Jump to content

Gehört Religion zum Menschsein?


mn1217

Recommended Posts

Was ist Religion?

 

Jede Antwort auf diese Frage ist auch abhängig davon, ob man einer Religion anhängt, und wenn ja, welcher, weshalb es meines Wissens keine allgemein akzeptierte Definition gibt. Hinzu kommt, daß sich jeder Begriff von etwas, das sich historisch entwickelt hat, einer absoluten Definition entzieht.

 

Wenn man die Religionen, die es gegeben hat oder noch gibt, als soziale Systeme versteht und aus großer historischer Distanz betrachtet, wie das zB der Historiker Harari tut, dann kann man allgemein sagen, daß Religionen aus zwei Aspekten bestehen: 1. aus dem Glauben an eine übermenschliche (aber nicht notwendig übernatürliche Ordnung), die nicht auf menschliche Vereinbarungen zurückgeht, und 2. Normen und Wertvorstellungen, die aus diese Ordnung bindend folgen.

 

Nach dieser notwendig sehr allgemeinen Definition sind nicht nur polytheistische und monotheistische Kulte Religionen (was wenig überraschend erscheint), sondern auch der Buddhismus, da auch er von einer übermenschlichen Ordnung ausgeht, wenn in ihr auch Götter keine herausgehobene Rolle spielen und zB auch der Kommunismus, der davon ausgeht, daß die Geschichte von einer übermenschlichen Ordnung unumstößlicher Naturgesetze gelenkt wird. Harari nennt auch zwei Beispiele für Nicht-Religionen: die Relativitätstheorie und Fußball, weil aus der ersteren keine Normen und Werte folgen und die zweite zwar über fanatische Anhänger verfügt, ihre Regeln aber eindeutig auf menschlichen Vereinbarungen beruhen.

 

Insgesamt aber ist für mich klar, daß so verstandene Religionen erst entstehen können, wenn die menschlichen Gesellschaften über das frühmenschliche Stadium hinausgekommen sind, ihre Gruppen also mehr als 20 - 30 Individuen umfassen. So kleine Gruppen ordnen sich nämlich von selbst, und brauchen daher weder eine als übermenschlich angenommene Ordnung, noch ein formales System von Normen und Werten (von so etwas wie Ethik als dem kaum 2.500 Jahre alten Versuch, Moral rational zu rechtfertigen, gar nicht zu reden).

 

Wenn man davon ausgeht, daß die Menschheit mindestens 300.000 Jahre alt ist (im Moment findet man jedes Jahr immer ältere Fossilien, so daß das eher eine konservative Annahme ist), Religionen als soziale Systeme vielleicht 10 - oder 20.000 Jahre alt sind, so dürfte die Idee einer „natürlichen Religion“, im Sinne eines angeborenen Bedürfnisses kaum zu halten sein.

 

Aber es gibt noch eine andere Tradition, die unter Religiosität nicht ein soziales System, sondern das Bedürfnis nach Erklärungen dafür versteht, „was Leben ist, woher es kommt und wohin wir nach dem Tod gehen“ (Van der Bellen, österr. Bundespräsident, 30.04.19). Nur gibt es auf diese Fragen sowohl religiöse als auch nichtreligiöse Antworten, die vor allem davon abhängen, ob man in einem religiösen System aufgewachsen ist oder nicht. Womit wir wieder bei der obigen Definition wären.

 

Ähnliches gilt für kultische Handlungen, die man nicht mit ritualisiertem Verhalten verwechseln sollte. Kultische Handlungen setzen einen Kult voraus, meistens eine gegenwärtigen, dessen Erscheinungsformen seine Anhänger dann nur allzugern in möglichst ferner Vergangenheit wiederzukennen glauben.  

 

Es bleibt als Tatsachenbeobachtung, daß Religionen entstanden sind in gesellschaftlichen Zusammenhängen, die nicht mehr auf rein persönlichen Beziehungen beruhten, Großgruppen, die sich zB um Symbole wie Stonehenge sammelten, und später vor allem mit der Seßhaftwerdung und dem Aufkommen von Priesterkönigen.

 

Religionen sind also eindeutig Teil unserer kulturellen Entwicklung, nicht etwas, was uns angeboren wäre, und nur darum ging es.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ein kleiner Nachtrag noch:

 

In (mindestens) einem Punkt bin ich allerdings anderer Ansicht als Harari. Ich denke man sollte religiöse Weltanschauungen, die eine übernatürliche Ordnung propagieren, und damit meistens auch den Glauben an oder das Vertrauen auf übernatürliche Akteure, unterscheiden von philosophischen Weltanschauungen, die von einer übermenschlichen Ordnung dieser Welt ausgehen.

 

So wären Christentum und Islam eindeutig Religionen, Buddhismus und Kommunismus dagegen nicht. Gemeinsam ist allen der Glaube an eine absolute Ordnung dieser Welt, aus der sich damit verbindlich bestimmte Handlungsanweisungen ablesen lassen. Sie unterscheiden sich allerdings darin, ob und in welchem Umfang übernatürliche Akteure (gemeinhin auch als „Götter“ bekannt) eine Rolle spielen.

