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Kirchenaustritte - Sag beim Abschied leise Servus ...


Mistah Kurtz

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vor 10 Stunden schrieb mn1217:

Es gibt übrigens auch im Katholizismus die kleineren, oftmals charismatischeren Gemeinschaften(nein, kein Schaum vor dem Mund..), ich habe damals im Studium die KHG da sehr positiv erlebt.

 

Es freut mich, dass Sie auch die KHG in sehr positiver Erinnerung haben.

Ich ging fast jeden Tag hin, nachdem ich sie kennengelernt hatte. Die KHG (Innsbruck) war für mich so etwas wie eine zweite Heimat.

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vor 5 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Mit einer Antwort begebe ich mich auf glattes Eis, aber soweit ich weiß, ist die unhinterfragte Grundlage jedes Gottesglaubens die Annahme der Existenz dieses Gottes, nicht notwendig die Erfahrung dieser (was immer das sein mag). Die "Gotteserfahrung" mit "Gottglauben" ins eins zu setzen, scheint mir gewagt. 

 

Disclaimer: "Gotteserfahrung" habe ich hier gleichgesetzt mit "Gotteserlebnis", also mit irgendeiner Art außersinnlicher Wahrnehmung. Nun habe ich im täglichen Leben durchaus schon mit Gläubigen zu tun gehabt, von außersinnlichen Wahrnehmungen sprachen aber nur wenige, sodaß ich das bisher nicht für eine Voraussetzung gehalten habe, als Gläubiger bezeichnet zu werden. Eigene Erfahrungen fehlen mir da aus naheliegenden Gründen. Sollte ich das daher mißverstanden haben, bitte ich um Korrektur.

 

Ich würde hier schon zwischen Gotteserfahrung und Gotteserlebnis genau so unterscheiden wollen, wie du das tust. "Gottglauben" ist mir umgekehrt schon zu aktiv, den glauben ist nun etwas, das Aktivität meinerseits insinuiert. Es geht aber hier weniger um die Annahme einer Existenz Gottes als vielmehr um die Annahme, dass mir da jemand wohlgesonnen ist. Unbeschadet der Frage, ob dieser jemand existent ist (die Frage stellt sich nicht notwendig) ist es eher die Annahme dieses Wohlgesinntseins, selbst dann, wenn ich keinen Beweis dafür habe. 

 

Ein wenig - ich versuche es so vorsichtig zu beschreiben, wie das eben geht - wie es einen Schüler beruhigen mag, dass er den Schulleiter als ihm wohlgesonnen erlebt, auch wenn er keine Ahnung hat, ob und welchen Einfluss derselbe auf sein Lernen und Leben überhaupt hat.

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Long John Silver
vor 10 Stunden schrieb Chrysologus:

Ich würde hier schon zwischen Gotteserfahrung und Gotteserlebnis genau so unterscheiden wollen, wie du das tust. "Gottglauben" ist mir umgekehrt schon zu aktiv, den glauben ist nun etwas, das Aktivität meinerseits insinuiert. Es geht aber hier weniger um die Annahme einer Existenz Gottes als vielmehr um die Annahme, dass mir da jemand wohlgesonnen ist. Unbeschadet der Frage, ob dieser jemand existent ist (die Frage stellt sich nicht notwendig) ist es eher die Annahme dieses Wohlgesinntseins, selbst dann, wenn ich keinen Beweis dafür habe. 

 

Ein wenig - ich versuche es so vorsichtig zu beschreiben, wie das eben geht - wie es einen Schüler beruhigen mag, dass er den Schulleiter als ihm wohlgesonnen erlebt, auch wenn er keine Ahnung hat, ob und welchen Einfluss derselbe auf sein Lernen und Leben überhaupt hat.

 

