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Synodaler Weg - schon versperrt?


Jan_Duever

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vor einer Stunde schrieb rince:
vor 1 Stunde schrieb Katholikos:

Gott ist auch im AT nicht grausam.

Doch, ist er.

 

Hältst du es für angemessen, Texte welche die altorientalische Ethik von vor über 2000 Jahren beschreiben, aus der Perspektive deiner bzw. unserer modernen humanistischen Ethik zu interpretieren, um die Aussageabsicht der damaligen Autoren zu verstehen?

 

Genozide waren damals an der Tagesordnung, die Angst vor Ausrottung durch die Nachbarvölker allgegenwärtig. Besonders in Palästina, diesem vergleichsweise trockenen Landstrich, in dem Regenbauwirtschaft betrieben werden musste, gelegen zwischen zwei wirtschaftlich viel ertragreicheren und somit auch von der Bevölkerung größeren und  militärisch stärkeren Flusskulturen, Ägypten und Mesopotamien.

 

Der Volksgott dieses Volkes, welches in diesem wirtschaftlich benachteiligtem Landstrich lebte, welches dauernd abwechselnd unter der grausamen Herrschaft der einen wie der anderen großen Flusskultur ums Überleben kämpft, ist selbstverständlich nicht grausam, sondern barmherzig, wenn er gegen die Feinde auf dem Schlachtfeld als Kriegsgott tut, was von ihm erwartet wird - Kriege führen. Krieg ist grausam, damals wie heute, keine Frage.

 

Aber so wenig, wie Deutschland grausam ist, wenn es die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützt, so wenig ist JHWH grausam, wenn er sein Volk unterstützt. Weil unsere Ethik eine völlig andere ist als die des Frühjudentums, ist Deutschland auch nicht barmherzig, wenn es die Ukraine mit Waffen unterstützt. Wir haben da eben auch unsere eigenen Interessen im Blick.  

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vor 2 Stunden schrieb rince:

Doch, ist er.

Es geht da um Gottesvorstellungen. Mit Gott selbst haben die nur indirekt zu tun, es sind jedenfalls keine Beschreibungen

 

Werner

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vor einer Stunde schrieb Weihrauch:

Hältst du es für angemessen, Texte welche die altorientalische Ethik von vor über 2000 Jahren beschreiben, aus der Perspektive deiner bzw. unserer modernen humanistischen Ethik zu interpretieren, um die Aussageabsicht der damaligen Autoren zu verstehen?

Da ich nicht an Götter glaube, habe ich nicht das Problem, meinen Glauben, der nun mal auf Texten mit einem brutalen und grausamen Gottesbild aus der Bronzezeit beruht, irgendwie durch akrobatische Interpretationsversuche unter einen Hut bringen zu müssen, damit er dann zu einem allliebenden, allgütigen und allwissenden Wohlfühl-Gott passt, der er heutzutage zu sein hat. 

 

Aber diese Versuche sind immer sehr belustigend anzuschauen. Eine nicht geringe Portion Mitleid ist auch meistens mit dabei.

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vor 4 Stunden schrieb Werner001:

Es geht da um Gottesvorstellungen. Mit Gott selbst haben die nur indirekt zu tun, es sind jedenfalls keine Beschreibungen

 

Stimmt, aber nicht nur. Denn aus der alttestamentlichen Gottesvorstellung, und dem damit verbundenen völkischen Gedankengut, das mit der christlichen Bibel weltweit verbreitet wurde, haben sich Ideologien genährt, und diese Ideologien haben dann wiederum die Religionen, die sich aus dem AT entwickelten missbraucht. Diese Ideologien gingen und gehen mit dem Judentum, Christentum und Islam Hand in Hand, und die Menschen fallen immer wieder darauf herein, weil ihnen dieses völkische Gedankengut aus der Bibel so vertraut ist, und sie das für ganz "normal" halten, weil es in der Bibel steht.