 

Den Begriff „Weltanschauung“ verwende ich hier als Oberbegriff für alle die Glaubenssysteme, die den Glauben an eine absolute Ordnung dieser Welt mit der Vorstellung verbinden, daraus ließen sich verbindliche Normen ableiten. Ich grenze diesen Begriff damit ab von einem bloßen Weltbild, daß hier verstanden wird als ein relatives, vorläufiges Modell von dieser Welt, daß dem entsprechend auch keinen normativen Charakter hat.

 

Nur der Vollständigkeit halber: Ja, Humanismus (in seinen zahlreichen Spielarten) ist meistens auch eine Weltanschauung (wenn man den Begriff nicht einfach nur als Attribut für eine bestimmte Form von Bildung versteht).

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Ich würde Kult und Ritual an dieser Stelle nicht trennen. Und ich würde die "übermenschliche Ordnung" auch nicht so einfach beiseite schieben.

 

Aber dazu später mehr (jetzt muss ich Pizza backen).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@MarcellinusIn einem Punkt stimme ich dir zu: Religion oder religiöse Bedürfnisse sind nicht angeboren, zumindest nicht wie Gene.

 

Ich bekam mal von einem Mann, der sich speziell mit der Steinzeit beschäftigte (und das ziemlich intensiv, er hat das Siegsdorfer Mammut entdeckt), eine ziemlich gute Erklärung, warum Menschen dazu neigen, "religiös" zu sein: Menschen können planen. Das war in der Steinzeit ein evolutionärer Vorteil wenn es gegen das Mammut ging. Die Jäger konnten absprechen mit welcher Methode sie gemeinsam das Mammut jagen würden. Aber der planende Blick in die Zukunft hat einen Giftpfeil, denn die Jäger dachten nicht nur an den morgigen Jagdtag, sie konnten weiterdenken: Eines Tages werden wir sterben. Sie konnten sich erinnern: Früher war alles besser. Sie waren sich bewusst, dass der Jäger links oder rechts plötzlich gestorben ist. Menschen suchen nach Mustern, nach dem Gesetz von Wirkung und Ursache, eben weil sie in Gedanken das Gestern, Heute und Morgen bereisen können.

 

"Und damit verdienen die Religionen ihr Geld" war sein Schlusssatz. Polemisch, aber natürlich nicht ganz falsch (Ich gehöre ja auch dazu).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

"Ordnung" ist ein schwieriger Begriff.

 

Bis zum Sündenfall der Menschheit (andere mögen es neolithische Revolution nennen), war die Ordnung der Welt auch die Ordnung die den Menschen bestimmte. Regional unterschiedlich ohne Frage, aber der Mensch war Teil seines Lebensraums und sein Verhalten von seiner Umwelt bestimmt.

 

Diese Ordnung war "übermenschlich" in dem Sinne, als das der Mensch sein Zusammenleben an Bedingungen anpasste, die er nicht beeinflussen konnte. Das Wissen um diese "Machtlosigkeit" ist meiner Meinung nach eine der Quellen religiösen Denkens. Ritualisiertes Verhalten ist ja kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen sondern bei allen Tieren vorhanden.

 

Was die Frage aufwirft, ob Tiere eine "Religion" haben. Ich denke, sie brauchen sie nicht. Ihre Rituale sind einfach Teil ihrer Existenz. Sie sind aber auch ohne wenn und aber Teil ihres Lebensraumes. Der Kreislauf von Geburt und Vergehen ist für sie keine Frage mit der sie sich beschäftigen müssten.

 

Erst der Mensch mit seiner Selbsterkenntnis und der Wahl einer Lebensform wider seine Natur beginnt - mehr oder weniger notgedrungen - über die Fragen seiner Existenz nachzudenken. Und erst der Mensch der nicht mehr nur Teil eines Lebensraums ist, sondern sich in mehreren bewegt und/oder wider seine Natur lebt, beginnt die Rituale seiner Gruppe in Frage zu stellen .

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 8 Stunden schrieb nannyogg57:

@MarcellinusIn einem Punkt stimme ich dir zu: Religion oder religiöse Bedürfnisse sind nicht angeboren, zumindest nicht wie Gene.

 

Ich bekam mal von einem Mann, der sich speziell mit der Steinzeit beschäftigte (und das ziemlich intensiv, er hat das Siegsdorfer Mammut entdeckt), eine ziemlich gute Erklärung, warum Menschen dazu neigen, "religiös" zu sein: Menschen können planen. Das war in der Steinzeit ein evolutionärer Vorteil wenn es gegen das Mammut ging. Die Jäger konnten absprechen mit welcher Methode sie gemeinsam das Mammut jagen würden. Aber der planende Blick in die Zukunft hat einen Giftpfeil, denn die Jäger dachten nicht nur an den morgigen Jagdtag, sie konnten weiterdenken: Eines Tages werden wir sterben. Sie konnten sich erinnern: Früher war alles besser. Sie waren sich bewusst, dass der Jäger links oder rechts plötzlich gestorben ist. Menschen suchen nach Mustern, nach dem Gesetz von Wirkung und Ursache, eben weil sie in Gedanken das Gestern, Heute und Morgen bereisen können.

