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Christliche Mystik und buddhistische Meditation


duesi

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Wenn jemand Interesse hat, würde ich gerne einen Austausch über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von christlicher Mystik und buddhistischer Meditation starten. Die Zielsetzung soll sein, möglichst wohlwollend, aber auch kritisch beide spirituellen Erfahrungswege zu beleuchten.

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Ich möchte mit einem kurzen Beitrag zu Johannes vom Kreuz starten. Hier findet sich ein schöner Beitrag.

 

Laut Johannes vom Kreuz ist Gott bereits im Herzen eines jeden Menschen zu finden. Doch der Mensch kann Gott nicht wahrnehmen, weil im Alltag die Sinne, der Wille des Menschen und sein Verstand überaktiv sind. Gott wahrzunehmen erfordert laut Johannes vom Kreuz einen Prozess der Liebenden Aufmerksamkeit, die ohne konkrete Vorstellung von Gott lauscht und schaut.

 

Diesem Prozess (den ich eben nur kurz umrissen habe) nachgelagert ist eine Erfahrung, die Johannes vom Kreuz die "dunkle Nacht der Seele" nennt. Die dunkle Nacht der Seele unterscheidet sich von dem, was die Bibel Finsternis nennt, dadurch, dass ein Leben in Finsternis von Sünde gekennzeichnet ist. Die dunkle Nacht der Seele ist jedoch ein Zustand gefühlter Gottesferne, in der Gott in Wirklichkeit ganz nah ist.

 

Johannes vom Kreuz drückt diese Erfahrung im Gebet so aus:

"Nimm doch endlich hinweg meine Angst, denn niemand sonst kann sie mir nehmen.

Meine Augen möchten dich gerne schauen.

Denn du machst sie hell und sehend.

Und nur für dich allein sollen sie leuchten."

 

Diese Sehnsucht aus der Nacht der Seele heraus wird jedoch getragen durch die Begegnung, die er bei dem Prozess der liebevollen Aufmerksamkeit erlebt hat.

 

Wenn ich es richtig verstanden habe, würde der Buddhist hier nur den ersten Schritt mitvollziehen. Jedoch würde er sowohl die Erfahrung der Begegnung als auch die Erfahrung der Nacht als hinderliche Ablenkung empfinden.

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vor 1 Stunde schrieb duesi:

Wenn jemand Interesse hat, würde ich gerne einen Austausch über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von christlicher Mystik und buddhistischer Meditation starten. Die Zielsetzung soll sein, möglichst wohlwollend, aber auch kritisch beide spirituellen Erfahrungswege zu beleuchten.

 

Ich war ein paar Mal Zazen, das war jedesmal eine sehr interessante Erfahrung, wobei ich die erstem Male von der Zählerei recht irritiert war. Da es sich hierbei um christlichen Zen handelte, war ich versucht den Meister zu fragen, ob das wie beim Boxkampf ist, wo, wenn ich ungestört bei 10 ankomme, Gott zu Boden geht und sich mir stellt, weil ich nach Punkten gewonnen habe, oder er KO gegangen ist.

 

Mittlerweile mag ich die Zahlen, denn jedes andere Mantra wäre eine Benutzung oder würde neue Gedanken wecken, was ja nicht Sinn und Zweck ist. Mittlerweile benutze ich das auch zum Einschlafen, wobei Hopfentee (aus eigenem Hopfen 🙂 noch bessere Dienste leistet.

 

Es ist sehr hilfreich zum 'runterkommen', Gottesbegegnungen erwarte ich davon nicht, das wäre zu plump.

 

Wenn Gott mich erwischt, dann irgendwo und irgendwann, wenn ich nicht darauf gefasst bin. Für gewöhnlich dann, wenn ich ihn völlig entnervt anfauche. Und dann bin ich jedesmal platt, aber das sind Erfahrungen, die nur schwer zu teilen sind. Klar, jetzt kommt der Psychologe und erklärt mir, das sei mein Unterbewusstsein.

 

Kann ich nur sagen: das hätte dann einen sehr abgedrehten Humor...