 

Die Absicht bestimmter Ideologien ist ja gerade, diese Grenzen zu vernebeln, zwischen Ländern, Völkern und den Religionen. Da wird dann am 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich ein Staatskirchenvertrag abgeschlossen und die NSDAP profitiert davon, dass sich die Bischöfe im Reichskonkordat dazu verpflichteten ihre Verurteilung des Nationalsozialismus zurückzunehmen und dass Hitler im Reichskonkordat als legitime Obrigkeit des Deutschen Volkes anerkannt wird. Da verwischt sich dann die Grenze zwischen dem Gottesvolk der Kirche und dem deutschen Volk, und so geht dann der brave christliche Deutsche mit seinem Antisemitismus auf das Gottesvolk des AT los.

 

Wohingegen heute keiner von Antisemitismus spricht, wenn es gegen die Araber und Palästinenser geht, obwohl der Bergriff Semiten ursprünglich 1781 vom deutschen Historiker August Ludwig von Schlözer mit Bezug auf die Völkertafel der Genesis geprägt wurde. Zu den Söhnen von Sem“ zählen die Amharen, Tigrinya, Araber, Hyksos, Malteser, Minäer, Sabäer, Amoriter, Ammoniter, Akkader/Babylonier/Assyrer/Aramäer, Hebräer, Kanaaniter, Moabiter, Nabatäer, Phönizier und Samaritaner.

 

Andererseits werden Semiten als die Völker bezeichnet, die eine semitische Sprache sprachen. Semitische Sprachen sprechen heute insbesondere Araber, Israelis, Aramäer, Malteser sowie mehrere Sprachgruppen in Äthiopien und Eritrea. Der Sammelbegriff „Semiten“ als Bezeichnung einer Völkerfamilie gilt als ungenau und überholt, insbesondere auch aufgrund seiner Verwendung in rassistischen Kontexten. Die Semiten im sprachwissenschaftlichen Sinne sind mit den Nachkommen Sems der Bibel nicht völlig identisch. So sprachen die Kanaaniter zwar eine semitische Sprache, der biblische Stammvater Kanaan wird jedoch als Sohn des Noah-Sohnes Ham beschrieben.

 

Der Begriff Antisemitismus in der Alltagssprache heutzutage meint je nach Bedarf die "jüdische Trinität" Gott JHWH, das Land bzw. den Staat Israel und das Volk der Juden oder einen Teil davon und sonst nichts. Dem entspricht meine Herleitung aus der Urgeschichte, in der ich darauf hinweise, dass der Name JHWH dort mit dem Namen Sem (= shem) gleichgesetzt wird.

 

Zitat

Gen 4,26
Auch dem Set wurde ein Sohn geboren und er gab ihm den Namen Enosch. Damals fing man an, den Namen (= shem) des HERRN (wörtlich JHWH) anzurufen.

So sprechen die Juden heute von JHWH und sagen stattdessen ha shem

 

Dieser Name wohnt in dem Zelt der Stiftshütte, die ins Land Kanaan getragen wird, und später im Jerusalemer Tempel. Das ist in dem Segen und Fluch des Noach ausgesprochen. 

vor 6 Stunden schrieb Weihrauch:
Zitat

Und weiter sagte er: Gepriesen sei JHWH der Gott dieses Namens, und (das Land) Kanaan werde sein Sklave.

Raum schaffe Gott, weiten Raum. In dieses Namens Zelten wohne er, (das Land) Kanaan aber werde sein Sklave.

 

bearbeitet von Weihrauch
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vor einer Stunde schrieb rince:

Da ich nicht an Götter glaube, habe ich nicht das Problem, meinen Glauben, der nun mal auf Texten mit einem brutalen und grausamen Gottesbild aus der Bronzezeit beruht, irgendwie durch akrobatische Interpretationsversuche unter einen Hut bringen zu müssen, damit er dann zu einem allliebenden, allgütigen und allwissenden Wohlfühl-Gott passt, der er heutzutage zu sein hat. 