 

"Und damit verdienen die Religionen ihr Geld" war sein Schlusssatz. Polemisch, aber natürlich nicht ganz falsch (Ich gehöre ja auch dazu).

Und das IST angeboren.

 

Menschen können aber nun mal planen und wissen nun mal um ihre Sterblichkeit. Und fühlen sich nun mal, auch als Individuum und in kleineren Gruppen, mit ihren Familienmitgliedern und Ahnen verbunden.

Sie fühlen sich in etwas "Höheres" eingebunden.

Das IST angeboren.

Da mag Wunschdenken dabei sein, was aber nicht notwendigerweise heißt, das es nicht existiert. Da mag Fantasie dabei sein, aber Fantasie hat Menschen auch auf den Mond gebracht.

 

Natürlich ist Judentum erst 5000 Jahre alt, Christentum 2000, Buddhismus so ca. 2500-3000 Jahre  usw. Diese Religionsformen sind noch nicht so alt. Aber es geht um Religion als Solche.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 19 Stunden schrieb nannyogg57:

@MarcellinusIn einem Punkt stimme ich dir zu: Religion oder religiöse Bedürfnisse sind nicht angeboren, zumindest nicht wie Gene.

 

Ich bekam mal von einem Mann, der sich speziell mit der Steinzeit beschäftigte (und das ziemlich intensiv, er hat das Siegsdorfer Mammut entdeckt), eine ziemlich gute Erklärung, warum Menschen dazu neigen, "religiös" zu sein: Menschen können planen. Das war in der Steinzeit ein evolutionärer Vorteil wenn es gegen das Mammut ging. Die Jäger konnten absprechen mit welcher Methode sie gemeinsam das Mammut jagen würden. Aber der planende Blick in die Zukunft hat einen Giftpfeil, denn die Jäger dachten nicht nur an den morgigen Jagdtag, sie konnten weiterdenken: Eines Tages werden wir sterben. Sie konnten sich erinnern: Früher war alles besser. Sie waren sich bewusst, dass der Jäger links oder rechts plötzlich gestorben ist. Menschen suchen nach Mustern, nach dem Gesetz von Wirkung und Ursache, eben weil sie in Gedanken das Gestern, Heute und Morgen bereisen können.

 

"Und damit verdienen die Religionen ihr Geld" war sein Schlusssatz. Polemisch, aber natürlich nicht ganz falsch (Ich gehöre ja auch dazu).

 

Vom Prinzip hast du recht, nur denke ich, daß du das zu weit in die Vergangenheit verlegst. Menschen werden nicht einfach so "religiös", dafür braucht es eine Religion, und die ist eine soziale Veranstaltung, die ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Differenzierung möglich macht. Keine Religion ohne Schamanen oder Priester, also religiöse Spezialisten.

 

Die meiste Zeit unserer menschlichen Entwicklung hatten die Menschen einfach keine Zeit für Religion, und sie waren auch zu jung und zu gesund. Religion ist etwas für alte Leute. Die ersten Jahrhunderttausende wurden die Menschen aber nicht alt, sie starben im Gegensatz zu uns zu einem großen Teil diesseits der 30, jung und kräftig, und mit all dem beschäftigt, was junge und kräftige Menschen so tun. Diesseits der 30 macht man sich keinen Kopf um das Morgen, wenn man das Heute genießen kann, oder einfach überleben muß.

 

Erst wenn die Menschen älter werden, gebrechlicher und nachdenklicher, dann kommt auf einmal das Grübeln. Noch für die Menschen der Antike (immerhin tausende von Jahren nach der neolithischen Revolution) war das Diesseits der entscheidende Ort. Man darf nicht in den Fehler verfallen, unsere heutigen Vorstellungen auf die Vergangenheit zu übertragen. Auch die Fähigkeit, weit in die Vergangenheit und Zukunft zu denken, ist noch nicht sehr alt. Anthropologen haben bei Eingeborenenstämmen, die sie nach Jahren wieder besuchten, die merkwürdige Erfahrung gemacht, daß sie Fotos von inzwischen verstorbenen Menschen dieser Gruppen hatten, an die sich deren Stammesgenossen nicht mehr erinnerten. Will heißen, gerade aus unserer Sicht "primitive" Kulturen haben offenbar mehr in der Gegenwart gelebt, als wir uns das vorstellen können oder wollen.

 

Vielleicht liegt das auch einfach daran, daß sie unsere Form der Vereinzelung und mithin auch Langeweile nicht kannten, daß ihre Gegenwart so angefüllt war mit wirklichem Leben, daß sie gar nicht großartig zum Nachdenken gekommen sind. Erst als mit dem Ende der Jungsteinzeit die sozialen Verbände größer wurden, war Zeit, Resourcen und gedankliche Werkzeuge vorhanden, um sich um allerlei Fantastisches zu kümmern. Stonehenge ist damals entstanden, die Türme von Ur, und die Vorformen der ägyptischen Religion und deren Herrschaft über Himmel und Erde. Entsprechendes findet sich fast um die gleiche Zeit in Indien und China, im Umfeld der größen Flüsse.