 

Ansonsten habe ich für die Gemeinsamkeiten und das Trennende folgendes Bild: Es ist wie eine stehende Welle. Manchmal treffen sich die beiden Spiritualitäten in vollkommener Übereinstimmung, um sich im nächsten Moment im totalen Gegensatz gegenüberzustehen.

bearbeitet von Higgs Boson
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Danke für deinen Beitrag.

 

Habe heute ne schlaflose Nacht. Also könnte mir so eine Zazen-Meditation wohl ganz gut tun.😀

 

Bei der Beschreibung könnte ich mir das durchaus auch vorstellen, mich mal in so etwas einführen zu lassen. Im Lotussitz Zahlenmantras aufzusagen halte ich jetzt für keine antichristliche Ketzerei. Und wenn es dem Ziel dient, runterzukommen und sich von den Stimmen der Sinne, des Willens und des Verstandes zu befreien, so dient das einem Ziel, dass sowohl von buddhistischen Lehrmeistern als auch von den christlichen Mystikern beschrieben wird. Und Gott ist eben nicht verfügbar. Er entscheidet selbst, wann und wie er sich offenbart.

 

Dennoch: Sowohl bei den buddhistischen Lehrmeistern als auch bei den christlichen Mystikern ist diese Meditation kein Selbstzweck. Ein erster Schritt soll bei beiden dazu dienen, sich von sämtlichen menschlichen Strebkräften und sinnlichen Anhänglichkeiten zu befreien. Und das ist mMn bereits ein sehr großer Schritt (bei dem ich selbst noch ganz am Anfang stehe). Um nicht missverstanden zu werden. Es geht (bei beiden) nicht darum, dem Besitz zu entsagen, sondern der Anhänglichkeit an den Besitz und dem Streben nach Besitz, nicht dem Genuss zu entsagen, sondern der Anhänglichkeit an den Genuss und dem Streben nach Genuss. Die Zielrichtung und Begründung ist natürlich diametral unterschiedlich (hier hat die stehende Welle einen Bauch): Der Buddhist will der Anhänglichkeit und dem Streben entsagen, weil es potentiell Leiden und Enttäuschungen mit sich bringen kann. Und Leidvermeidung ist eines der höchsten Ziele im Buddhismus. Der christliche Mystiker jedoch will der Anhänglichkeit und dem Streben entsagen, weil es ihn an das Geschöpfliche bindet (Johannes vom Kreuz spricht von Finsternissen) und daher der Begegnung mit dem Schöpfer im Wege steht (hier zitiert Johannes vom Kreuz die Bibel: die Finsternis kann das Licht nicht fassen). Der Weg jedoch, der darüber führt, sämtliche Anhänglichkeiten und Strebkräfte zum Schweigen zu bringen, ist bei den christlichen Mystikern und bei den buddhistischen Lehrmeistern der gleiche.

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Long John Silver
vor 7 Stunden schrieb duesi:

Wenn jemand Interesse hat, würde ich gerne einen Austausch über Unterschiede und Gemeinsamkeiten von christlicher Mystik und buddhistischer Meditation starten. Die Zielsetzung soll sein, möglichst wohlwollend, aber auch kritisch beide spirituellen Erfahrungswege zu beleuchten.

 

Mit Buddhistischer Meditation habe ich keine Erfahrung. Ich nehme zur Meditation den Rosenkranz (Perlengebet) oder das Jesus-Gebiet. 

 

Von den christlichen Mystikern kenne ich Meister Ekhard, habe ich mit viel Interesse gelesen. 

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 1 Stunde schrieb Long John Silver:

 

Mit Buddhistischer Meditation habe ich keine Erfahrung. Ich nehme zur Meditation den Rosenkranz (Perlengebet) oder das Jesus-Gebiet. 

 

Von den christlichen Mystikern kenne ich Meister Ekhard, habe ich mit viel Interesse gelesen. 

 

 

 

 

Die beiden Mystiker Meister Eckhart und der von Meister Eckhart beeinflusste Johannes Tauler wurden mir schon an mehreren Stellen ausdrücklich empfohlen. Ich kam aber noch nicht dazu, sie zu lesen. Wenn du ein paar Impulse von Meister Eckhart hast, die in die Themensetzung des Threads passen, so ist das herzlich willkommen. Natürlich nur, wenn du Zeit und Lust dazu hast.

