auch mir selbst nichts Gutes tue, wenn ich "zurückschlage". 
Deinen Umgang mit Tatsachen halte ich auch für absurd. Wenn ich in einer Diskussion lernen will, dann ist doch die erste Voraussetzung, dass ich Fakten ernst nehme und mich wirklich dafür interessiere. 
Dein Punkt "Umgang mit Werturteilen" hat mir etwas verständlicher gemacht, was ich bis jetzt noch nicht so richtig verstanden hatte. Ich stimme dir grundsätzlich zu, dass Begriffe, die offensichtlich unterschiedlich verstanden werden, definiert werden sollten. Aber doch nicht darum, damit es "meiner Sache nützt"! Sondern darum, damit man nicht sinnlos um irgendetwas herum diskutiert! Damit man die gleiche Sprache verwendet und sich verständigen kann.
Wenn ich diesen Absatz lese, wird mir klar, warum z.B. alle Versuche, zu erklären, was man unter "rechts" versteht, dermaßen mühsam und fruchtlos waren. Du warst gar nicht daran interessiert, das zu verstehen, sondern nur daran, recht zu haben und die Diskussion zu gewinnen? Ich glaube dir das ja, dass du das so gelernt hast und vielleicht ist so ein Denken im juristischen Kontext auch notwendig (glaube ich, ehrlich gesagt, eher nicht), aber was ich mich frage, ist, ob das Siegersein wirklich so was Tolles ist, dass du dafür so viel anderes zu opfern bereit bist (Lernen, Erkenntnis, andere Menschen besser verstehen, Gesprächspartner, die du ja doch zumindest als Gesprächspartner ein bisschen schätzst,...)?
Sehr seltsam finde ich das.

 

 

bearbeitet von Ennasus
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Danke für das Eröffnen dieses Threads. Das Thema hat mich oft berührt, nicht nur im „real life“, auch hier im Forum.  

 

Für mich gibt es zwei grundverschiedene Ziele von Diskussionen: Diskutieren, um zu gewinnen.  Oder diskutieren, um zu lernen. Hier im Forum geht es mir fast ausschließlich darum, zu lernen.

 

Die andere Art, die Kunst des Argumentierens, um eigene Ansichten, Vorstellungen oder Ziele gegen Widerstände durchzusetzen – Du beschreibst es als Diskussionszweck C („Boxkampf. Bam, Smash in the face“) – habe ich im Berufsleben selbstverständlich können müssen, unter anderem auch in Planungsgruppen für einen Firmen-Relaunch (😜). Neben diversen Handbüchern zur Personalführung war mir da Schopenhauers Eristische Dialektik hilfreich. Und Bücher von Typen wie Wolf Ruede-Wissmann (was für ein Name!), etwa „Auf alle Fälle recht behalten“ oder auch „Satanische Verhandlungskunst“.

 

Allerdings hat mir das nie Spaß gemacht. Natürlich gewinne ich gerne! Bei einem Geländelauf als Erster im Ziel zu sein war früher absolute Euphorie. Und wer hinterm Zielstrich nicht umfällt und kotzt, der hatte sich nicht genug angestrengt. War mal meine Devise. Diese Art, zu gewinnen, ist natürlich mehr ein Sieg über sich selber als ein Sieg über andere. Um aufs Diskutieren zurück zu kommen: Über andere Menschen zu triumphieren macht mich nicht happy, sondern krank. Das kann man natürlich als einen psychischen Defekt sehen. Muss man aber nicht.

 

In dieses Forum geraten bin ich nicht, weil ich meine Überzeugungen oder Meinungen verkünden und durchsetzen wollte, sondern ich bin hier, um zu lernen. Und ich habe hier unendlich viel gelernt. Damit meine ich nur zu einem minderen Teil Faktenwissen – da bin ich dank einer frühen religiösen Sozialisation, auf die ich im Rückblick gern verzichtet hätte, und einer gut sortierten theologischen Handbibliothek eigentlich recht flott unterwegs. Sondern ich habe gelernt, Menschen zu sehen. Nicht nur das zu sehen, was sie sagen und schreiben, sondern, was sie hinter ihren Worten sind. Und ich habe auch gelernt, dass manche für felsenfest gehaltene Überzeugung - wenn man sich gestattet, sie in Frage stellen zu lassen – auf Treibsand steht.

 

Für mich sind Diskussionen wichtig, um etwas zu verstehen. Und um gemeinsam mit anderen Menschen unterwegs zu sein, Irrtümer inklusive. Das geht so etwas in die Richtung, die Du als Diskussionsziel B beschreibst.

Vor allem aber sind mir Diskussionen wichtig, um zu lernen. Wenn andere Menschen von mir lernen, freue ich mich natürlich auch.

 

Alfons

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Vielen Dank euch beiden. Ich werde darauf antworten, aber ich habe in der nächsten Woche dafür voraussichtlich keine Zeit, bitte etwas Geduld.

 

Nur knapp:

1. Ennasus, was du tendentiell suchst, ist m.E. keine „Diskussion“ sondern ein Gespräch. Das ist nicht abwertend, Gespräche können extrem wertvoll sein, folgen aber völlig anderen Mechanismen. Wenn aber der eine boxen, der andere tanzen will (auch das ist ausdrücklich nicht despektierlich gemeint) MUSS das zu Irritationen führen.

