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Lehre von der Erlösung - katholisch vs. orthodox?


Gratia

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Kann mir jemand - klitzekleine Frage 🙄 - in ein paar halbwegs verständlichen Sätzen den wesentlichen Unterschied erklären? Und dazu womöglich sogar noch eine Quelle für etwas mehr Details nennen?

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Da ich mich mal mehr mit der Orthodoxie und ihrer (oftmals nicht einheitlichen) Theologie beschäftigt habe, mein kleiner Senf dazu:

 

das "Ziel" in der Orthodoxie (damit sind genauso die katholischen Ostkirchen der byzantinischen Tradition gemeint) ist die Vergöttlichung des Einzelnen, die Theosis - gleich Teilhabe an der Natur Gottes nach 2. Petrus 1,4.

Aufgrund fehlender dogmatischer Anfrage - die Reformation konnte in orthodoxen Ländern nie wirklich Fuß fassen, Gründe dafür gab es viele - gab es bis heute keine eindeutige Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Mir sagte mal ein orthodox. Priester, daß es selbst den theologischen Begriff der Rechtfertigung bei ihnen gar nicht gibt.

 

Vom "Gefühl" her, welches sich auch liturgisch wiederspiegelt, ist der Gläubige ein Nichts und Gott ist alles. Das Gnadenhafte, das absolute Angewiesensein auf Gott, wird deutlich stärker betont als in der Westkirche. In der byzantinischen Liturgie findet sich von Beginn bis Ende immer wieder der Ruf "Herr, erbarme dich unser" - nicht nur wie bei uns am Anfang und fertig. Es durchzieht das ganze Verständnis.

 

Was Literatur angeht, so ist es schwierig. Ich habe bislang kein buch eines orthodoxen Theologen gefunden, welches die lateinische Position korrekt wiedergibt. Ich empfinde da immer ein starkes Abgrenzungsbewußtsein, was dann auf Kosten der Darstellung anderer Positionen geht.

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Meine Lektüreempfehlung wäre:

Karl Christian Felmy

Orthodoxe Theologie - eine Einführung.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.

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vor 39 Minuten schrieb rorro:

Ich habe bislang kein buch eines orthodoxen Theologen gefunden, welches die lateinische Position korrekt wiedergibt. Ich empfinde da immer ein starkes Abgrenzungsbewußtsein, was dann auf Kosten der Darstellung anderer Positionen geht.

 

Das macht dann natürlich eine treffende Gegenüberstellung schwierig.

Lassen sich die Konzepte Rechtfertigung - Theosis dann überhaupt gegenüberstellen?

Das Konzept des stellvertretenden Todes wird eher abgelehnt, oder?

 

Ich kenne zwei Leute, von denen einer vor ein paar Jahren konvertiert ist in die orthodoxe Kirche seiner Frau, und einen, der sehr darüber nachdenkt. Außerdem habe ich als junge Erwachsene die russisch-orthodoxe Kirche in Russland als Gast als sehr faszinierend erlebt und hier gerade vor kurzem die Erinnerung aufgefrischt. Der Kirchengesang ist wirklich ausgesprochen berührend. Darum würde ich das gern besser verstehen.

Aber speziell zu diesem doch zentralen Thema "Erlösung" gibt das Netz (das ansonsten erstaunlich viele missionarisch orientierte orthodoxe Beiträge hat) erstaunlich wenig her. Vielleicht sollte ich mal ausdrücklich nach Theosis suchen.

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Schließen sich diese Konzepte aus oder sind sie nur verschiedene Betrachtungsweisen?

Lehnen orthodoxe Theologen die westliche Rechtfertigungslehre ab?

bearbeitet von Gratia
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vor 2 Stunden schrieb Gratia:

Lehnen orthodoxe Theologen die westliche Rechtfertigungslehre ab?

Meiner Erfahrung kennen sie sie in der Regel nicht im Detail (lutherische Theologen aber auch nicht unbedingt...).

Im Blick auf die heterodoxen Westler wird meist ein diffuses Gesamtpaket abgelehnt, weniger einzelne theologische Differenzpunkte. Am weitesten verbreitet ist meiner Beobachtung nach die Ansicht, dass Westler viel zu viel genau auseinanderpfriemeln wollen, was doch Mysterium sei. (Was ein bisschen aberwitzig anmutet, wenn man historische orthodoxe Auseinandersetzungen über Theosis mal näher anschaut.)

 

Achso: im Felmy ab S. 133

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vor 5 Stunden schrieb gouvernante:

Meine Lektüreempfehlung wäre:

Karl Christian Felmy

Orthodoxe Theologie - eine Einführung.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.

 

Du hast mich verführt ;) ... hab's eben doch bestellt. 

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vor 7 Stunden schrieb gouvernante:

Meine Lektüreempfehlung wäre:

Karl Christian Felmy

Orthodoxe Theologie - eine Einführung.

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990.

 

U.a. darauf bezog ich mich. Dort spricht der Autor erstaunlicherweise immer von "dem Westen", obwohl er als ehemal. evangel. Theologieprof doch de Unterschiede protestantisch und katholisch kennen müßte. Mehrmals hatte ih das das Gefühl: katholisch kann er damit nicht meinen.