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Das ist natürlich ein sehr interessantes Thema, das allerdings ein bisschen Zeit erfordert. Ich war sehr lange bei Pater Johannes Kopp mit seinem Programm "Leben aus der Mitte", habe mich aber auch mit dem japanischen Zen beschäftigt.

 

Ein wesentlicher Unterschied zur christlichen mystischen Tradition ist in meinen Augen, dass im Buddhismus eine Methode und eine Schülerschaft auf dem inneren Weg existiert, was im Christentum sehr vernachlässigt wurde und wird. Dadurch bleibt der Schüler auf der Erfahrungssuche sich sehr weitgehend selbst überlassen und Raum für alle möglichen Spekulationen geschaffen. 

Durch die klerikale Hierarchie besteht zudem das Problem, dass möglicherweise spirituell völlig Unbegabte darüber urteilen können, welchen "Wert" eine sprituelle Herangehensweise hat, was für den Aufbau eines inneren Erfahrungsschatzes und einer Tradition problematisch ist.

 

Zen ist dadurch gerade für Deutschland eine echte Bereicherung gewesen, da wir keine eigene moderne Traditionslinie wie z.B. das "Centering Prayer" in den USA entwickeln konnten.

Wenn man aber erstmal eine "Methode" hat, ist sehr vieles aus dem christlichen mystischen Erbe sehr viel zugänglicher und bereichernd.

Ansonsten besteht im Katholizismus immer die allergrößte Besorgnis, dass Gott und der Heilige Geist sich auch wirklich lehramtskonform äußern.

🙂

bearbeitet von Shubashi
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vor 27 Minuten schrieb Shubashi:

Das ist natürlich ein sehr interessantes Thema, das allerdings ein bisschen Zeit erfordert. Ich war sehr lange bei Pater Johannes Kopp mit seinem Programm "Leben aus der Mitte", habe mich aber auch mit dem japanischen Zen beschäftigt.

Ja klar, solche Erfahrungen kann man nicht in 2 Minuten auch nur ansatzweise zum Ausdruck bringen.

vor 28 Minuten schrieb Shubashi:

Ein wesentlicher Unterschied zur christlichen mystischen Tradition ist in meinen Augen, dass im Buddhismus eine Methode und eine Schülerschaft auf dem inneren Weg existiert, was im Christentum sehr vernachlässigt wurde und wird. Dadurch bleibt der Schüler auf der Erfahrungssuche sich sehr weitgehend selbst überlassen und Raum für alle möglichen Spekulationen geschaffen. 

Ja, das ist schade. Eine wirkliche spirituelle Schülerschaft gibt es - so wie ich das im katholischen Umfeld beobachtet habe - meistens nur in Ordensgemeinschaften oder in Exerzitienhäusern. Aber wie mir neulich bewusst wurde - gibt es viele Seiten der Kirche - wie geistliche Gemeinschaften - die ich bis vor kurzen noch gar nicht kannte.

vor 32 Minuten schrieb Shubashi:

Durch die klerikale Hierarchie besteht zudem das Problem, dass möglicherweise spirituell völlig Unbegabte darüber urteilen können, welchen "Wert" eine sprituelle Herangehensweise hat, was für den Aufbau eines inneren Erfahrungsschatzes und einer Tradition problematisch ist.

Wobei - soweit ich Johannes vom Kreuz und Theresa von Avila bisher verstehe - es bei dem mystischen Erfahrungsweg weder darum geht, zu einer affirmativen Zustimmung zur Lehre der Kirche zu kommen noch um zu häretischen Aussagen zu kommen. Es geht darum, zu einer unio mystica, zu einer liebenden Vereinigung mit Gott selbst - immer mit der Einschränkung "soweit dies im irdischen Leben möglich ist" , der uns in Jesus Christus begegnet, zu gelangen. Wie ich im anderen Thread bereits erwähnte, war der pietistische Liederdichter Gerhard Tersteegen sehr stark von den Schriften von Johannes vom Kreuz und Theresa von Avila inspiriert, ohne deswegen römisch-katholisch zu werden. Dass der christliche Mystiker Meister Eckhart (dessen Schriften ich leider (noch) nicht kenne) in seinen Schriften 17 Aussagen machte, die die Kirche als "Irrtum oder Häresie" verurteilte, ein Urteil, dem er sich persönlich ausdrücklich in einem Geist der Unterordnung unterstellte, heißt nicht, dass deswegen sein ganzer mystischer Erfahrungsweg als Irrweg verurteilt wäre. Aber natürlich war die Wirkungsgeschichte des ganzen problematisch, dass vor Meister Eckhart als "vom Teufel verführt" gewarnt wurde und sich deswegen hier auch keine lebendige mystische Tradition entwickeln konnte.