 

2. Wisst ihr was ein Debattierclub ist? Habe ich an der Uni begeistert besucht. Man bekommt ein Thema vorgesetzt, und es wird ausgelost, welche Meinung man vertreten soll. Dann wird nach genauen Regeln (insbesondere Redezeiten) diskutiert. Und das dann von Schiedsrichtern nach Punkten bewertet. Manchmal auch sehr zynische Themen wie Folter und Todesstrafe. Ennasus, ich glaube nicht dass du in dieser Situation bereit gewesen wärst die Pro Seite zu vertreten. Gerade weil ich eigentlich Contra bin, fand ich das als spannende Herausforderung.

 

Und sowohl der Gerichtssaal als auch Foren waren später oft ein Debattierclubsurrogat. Es geht weniger um das was (das Thema) als das wie. 

 

Das kann man völlig sinnfrei finden, aber: ist es sinnig, mit einem Schläger einen Ball hin und her zu schlagen, auf einer Aschenbahn um die Wette zu rennen? Ist es sinnig, auf einem Holzbrett Figuren hin und her zu schieben?

 

3. Doch, die juristische Praxis ist (oft) so. Zumindest im Wirtschaftsrecht, wenn auf beiden Seiten Grosskanzleien stehen. Es gibt da (wirklich!) teure Kurse mit Titeln wie „erfolgreich manipulieren“. 

bearbeitet von Xamanoth
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Ich habe die Beiträge hierzu mal jetzt mal gelesen, wenn es mir erlaubt ist, anzumerken:

Neben dem "Lernen" und "Streiten" gibt es noch das Mittelfeld des sich "unterhalten". Ein gutes Gespräch ist eine durchaus lehrreiche Kunstform, die sowohl bereichert als auch Freude bereitet, und wie ein sehr schmackhaftes Mahl bedarf es dazu gleichermaßen Kenntnis, Geschick, Mühe und Charakters.

Es besteht also in meinen Augen keinerlei Notwendigkeit, sich für eine Seite zu entscheiden, im Gegenteil macht es die Mischung - ein gutes Gespräch gelingt aber nur mit der Fähigkeit und dem Wunsch, andere Positionen erst einmal verstehen und anerkennen zu können (so diese nicht völlig vulgär und bloß zweckbestimmt sind.)

bearbeitet von Shubashi
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Long John Silver
vor 8 Stunden schrieb Ennasus:


Hallo Xamanoth, ich finde das ziemlich interessant, was du schreibst - vor allem auch, weil es mir völlig fremd ist so zu denken und mir auch klar wird, warum mir die Diskussionen mit dir über kurz oder lang immer einfach zu mühsam geworden sind.
Auch auf die Gefahr hin, dass du auch diesen Thread nur eröffnet hast, um irgendeinen Kampf zu gewinnen und dass du diejenigen, die darauf eingehen, für deine Ziele benutzt, versuche ich dir zu antworten.

Die Gründe, warum i c h mich an Diskussionen beteilige, sind völlig andere als deine.
Diskussion als Boxkampf ist für mich einfach nur absurd. Ich wüsste nicht, was daran toll sein soll, einem andern ins Gesicht zu schlagen. Im Gegenteil. Warum sollte ich das wollen? Ich will niemanden verletzen. Ich habe auch Null Interesse an einer Diskussion, nur um Recht zu behalten und zu zeigen oder zu beweisen, wie toll ich bin. Gockelkämpfe fand ich immer schon lächerlich und zum Kopfschütteln.

 

Wenn i c h irgendwo mitdiskutiere, dann aus zwei verschiedenen Gründen. Der eine ist, dass mir ein Thema wirklich ein Anliegen ist und ich entweder meine, etwas (Wissen, Erfahrung,... ) dazu beisteuern zu können oder weil ich selbst noch offene Fragen zu dieser Thematik habe und mir meiner Position noch nicht sicher bin. In beiden Fällen gehe ich davon aus, dass ich dazu lerne. Entweder weil mich das Formulieren meiner Position dazu zwingt, noch genauer zu denken und mein Wissen zu überprüfen oder weil ich von den Mitschreibern und ihrem Wissen und Denken profitiere. Ich denke, es geht in die Richtung, die du unter b) beschreibst. Wobei mein Anliegen in Diskussionen nur teilweise wissenschaftliche Erkenntnisse sind (die kriege ich auch woanders her), sondern was mich interessiert, sind Haltungen oder Erfahrungen. Und dafür sind mir unterschiedliche Sichtweisen (z.B. aufgrund unterschiedlicher biografischer Prägungen) hilfreich.
Der zweite Fall, warum ich mich an Diskussionen beteilige, ist, dass mich einer der Mitdiskutierenden beschäftigt und ich den Eindruck habe, es könnte jemanden vielleicht bei der Beantwortung einer Frage unterstützen, wenn ich meine Sicht der Dinge zu erklären versuche. Oder weil ich mir wünsche, dass jemand mich und mein Denken besser versteht.
Positionen, die sich gegenseitig ausschließen und wo es auch keine Kompromisse gibt, können da schon auch vorkommen. Aber wenn das wirklich so ist, kann man nicht viel anderes tun, als das bedauernd zur Kenntnis zu nehmen.
Nur schreiben, damit geschrieben ist, dafür fehlt mir sowohl das Interesse als auch die Zeit.