 

Jetzt stell dich nicht so an. Das hat mit einem Glauben an Gott erst mal gar nichts zu tun. Du musst ja auch nicht an Zyklopen glauben um zu verstehen, was Homer in der Odyssee beschreibt.

 

Es geht schlicht um die historische Einordnungen von Texten in den Kontext der Abfassungszeit. Das ist eine Frage sauberer hermeneutischer historich-kritischer Methoden in der Literaturkritik, die man ganz unabhängig vom persönlichen Glauben, d.h. wissenschaftlich betreibt um historische Dokumente zu verstehen. Im zweiten Schritt kann man sich dann über seine eigene Theologie Gedanken machen, sofern man Christ ist und ein christliches Gottesbild hat, das sich vom frühjüdischen aber deutlich unterscheidet. Da ist das dann aber kein Problem der Theologie, weil dieses Problem inwiefern Gott in dem alttestamentlichen Gottesvorstellungen grausam oder barmherzig ist, schon in der Literarkritik gelöst wurde und als jüdische (und nicht christliche Gottesvorstellung) erkannt worden ist - und zwar ohne akrobatische Interpretationsversuche. 

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vor 34 Minuten schrieb Weihrauch:

und diese Ideologien haben dann wiederum die Religionen, die sich aus dem AT entwickelten missbraucht.

Sorry, als Aussenstehender sehe ich da keinen Unterschied zwischen Religion und Ideologie. 

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vor 2 Minuten schrieb Weihrauch:

Du musst ja auch nicht an Zyklopen glauben um zu verstehen, was Homer in der Odyssee beschreibt.

Wenn wir uns darauf einigen können, dass der biblische Gott genau so real ist wie der Zyklop aus der Odyssee, dann haben wir einen gemeinsamen Nenner.

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vor 7 Minuten schrieb rince:

Sorry, als Aussenstehender sehe ich da keinen Unterschied zwischen Religion und Ideologie.

Wenn du keinen Unterschied siehst zwischen der Ideologie der NSDAP und dem Christentum, dem Islamischen Staat und dem Islam oder der Politik des Staates Israels und dem Judentum, ist das halt so.  

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vor 7 Minuten schrieb rince:

Wenn wir uns darauf einigen können, dass der biblische Gott genau so real ist wie der Zyklop aus der Odyssee, dann haben wir einen gemeinsamen Nenner.

Damit habe ich kein Problem. Ich weiß nicht, ob es Gott gibt, ob er real existiert - ich glaub' es, und habe gute Gründe dafür.  

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vor 3 Stunden schrieb Weihrauch:
vor 3 Stunden schrieb rince:

Sorry, als Aussenstehender sehe ich da keinen Unterschied zwischen Religion und Ideologie.

Wenn du keinen Unterschied siehst zwischen der Ideologie der NSDAP und dem Christentum, dem Islamischen Staat und dem Islam oder der Politik des Staates Israels und dem Judentum, ist das halt so.  

 

Das hat @rince so nicht geschrieben. Wobei die Ideologie der NSDAP und des Islamischen Staates (oder von Islamisten im allgemeinen) durchaus vergleichbar ist. Christentum und Islam an sich sind jahrhundertelange Prozesse. Da es für die naturgemäß keine zeitunabhängige Beschreibung gibt, wird es mit einem Vergleich schon schwierig. Man müßte halt sagen, welches Christentum oder welchen Islam man meint. Die Politik des Staates Israel könnte man mit der seiner Nachbarn vergleichen. Religion oder Ideologie ist da sicherlich nur ein Aspekt (ich bin nicht einmal sicher, ob der vorrangige).