Mhm. Das wiederum ist mir zu wenig (was meinen Glauben betrifft). Da ist schon mehr als nur die Annahme, dass mir jemand wohlgesonnen ist, ich persoenlich muss das auch in Begriffe kleiden (koennen) und konkrete Rueckschluesse auf mein Leben ziehen. Das wiederum hat nichts mit so genannten "Gotterlebnissen" zu tun, der Begriff "Gotteserfahrung" ist ein bisschen irrefuehrend, weil er mit Gotteserlebnis gleich gesetzt werden koennte. Ich bin mit solchen Begriffen und Aussagen sehr vorsichtig, weil sie zum einen in die Irre fuehren koennen, zum anderen auch suggerieren, so etwas sei fuer uns Menschen verfuegbar (zu machen). Die Frage, gibt es das, woran ich glaube, ist aber untrennbar mit dem Glauben verbunden, jedenfall fuer mich. Nicht weil ich mir staendig einen Kopf mache, sondern weil es glaube ich menschlich ist, sich zu fragen, was ist das, denn ich meine Hoffnung und meine Existenz anvertraue, um was geht es da, um so mehr, wenn es um eine Personalitaet von Gott geht. Gerade der Glaube, dass Gott Mensch geworden sei in Jesus Christus, ist etwas, was (jedenfalls fuer mich als Christ) mehr als eine Annahme sein muss, damit es mein Leben wirklich beruerht und meine Existenz betrifft. Das Evangelium, gerade bei Johannes und in der Offenbarung, trifft  klare Aussagen ueber die Richtung, in der die Hoffnung existiert und das Wirken von Gott und Christus. Fuer mich geht es hinaus ueber "da ist jemand/etwas, der/das es gut mit mir meint" (das ist natuerlich auch vorhanden, keine Frage). Glaube hat fuer mich sehr viel mit bestimmten Inhalten zu tun sonst koennte, z.. die Dreifaltigkeit, natuerlich auch die Auferstehung. Ich kann das nicht trennen in eine eher abstraktere vorgelagerte Ebene (das gibt es wohl irgendwas)  und eine, die sich konkret mit bestimmten Inhalten meines christlichen Glaubens fusst, das ist seit meines Lebens so verzahnt ineinander, dass es gar nicht zu trennen ist. Es wohl auch voellig muessig, das in bestimmte Begriffe wirklich aufzugliedern, ich nenne es einfach Glauben. Gotteserfahrung ist wohl etwas ganz individuelles, intimes und das sollte es auch bleiben. Und wahrscheinlich interpretieren es  Menschen sehr unterschiedlich. 

 

Ich moechte aber betonen, dass das alles fuer mich nichts aussersinnliches oder uebersinnliches bedeutet. 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 17 Stunden schrieb Chrysologus:

Für mich ist Glauben die Antwort des Menschen auf die Ansprache Gottes, insofern kann ich nur davon sprechen, dass ich an Gott glaube, der sich in spezifischer Weise offenbart hat. Alles andere - die sogenannten Glaubensinhalte - sind Reflektion auf diesen Glauben in seiner historische Bedingtheit und in sofern sekundär. Dem gegenüber steht ein Modell, das den Glauben gewissermaßen aus vielen Einzelakten zusammensetzt - so dass man an Gott, an die Menschwerdung, an das Meßopfer und an vieles mehr glaubt, und das alles zusammen ist dann der Glaube.

 

Wenn man vom ersteren Modell  ausgeht (das ich vertrete und das ich bei Flo begründet vermute), dann ist das alles gewissermaßen im ersten Glaubensakt mit drin und wird nach uns nach entfaltet. In diesem Prozess kommt es immer wieder zu Momenten, in denen sich einem neue Perspektive auftun, in denen einem sich Glaubensinhalte neu erschließen und man Zugang zu Dingen gewinnt, die einem früher fremd oder egal waren. Ich für mich lebe etwa ganz gut damit, das mit die ganze Marienfrömmigkeit fremd ist. Es stört und irritiert mich nicht, aber anders als eine Kreuzesdarstellung kann ich Marienfiguren nicht anders betrachten als alle anderen Heiligenfiguren und andere Kunstwerke auch: Manches spricht mich an, anderes nicht. Katechese ist für mich daher in erster Linie Anleitung zur und Begleitung bei der eigenen Erfahrung, nicht Mitteilung weiterer zu glaubender Dinge.

 

Soweit ich das sehen kann beginnt auch jeder Glaubensweg so - mit Begegnung und Erfahrung, und von dort aus entwickelt sich dann etwas oder es tut das nicht. 

 

Die "spezifische Weise" von der Du sprichst, ist allerdings - wenn Du nicht die "Offenbarung" im Leben des Einzelnen meinst - genau das, worum es geht. In der alten Kirche ging es richtig hoch her, als es um diese Spezifika ging und manch eine Kirchenspaltung hat so etwas immer noch als (nur vordergründige?) Ursache.

 

Eben weil es Unsinn ist, jemanden nur zur Taufe zuzulassen, der alles im KKK guten Gewissens unterzeichnen kann, gibt es Basics und Sachen für Erfahrenere im Glaube. Dabei spreche ich nicht von Erkenntnisgraden oder Pflichtjahre bis zur Lektion X, sondern einfach dem Umstand, daß nur deswegen, weil einem etwas nichts sagt, das nicht gleich generell nichtssagend geworden ist.

 

Deine Einstellung zur Katechese führt meines Erachtens automatisch dazu, daß sich die Kirche nicht mehr füllen (daß sie sich deswegen leeren, wäre eine zu scharfe Behauptung) - aber natürlich nicht als alleinige Ursache. nur: wenn es nur um meine Erfahrung geht, wieso dann die anderen? Wenn es kein gemeinsam verbindlich Glaubenssystem mehr gibt bzw. das irrelevant geworden ist (offenbar ist es zumindest nicht so wichtig, daß man das vermitteln soll), wozu dann ein Gemeinsam?

 

Die Volkskirche ist in weiten Teilen Deutschlands tot. Die alten Wege der Glaubensweitergabe funktionieren nicht mehr, vollkommen egal, wie die eigene Erfahrung damit war. 