Damit bin ich bei deinen Diskurstechniken. Die dienen, wie du selbst schreibst, genau diesen Zielen, an denen ich überhaupt nicht interessiert bin. Wobei ich mir - wenn ich an Postings von dir denke, die du in den vergangenen Monaten bzgl. deiner Arbeitsstelle geschrieben hast -  überlege, ob sie dich nicht auch selbst inzwischen nicht mehr so wahnsinnig überzeugen? Wie auch immer: Mir geht es sehr wohl um Wertschätzung und darum, dass ich meinem Diskussionspartner wirklich "begegne". Höflichkeit, um meine Überlegenheit zu belegen, ist für mich ein Unding. Höflichkeit aus Respekt, weil mein Gegenüber ein Mensch ist, den ich als solchen sehe und ernst nehme, ist selbstverständlich. Es kann schon sein, dass mich jemand an Grenzen bringt, wo es mir schwer fällt, z.B. nicht selbst aggressiv und abwertend zu reagieren und wo ich mit mir ringen muss, aber das tue ich dann nicht, damit ich mein Gesicht wahre, sondern weil ich mir selbst und meinen Werten nicht untreu werden will. Und weil ich spüre, dass ich nicht nur meinem Gegenüber, sondern auch mir selbst nichts Gutes tue, wenn ich "zurückschlage". 
Deinen Umgang mit Tatsachen halte ich auch für absurd. Wenn ich in einer Diskussion lernen will, dann ist doch die erste Voraussetzung, dass ich Fakten ernst nehme und mich wirklich dafür interessiere. 
Dein Punkt "Umgang mit Werturteilen" hat mir etwas verständlicher gemacht, was ich bis jetzt noch nicht so richtig verstanden hatte. Ich stimme dir grundsätzlich zu, dass Begriffe, die offensichtlich unterschiedlich verstanden werden, definiert werden sollten. Aber doch nicht darum, damit es "meiner Sache nützt"! Sondern darum, damit man nicht sinnlos um irgendetwas herum diskutiert! Damit man die gleiche Sprache verwendet und sich verständigen kann.
Wenn ich diesen Absatz lese, wird mir klar, warum z.B. alle Versuche, zu erklären, was man unter "rechts" versteht, dermaßen mühsam und fruchtlos waren. Du warst gar nicht daran interessiert, das zu verstehen, sondern nur daran, recht zu haben und die Diskussion zu gewinnen? Ich glaube dir das ja, dass du das so gelernt hast und vielleicht ist so ein Denken im juristischen Kontext auch notwendig (glaube ich, ehrlich gesagt, eher nicht), aber was ich mich frage, ist, ob das Siegersein wirklich so was Tolles ist, dass du dafür so viel anderes zu opfern bereit bist (Lernen, Erkenntnis, andere Menschen besser verstehen, Gesprächspartner, die du ja doch zumindest als Gesprächspartner ein bisschen schätzst,...)?
Sehr seltsam finde ich das.

 

 

 

Ich ziehe mich innerlich und meistens auch real meistens aus Diskussionen zurueck, die in Richtung Yanamoths Ansatz laufen. Ich brauche keien Machtkaempfe oder das Beduerfnis, mich an irgendwas in der Diskussion zu wetzen und zu schaerfen, ich moechte wissen, was Menschen denken und wie sie ticken, was ihre Traeume sind, ihre Ziele, ihre Wuensche, ihre Einstellung zu bestimmten Dingen. 

 

Die Frage nach rechts oder links oder dies oder das ist fuer mich irrelevant, auch die frage nach konservativ oder progressiv (was immer das sein soll, das sind auch nur meistens ziemlich leere Begriffe), ich habe auch kein Interesse, politische Positionen zu diskutieren oder gar in der Diskussion "durchzusetzen".  Wahrscheinlich haengt das auch damit zusammen, dass ich vor langer Zeit eine Ausbildung als Mediator hatte. 

 

Ich habe hier im Forum keine andere Haltung als ausserhalb des Forums, was "Diskussionen" betrifft. Ich unterhalte mich gern mit Menschen und rede auch mit allen moeglichen Leuten, die ich gar nicht kenne direkt, ueber dies oder jenes, z.B. Taxifahrer, Kassiererinnen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich mag es, mit Leuten zu reden.  Darum war und ist das Foum fuer mich auch weniger interessant oder gar nicht, weil es hier Diskussionen gibt, sondern weil mich die Einstellung der anderen interessiert, und  ich am Dialog interessiert bin. 

 

(Natuerlich schliesst das gesagte nicht aus, dass ich auch klare Positionen vertrete in manchen Dingen und die auch formuliere, aber dabei geht es mir nicht ums Gewinnen. Ich mag keine Gockelkaempfe oder Debattieren um des Debattierens willen, wenn ich Positionen vertrete, muss es um eine Sache gehen, die mir sehr wichtig ist, dass es da da eine "gegensaetzliche meinung" gibt, und etwas nicht einfach so stehen bleibt).

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 34 Minuten schrieb Xamanoth:

Vielen Dank euch beiden. Ich werde darauf antworten, aber ich habe in der nächsten Woche dafür voraussichtlich keine Zeit, bitte etwas Geduld.