 

Heute ist Religion weitgehend individualisiert, entsprechend auch die Vorstellung davon, was "religiös" ist. Dabei die meisten Zeit unserer Geschichte gab es das nicht. Von den über 300.000 Jahren, die wir Menschen Gruppen bilden, waren es mindestens 250.000 Jahre kleine Gruppen, in denen es weder Bedürfnis noch Möglichkeit von Religion gab. Man mag ein ungenaues Gefühl für Geister gehabt haben, die aus unserer Sicht kleine Welt um sich herum als belebt verstanden haben, einfach weil es dem Überleben dient, wenn man bei einem unbekannten Geräusch lieber einmal zu viel als einmal zu wenig unterstellt, da könnte ein Feind sein, der einem Böses will. Auch mag man eine gewissen Scheu vor den Toten der eigenen Gruppe gehabt haben, wie man es auch bei einigen Tieren beobachten kann, nur sollte man das auch nicht überbewerten. Schließlich hat man Kinderskelette im Abraum von Wohnhöhlen gefunden.

 

Das Leben war halt viel direkter und härter, als wir es uns heute vorstellen können. Und viel, viel kürzer. Da ist für so etwas wie Religion einfach kein Raum, keine Zeit und keine Resourcen. Bis damit Leute ihr Geld verdienen konnten, mußte noch viel Zeit vergehen.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 19 Stunden schrieb Flo77:

"Ordnung" ist ein schwieriger Begriff.

 

Bis zum Sündenfall der Menschheit (andere mögen es neolithische Revolution nennen), war die Ordnung der Welt auch die Ordnung die den Menschen bestimmte. Regional unterschiedlich ohne Frage, aber der Mensch war Teil seines Lebensraums und sein Verhalten von seiner Umwelt bestimmt.

 

Diese Ordnung war "übermenschlich" in dem Sinne, als das der Mensch sein Zusammenleben an Bedingungen anpasste, die er nicht beeinflussen konnte. Das Wissen um diese "Machtlosigkeit" ist meiner Meinung nach eine der Quellen religiösen Denkens. Ritualisiertes Verhalten ist ja kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen sondern bei allen Tieren vorhanden.

 

Was die Frage aufwirft, ob Tiere eine "Religion" haben. Ich denke, sie brauchen sie nicht. Ihre Rituale sind einfach Teil ihrer Existenz. Sie sind aber auch ohne wenn und aber Teil ihres Lebensraumes. Der Kreislauf von Geburt und Vergehen ist für sie keine Frage mit der sie sich beschäftigen müssten.

 

Erst der Mensch mit seiner Selbsterkenntnis und der Wahl einer Lebensform wider seine Natur beginnt - mehr oder weniger notgedrungen - über die Fragen seiner Existenz nachzudenken. Und erst der Mensch der nicht mehr nur Teil eines Lebensraums ist, sondern sich in mehreren bewegt und/oder wider seine Natur lebt, beginnt die Rituale seiner Gruppe in Frage zu stellen .

 

Ich denke, das ist so. Erst mit oder genauer gesagt kurz vor der Seßhaftwerdung begann so etwas wie Religion. Vorher haben die Menschen einfach gelebt. Sie hatten weder Zeit, über Fragen ihrer Existenz nachzudenken, noch irgendeinen Anlaß. Man hatte keine Religion und man brauchte sie auch nicht. Das Leben war so, wie es seit urdenklichen Generationen immer schon gewesen war. Religionen waren der erste Versuch der Menschen, über eine nicht mehr selbstverständliche Welt nachzudenken. Philosophie war der zweite, Wissenschaft der dritte.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Minuten schrieb Marcellinus:

Diesseits der 30 macht man sich keinen Kopf um das Morgen, wenn man das Heute genießen kann, oder einfach überleben muß.

 

Da setzt du das Alter zu hoch an. Das geht ungefähr bis 4-5 Jahre gut. Dann erkennen Kinder, dass sie sterben werden. Irgendwann. Oder dass die Eltern sterben werden. Oder die Großeltern.

 

Und immer wieder, wenn sie an einem offenen Grab stehen, packt es sie wieder. Mit der Frage: Wer ist der nächste, den ich verliere?

 

Dass die Frage bis zu einem gewissen Alter immer wieder verdrängt werden kann, das stimmt. Doch das so mit garkeinem Kopf, das stimmt nicht.

 

(Und  mein Kumpel C. ist ein Sonderfall. Der hat mit 16 ein Testament verfasst und letzte Worte geschrieben. Manche sind so.)

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Stunden schrieb mn1217:

Und das IST angeboren.

 

Eine bloße Behauptung ist noch kein Argument. Den Menschen ist kaum etwas "angeboren". Gerade das macht ihre besondere Anpassungsfähigkeit aus.

 

vor 12 Stunden schrieb mn1217:

Sie fühlen sich in etwas "Höheres" eingebunden.