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Es gibt vieles, was mich an der Orthodoxie anzieht. U.a., darauf rekurriert Felmy auch, ist die orthodoxe Theologie eine der Erfahrung, keine des Durchdenkens. Es wird - siehe Debatte um Theosis und Gregorios Palamas - innerorthodox schon mal heftigst(!) diskutiert, wie eine Erfahrung zu bewerten sei und was da genau erfahren wird, aber die Erfahrung steht im Vordergrund.

Der Westen legt eine größeren Wert auf die Ratio. Eine rein spekulative Theologie, wie es sie zu Hochzeiten der Scholastik und auch noch in der Neoscholastik bei uns gab (sozusagen die Scholastik auf niedrigerem Niveau), lehnt der Osten ab. Vor allem in dogmatisierter Form.

 

Allerdings ist der Unterschied häufig graduell. Auch wir im Westen haben eine lange Tradition der monastischen Theologie, die der orthodoxen sehr nahe ist. Bernhard von Clairvaux war vielleicht der letzte große Exponent dieser Art des theologischen Denkens - und Lebens! Nicht umsonst war er auch ein großer Mystiker. Und als scholastisch geprägtes Bindeglied sehe ich bspw. den Hl. Bonaventura, da er - genau wie jeder Orthodoxe es täte - den Kirchenvätern eine viel wichtigere Rolle zusprach als bspw. es Thomas von Aquin tat.

 

Ich vermisse dagegen in der Orthodoxie diese Symphonie von Ratio und Erfahrung und die Einheit in der Theologie (bspw. gibt es innerorthodoxe Unterschiede in der Sakramententheologie). Und alles, was nicht bei den Vätern angelegt war, gilt als nicht möglich. Daher gibt es auch nicht verschiedene Orden mit unterschiedlichen Charismen. In meinen Augen engt das ein wenig das Wirken des Hl. Geistes ein, möchte damit aber niemandem zu nahe treten.

bearbeitet von rorro
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Wenn man ein etwas weiteres Konzept von "katholisch" hat, kann man ja erfreut auch aus orthodoxen Quellen schöpfen.

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vor 13 Minuten schrieb rorro:

Daher gibt es auch nicht verschiedene Orden mit unterschiedlichen Charismen.

Wobei es in der russischen Orthodoxie des 19. Jahrhunderts durchaus diakonal inspirierte klösterliche Frauengemeinschaften gab, deren Gründungsimpuls nicht unähnlich dem vieler westlicher Frauengemeinschaften des 19. Jahrhunderts ist (obwohl es dort nie eine derartige Schwemme von neuen Gemeinschaften gab, wie im Westen - die Industrialisierung des Zarenreiches verlief aber auch v.a. geografisch völlig anders).

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Die beiden orthodoxen Nonnen, die in den Neunzigern mal bei mir zu Gast waren, gehörten zu einem Nonnenkloster, das diakonisch aktiv war und eine Schule eröffnet hat, um Kindern aus prekären Verhältnissen zu helfen. Die Gäste (v.a. Mönchspriester) habe sich sehr für unsere Diakonie interessiert.

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vor 15 Minuten schrieb Gratia:

Wenn man ein etwas weiteres Konzept von "katholisch" hat, kann man ja erfreut auch aus orthodoxen Quellen schöpfen.

 

Auf jeden Fall! Immer!

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vor 1 Minute schrieb Gratia:

Die beiden orthodoxen Nonnen, die in den Neunzigern mal bei mir zu Gast waren, gehörten zu einem Nonnenkloster, das diakonisch aktiv war und eine Schule eröffnet hat, um Kindern aus prekären Verhältnissen zu helfen. Die Gäste (v.a. Mönchspriester) habe sich sehr für unsere Diakonie interessiert.

 

Mir geht es nicht um Diakonie oder Caritas, das ist ja nicht genuin katholisch, sondern christlich (auch wenn die Orthodoxie sich mit der Betonung der Diakonie noch schwer tut im realen Leben).

Ich rede bspw. von Franziskanern und Dominikanern. Beides orthodox nicht möglich. Als Einzelpersonen vielleicht (Seraphim von Sarow und Franziskus von Assisi haben sehr viel gemeinsam), als Gruppe wie ein Orden - keine Chance.

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vor 19 Minuten schrieb Gratia:

Wenn man ein etwas weiteres Konzept von "katholisch" hat, kann man ja erfreut auch aus orthodoxen Quellen schöpfen.

 

Also, ich meine: alles, was die Orthodoxie ausmacht, haben wir auch (wenn auch z.T. außerhalb der lateinischen Tradition, doch auch andere sind "gut katholisch"). Dazu haben wir eben auch noch einiges mehr.

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Doch, diese Nonnen waren da sozial engagiert, haben unterrichtet und Kinder betreut - ich habe damals Fotos gesehen. Und das wurde von den Priestermönchen unterstützt. Genauer weiß ich es aber nicht.

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Am ‎21‎.‎05‎.‎2019 um 20:15 schrieb Gratia:

 

Du hast mich verführt ;) ... hab's eben doch bestellt. 

 

Und hat sich gelohnt, danke!

Auch wenn ich natürlich mangels Theologiestudium nicht alles in der Tiefe verstehen konnte.

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Am 15.7.2019 um 18:10 schrieb Gratia:

Und hat sich gelohnt, danke!

 

Die Beschäftigung mit Theologie und Spiritualität lohnen sich definitiv mehr als die mit - mea culpa! - Kirchenpolitik.

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