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vor 1 Stunde schrieb rorro:

Die Volkskirche ist in weiten Teilen Deutschlands tot. Die alten Wege der Glaubensweitergabe funktionieren nicht mehr, vollkommen egal, wie die eigene Erfahrung damit war. 

 

Das darf man hier mittlerweile als bekannt voraussetzen. Auch, daß die Glaubensweitergabe nicht mehr funktioniert, weil die Kette der Generationen zumindest auf diesem Gebiet nicht mehr funktioniert. Bleibt die Frage, warum sich welche Generation entschieden hat, den Glauben, in dem sie selbst noch aufgewachsen ist, nicht mehr weiterzugeben.

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vor 2 Minuten schrieb Marcellinus:

Bleibt die Frage, warum sich welche Generation entschieden hat, den Glauben, in dem sie selbst noch aufgewachsen ist, nicht mehr weiterzugeben.

 

Das muß keine aktive Entscheidung sein, das kann auch ein Scheitern sein. Natürlich ist es mindestens ebenso möglich, daß dieser empfangene Glaube (womöglich auch durch die Vermittlung selbst) irgendwann nicht mehr angenommen werden konnte.

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Gerade eben schrieb rorro:

Das muß keine aktive Entscheidung sein, das kann auch ein Scheitern sein. Natürlich ist es mindestens ebenso möglich, daß dieser empfangene Glaube (womöglich auch durch die Vermittlung selbst) irgendwann nicht mehr angenommen werden konnte.

 

Das würde bedeuten, daß es sich nicht um planmäßiges Handeln, sondern um einen strukturierten aber ungeplanten, längerfristigen Prozeß handelt, mit Veränderungen, von denen das Verschwinden von volkskirchlichen Traditionen vermutlich sogar nur ein Teil ist.

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Ja, das sehe ich auch so. Ich habe mit Sicherheit keinen Masterplan, mit dem Evangelisierung und Kirchenbindung funktioniert. Überzeugt bin ich dagegen, daß es mit einem "Ja, aber"-Katholischsein sicher nicht klappt (= eher katholisch trotz der Hierarchie, trotz der Kirche, trotz der Lehre XY etc.)

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vor 21 Minuten schrieb rorro:

Ich habe mit Sicherheit keinen Masterplan, mit dem Evangelisierung und Kirchenbindung funktioniert.

 

Wenn es sich um einen langfristigen Prozeß handelt, dürfte es den auch kaum geben. Hat allerdings den Nebeneffekt, daß niemand an dieser Entwicklung "Schuld" ist. Würde auch erklären, warum es sowohl die beiden christlichen Konfessionen als auch den Islam betrifft, und zwar nicht nur hier, sondern auch in anderen Ländern, obwohl alle versuchen, mit ganz unterschiedlichen Strategien auf das Problem zu reagieren.

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vor 3 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Das würde bedeuten, daß es sich nicht um planmäßiges Handeln, sondern um einen strukturierten aber ungeplanten, längerfristigen Prozeß handelt, mit Veränderungen, von denen das Verschwinden von volkskirchlichen Traditionen vermutlich sogar nur ein Teil ist.

Das nehme ich an.

Ausserdem ist mir dem NOM eine Änderung eingetreten  

Und gegen sowas wie die a lten Fronleichnamsorozessionen wurde aktiv protestiert.

Ich denke aber nicht, dass eine ganze Generation sich entschieden hat, Inhalte nicht weiterzugeben. Es ging oft mehr um die Form. Nur wurden nicht immer andere Formen gefunden.

Und die Lebensrealitäten änderten sich. Vieles wurde als nicht mehr passend empfunden.

Und das ist nichts spezifisch Katholisches. Viele Religionen,aber nicht nur diese,auch Institutionen,stehen vor dieser Herausforderung. 

 

bearbeitet von mn1217
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vor 5 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Das darf man hier mittlerweile als bekannt voraussetzen. Auch, daß die Glaubensweitergabe nicht mehr funktioniert, weil die Kette der Generationen zumindest auf diesem Gebiet nicht mehr funktioniert. Bleibt die Frage, warum sich welche Generation entschieden hat, den Glauben, in dem sie selbst noch aufgewachsen ist, nicht mehr weiterzugeben.

Ich vermute, die Gemeinsamkeiten mit anderen Gläubigen haben nachgelassen. Die Gemeinschaft ist nicht nur kleiner geworden, sie hat sich auch auseinandergelebt. Es ist dadurch schwieriger geworden, in der Kirche noch eine Heimat zu finden.

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Interessanterweise lebst Du damit das Christentum als Stammesreligion und damit in der volksidentitässtiftenden Form, die das Christentum über Jarhunderte hierzulande hatte und die Marcellinus et al. versuchen zu negieren.

bearbeitet von Flo77
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vor 55 Minuten schrieb Flo77:

Interessanterweise lebst Du damit das Christentum als Stammesreligion und damit in der volksidentitässtiftenden Form, die das Christentum über Jarhunderte hierzulande hatte und die Marcellinus et al. versuchen zu negieren.