 

Nur knapp:

1. Ennasus, was du tendentiell suchst, ist m.E. keine „Diskussion“ sondern ein Gespräch. Das ist nicht abwertend, Gespräche können extrem wertvoll sein, folgen aber völlig anderen Mechanismen. Wenn aber der eine boxen, der andere tanzen will (auch das ist ausdrücklich nicht despektierlich gemeint) MUSS das zu Irritationen führen.


Das ist in etwa so, ja. Zumindest, wenn "Diskussion" bedeutet, dass es mehr oder weniger um die Freude am Diskutieren und nicht um den Inhalt geht (um so etwas wie "Welche Ansicht entspricht eher der Wirklichkeit?" oder darum, dass man etwas bewirken möchte). Vielleicht ist das der Unterschied: dass es dir um den Prozess des Diskutierens an sich geht und mir um den Inhalt bzw. das Ergebnis. Ich kann, wenn ich mir sicher bin, dass ein Inhalt, den ich vertrete, richtig und wichtig ist, auch sehr hartnäckig diskutieren. NIcht boxen, aber gemeinsam mit dem anderen um ein Ergebnis ringen. Nicht um des Siegens willen, sondern um der Erkenntnis willen.
Allerdings tue ich das nur, wenn ich eine Chance sehe, dass ich damit gehört werde und dass mein Gegenüber auch an einer Klärung, einem besseren Verstehen usw. interessiert ist.

 

Zitat

2. Wisst ihr was ein Debattierclub ist? Habe ich an der Uni begeistert besucht. Man bekommt ein Thema vorgesetzt, und es wird ausgelost, welche Meinung man vertreten soll. Dann wird nach genauen Regeln (insbesondere Redezeiten) diskutiert. Und das dann von Schiedsrichtern nach Punkten bewertet. Manchmal auch sehr zynische Themen wie Folter und Todesstrafe. Ennasus, ich glaube nicht dass du in dieser Situation bereit gewesen wärst die Pro Seite zu vertreten. Gerade weil ich eigentlich Contra bin, fand ich das als spannende Herausforderung.


Das finde ich dann sinnvoll, wenn ich bei einem Thema noch keine klare Meinung habe. Ich setze es im Unterricht als Methode auch durchaus ein und finde es sehr spannend. Wenn klar ist, dass das ein bestimmtes methodisches Vorgehen ist, das dazu dient, verschiedene Positionen besser nachvollziehen zu können und sie auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen, mache ich da gerne auch selber mit. Im Forum tue ich das allerdings eher nicht, da bevorzuge ich (aus zeitlichen, aber auch anderen Gründen) andere Formen, um zu mehr Klarheit zu kommen. 
 

Zitat

Das kann man völlig sinnfrei finden, aber: ist es sinnig, mit einem Schläger einen Ball hin und her zu schlagen, auf einer Aschenbahn um die Wette zu rennen? Ist es sinnig, auf einem Holzbrett Figuren hin und her zu schieben?

 

Ich habe definitiv nichts gegen Spielen und der Lust an spielerischen Betätigungen, aber mein Zugang zu den Forumsdiskussionen ist ein anderer. Ich hatte dich so verstanden, dass du an dem interessiert bist. Und er bedeutet nicht, dass du nicht einen anderen haben darfst - nur musst du dann halt damit rechnen, dass ich als Diskussionspartnerin meistens wegfalle (was ja auch kein Drama ist - es gibt genug andere, die da sind).

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politische Diskussionen sind ein Spiel. Abgesehen von konkreten materiellen Interessen habe ich kein klares politisches Bild, dafür ist die Welt zu komplex, die meisten Fragen der Gegenwart können von einem Laien gar nicht klar bewertet werden.

 

aber, und ich bin bewusst dass man das hochzynisch nennen kann: es ist faszinierend vor einem linken Publikum für geschlossene Grenzen und eine Wende in der Erinnerungskultur und vor einem rechten für Enteignungen und Grundeinkommen zu werben. Eine der spannensten Übungen ist momentan gegen Klimaschutz zu argumentieren und Präsident Trump zu verteidigen.

 

An der Religion und der Geschichte habe ich ein abstrakt-akademisches Interesse, das sind Diskussionen der Kategorie b. Wirklich.

 

und die bei Gelegenheit relaunchten Spinnereien sind authentisch. Wirklich.

bearbeitet von Xamanoth
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vor 1 Stunde schrieb Xamanoth:

2. Wisst ihr was ein Debattierclub ist? Habe ich an der Uni begeistert besucht. Man bekommt ein Thema vorgesetzt, und es wird ausgelost, welche Meinung man vertreten soll. Dann wird nach genauen Regeln (insbesondere Redezeiten) diskutiert. Und das dann von Schiedsrichtern nach Punkten bewertet. Manchmal auch sehr zynische Themen wie Folter und Todesstrafe. Ennasus, ich glaube nicht dass du in dieser Situation bereit gewesen wärst die Pro Seite zu vertreten. Gerade weil ich eigentlich Contra bin, fand ich das als spannende Herausforderung.