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Ich habe halt diese Beispiele gebracht, weil sie sich so aus dem Gesprächszusammenhang ergeben haben. Wenn er oder du jetzt wenigstens mit Ideologiekitik und an Beispielen wie Kommunismus, Demokratie, Wirtschaftswachstum, Kapitalismus oder so argumentieren würden, hätte ich argumentativ sehr viel schlechtere Karten, denn dann müsste ich irgendwie (?) darlegen, wieso Religionen bei Weltanschauungen einen qualitativen Unterschied machen. Aber dann kämen wir völlig vom Thema ab.  

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vor 5 Stunden schrieb Marcellinus:

Die Politik des Staates Israel könnte man mit der seiner Nachbarn vergleichen. Religion oder Ideologie ist da sicherlich nur ein Aspekt (ich bin nicht einmal sicher, ob der vorrangige).

 

Ursprünglich war Religion sicherlich kein allzu bedeutender Gesichtspunkt. Von Ben-Gurion wird ja das Zitat überliefert: "Der Gott, an den ich nicht glaube, ist ein jüdischer."

Man hat ja entsprechen über die frühen (oft eher sozialistisch geprägten) Zionisten gesagt dass sie zwar nicht an Gott glauben, wohl aber an Gottes Verheißungen (die ihnen das gelobte Land zusprechen). Die traditionellen orthodoxen Juden (nicht mit den Nationalreligiösen zu verwechseln) lehnen Israel als Staat aus religiösen Gründen sogar ab.

 

Im Lauf der Zeit hat die "politische" Bedeutung der Religion sicherlich zugenommen, und ein ähnlicher Prozess hat auch auf arabischer bzw. palästinensischer Seite ereignet.

 

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Es passt nicht hundertprozentig hier her, aber einen neuen Thread will ich deswegen auch nicht eröffnen. 

 

Die katholische Universität von Amerika (Washington) hat sich stichprobenartig bei Priestern in den Vereinigten Staaten umgehört. Zu verschiedenen Themen und Fragestellungen.

 

Anbei neue Ergänzungen zu der kleinen Studie "National Study of Catholic Priests" [Download]. 

 

https://catholicproject.catholic.edu/wp-content/uploads/2023/10/Further-Insights-NSCP-Nov-2023-rev.pdf

 

Ich will hier nicht alles durchgehen, aber die Aufmerksamkeit auf die Darstellungen (Figure) 1, 3 und 4. 

 

Darstellung 1 fragt nach der Selbstwahrnehmung der Priester und stellt das Ergebnis nach Ordinationsjahr dar. Das mögliche Antwortspektrum reicht von sehr progressiv bis sehr konservativ/orthodox. Und da lässt sich, so finde ich, schon ein Trend ablesen. Die "alten Weihejahrgänge" sehen sich mehrheitlich als sehr progressiv oder progressiv, während sich die in den letzten 20 Jahren Neugeweihten tendenziell eher als konservativ bis sehr konservativ/orthodox betrachten. 

 

Darstellung 3 und 4 fragen nach der accountability, also der Rechenschaftspflicht bzw. Verantwortlichkeit der Priester gegenüber Papst Franziskus. Ich versuche die Fragestellung zu übersetzen, auch wenn es vielleicht nicht exakt trifft: Ich schätze es als Priester Papst Franziskus gegenüber verantwortlich zu sein. Oder vielleicht freier interpretiert: Ich bin gerne unter Papst Franziskus Priester? 

 

Zwar lässt sich sagen, dass die absolute und überwältigende Mehrzahl der befragten Priester, diese Frage neutral bis sehr zustimmend beantwortet (Figure 3; Wer würde das schon, selbst wenn anonym befragt, so rundheraus bekennen, wenn es anders wäre?), aber von denen, die nicht zustimmen oder stark nicht zustimmen, ist die Gruppe der unter-45-Jährigen Priester deutlich herausgehoben (Figure 4). 