 

Ich denke nicht, daß ich das traditionelle Christentum übersehe, im Gegenteil. Aber gerade in Deutschland mit seinen zwei Konfessionen ist es eben nicht „volksidentitätstiftend“ gewesen. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Das Christentum war in Deutschland auch nie „Stammesreligion“, sondern vielmehr ein Vehikel zur Entmachtung der Stämme. Aber auch ist sicherlich OT.

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vor 13 Stunden schrieb rorro:

Eben weil es Unsinn ist, jemanden nur zur Taufe zuzulassen, der alles im KKK guten Gewissens unterzeichnen kann, gibt es Basics und Sachen für Erfahrenere im Glaube. Dabei spreche ich nicht von Erkenntnisgraden oder Pflichtjahre bis zur Lektion X, sondern einfach dem Umstand, daß nur deswegen, weil einem etwas nichts sagt, das nicht gleich generell nichtssagend geworden ist.

 

 

Naja, für gewöhnlich werden in der RK Leute getauft, die keinen Dunst von der Lehre der Kirche haben und sich auch nicht die Bohne dafür interessieren. Erkenntnisgrade haben die auch keine und Pflichtjahre sind auch nicht gerade die Regel, sondern eher die komplette und absolute Ausnahme.

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Long John Silver

Ich suche auch nicht den Sinn meines Lebens in der Religion oder im Glauben. Bei mir ist es eher so, dass mein Glaube und meine Existenz so verzahnt sind, dass sich fuer mich solche Fragen gar nicht stellen, weil sie laengst beantwortet wurden durch mein Dasein.  Ich moechte es so formulieren: Religion ist nicht die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens (fuer mich), sondern die sich automatisch ergebene Konseqenz aus meinem Dasein. Fuer mich ist die Frage nach dem Sinn des Lebens damit erledigt, dass ich an Gott glaube, in dieser schlichten Tatsache ist die Sinnfrage bereits aufgehoben. Wll sagen: entweder ich glaube, dass sich meine Existenz in Gott begruendet oder nicht. Der Rest fuegt sich dann (fuer mich) automatisch zu sammen. 

 

@Lothar: danke fuer den ausfuehrlichen Bericht. In unserer Gemeinde sind auch ein paar Leute, die aus denselben Gruenden da sind. Sie sind aber keine eintragenen Mitglieder, das muss ja auch nicht sein, um am Gemeindeleben teilhaben und davon profitieren zu koennen. Sie gehoeren auch anderen Konfessionen an, wo sie offenbar so keine Heimat mehr haben oder wie auch immer, wir fragen da nicht danach. Das soziale Leben ist ihnen wichtig, das ganze drumher herum,  eine gewisse Struktur, sicher auch, auf welche Weise auch immer, Anstoesse zu bekommen, sich irgendwo "eingebunden" zu fuehlen.  Ein paar sind schon jahrzehnte dabei. Auf irgendeine Weise scheinen sie von der Sache zu profitieren, die Gruende, die du nennst, duerften dabei sein. Das ist der Vorteil von Gemeinden, die stark sozial engagiert sind. 

bearbeitet von Long John Silver
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Am 28.7.2019 um 22:47 schrieb Chrysologus:

Es geht aber hier weniger um die Annahme einer Existenz Gottes als vielmehr um die Annahme, dass mir da jemand wohlgesonnen ist. Unbeschadet der Frage, ob dieser jemand existent ist (die Frage stellt sich nicht notwendig) ist es eher die Annahme dieses Wohlgesinntseins, selbst dann, wenn ich keinen Beweis dafür habe. 

Für mich zäumst du das Pferd von hinten auf...

 

Anders gefragt: Wenn deine Aussage stimmt, und die Frage nach der Existenz Gottes nicht im Vordergrund steht, wie wichtig ist es dir dann, dass dir Allah, Odin, Ra, Vishnu und der Rest der pantheisischen Götterversammlung wohl gesinnt sind?

 

Mir z.B. ist es egal, ob mir Zeus oder Poseidon wohl gesonnen sind oder nicht, da es sie nicht gibt...

 

Daher verstehe ich den Vergleich mit dem Schulleiter auch nicht, 1. weil über dessen Existenz nicht diskutiert werden muss und 2. weil mir tatsächlich dessen Wohlwollen sowas von egal war, weil er keinerlei Einfluss auf meine Noten hatte...

bearbeitet von rince
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vor 7 Stunden schrieb Marcellinus:

 

Ich denke nicht, daß ich das traditionelle Christentum übersehe, im Gegenteil. Aber gerade in Deutschland mit seinen zwei Konfessionen ist es eben nicht „volksidentitätstiftend“ gewesen. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Das Christentum war in Deutschland auch nie „Stammesreligion“, sondern vielmehr ein Vehikel zur Entmachtung der Stämme. Aber auch ist sicherlich OT.