Das IST angeboren.

 

Könnte es sein, daß du von dir auf andere schließt. Dir mag dein Glaube zur 2. (kulturellen) Natur geworden sein. Für DIE Menschen gilt das sicherlich nicht. Die Vorstellung von etwas "Höherem" kam mit der Entwicklung von großen Stammes- und Stadtgesellschaften in diese Welt, um den vielen Einzelnen eine Erklärung dafür zu geben, warum er sich und sein Leben seinem Stamm oder seiner Stadt , und vor allem dessen Herrscher, unterzuordnenen habe. Für die Menschen früherer Zeiten, die noch alle Menschen persönlich kannten, mit denen sie zusammenlebten, war solch eine Überhöhung weder nötig noch überhaupt möglich.

 

vor 11 Stunden schrieb mn1217:

Natürlich ist Judentum erst 5000 Jahre alt, Christentum 2000, Buddhismus so ca. 2500-3000 Jahre  usw. Diese Religionsformen sind noch nicht so alt. Aber es geht um Religion als Solche.

 

Ich wüßte nicht, was eine "Religion als solche" sein sollte. Ein Inhalt ohne Form? Solange du mir nicht zeigst, was du darunter verstehst, gehe ich davon aus, daß es das nicht gibt.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 2 Minuten schrieb Higgs Boson:

 

Da setzt du das Alter zu hoch an. Das geht ungefähr bis 4-5 Jahre gut. Dann erkennen Kinder, dass sie sterben werden. Irgendwann. Oder dass die Eltern sterben werden. Oder die Großeltern.

 

Und immer wieder, wenn sie an einem offenen Grab stehen, packt es sie wieder. Mit der Frage: Wer ist der nächste, den ich verliere?

 

Dass die Frage bis zu einem gewissen Alter immer wieder verdrängt werden kann, das stimmt. Doch das so mit garkeinem Kopf, das stimmt nicht.

 

(Und  mein Kumpel C. ist ein Sonderfall. Der hat mit 16 ein Testament verfasst und letzte Worte geschrieben. Manche sind so.)

 

Kinder unserer Gesellschaften. Wenn man sie darauf stubst. Wir sprechen hier von Menschen vor 100.000 Jahren oder früher. Da gab es keine Fragen, einfach weil das Leben schon immer so gewesen war, und auch die Zeit für Fragen fehlte, und auch die gedanklichen Werkzeuge, die erst die Religionen hervorgebracht haben. Bei uns setzt die Vereinzelung schon in jungen Jahren ein, und damit das Grübeln - oft auch immer noch die religiöse Früherziehung.

 

P.S.: Vorsicht, annekdotische Relevanz: Ich habe mit ca. 5 Jahren erlebt, wie meine Eltern auf den Tod meines Großvaters reagierten. Ich habe schon verstanden, daß der nun weg war, und nicht wiederkam. Aber das war eben so. Schon nach wenigen Tagen wurde aufgeräumt, und das Haus umgebaut, und wir zogen in den neuen, schöneren Teil, den vorher der "alte Herr" bewohnt hatte. Aber kein Grübeln am offenen Grab, keine Beschäftigung mit "dem Tod an sich", oder sonst etwas. Vielleicht bin ich ja nicht normal, aber wenn das so ist, dann war es auch meine ganze Familie nicht. ;)

 

P.P.S.: In der Familie einer Frau war es üblich, daß die älteren Frauen bei Gewitter vor einer Marienstatue beteten. Die hatten wirklich Angst, obwohl es damals schon Blitzableiter gab. Mir ist das vollkommen fremd, weil ich nicht so aufgewachsen bin. Auch Angst vor Gewittern ist also offenbar nicht angeboren.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Du begrenzt Religion auf den theoretischen Teil bzw. auf die Denkleistung.

 

Ich sehe allerdings jede Form ritualisierten Verhaltens als Ausdruck einer religiösen Ordnung,  womit sich der Zeitpunkt der Entstehung menschlicher Religion schon in die graueste Vorzeit verschiebt. Dazu kommt, das die ältesten Zeugnisse kultischen Handelns bereits in die Zeiten vor weit mehr als 20.000 Jahren.

bearbeitet von Flo77
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

@MarcellinusIch muss Flo zustimmen. Vielleicht reden wir insofern aneinander vorbei, als du Religion eher als System auffasst.

 

Aber Religiösität, das heißt die Gedankenwelt des Menschen, das ist was anderes.

 

Und sie ist vermutlich ziemlich alt. So alt wie das erste Grab mit Grabbeigaben, bevor Religion staatstragend wurde.

 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb Flo77:

Du begrenzt Religion auf den theoretischen Teil bzw. auf die Denkleistung.

 

Ich sehe allerdings jede Form ritualisierten Verhaltens als Ausdruck einer religiösen Ordnung,  womit sich der Zeitpunkt der Entstehung menschlicher Religion schon in die graueste Vorzeit verschiebt. Dazu kommt, das die ältesten Zeugnisse kultischen Handelns bereits in die Zeiten vor weit mehr als 20.000 Jahren.