 

Natürlich ist die Repräsentativität dieser Studie eingeschränkt (obwohl es für Amerika die bisher größte sein soll). Aber wenn ich nur nach den Ergebnissen dort gehe, dann könnte man sagen, der amerikanische Klerus unter 45 Jahren bzw. seit den Weihejahrgängen um die Jahrtausendwende herum ist mehrheitlich konservativ und orthodox und von den Priestern, die mit Papst Franziskus eher wenig anfangen können, stellt dieselbe Gruppe die meisten innerhalb dieser Befragung. 

 

Dieses Bild korreliert mit der etwas frustrierten Äußerung des US-Nuntius Cardinal Pierre, dass der jüngere Klerus im Land offensichtlich nicht wirklich (oder gar nicht) hinter dem steht, wofür die theologische Programmatik von Papst Franziskus tatsächlich oder mutmaßlich steht. 

 

Das stelle ich als wertungsfreie Observation mal in den Raum. 

bearbeitet von Studiosus
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Und etwas weniger wertungsfrei (daher auch als getrennter Post) und aus meiner eigenen Erfahrung gesprochen:

 

Ob diese Polarisierung in Deutschland ebenso verläuft, kann ich nicht sagen. Ich denke wohl nicht auf jeder Ebene. Das hat wahrscheinlich auch mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu tun: die enge Anbindung an den Staat der Kirchen in Deutschland, der Umstand, dass Papsttreue und Orthodoxie im deutschen Katholizismus eher nicht so eine starke Tradition hat, die Ausbildung der Kleriker an staatlichen Fakultäten usw. usf. 

 

Zwar sind bei uns (immer noch) aktuelle Weihejahrgänge stellenweise recht progressiv, aber auch hier nehme ich Dinge wahr, die vor 20 Jahren wohl fast noch undenkbar gewesen wären. Ein junger Mann z. B., der in den letzten Jahren geweiht wurde, hat einen seiner Primizgottesdienste sehr zum Missfallen seines Bischofs im überlieferten Ritus gefeiert (er fiel gerade noch nicht unter die Maßnahmen von Traditionis Custodes). Die Soutane sieht man beim jüngeren Klerus (diözesan, nicht ehemaligen Ecclesia Dei-Gruppen) wieder häufiger, Priesterkleidung sowieso. Die Vorbehalte gegen den Synodalen Weg sind in dieser Gruppe auf jeden Fall vorhanden. Und das Interesse an Orthodoxie und Übereinstimmung mit dem Lehramt (nicht nur dem des aktuellen Papstes), sowie eine Faszination mit der Tradition der Kirche ist bei jüngeren Priestern wahrzunehmen. 

 

Eine Beobachtung, die auch in der amerikanischen Studie angelegt ist, habe ich auch persönlich schon gemacht: Die progressivsten Priester, die mir bisher begegnet sind, waren tatsächlich aus den alten Weihejahrgängen um das Konzil herum und aus den konsekutiven Jahrzehnten. Statistisch wird man hier vielleicht irgendwann vom "Konzils-Buckel" sprechen. Der Graph scheint sich aber langsam wieder zu normalisieren. Was auch verständlich ist: Warum sollten Priester, die 10 oder mehr Jahre nach Abschluss des Konzils geboren (!) wurden, mit ihrem Priesterleben dieselben Kämpfe austragen wie jene, die das biographisch betroffen hat? Ich nehme wahr, dass die jüngeren Priester das letzte Konzil durchaus als Autorität betrachten, aber die Historisierung hat bereits eingesetzt. Den heute 20-Jähringen dürfte das Zweite Vatikanische Konzil von ihrer Lebenswelt genauso weit entrückt sein wie das Erste. Jedenfalls sind sie einem "Geist des Konzils" nicht mehr vorbehaltlos

ergeben. Sie folgen der amtlichen Interpretation. 

bearbeitet von Studiosus
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@Studiosus

Ist doch ziemlich offen: Warum sollte ein junger Mann, der nicht stockkonservativ ist, heute denn noch Priester werden? Die vielen Schwulen, die früher Priester wurden, denken da auch längst nicht mehr im Traum dran, so bleiben halt nur noch wenige sehr konservative übrig 