 

Jedoch meine ich, dass diesen Erfahrungsweg, den die Mystiker jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten beschrieben haben, jeder beschreiten kann, unabhängig wo er dogmatisch in seinen Glaubensvorstellungen stehen mag.

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Eckhart paßt mMn nicht so recht zu dem Verständnis von Mystik als Meditation (zumindest wenn sie in Richtung Esoterik oder Schwärmerei geht). So, wie ich ihn verstanden habe soll man zwar die richtige Einstellung haben, sich aber auf keinen Fall von den Menschen zurückziehen oder versuchen, ständig an Gott zu denken.

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vor 37 Minuten schrieb duesi:

Jedoch meine ich, dass diesen Erfahrungsweg, den die Mystiker jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten beschrieben haben, jeder beschreiten kann, unabhängig wo er dogmatisch in seinen Glaubensvorstellungen stehen mag.

 

Das ist im Prinzip richtig, nur ist es eben in der Kirche sehr schwierig, eine lebendige spirituelle Tradition aufzubauen. Die verschiedenen christlichen kontemplativen Lehrer in Deutschland haben z.B. häufig auf Zen-Lehrer zurückgreifen müssen, weil es eben an eigener Methodik und Didaktik fehlte, und die Unterstützung der jeweiligen Diözesen und Landeskirchen war und ist sehr unsicher. Hin und wieder wurde die jeweiligen Lehrer oder Angebote kurzerhand vor die Tür gesetzt.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass so einigen Bischöfen gar keine Spiritualität lieber ist als eine, die ihnen nicht zugänglich ist.

 

(Bei Frau Ex-Bischöfin Käsmann habe mal etwas gelesen, dass "Joggen" ihr spirituell sinnvoller erscheint als diese sonderbar irrationale Kontemplation.)

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Long John Silver

 

 

vor 42 Minuten schrieb Shubashi:

 

 

(Bei Frau Ex-Bischöfin Käsmann habe mal etwas gelesen, dass "Joggen" ihr spirituell sinnvoller erscheint als diese sonderbar irrationale Kontemplation.)

 

Naja. Ich finde Kochen auch sehr kontemplativ oder Arbeit im Garten. Auch das Bearbeiten des Sandsacks hat etwas Kontemplatives, wenn auch auf andere Weise, wie jede koerperliche Betaetigung, die  auspowert. das sind sozusagen "Versenkungen", die sich automatisch ergeben, wenn jemand voll "bei einer Sache" ist. 

 

Ich persoenlich, wie schon gesagt, halte am meisten vom Perlengebet und Jesus-Gebet als Meditation. Wird mit dem Atem verbunden, traegt sich selbst. 

 

@Duesi: beim Jesus- Gebet atmest du den Namen Jesus in dich hinein. Einatmen (Herr Jesus Christus) ausatmen, einatmen (erbarme dich unser) ausatmen. Das ist m.E. eine gute Vorgehensweise, sich Jesus zu oeffnen. Da sich die Worte mit der Zeit ausblenden geistig (sie sind lediglich Vehikel, mehr nicht) entsteht ein wortloser Austausch, eben das meditative. 

Kann man mit einigen anderen Texten auch machen. Ich habe auch mit dem Magnificat gute Erfahrungen gemacht und dem Vaterunser, wenn auch auf andere Weise. Gebete, die auf dem Atemfluss gebetet werden, haben immer was Kontemplatives. Wir Christen koennen in dieser Hinsicht aus dem Vollen schoepfen, angesicht der wunderbaren biblischen Texte.

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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vor 14 Minuten schrieb Merkur:

Eckhart paßt mMn nicht so recht zu dem Verständnis von Mystik als Meditation (zumindest wenn sie in Richtung Esoterik oder Schwärmerei geht). So, wie ich ihn verstanden habe soll man zwar die richtige Einstellung haben, sich aber auf keinen Fall von den Menschen zurückziehen oder versuchen, ständig an Gott zu denken.