 

Kein Problem damit. Wir verstehen unter Religion eben unterschiedliches. Deine zeitliche Einschätzung will ich nicht bestreiten, nur die Vorstellung (die nicht von dir kam), Religion oder Religiosität wäre den Menschen angeboren. Sie ist, so sehe ich das, unter bestimmten Bedingungen entstanden wie alles, was Menschen tun oder denken.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 58 Minuten schrieb nannyogg57:

@MarcellinusIch muss Flo zustimmen. Vielleicht reden wir insofern aneinander vorbei, als du Religion eher als System auffasst.

 

Aber Religiösität, das heißt die Gedankenwelt des Menschen, das ist was anderes.

 

Und sie ist vermutlich ziemlich alt. So alt wie das erste Grab mit Grabbeigaben, bevor Religion staatstragend wurde.

 

Nicht so viel älter als Religion überhaupt. Ob Grabbeigaben auf Religion hinweisen, halte ich für zweifelhaft. Jemand verläßt uns, und wir legen etwas, was ihm wichtig war, ins Grab. Ist das schon oder noch Religion, oder einfach nur der Versuch, mit einer Sache abzuschließen, ein letztes Stückchen Respekt für jemanden, von dem auch wir wissen, daß er wohl keine Verwendung dafür hat? Ja, das ist ein moderner Gedanke, aber über die Gedanken der Alten wissen wir eben nichts.

 

Wir interpretieren spätere Motive in sie hinein. Unsere heutigen Weltanschauungen sind das Produkt unserer Lebensbedingungen. Ich halte es für eine naheliegende Vermutung, daß das früher nicht anders war. Religiosität ist nun einmal der individuelle Ausdruck von Religion. Religionen sind eine zu einem bestimmten Zeitpunkt neue, vemutliche erste Ebene der Reflektion. Grabbeigaben können Ausdruck eines Ahnenkultes sein, müssen es aber nicht.

 

Die Menschen, wie alle in Gruppen lebenden Tiere auch, stellten einfach fest, daß immer wieder Mitglieder ihrer Gruppe starben, aber in ihrer Erinnerung noch da waren, ihnen in Träumen begegneten usw., eine Erfahrung, die übrigens, wie heute auch, nicht immer erfreulich gewesen sein muß. Manche Menschen vermißt man, andere eher weniger. Psychologie war ihnen fremd. Also lag die Vermutung nahe, daß sie irgendwie noch nicht ganz weg waren. Also versuchte man sich dazu zu verhalten. Manche Menschengruppen haben daraus einen umfangreichen Totenkult entwickelt, den man als Vorstufe zu einer Religion verstehen kann, andere nicht.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

In Deiner Argumentationslinie scheint ein Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit zu liegen. Dieser Punkt ist für die weitere Entwicklung der Religionen sicherlich elementar (allein der Totenkult des alten Ägyptens).

 

Allerdings - und da möchte ich das von Dir öfter genannten Phänomen des "es war einfach so" aufgreifen - ist die Erkenntnis und das Arrangement mit den "unveränderlichen" Lebensumständen genau mein Punkt an dem ich "religiöse Praxis" schon festmachen würde. Davon sind letztlich dann alle Handlungen und Denkweisen beeinflusst, die sich der Mensch in diesem Rahmen aneignet um als Individuum und als Gruppe zu überleben.

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 6 Stunden schrieb Flo77:

Allerdings - und da möchte ich das von Dir öfter genannten Phänomen des "es war einfach so" aufgreifen - ist die Erkenntnis und das Arrangement mit den "unveränderlichen" Lebensumständen genau mein Punkt an dem ich "religiöse Praxis" schon festmachen würde. Davon sind letztlich dann alle Handlungen und Denkweisen beeinflusst, die sich der Mensch in diesem Rahmen aneignet um als Individuum und als Gruppe zu überleben.

 

Ich stelle mir das eher umgekehrt vor. Der eine wird krank, der andere nicht. Der eine stirbt früh, der andere nicht. Der eine hat Jagderfolg, bekommt Kinder, ist besonders begabt, die andere nicht. Sehr viel, vielleicht das meiste in unserem Leben liegt nicht oder nur sehr bedingt in unserer Hand.

Warum ist das so, wer bestimmt das? Da haben die Menschen Erklärungen gesucht und Wege der Beeinflussung dessen, der oder was das bestimmt. Religiöse Vorstellungen und Rituale haben sich entwickelt und daraus zum Teil komplexe Religionen mit Funktionsträgern.

 

Und dann wurde Religion - wie alles andere auch - von den Mächtigen versucht zu instrumentalisieren. [Edit] Oder sie haben sich selbst religiöse Machtpositionen erarbeitet. [Edit/]

Schon, weil sie sonst eine Bedrohung ihrer eigenen Macht war. Den Versuch, sie gewaltsam abzuschaffen und durch die eigene Ideologie zu ersetzen, machten dann der Kommunismus und der NS-Staat.