Wenn ich von identitätsstiftenden Stammesreligion lese, frage ich mich auch immer, ob Flo hier nicht das Christentum mit den Germanischen Göttern verwechselt... ;)

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vor 4 Minuten schrieb rince:

Anders gefragt: Wenn deine Aussage stimmt, und die Frage nach der Existenz Gottes nicht im Vordergrund steht, wie wichtig ist es dir dann, dass dir Allah, Odin, Ra, Vishnu und der Rest der pantheisischen Götterversammlung wohl gesinnt sind?

Im Prozess dieses Hineinwachsens in gelebte Religiosität stellt sich die Frage nach der Existenz Gottes schlicht nicht - das ist eine rein deskriptive Feststellung. Es gibt philosophisch-theologische Fragen, ohne die man lange Zeit gut leben kann (nach der Existenz Gottes, nach der Existenz der Welt, nach der Freiheit des Menschen, um nur drei zu nennen), hinter die man aber, wo man sie sich einmal ernsthaft gestellt hat, nicht mehr zurück kann. 

vor 9 Minuten schrieb rince:

Für mich zäumst du das Pferd von hinten auf...

Erleben von etwas und Reflektion auf etwas kann in gegensätzliche Richtungen erfolgen, meist tut es das auch. 

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vor 9 Stunden schrieb Flo77:

Interessanterweise lebst Du damit das Christentum als Stammesreligion und damit in der volksidentitässtiftenden Form, die das Christentum über Jarhunderte hierzulande hatte und die Marcellinus et al. versuchen zu negieren.

 

Marcellinus hat dazu schon was geschrieben. Das Christentum ist zudem die supranationale und irgendeine biologische Volkszugehörigkeit transzendierende Religion schlechthin.

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vor 24 Minuten schrieb Chrysologus:

Im Prozess dieses Hineinwachsens in gelebte Religiosität stellt sich die Frage nach der Existenz Gottes schlicht nicht - das ist eine rein deskriptive Feststellung.

 

Außerhalb stabiler volkskirchlicher Milieus gibt es diese Erfahrung aber kaum bis gar nicht. Was nun?

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vor 21 Stunden schrieb rorro:

Die "spezifische Weise" von der Du sprichst, ist allerdings - wenn Du nicht die "Offenbarung" im Leben des Einzelnen meinst - genau das, worum es geht. In der alten Kirche ging es richtig hoch her, als es um diese Spezifika ging und manch eine Kirchenspaltung hat so etwas immer noch als (nur vordergründige?) Ursache.

Ja, und die Themen haben sich im Laufe der Zeit immer wieder deutlich verändert und verlagert - Trinität, Gottessohnschaft Jesu Christi, Gnosis und Dualismus, Real- und Aktualpräsenz, Amt und Kirche, Primat des Papstes, Sexualmoral. Die Heftigkeit, mit der die Debatte geführt wird, hat sich kaum geändert. Ich kann derzeit allerdings keinerlei größere Debatte um die Art der Offenbarung Gottes im Christusereignis erkennen (das ist es, was ich mit "spezifischer Weise" meinte. 

vor 21 Stunden schrieb rorro:

Eben weil es Unsinn ist, jemanden nur zur Taufe zuzulassen, der alles im KKK guten Gewissens unterzeichnen kann, gibt es Basics und Sachen für Erfahrenere im Glaube. Dabei spreche ich nicht von Erkenntnisgraden oder Pflichtjahre bis zur Lektion X, sondern einfach dem Umstand, daß nur deswegen, weil einem etwas nichts sagt, das nicht gleich generell nichtssagend geworden ist.

Ich vermute, wir reden hier knapp aneinander vorbei - Glaube im katholischen Sinn ist nicht da für wahr halten von Lehrsätzen, das Unterschreiben von Erklärungen oder die Auffassung, dass meinetwegen auch im KKK (den ich persönlich für wenig relevant halte) nur richtiges stünde. Um von der Thomas-Geschichte auszugehen: Der Akt des Glaubens ist hier nicht die nun am im wahrsten Wortsinne lebenden Beweis gewonnene Überzeugung des Thomas, dass Jesus auferstanden ist, der Akt des Glaubens ist seine Antwort auf die Begegnung mit dem Auferstandenen "mein Herr und mein Gott".

Deswegen lauten die Fragen an den Taufbewerber ja auch nicht: "Glaubst du, dass Gott der Vater ist, dass er Himmel und Erde erschaffen hat, glaubst du an Jesus Christus, daran, dass er der eingeborene Sohn ist..." sondern "Glaubst du an Gott, den Vater, den Allmächtigen [...] und an Jesus Christ, seinen eingeborenen Sohn [....]" Die "Glaubensaussagen" sind attributiv, nicht deskriptiv.