 

Das kenne ich aus dem Deutschunterricht, habe das später mit meinen Pfadfindern gemacht - es ist wirklich herrlich, einmal Argumente gegen die eigene Meinung verwenden zu müssen. Und wenn man das tatsächlich ernsthaft macht, beginnt man plötzlich die Gegenseite zu verstehen und kann die Schwächen der eigenen Meinung tatsächlich erkennen.

 

Es dient der Diskussion, die in ihrem Wesen eine Prüfung der Argumente ist.

 

Ich kann mich ganz fürchterlich mit meinem Mann über bestimmte Dinge zoffen, er bleibt beinhart bei seiner Meinung, die er um keinen Preis in Frage stellen möchte. Es ist gelegentlich unglaublich, wie borniert er sein kann,  logischen Argumenten nicht zugänglich...

 

...bis ich ihn bei nächster Gelegenheit ertappe, wie er mit meinen Argumenten die Diskussion mit jemand anderen führt.

 

Er tut dabei genau das: Er prüft meine Beweisführung. Von allen Seiten.

 

Und dann weiß ich, warum ich ihn geheiratet habe.

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vor 54 Minuten schrieb Xamanoth:

politische Diskussionen sind ein Spiel. Abgesehen von konkreten materiellen Interessen habe ich kein klares politisches Bild, dafür ist die Welt zu komplex, die meisten Fragen der Gegenwart können von einem Laien gar nicht klar bewertet werden.

 

aber, und ich bin bewusst dass man das hochzynisch nennen kann: es ist faszinierend vor einem linken Publikum für geschlossene Grenzen und eine Wende in der Erinnerungskultur und vor einem rechten für Enteignungen und Grundeinkommen zu werben. Eine der spannensten Übungen ist momentan gegen Klimaschutz zu argumentieren und Präsident Trump zu verteidigen.

 

An der Religion und der Geschichte habe ich ein abstrakt-akademisches Interesse, das sind Diskussionen der Kategorie b. Wirklich.

 

und die bei Gelegenheit relaunchten Spinnereien sind authentisch. Wirklich.

 

Um mal Deine konkreten Beispiele herauszugreifen: "spannend" wäre bei solchen Themen nicht das richtige Wort dafür. Es sind beides Themen, bei denen ich schon eine gewisse Grundmeinung und Grundkenntnis habe, es aber zusätzlich zahllose Faktoren gibt, über die ich nicht genug weiss, um mir eine allzu feststehende Meinung zu bilden. Wenn ich mich als darüber argumentativ unterhalten wollte, sind für mich die "spannendsten" Punkte, die, über die ich wenig weiß, weil ich brennend gerne eine gute Problemlösung dazu wüsste.

Der Reiz, sich mit Dir darüber zu unterhalten, wäre also für mich ziemlich gering, weil es nämlich a.) wahrscheinlich an einem ernsthaften erkenntnisleitenden Interesse fehlt (Du siehst es nur als rhetorische Übung an) und b.) Dir es deshalb sehr wahrscheinlich an fundierten Kenntnissen fehlt, hierzu meinen Horizont zu erweitern.

 

Hingegen ist mir Higgs Standpunkt sehr vertraut: bei uns zu Hause laufen Diskussionen oft ähnlich ab, sie sind Grundlage eines guten Gesprächs, weil wesentliche Werteinstellungen letztlich geteilt werden. In diesem Vertrauen kann man dann ruhig schrägere oder extremere Meinungen einnehmen, weil man weiß, dass grundsätzlich das erkenntnisleitende Interesse geteilt wird.

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Als ich Xamanoths Einleitung las, mußte ich an zwei Sachen denken:

 

- einerseits an die Debatten im brit. Unterhaus und außerhalb davon über den Brexit. Es scheint mir so zu sein, daß alle Beteiligten (insbesondere die Brexiteers) für sich und ihre Familien die Schäfchen im Trockenen haben und das Ganze als Fortsetzung eines universitären Debattierklubs sehen, während es für viele Normalbürger um existentielle Fragen der wirtschaftlichen Zukunft und Freiheit für sich und ihre Familien geht.

 

- andererseits an den Film "Die brillante Mademoiselle Neïla", den ich kürzlich mit meiner Frau abends im Fernsehen sah. Da geht es genau darum, um Rhetorik als Spiel, um Debattierklubs, aber natürlich auch um soziale Unterschiede, Rassismus und Co.. Sehenswert.

 

Ich vermute, für Xamanoth ist das hier ein Spiel. Ich gehe zwar davon aus, daß er größtenteils seine eigene Meinung vertritt, aber er hängt nicht mit Herzblut dran (wie er es überhaupt an wenigen Sachen tut), eine letztlich nihilistische Grundeinstellung. Da, so wie ich ebenfalls annehme, dies bei anderen Teilnehmern hier ganz anders aussieht, sowohl was das Herzblut als auch was die Grundeinstellung angeht, kann das natürlich zu Verletzungen führen. Wie er selbst schrieb, der eine will boxen, der andere tanzen.

Ich kenne auch im persönlichen Umfeld Menschen, denen es schwer fällt, zwischen Angriff auf Meinung und Angriff auf Person zu unterscheiden bzw. die diese Unterscheidung an sich schon für falsch halten.

 

Ich treibe ich seit rund 20 Jahren hier im Forum rum, mit oftmals größeren Pausen. Für mich war das immer eine Schule des Schärfens der eigenen Meinung, auch des Lernens (und somit konnte sich eine Meinung auch mal ändern), doch vor allem das Schärfen. Und dafür bin ich dankbar.