 

Heute benutzen auch im herkömmlichen Sinn unreligiöse Menschen (du, Marcellinus,  natürlich nicht) Maskottchen oder reiben ihre Münzen am Automaten, damit sie nicht durchrutschen, suchen Wege, den "blinden Zufall" zu überlisten.

bearbeitet von Gratia
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wobei natürlich "fortgeschrittene" Religion eben nicht mehr versucht, Gott (oder was dort auch immer dafür steht), zur Erfüllung der eigenen Wünsche zu benutzen. Sondern eher im Einklang mit ihm zu leben, seinem Willen zu folgen, ihn zu lieben. Um Seiner selbst willen, in der Annahme, dass das dem Menschen am besten entspricht, nicht die Anpassung der äußeren Umstände.

bearbeitet von Gratia
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Menschen als Spezies sind religiös veranlagt.  Und aus diesem Bedürfnis bilden sich dann Religionssysteme.

Ich denke auch,dass Menschen schon immer nachgedacht haben. Auch wenn sie mit Überleben,jagen und sammeln beschäftigt waren. Und nicht so alt geworden sind. Nachdenken geht ja simultan zu zB jagen und sammeln.  Und ohne die Reflexion wären wir heute nicht da wo wir sind.

bearbeitet von mn1217
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 11 Stunden schrieb Marcellinus:

Die meiste Zeit unserer menschlichen Entwicklung hatten die Menschen einfach keine Zeit für Religion, und sie waren auch zu jung und zu gesund. Religion ist etwas für alte Leute. Die ersten Jahrhunderttausende wurden die Menschen aber nicht alt, sie starben im Gegensatz zu uns zu einem großen Teil diesseits der 30, jung und kräftig, und mit all dem beschäftigt, was junge und kräftige Menschen so tun. Diesseits der 30 macht man sich keinen Kopf um das Morgen, wenn man das Heute genießen kann, oder einfach überleben muß.

Machst du es dir da nicht etwas zu einfach? Ich bezweifele, daß es früher keine Menschen über 30 (oder meinetwegen 40) gegeben hat. Selten zwar, aber es wird sie gegeben haben. Und sie dürften eine wichtige Rolle in der Tradierung von Erfahrungen gehabt haben. Egal ob es um die Verträglichkeit von Pflanzen oder die optimalen Jagdstrategien gegangen ist. Nicht jede Generation musste das Rad neu erfinden (OK, in dem Zusammenhang vielleicht noch kein passender Vergleich). Und damit war möglicherweise auch Zeit und Raum für 'Übersinnliches' - und sei es nur die Vorstellung von bösen Wassergeistern (die wir heutigen wissenschaftlichen Menschen vielleicht als Amöben bezeichnen würden).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 23 Stunden schrieb mn1217:

Menschen können aber nun mal planen und wissen nun mal um ihre Sterblichkeit. Und fühlen sich nun mal, auch als Individuum und in kleineren Gruppen, mit ihren Familienmitgliedern und Ahnen verbunden.

Sie fühlen sich in etwas "Höheres" eingebunden.

Das IST angeboren.

 

Meiner Wahrnehmung nach ist dem Menschen angeboren, schlicht weil es zum Überleben vorteilhaft ist, nach Mustern in der Welt zu suchen und die Zukunft zu planen. Nach der Mustersuche/Erkennung kommt dann der Versuch, diese Muster zu erklären. 

 

Warum gibt es Tag und Nacht? Warum gibt es Trockenzeiten und Überschwemmungen? Warum wird das Stammesmitglied krank und stirbt?

 

Das ist dann die ökologische Nische, in der Religion entstanden ist, vergleichbar mit den Erklärungsansätzen von Kindern in ihrer "magischen Phase". Mama ist krank, weil ich böse war. Es regnet, weil ich traurig bin. Es gab einen Vulkanausbruch oder eine Dürre, weil wir die Götter erzürnt haben. Als Erklärungsangebot für die Welt. Warum die Welt so ist, wie sie ist. Zusammen mit der (unbegründeten) Hoffnung, man könnte mit Hilfe der Religion Einfluss nehmen (Opfer, Gebete)

 

Eigentlich entwachsen die meisten Menschen nicht dieser magischen Phase, sie bilden es sich nur gern ein. ;) 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor einer Stunde schrieb gouvernante:

Woran machst Du das fest?

Woran mache ich fest,dass Menschen als Spezies sozial veranlagt sind?

 

Was wissen wir Menschen über unsere eigene Spezies?

 

Es gibt Beobachtungen, Funde,Anthropologie,Psychologie...

 

Wir sind Primaten,die mit Feuer umgehen können, lange voraus planen können und uns unserer Sterblichkeit bewusst sind.

 

Innenbeobachtung und Forschung an der eigenen Spezies ist immer problematisch, aber bis 2063 werden wir wohl noch damit vorlieb nehmen müssen.

 

Ich denke übrigens, dass Nachdenken und Bewusstsein über den Tod keine ausschließliche Sache von über 30 jährigen ist. Wenn Menschen nicht so alt werden,werden sie auch früher "erwachsen" und gerade Frauen waren ja durch Geburten, die öfter schief gingen,immer mit dem Phänomen konfrontiert. 