 

Werner

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vor 10 Minuten schrieb Werner001:

@Studiosus

Ist doch ziemlich offen: Warum sollte ein junger Mann, der nicht stockkonservativ ist, heute denn noch Priester werden? Die vielen Schwulen, die früher Priester wurden, denken da auch längst nicht mehr im Traum dran, so bleiben halt nur noch wenige sehr konservative übrig 

 

Werner

Ich fürchte nur, daß diese junge Priesterschaft sehr schnell entweder auf Partikularseelsorge schwenkt und sich nur noch um den heiligen Rest kümmert. Die beiden anderen Möglichkeiten (vor lauter Selbstheiligkeit micht zu wissen wohin mit seinem Missionseifer oder in Frustration über die normalen Gläubigen zu versinken) sind jetzt auch nicht sooo prickelnd.

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vor 2 Stunden schrieb Werner001:

Warum sollte ein junger Mann, der nicht stockkonservativ ist, heute denn noch Priester werden?

 

Also für die Situation in Deutschland meine ich, dass nicht nur die Konservativsten Priester werden. Da gibt es schon viele, die theologisch und praktisch eher liberal oder progressiv unterwegs sind. 

 

Priester werden will man, wenn man sich dazu von Gott berufen fühlt. Über die Berufung entscheiden muss die Kirche, deshalb werde ich über diese Motivation auch nicht urteilen. 

 

Was man beurteilen kann, ist die Vorstellung vom Priesteramt, die Alumnen haben oder die von anderen Stellen propagiert wird. Und da scheint mir das in unseren Breiten prominente Priesterbild eher das eines Sozialarbeiters mit erweiterten Bibelkenntnissen zu sein. Das mag ein gewisser Prozentsatz für sich übernehmen, viele nehmen sich und ihr zukünftiges Amt anders wahr. 

 

Und man sollte auch nicht vergessen, dass der traditionelle Typus Priester heute nicht mehr das präferierte Modell ist und folglich auch in der Ausbildung bereits darauf geachtet wird, dass als zu "rigide" oder "orthodox" geltende Kandidaten sich entweder in den Mainstream einordnen oder das Seminar verlassen. (Wobei ich die Mär von der verfolgten Unschuld, die sich viele gescheiterte Seminaristen zurecht legen, nicht glaube. Manches Ausscheiden aus dem Seminar wird eher mit mangelnden persönlichen, psychischen oder akademischen Qualitäten zusammenhängen als damit, dass Betreffender "zu katholisch" war. Was im Umkehrschluss nicht heißt, dass ich das bestehende System der Priesterausbildung vor allem in Deutschland besonders schätzen würde. Da liegt genug im Argen.)

 

Dass konservativen Bewerbern in Amerika bisweilen in manchen Bistümern Steine in den Weg gelegt werden (dafür sind die Zahlen der konservativen Priester allerdings noch immer beachtlich), hat schon Michael Rose in seinem Buch Goodbye, Good Men dargestellt. Nun ist darin nicht alles gleich zu gewichten, aber einiges konnte ich zumindest ansatzweise auch in Deutschland wiederfinden, seit ich im Umfeld von Fakultät und Seminaristen unterwegs bin. Und die Unterwanderung mancher Seminare mit einer ausgeprägten homosexuellen Subkultur war tatsächlich Fakt. Ob das heute noch so extrem ist, das Buch erschien vor mehr als 20 Jahren, müsste man eruieren. Wenn stimmt, was Werner sagt, dann müsste das ja eher abgenommen haben. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 2 Stunden schrieb Studiosus:

Darstellung 1 fragt nach der Selbstwahrnehmung der Priester und stellt das Ergebnis nach Ordinationsjahr dar. Das mögliche Antwortspektrum reicht von sehr progressiv bis sehr konservativ/orthodox. Und da lässt sich, so finde ich, schon ein Trend ablesen. Die "alten Weihejahrgänge" sehen sich mehrheitlich als sehr progressiv oder progressiv, während sich die in den letzten 20 Jahren Neugeweihten tendenziell eher als konservativ bis sehr konservativ/orthodox betrachten.