 

Ich war und bin immer erstaunt, wie selten Meinungsgrundlagen konsequent zu Ende gedacht werden (Xamanoth ist da eine Ausnahme), wie die Emotionen manchmal hochkochen (es bleibt bloß ein Internetforum).

 

Xamanoth hat wahrscheinlich genauso wenig wie ich Interesse an persönlichen Treffen mit anderen Usern (ich war bei einem! vor ca. 15 Jahren in Ellwangen!) - dazu nehmen wir das beide nicht "ernst genug".

 

Leider war ich nie in Debattierklubs, für Menschen post-Studium gibt's sowas ja kaum (und ich hätte auch keine Zeit dafür). Doch einige weltanschauliche Foren (u.a. dieses hier) haben ihren Teil dazugetan, mich zu entschädigen.

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Noch zwei Ergänzungen: Sowohl Herr Trump als auch Herr Höcke sind gute Beispiele. Beide finde ich persönlich eher unsympathisch, Höcke ist m.E. ein von links wie rechts überschätzter Dummschwätzer; über Trumps politik fehlen mir tatsächlich die Kenntnisse, um ihre Politik zu beurteilen.

 

Aber:

Gegen Trump oder Höcke zu sein, ist so sehr gesamtgesellschaftlicher Konsens, dass es keine Zivilcourage erfordert, sondern das, was Kästner "Gratismut" nannte. Das kann jeder. Sie zu verteidigen erfordert hingegen durchaus Argumentationskraft und Überlegung. Und das macht es - gerade in recht aggressiven, linksgeprägten Kreisen - zu einer interessanten Herausforderung.

 

edit wgn rorro: Pro Brexit wäre auch interessant, aber da habe ich wirklich so gar keine Ahnung.

bearbeitet von Xamanoth
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Die Diskussionen der "Kategorie C" haben ihren Platz vor Gericht oder im Wahlkampf.

Allerdings hab ich dieses Forum nie wirklich als Gerichtssaal oder Kampfplatz gesehen.

Die Debatten hier sind für mich eher Gedankenaustausch. Im Besten Fall lerne ich etwas dazu - andere Sichtweisen, neue Fakten oder auch nur meine Argumente (oder was ich dafür halte) zu schärfen und präzisieren; im schlimmsten Fall zieh ich mich gelangweilt zurück.

 

Was hab ich davon im Infight jemanden nieder zu ringen? Das ich ein toller Hecht bin weiss ich auch so (naja, in Wirklichkeit wohl eher gehobener Durchschnitt). Durch "bam, smash in your face" lerne ich nichts dazu.

Im Gegenteil! Da wo es meine Leidenschaft ist zu überzeugen (das ist aktuell eher auf Facebook bei den Themen "Pro Pflegekammer" und "Pflege in die Gewerkschaft" der Fall), ist es eher kontraproduktiv das Gegenüber als Kontrahenten zu sehen, den es niederzuringen gilt. Wenn der oder die Kolleg*In sich unterlegen fühlt wird er ganz bestimmt nicht den Mitgliedsantrag bei Ver.di ausfüllen.

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vor einer Stunde schrieb Xamanoth:

Noch zwei Ergänzungen: Sowohl Herr Trump als auch Herr Höcke sind gute Beispiele. Beide finde ich persönlich eher unsympathisch, Höcke ist m.E. ein von links wie rechts überschätzter Dummschwätzer; über Trumps politik fehlen mir tatsächlich die Kenntnisse, um ihre Politik zu beurteilen.

Öhm, könntest Du bitte auf der Metaebene bleiben, wenn Du die Metaebene diskutieren willst?

bearbeitet von gouvernante
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vor 11 Minuten schrieb Frank:

 Durch "bam, smash in your face" lerne ich nichts dazu.

Doch. Wenn dir logische Brüche und Wissenslücken schonungslos aufgezeigt werden. Und du trainierst sprache, Logik, Argumentationstechnik.

 

Übrigens zu Ennaus Rückfrage:

Nein. diese Diskursweise war etwas, dass ich an der anwaltlichen Arbeit immer großartig fand und immer finden werde (auch wenn ich nunmehr etwas völlig anderes mache; z.B. vor größeren Gruppen zu sprechen und Telefonate mit angemessener Redezeitverteilung, sprich: 80% bei mir zu führen). Mich haben andere Sachen gestört, das allerdings massiv.

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vor 2 Minuten schrieb Xamanoth:
vor 16 Minuten schrieb Frank:

 Durch "bam, smash in your face" lerne ich nichts dazu.

Doch. Wenn dir logische Brüche und Wissenslücken schonungslos aufgezeigt werden. Und du trainierst sprache, Logik, Argumentationstechnik.

Das würde sicher stimmen wenn ich von dem, von dir beschriebenen, Boxkampf ausgehen würde. Bei dem von mir beschriebenen ergebnisoffenen Gedankenaustausch ist das eher störend und bewirkt das ich mich mal gelangweilt mal angewidert abwende.

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vor 11 Minuten schrieb gouvernante:

Öhm, könntest Du bitte auf der Metaebene bleiben, wenn Du die Metaebene diskutieren willst?