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

vor 32 Minuten schrieb Moriz:

Egal ob es um die Verträglichkeit von Pflanzen oder die optimalen Jagdstrategien gegangen ist. Nicht jede Generation musste das Rad neu erfinden (OK, in dem Zusammenhang vielleicht noch kein passender Vergleich). Und damit war möglicherweise auch Zeit und Raum für 'Übersinnliches' - und sei es nur die Vorstellung von bösen Wassergeistern (die wir heutigen wissenschaftlichen Menschen vielleicht als Amöben bezeichnen würden).

 

Siehst du, da kommen wir doch einen Schritt weiter, zu einer wirklich grundsätzlichen Fähigkeit von Menschen, ohne die wir nicht dahin gekommen wären, wo wir heute sind: die Fantasie. Egal ob in der Frühzeit oder heute, immer dann, wenn Menschen auf eine Frage, die für sie bedeutsam erscheint, über die sie aber keinerlei Informationen haben, beruhen ihre ersten Vorstellungen immer auf Spekulationen.

 

Und da wir Menschen dazu neigen, persönliche Verursacher anzunehmen, wenn wir keine bessere Erklärung haben, und Menschen gleichzeitig mit ihresgleichen die besten und unmittelbarsten Erfahrungen haben, lag es für die Frühmenschen nahe, die Welt um sie herum als belebt zu betrachten, voller Akteure, mit denen man irgendwie umgehen mußte. Da waren vor allem all die anderen Tiere, aber eben auch Akteure wie ein Blitz, ein Fluß oder ein rutschender Berghang. Ohne besseres Wissen bezogen sie all dies auf sich, vermuteten hinter allem eine auf sie gerichtete Absicht. Wir funktionieren bis heute so. Je bedeutsamer uns ein Ereignis erscheint, umso eher nehmen wir eine dahinterstehende Absicht an. Alle Verschwörungstheorien arbeiten nach diesem Muster.

 

Mit Religion hat das alles noch nichts zu tun, nur mit Musterbildung, und eben Fantasie. Unter Fantasie versteht man allgemein die kreative Fähigkeit der Menschen. Es bezeichnet (unter anderem) die Fähigkeit, einzelne Vorstellungen auf eine neue Art miteinander zu einem Bild zu verknüpfen, Zusammenhänge herzustellen, wo man vorher noch keine gesehen hat.

 

Fantasie ist somit die notwenige Voraussetzung jeder Form von gedanklicher Synthese; denn wir sind in der Regel nicht in der Lage, Zusammenhänge zwischen unseren einzelnen Beobachtungen zu sehen, sondern wir konstruieren sie. Genauer gesagt, unser Gehirn erkennt keine Zusammenhänge, es konstruiert sie. „Dauernd und in Hochgeschwindigkeit und vollautomatisch: Zwischen dem Mond und dem eigenen Verhalten, zwischen Medikamenten und der eigenen Gesundheit, zwischen allem was zeitlich knapp beieinander hängt. Das macht es, um ja keinen Zusammenhang zu übersehen. So wie eine Alarmanlage Fehlalarme in Kauf nimmt, baut das Hirn unzählige falsche Zusammenhänge, um ja keinen wesentlichen echten zu übersehen.“, um Jörg Wipplinger zu zitieren. (Das Hirn - die dumme Alarmanlage, http://www.diewahrheit.at/video/das-hirn-die-dumme-alarmanlage)

 

So entstehen neue Erkenntnisse, aber eben auch Verschwörungstheorien, und alle möglichen Vorstellungen dazwischen. Der Unterschied zwischen ihnen besteht nicht in der Art der Fantasie, der sie ihre Entstehung verdanken, sondern darin, inwieweit man bereit und in der Lage ist, die so entstandenen Vorstellungen auf ihren Realitätsgehalt zu prüfen.

 

Zu Religionen wird das dann, wenn Menschen ihren fantastischen Vorstellungen eine Eigenleben geben, um sie herum Geschichten erfinden, weitererzählen und ausschmücken, bis sie in den Köpfen der Menschen, die mit diesen Geschichten aufwachsen, eine eigene "Realität" annehmen.

 

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Das klingt dermassen abwertend.

 

Menschen sind dämlich.Haben egoistische Gene und dumme Gehirne (was Quatsch ist.Solche Eigenschaften treffen auf Menschen zu,aber nicht auf Teile von ihnen).

Aber immerhin überleben sie schon seit einigen Jahren.  Und ich bin mir ziemlich sicher,dass die Vulkanier/ Beteizeuganer/... Im Prinzip genauso funktionieren.

Vielleicht stimmt es ja, das nichts so wichtig ist wie eine gute Geschichte , dann sollte aber nicht so abschätzig auf Geschichten herabgesehen werden.

bearbeitet von mn1217
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Join the conversation

You can post now and register later. If you have an account, sign in now to post with your account.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Only 75 emoji are allowed.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Clear editor

×   You cannot paste images directly. Upload or insert images from URL.

×
×
  • Neu erstellen...