Das Ziel der Unio mystica, die - soweit ich das in externen Quellen gelesen habe - Eckhart sehr wohl auch kennt, meint auch keine Zurückgezogenheit vom Menschen. So ist das auch bei Johannes vom Kreuz und Theresa von Avila nicht zu verstehen. Die mystische Vereinigung mit Christus besteht gerade nicht darin, ständig an Gott zu denken, sondern mit den Gedanken und Gefühlen Christi selbst eins zu werden. Und Christus war den Menschen radikal zugewandt. Auch wenn die Stille und der Rückzug als Mittel auf dem Weg dahin beschrieben werden, sind sie nicht das eigentliche Ziel. "An Gott zu denken" kann nach Joh. vom Kreuz dabei sogar ein Hindernis sein. Denn mit meinen Gedanken an Gott zu denken, fixiert mich auf mein Bild von Gott und nicht auf den wahren Gott. Es geht eher darum, von allen eigenen Gedanken und Bestrebungen völlig leer zu werden.

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vor 29 Minuten schrieb Shubashi:

 

Das ist im Prinzip richtig, nur ist es eben in der Kirche sehr schwierig, eine lebendige spirituelle Tradition aufzubauen. Die verschiedenen christlichen kontemplativen Lehrer in Deutschland haben z.B. häufig auf Zen-Lehrer zurückgreifen müssen, weil es eben an eigener Methodik und Didaktik fehlte, und die Unterstützung der jeweiligen Diözesen und Landeskirchen war und ist sehr unsicher. Hin und wieder wurde die jeweiligen Lehrer oder Angebote kurzerhand vor die Tür gesetzt.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass so einigen Bischöfen gar keine Spiritualität lieber ist als eine, die ihnen nicht zugänglich ist.

 

(Bei Frau Ex-Bischöfin Käsmann habe mal etwas gelesen, dass "Joggen" ihr spirituell sinnvoller erscheint als diese sonderbar irrationale Kontemplation.)

Ich habe Mal zu Johannes Kopp gegoogelt. Da gibt es wohlwollende Worte vom Bistum und einen schönen Nachruf. Hat sich denn aus dieser Form der Spiritualität eine Tradition entwickeln können oder ist sie mit dem Tod von Johannes Kopp vorbei? Klar, ohne die Unterstützung der Kirche lässt sich solch eine Tradition nicht so einfach auf aufbauen. Da müssen Räume gemietet werden, es muss Werbung gemacht werden usw. Aber viele geistliche Aufbrüche haben so angefangen, dass sie erstmal etwas argwöhnisch von der Kirche angeschaut wurden. 

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vor 36 Minuten schrieb Long John Silver:

 

 

 

Naja. Ich finde Kochen auch sehr kontemplativ oder Arbeit im Garten. Auch das Bearbeiten des Sandsacks hat etwas Kontemplatives, wenn auch auf andere Weise, wie jede koerperliche Betaetigung, die  auspowert. das sind sozusagen "Versenkungen", die sich automatisch ergeben, wenn jemand voll "bei einer Sache" ist. 

 

Sicher, der "Flow" hat auch kontemplative Elemente, nur ist es idR ein eher zufälliges  Element einer Tätigkeit, die auf etwas anderes abzielt.

In einem Zen-Kloster ist z.B. der Koch oft eine imminent wichtige Person, aus verschiedenen Gründen: einerseits ist Arbeit und Essen eine wichtige Dualität im Alltag der Mönche (in einigen Tempeln wie dem Antai-ji z.B., dessen heutiger Abt gebürtiger Deutscher ist), zum anderen muss er die eigene spirituelle Bemühung so zeitweilig dem Wohl der anderen unterordnen.

 

Kontemplation hat in einer Religion jedoch andere Ziele als nur einen optimalen "Wohlfühleffekt" oder der geistigen "Selbstoptimierung". Zen ist nach seinem Selbstverständnis idR immer noch Religion und sieht sich als Einheit aus Lehre, religiöser Praxis und spiritueller Erkenntnis.