Ok. Das war nur zur Verdeutlichung, dass der Standpunkt in einer Diskussion manchmal nicht nach dem "echten" Standpunkt zu wählen ist, sondern danach, woraus die spannendere Diskussion entsteht.

 

Anderes Beispiel zur Verdeutlichung aus der Arbeit:

1. Wir haben einen Baukonzern vertreten, der eine Bank als Bürgen in Anspruch genommen hat.

2. Der Anwalt der Bank hat die (sechstellige) Zahlung verweigert, weil er den Bürgschaftsvertrag für nichtig hält. Womit er objektiv m.E. recht hatte.

3. Mein Chef sagte zum Mandanten sinngemäß: Eigentlich liegen unsere Siegeschancen bei vielleicht 15%. Da Sie uns an Ihrer Seite haben, etwa 30 (wirklich fast wörtlich so). Ich habe dutzende von Seiten geschrieben warum die Klausel keineswegs unwirksam ist, teilweise hochsophistisch; war wirklich eine Herausforderung. Wir haben auch verloren. Hat trotzdem Spaß (ja, Spaß!) gemacht.

 

Aber: Hätte ich die Bank vertreten hätte ich genau das Gegenteil geschrieben.

 

Wie ein großer Philosoph mal sagte: Only the ladder is real.

bearbeitet von Xamanoth
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vor 5 Minuten schrieb Xamanoth:

Ok. Das war nur zur Verdeutlichung, dass der Standpunkt in einer Diskussion manchmal nicht nach dem "echten" Standpunkt zu wählen ist, sondern danach, woraus die spannendere Diskussion entsteht.

 

Anderes Beispiel zur Verdeutlichung aus der Arbeit:

1. Wir haben einen Baukonzern vertreten, der eine Bank als Bürgen in Anspruch genommen hat.

2. Der Anwalt der Bank hat die (sechstellige) Zahlung verweigert, weil er den Bürgschaftsvertrag für nichtig hält. Womit er objektiv m.E. recht hatte.

3. Mein Chef sagte zum Mandanten sinngemäß: Eigentlich liegen unsere Siegeschancen bei vielleicht 15%. Da Sie uns an Ihrer Seite haben, etwa 30 (wirklich fast wörtlich so). Ich habe dutzende von Seiten geschrieben warum die Klausel keineswegs unwirksam ist, teilweise hochsophistisch; war wirklich eine Herausforderung. Wir haben auch verloren.

 

Aber: Hätte ich die Bank vertreten hätte ich genau das Gegenteil geschrieben.

 

Wie ein großer Philosoph mal sagte: Only the ladder is real.

 

Du siehst aber sicherlich ein, dass Du da eher eine "deformation professionelle" beschreibst, die nicht auf alle Freunde von Gespräch und Diskussion den gleichen Reiz ausübt, wie auf Dich?

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vor 10 Minuten schrieb Shubashi:

 

Du siehst aber sicherlich ein, dass Du da eher eine "deformation professionelle" beschreibst, die nicht auf alle Freunde von Gespräch und Diskussion den gleichen Reiz ausübt, wie auf Dich?

Natürlich.

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vor 15 Stunden schrieb Ennasus:


Dein Punkt "Umgang mit Werturteilen" hat mir etwas verständlicher gemacht, was ich bis jetzt noch nicht so richtig verstanden hatte. Ich stimme dir grundsätzlich zu, dass Begriffe, die offensichtlich unterschiedlich verstanden werden, definiert werden sollten. Aber doch nicht darum, damit es "meiner Sache nützt"! Sondern darum, damit man nicht sinnlos um irgendetwas herum diskutiert! Damit man die gleiche Sprache verwendet und sich verständigen kann.
Wenn ich diesen Absatz lese, wird mir klar, warum z.B. alle Versuche, zu erklären, was man unter "rechts" versteht, dermaßen mühsam und fruchtlos waren. Du warst gar nicht daran interessiert, das zu verstehen, sondern nur daran, recht zu haben und die Diskussion zu gewinnen? Ich glaube dir das ja, dass du das so gelernt hast und vielleicht ist so ein Denken im juristischen Kontext auch notwendig (glaube ich, ehrlich gesagt, eher nicht), aber was ich mich frage, ist, ob das Siegersein wirklich so was Tolles ist, dass du dafür so viel anderes zu opfern bereit bist (Lernen, Erkenntnis, andere Menschen besser verstehen, Gesprächspartner, die du ja doch zumindest als Gesprächspartner ein bisschen schätzst,...)?
Sehr seltsam finde ich das.

 

 

Nochmal hierzu: Lernen im Gespräch kann ich nur sehr, sehr selten. Dafür gibt es Bücher; und da ist es natürlich wichtig, Autoren verschiedener Ansichten kennen zu lernen. Das bringt aber unendlich viel mehr komprimierte Information in viel kürzerer Zeit mit sich als ein Gespräch. Ich fand schon früher selbst ein Lernen durch Vorlesungen sehr mühsam und schleppend. Und - offen gesagt, gerade meine engsten Freunde sind "genauso drauf". Wir hatten und haben Freude an manchmal stundenlangen, hochkonfrontativen Streitgesprächen. Manchmal hat man uns in Vorlesungen wie kleine Kinder auseinandergesetzt (urisch lustig). Und für mich ist eine kontroverse Diskussion nicht mit einer Ablehnung der Person verbunden. Wirklich nicht. Seinen Boxgegner (Brecht hatte recht - der Boxsport ist ein großartige Metapher für so vieles...) hasst man ja auch nicht, man kann ihn mögen, mit ihm feiern, und ihn trotzdem umzuhauen versuchen. Das nimmt da ja auch keiner persönlich. Wenn man allerdings auf jemanden einhaut, der eher tanzen will, ist das natürlich problematisch.