 

Das ist wohl so. Ich hatte ja schon mal folgenden Artikel verlinkt:

 

"U.S. Catholic Priests Are Increasingly Conservative as Faithful Grow More Liberal
Almost half of young clergy in a survey disapprove of the liberalizing Pope Francism [...]

Research on Catholic clergy by the Austin Institute has found that younger Catholic priests and priests ordained in more recent years tend to be noticeably more conservative than older priests on a host of issues, including politics, theology and moral teaching.[...]The Rev. Peter Hannah, a member of the Dominican order from California who was ordained in 2014, said that for many young clergy “John Paul II was a prophetic voice in the wilderness of modern secularism…an incredible inspiration and saint.”"

 

Da die Laienschaft sich aber in die entgegengesetzte Richtung bewegt, könnte das die internen Spannungen dauerhaft verstärken.

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vor 28 Minuten schrieb iskander:

Das ist wohl so. 

 

Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass diese "Selbsteinschätzungen" nicht unproblematisch sind. Es gibt ja für katholische Priester keine standardisierten Gesinnungstests wie bei Kampfhunden. Was "konservativ" bedeutet, kann von Fall zu Fall variieren. Georg Bätzing hält sich z. B. auch in seiner Eigenansicht für konservativ.

 

vor 28 Minuten schrieb iskander:

Da die Laienschaft sich aber in die entgegengesetzte Richtung bewegt, könnte das die internen Spannungen dauerhaft verstärken.

 

Diese auseinanderklaffende Schere ist natürlich ein Problem (nicht nur in Amerika). Allerdings frage ich mich, ob das bei genauem Hinsehen eigentlich jemals grundsätzlich anders war. 

 

Priester sind qua Definition Männer, die ihr ganzes Leben für den Dienst an Gott und - was man nie vergessen sollte - der Kirche zur Verfügung stellen. Denen würde ich unterstellen, dass für sie sehr relevant ist, was die Kirche lehrt und anordnet. Dass für das Laikat, das ja auch noch andere Interessen als Canones, Decreta, Offizium und Messe hat, manche Dinge eine weniger große Rolle spielen, würde ich einfach mal annehmen. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Stunde schrieb Studiosus:

Wenn stimmt, was Werner sagt, dann müsste das ja eher abgenommen haben. 

Davon kann man getrost ausgehen. 
In meiner Jugend war Homosexualität noch komplett tabuisiert, das Thema gab es einfach nicht. Mangelndes Interesse am weiblichen Geschlecht hielt man in katholischen Kreisen für die Berufung zum Zölibat.

 

Heute wissen, Gott und dem Internet sei Dank, auch schon 14jährige, was ihr Desinteresse an Mädchen bedeutet. Priester wird deswegen keiner mehr.

 

Werner

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vor 7 Minuten schrieb Werner001:

Priester wird deswegen keiner mehr.

 

Deswegen sicher nicht mehr in dem Sinne, dass es keine andere Möglichkeit eines einigermaßen "konformen" Lebens für diese Männer gab. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich doch recht stark in diesem Punkt geändert. 

 

Dass es weiterhin Männer mit homosexuellen Anlagen gibt, die Priester werden wollen und es auch tun, das halte ich aber für ebenso zutreffend. Anders könnte ich mir bestimmte Phänomene nicht erklären. 

bearbeitet von Studiosus
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vor 1 Minute schrieb Studiosus:

 

Deswegen sicher nicht mehr in dem Sinne, dass es keine andere Möglichkeit eines einigermaßen "konformen" Lebens für diese Männer gab. Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich doch recht stark in diesem Punkt geändert. 