Und auf dieses Bekenntnis des Glaubens an den dreifaltigen Gott hin, an die Zusage, sein Leben an diesen Gott hängen und auf diesen Gott hin leben zu wollen, tauft die Kirche - es geht nicht um die Aussage, dass man zumindest dies und das für richtig und wahr halte.

vor 21 Stunden schrieb rorro:

Deine Einstellung zur Katechese führt meines Erachtens automatisch dazu, daß sich die Kirche nicht mehr füllen (daß sie sich deswegen leeren, wäre eine zu scharfe Behauptung) - aber natürlich nicht als alleinige Ursache. nur: wenn es nur um meine Erfahrung geht, wieso dann die anderen? Wenn es kein gemeinsam verbindlich Glaubenssystem mehr gibt bzw. das irrelevant geworden ist (offenbar ist es zumindest nicht so wichtig, daß man das vermitteln soll), wozu dann ein Gemeinsam?

Unterscheiden wir bitte zwei Dinge ganz deutlich - den Glauben an sich auf der einen Seite und der Versuch, diesen Glauben rational zu durchdringen und  zu verantworten auf der anderen Seite. Das ist schlicht nicht identisch miteinander, nicht umsonst unterschied man lange zwischen Scholastik und Monastik, zwischen franziskanischer und dominikanischer Theologie, und das ohne jeden Vorwurf gegen den anderen, dass er falsches glaube oder Lehre (also jenseits professoraler Streitigkeiten). Bernhard von Clairveaux zieht heftig (und auf Dauer vergeblich) gegen Petrus Abaelardus zu Felde, und die beiden schenken sich nichts. Aber keiner spricht dem anderen den Glauben ab!

Im 19. Jahrhundert (und nicht nur ich halte das für den für die derzeitige Krise entscheidenden Fehler) hat nun die lateinische Kirche den Versuch unternommen, ein einheitliches Glaubenssystem zu schaffen, in dem der Glaube an sich und das Lehrsystem nicht mehr (oder zumindest kaum noch) unterschieden wurden, so das man sich nun in Denkmodellen und Begrifflichkeiten verbiss, die damals intellektuell durchaus anschlußfähig waren, weil es ein Umfeld gab, das durchaus ähnlich dachte. Dieses Umfeld ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts verschwunden, und wir haben zäh versucht, das einfach zu negieren und weiterhin darauf zu bestehen, dass die Menschen nun einmal in diesen Bahnen zu denken hätten. Tun sie aber nicht mehr!

In meinem Glauben geht es um meine Erfahrung, und das kann ich nicht durch die Erfahrung anderer ersetzen. Ich erfahre, was es heißt, geliebt zu werden, oder ich erfahre das nicht. Und wenn ich das nicht erfahre, dann nutzt es nicht die Bohne, dass ich Berichte über die Erfahrungen anderer lese. ABER: Die Erfahrungen anderer können mir helfen, meine eigenen Erfahrungen einzuordnen, zu verstehen und für mich zu erschließen. Ich kann auf das, was ich erfahre, reflektieren, und dabei brauche ich, wenn es um wesentliches geht, Hilfe und Begleitung. Auch bei der Frage, was ich nun aus dieser Erfahrung mache, schadet Hilfestellung und Begleitung nichts. Das mache ich in allen anderen Lebensvollzügen ja auch: ich habe das Vater-Sein nichts selbst erfunden, ich habe andere in dieser Rolle erlebt, beobachtet, mit ihnen gesprochen und gerungen - und lebe nun meine eigene Antwort darauf, die wiederum anderen Hilfe sein mag, weil sie es so ähnlich zu machen versuchen oder keineswegs so machen wollen.

Das zweite ist - und das ist nun in der Tat eine Glaubensaussage - die Erfahrung und Überzeugung, dass Berufung in die Nachfolge und in die Jüngerschaft eine Berufung in eine Gemeinschaft hinein ist. Das ist untrennbar voneinander. und Taufe ist eine Taufe in den Leib Christi, in das Gottesvolk hinein. 

Meine Auffassung von Katechese mag die Kirchen nicht füllen - ich sehe dennoch keine Alternative dazu. Freibier, nackte Weiber und billige Gnade mögen hier für den Moment erfolgreicher agieren, aber der Preis wäre mir zu hoch. Wenn Glaube die höchstpersönliche Antwort des Einzelnen auf den Anruf Gottes ist (sollte Glaube etwas anderes sein, dann bin ich dafür offen, ich kann diesen Satz allerdings recht gut unter anderem aus den Schriften sowohl Rahners als auch Ratzingers herleiten und begründen), was sollte Katechese dann anderes sein als die amtliche Hilfestellung dabei, diese Antwort zu geben? Ich kann auf diese Begegnung nicht verzichten, Glaube ohne Gottesbeziehung ist Mumpitz.

vor 22 Stunden schrieb rorro:

Die Volkskirche ist in weiten Teilen Deutschlands tot. Die alten Wege der Glaubensweitergabe funktionieren nicht mehr, vollkommen egal, wie die eigene Erfahrung damit war. 