 

Wenn mir jemand sagt "das ist Schwachsinn, verblendet, rechtsextrem" etc. was du schreibst denke ich etwa (harharyea! Jetzt geht's los! BAMM!). Der Spaß beginnt. Manch anderer fühlt sich dadurch aber nicht getriggert und motiviert, sondern verletzt und zurückgestoßen. Ich muss zugeben, dass ich hierfür manchmal etwas blind bin.

 

Und was die Sache mit den Definitionen betrifft: Der Definitionsapell dient natürlich einerseits dazu eine Diskussion zu "gewinnen". Manchmal aber, und da sind die Grenzen fließend, geht es aber wirklich darum, zu verstehen, was der andere eigentlich meint.

 

Nochmal ein Beispiel aus der Forengeschichte, die keineswegs die Metaebene verlassen soll, sondern zur Illustration dient:;

"Der Islam ist eine faschistoide Ideologie".

Dieser Satz viel mehrfach, und er ergibt für mich einfach keinerlei Sinn. Wer das sagt versteht sowohl unter "Ideologie" als auch unter "Faschismus" etwas grundlegend anderes als ich, und eine Fortsetzung des Gesprächs ist nur sinnig, wenn er mir zu beiden Begriffen genau erklärt was er meint.

 

Es ist mir übrigens unbegreiflich, wieso man sich einer geforderten Definition verweigert. Das heißt für mich sinngemäß: "Ich rede einfach nur daher und habe keine Ahnung was ich eigentlich sage", mithin: "Ich habe verloren".

bearbeitet von Xamanoth
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Long John Silver
vor 6 Minuten schrieb Xamanoth:

 

 

Wenn mir jemand sagt "das ist Schwachsinn, verblendet, rechtsextrem" etc. was du schreibst denke ich etwa (harharyea! Jetzt geht's los! BAMM!). Der Spaß beginnt. Manch anderer fühlt sich dadurch aber nicht getriggert und motiviert, sondern verletzt und zurückgestoßen. Ich muss zugeben, dass ich hierfür manchmal etwas blind bin.

 

 

Ich fuehle mich gelangweilt dadurch und breche das Gespraech ab.  Es interessiert mich nicht mehr.  

 

So unterschiedlich sind die Menschen :-))

 

Zu was sollte mich so etwas motivieren?  Ich finde so etwas einfach ... zu hohl, um sich zu was getriggert zu fuehlen. 

 

Also, ich wuerde mir einfach an die Stirn tippen und mir sagen, dass es sich nicht lohnt, diesen User weiter als ernsthaften Gespraechspartner auf der Liste zu haben. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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vor 4 Minuten schrieb Long John Silver:

 

Ich fuehle mich gelangweilt dadurch und breche das Gespraech ab.  Es interessiert mich nicht mehr.  

 

So unterschiedlich sind die Menschen :-))

 

Zu was sollte mich so etwas motivieren?  Ich finde so etwas einfach ... zu hohl, um sich zu was getriggert zu fuehlen. 

 

Also, ich wuerde mir einfach an die Stirn tippen und mir sagen, dass es sich nicht lohnt, diesen User weiter als ernsthaften Gespraechspartner auf der Liste zu haben. 

 

 

Es zeigt einerseits, dass auch der andere über eine gesunde Grundaggressivität verfügt. Und dass die Gegensätze zu ihm unüberbrückbar sind. Beides bildet eine optimale Ausgangslage für eine Diskussion.

 

Ps: Die Absätze am Ende deines Beitrags haben bestimmt einen Sinn?

bearbeitet von Xamanoth
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Long John Silver
vor 4 Minuten schrieb Xamanoth:

Es zeigt einerseits, dass auch der andere über eine gesunde Grundaggressivität verfügt. Und dass die Gegensätze zu ihm unüberbrückbar sind. Beides bildet eine optimale Ausgangslage für eine Diskussion.

 

Ps: Die Absätze am Ende deines Beitrags haben bestimmt einen Sinn?

 

Warum kommst du nicht auf den Gedanken, dass einem der andere und seine Ansichten einfach sch...egal sind? 

 

Das ist doch das Naheliegendste, oder?

 

Nein, die Absaetze haben keinen Sinn. 

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vor 2 Minuten schrieb Long John Silver:

 

Warum kommst du nicht auf den Gedanken, dass einem der andere und seine Ansichten einfach sch...egal sind? 

 

Das ist doch das Naheliegendste, oder?

 

Nein, die Absaetze haben keinen Sinn. 

Der andere als Person ist mir in der Regel auch egal. Seine Ansichten sind es dann nicht, wenn das Thema reizvoll ist und Gelegenheit zu einem interessanten Wortgefecht bietet, sozusagen intellektuell appetitanregend.

bearbeitet von Xamanoth
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