 

Dass es weiterhin Männer mit homosexuellen Anlagen gibt, die Priester werden wollen und es auch tun, das halte ich aber für ebenso zutreffend. Anders könnte ich mir bestimmte Phänomene nicht erklären. 

Ja genau so

 

Werner

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vor 36 Minuten schrieb Studiosus:

Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass diese "Selbsteinschätzungen" nicht unproblematisch sind. Es gibt ja für katholische Priester keine standardisierten Gesinnungstests wie bei Kampfhunden. Was "konservativ" bedeutet, kann von Fall zu Fall variieren.

 

Stimmt wohl, in dem von mir verlinkten Artikel wird das aber - wenn auch ohne Angabe konkreter Zahlen - etwas konkretisiert:

 

"Regarding the church’s prohibitions of contraception, masturbation, homosexual behavior and suicide, the impossibility of women’s ordination to the priesthood, and the necessity for salvation of faith in Jesus, each successive 10-year cohort of priests supports church teaching more strongly than the one before it. Those ordained in 2010 or later are the most conservative of all—and the least happy with Pope Francis, with roughly half disapproving of him, according to the Austin Institute survey. The Vatican didn’t respond to a request for comment."

 

Wobei man die Haltung zu FI in dieser und der von Dir verlinkten Umfrage vllt nicht direkt vergleichen kann, weil die Fragen vermutlich etwas anders waren. Aber die Tendenz ist schon klar.

 

Zitat

Diese auseinanderklaffende Schere ist natürlich ein Problem (nicht nur in Amerika). Allerdings frage ich mich, ob das bei genauem Hinsehen eigentlich jemals grundsätzlich anders war. 

 

Gute Frage. Die Leute sind heute wahrscheinlich jedenfalls selbstbewusster. Wenn ich recht im Bilde bin, hat die Kirche sich öfter sehr zurückgehalten, Mächtige wie Karl den Großen für seine Polygamie zu kritisieren. Heutzutage haben aber auch "einfache Leute" womöglich ein anderes Selbstbewusstsein. Was nicht (nur) heißt, dass sie nicht kritisiert werden wollen, sondern sich ein eigenes Urteil erlauben und es auch äußern, wenn sie mit der Kirche unzufrieden sind. Wäre aber einer historischen Arbeit wert.

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vor 41 Minuten schrieb iskander:

Regarding the church’s prohibitions of contraception, masturbation, homosexual behavior and suicide, the impossibility of women’s ordination to the priesthood, and the necessity for salvation of faith in Jesus, each successive 10-year cohort of priests supports church teaching more strongly than the one before it.

 

Siehst Du, da fängt es für mich nämlich schon an. Ich begrüße es natürlich, dass diese Positionen sukzessive stärker vertreten werden. 

 

Aber in meinen Augen sind die genannten Punkte (Verhütung, Homosexualität, Suizid, Frauenordination und die universale Heilsbedeutung Christi) jetzt kein besonderes Merkmal konservativer Kreise, sondern müssten eigentlich "katholisch normal" sein. 

 

Allerdings verstehe ich, dass im Jahre 2023 diese Standortbestimmungen schon als "konservativ" klassifiziert werden. 

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Ich denke nicht, daß man diese amerik. Studie, deren Ergebnis mich nicht überrascht, auf dt. Verhältnisee auch nur ansatzweise übertragen kann - der "Angebots-Markt" ist dort einfach viel größer, so daß ein junger Mann, der eher die Mainstream-Werte der hiesigen Gesellschaft teilt, dort viel eher episkopaler Priester wird als katholischer. Bei uns gibt es keine nennenswerte anglikanische/episkopale Kirche, da bleibt nur katholisch oder protestantisch (altkatholisch ist mangels Masse bei wenigen auf dem Schirm).

Dem großteil der dt. Katholiken halte ich (völlig beleglos) für gefühlte Episkopalen: schöne Liturgie, Papst egal und Moral bitte immer die der aktuellen Gesellschaftsmode.

bearbeitet von rorro
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