Sehr richtig - ich kann nicht dahin zurück. Ich will auch nicht dahin zurück, das am Rande. Die Frage ist nun die, warum die Glaubensweitergabe abgebrochen ist - meine These ist nun die, dass wir einige Umbrüche verpennt haben. Wir geben Antworten auf Fragen, die keiner stellt, wir geben keine Antworten auf Fragen, die die Menschen stellen, und wo wir Antworten auf Fragen geben, die die Menschen stellen, da tun wir es in einer Sprache, die die Menschen nicht verstehen. Es nutzt schlicht nichts (um den Bogen zurück zu schlagen zu den Anfängen dieser Diskussion), tapfer den Sühnetod Jesu zu bekennen, wenn die Menschen weithin weder verstehen, was Sühnen ist, noch wofür gesühnt wird, noch warum das nötig sein sollte, noch was das mit ihnen zu tun hat. 

Das ist zunächst einmal eine Analyse meinerseits, der kann man zustimmen, der kann man wiedersprechen. Aber man kann - da hast du Recht - nicht pauschal die eigene positive Erfahrung dagegen stellen.

vor 36 Minuten schrieb rorro:

Außerhalb stabiler volkskirchlicher Milieus gibt es diese Erfahrung aber kaum bis gar nicht. Was nun?

Weiß ich auch nicht. Ich habe beschreiben, warum man sich als geborener Katholik verstehen kann - ich habe weder behauptet, dass man das in Zukunft noch wird tun können, noch das es ein auch nur ansatzweise sinnvolles Konzept wäre, so etwas weiterhin zu versuchen. Die Welt, in der ich aufgewachsen bin, gibt es so nicht mehr, und auch mit Messfeiern zu Schützenfesten und Blumenteppichen an Fronleichnam kann ich sie zurückbringen. So wenig ich die Welt des Mittelalters mit Reenactement zurückbringen kann.

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Chryso, ich teile mit Dir die Ansicht, daß die Fixierung auf Vorkommnisse im Schlafzimmer (oder Sex außerhalb) u.a. zutiefst langweilig sind und vor allem nicht primär wichtig. Des Weiteren teile ich mit Dir die Ansicht, daß Glauben eben keine abhakbare Checkliste von Aussagen ist, sondern eine persönliche existentielle Antwort braucht (eben mein Herr und mein Gott), um dem Wort Glauben so zu entsprechen, wie es im christlichen Sinn gemeint ist. "Ich glaube morgen regnet es in Tokio" ist zwar auch eine Glaubensaussage mit einer gewissen Unsicherherheit, aber hat mit mir weniger als wenig zu tun.

Was das Credo angeht und Deine Unterscheidung attributiv versus deskriptiv, so sehe ich das anders - das nur bei uns so genannten "Große" Glaubensbekenntnis ist in meinen Augen sehr deskriptiv. Und das ist der Punkt, auf den ich hinaus will - wer auf der Suche nach Gott ist, dem können wir doch nur den Gott vorstellen, an dem wir glauben. Wenn wir überzeugt sind, daß Er sich in spezifischer Weise offenbart hat (ich finde es übrigens dramatisch, daß Christologie und Trinitätslehre so gar keine Rolle mehr spielen in den Debatten!!), dann reicht eine bloße Begleitung nicht. Dann gehört dazu auch Korrektur. Denn ein Gottesbild kann aus christlicher Sicht auch schlicht und ergreifend falsch sein. Ich war bspw. eine Weile Modalist, ohne zu wissen, daß es dieses Wort schon gab.

Du schreibst, deine Erfahrung im Glauben kannst Du nicht durch die anderer ersetzen. Das ist natürlich richtig. In der Theologie des Ostens bspw. geht es viel mehr um die Erfahrung (eben eher monastische Theologie) als um feste Glaubenssätze (wie in der Scholastik, die dann durch disputationes debattiert wurden). Ich schätze diesen Ansatz sehr und bevorzuge ihn auch, nicht nur für mich, sonder halte ihn für besser. Doch die Erfahrung anderer sehe ich nicht nur als potentielle Hilfe für das Erfahrene an, sondern sie ermöglichen es ggf. auch, daß man Erfahrungen überhaupt erst macht, sich für sie öffnet und erwarten kann.

Deinen gedanklichen Sprung, dem es nur um die eigene Erfahrung geht, dann hin zu einer Gemeinschaft, den kann ich logisch nicht nachvollziehen. Höchstens als Gemeinschaft von Einzelgängern.

Und was den Sühnetod angeht - womöglich sind die Verkünder noch zu oft selbst aus diesem katholischen Milieu, daß sie nicht wissen, mit wie vielen Fremdwörtern (im wahrsten Sinn des Wortes) sie sich umgeben. Es geht nicht darum, diese Begriffe nicht mehr zu verwenden, sondern darum zu lernen, sie nicht mehr allen gegenüber direkt zu verwenden. Sie versperren anfangs eher den Weg als daß sie ihn öffnen. Ich kann da natürlich nur von mir sprechen, aber um mich Jesus zu nähern und ihn als Christus zu glauben, mußte ich ihn gedanklich von 2000 Jahren Kirchengeschichte entkleiden (denn ich hatte da Bild eines Kleiderhaufens aus Prunkstücken und Brokat und Co. und man sah gar nicht mehr, daß da ein mann am Kreuz drunter war). 

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vor 1 Stunde schrieb Chrysologus:

Die Frage ist nun die, warum die Glaubensweitergabe abgebrochen ist - meine These ist nun die, dass wir einige Umbrüche verpennt haben. Wir geben Antworten auf Fragen, die keiner stellt, wir geben keine Antworten auf Fragen, die die Menschen stellen, und wo wir Antworten auf Fragen geben, die die Menschen stellen, da tun wir es in einer Sprache, die die Menschen nicht verstehen.

 

Hier wird es für mich wieder interessant. @mn1217 hat vor kurzem zu Recht darauf hingewiesen, daß dieser Traditionsabbruch ja nicht nur den Kirchen passiert ist. Die Gewerkschaften als ein Teil der Arbeiterbewegung fällt einem da als säkulares Beispiel ein. Ein anderes sind die Schützenvereine, die es in meiner Kindheit noch in einer Präsens gab, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann.

 

Ich denke, es handelt sich wesentlich um soziale Gründe, und da fällt einem als erstes die Industrialisierung mit ihren erheblichen Wanderungsbewegungen ein. Die Menschen zogen in die wachsenden Städte, verloren dabei ihre bisherigen sozialen Bindungen und vereinzelten sich. Es war die Zeit der Landflucht, der beginnenden Auflösung der Großfamilien, die Eltern mußten oft beide arbeiten und die Kinder waren, und sind heute immer mehr sich selbst überlassen.

 

Mit der Auflösung der gewachsenen sozialen Beziehungen brachen aber nicht nur Traditionen ab, sondern es schwächte sich auch die soziale Kontrolle, und machte Platz für neue Ideen und neue Organisationsformen. Hier, in der Mitte des 19. Jh. begann die Auflösung der geschlossenen religiösen Milieus, und es erreichte das weite Teile der Bevölkerung, was im 18. Jh. mit der Aufklärung im Bürgertum entstanden war.

 

Wenn Menschen anfangen, sich ihres Verstandes ohne die Leitung anderer zu bedienen, dann kommt oftmals etwas anderes heraus als das, was sich religiöse Autoritäten vorstellen. Ja, die Menschen stellten sich auf einmal andere Fragen als die, die die Kirchen gewohnt waren zu beantworten, und die Sprache der Kirchen ist auch von vorgestern. Aber entscheidend war und ist das, was @gouvernante zu Recht Diversifizierung genannt hat. Die Menschen stellen zunehmend ganz unterschiedliche Fragen, sind auch nicht mehr mit einer Antwort zufrieden, und den Kirchen fehlt es zunehmend an sozialer Kontrolle, den Wildwuchs zu begrenzen. Aber ohne Kontrolle und die Möglichkeit der Korrektur „falscher“ Vorstellungen, da hat @rorro schon Recht, kann keine spezifische Religion existieren.

 

Schon im wirklichen Leben können die Menschen sich immer weniger auf gemeinsame Fakten einigen, obwohl es doch dort noch etwas zum Sehen und Anfassen gibt. In weltanschaulichen Fragen dagegen gibt es nichts, an denen sich eine Gewißheit festmachen ließe, und wo sich Gewissheiten auflösen, da werden Traditionen zu einer leeren Hülle für etwas, was es nicht mehr gibt. Der Rest ist ein Kostümfest.

 

So ist es aus meiner Sicht in letzter Konsequenz der soziale Prozeß der zunehmenden Individualisierung, der den Niedergang der Volkskirchen begründet hat, der übrigens nicht nur Menschen veranlaßt hat, ihre angestammte Kirche zu verlassen, sondern der sich auch bei denen beobachten läßt, die ihr noch angehören, und der dazu führt, daß autoritative Äußerungen der Kirchenleitung immer leichter auf Widerspruch stoßen, und zwar gleichzeitig aus ganz unterschiedlichen Richtungen, sodaß es für jede Bewegung eine oder gleich mehrere Gegenbewegungen gibt. So will sich ein Gefühl von Gemeinsamkeit immer weniger einstellen, nimmt der allgemeine Verdruss immer mehr zu, und dann genügt eine Kleinigkeit, um „Servus“ zu sagen.

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vor 5 Stunden schrieb rince:

Wenn ich von identitätsstiftenden Stammesreligion lese, frage ich mich auch immer, ob Flo hier nicht das Christentum mit den Germanischen Göttern verwechselt... ;)

 

Identitätsstiftend im tribalen Sinn sind eigentlich nur primäre Religionen, vielleicht mit dem Judentum als Mittelding. 

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