 

Für andere "kontemplative" Tätigkeiten außerhalb der Religion gilt idR als maximal verbindliche Doktrin allenfalls: "Mach Dein Ding!"

bearbeitet von Shubashi
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vor 9 Minuten schrieb duesi:

Ich habe Mal zu Johannes Kopp gegoogelt. Da gibt es wohlwollende Worte vom Bistum und einen schönen Nachruf. Hat sich denn aus dieser Form der Spiritualität eine Tradition entwickeln können oder ist sie mit dem Tod von Johannes Kopp vorbei? Klar, ohne die Unterstützung der Kirche lässt sich solch eine Tradition nicht so einfach auf aufbauen. Da müssen Räume gemietet werden, es muss Werbung gemacht werden usw. Aber viele geistliche Aufbrüche haben so angefangen, dass sie erstmal etwas argwöhnisch von der Kirche angeschaut wurden. 

 

Pater Kopp hatte den Vorteil, unter Kard. Hengsbach zu beginnen, der wiederum ein enger Freund von Pater Hugo Lasalle war. Pater Lasalle ging wiederum 1930 als Missionar nach Japan, war einer der Pioniere der christlichen Auseinandersetzung mit dem Zen und als Atombomben-Überlebender eine Größe der japanischen Friedensbewegung.

Pater Kopp SAC war sein Schüler, und das Programm wird auch aktuell wiederum von einem Pallotiner geleitet.

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Long John Silver
vor 9 Minuten schrieb Shubashi:

 

Sicher, der "Flow" hat auch kontemplative Elemente, nur ist es idR ein eher zufälliges  Element einer Tätigkeit, die auf etwas anderes abzielt.

In einem Zen-Kloster ist z.B. der Koch oft eine imminent wichtige Person, aus verschiedenen Gründen: einerseits ist Arbeit und Essen eine wichtige Dualität im Alltag der Mönche (in einigen Tempeln wie dem Antai-ji z.B., dessen heutiger Abt gebürtiger Deutscher ist), zum anderen muss die eigene spirituelle Bemühung so zeitweilig dem Wohl der anderen unterordnen.

 

Kontemplation hat in einer Religion jedoch andere Ziele als nur einen optimalen "Wohlfühleffekt" oder der geistigen "Selbstoptimierung". Zen ist nach seinem Selbstverständnis idR immer noch Religion und sieht sich als Einheit aus Lehre, religiöser Praxis und spiritueller Erkenntnis.

 

Für andere "kontemplative" Tätigkeiten außerhalb der Religion gilt idR als maximal verbindliche Doktrin allenfalls: "Mach Dein Ding!"

 

Ich wuerde das, was ich mache (egal ob Kochen oder Jesusgebet) nicht fuer mich als Kontemplation bezeichnen oder Meditation, ich verwende diese Begriffe nur fuer die Diskussion, fuer mich sind sie irrelevant, weil ich persoenlich bei dieser Dingen keinen Anspruch habe oder ein Ziel verfolge, sie machen mir einfach Freude zu tun und sie tun mir gut (nicht im Sinn von esoterischem Wohlfuehleffekt, sondern auf ganz anderer Ebene). 

 

Ein Effekt, den ich ueber die Zeit  feststellte ist, dass sich das Jesus-Gebet sozusagen ins Innere "einschleicht", es kommt mir oft durch den Sinn im Alltag, wie so ein Art "Hintergrundgeraeusch" (schwierig auszudruecken). Irgendwie hat sich da was festgesetzt. 

 

 

 

 

 

bearbeitet von Long John Silver
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Zum Thema "andere kontemplative Tätigkeiten": Ich habe Mal über Johannes Tauler (nicht von ihm selbst) gelesen, dass er die Ausübung sinnvoller Arbeiten und Tätigkeiten als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Unio Mystica ansieht. Der Weg dahin umfasst also auch nach Ansicht der Mystiker mehr als nur Kontemplations"Techniken" und Meditation. 

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vor 1 Minute schrieb Long John Silver:

Ein Effekt, den ich ueber die Zeit  feststellte ist, dass sich das Jesus-Gebet sozusagen ins Innere "einschleicht", es kommt mir oft durch den Sinn, wie so ein Art "Hintergrundgeraeusch" (schwierig auszudruecken). Irgendwie hat sich da was festgesetzt. 

 

Ich würde das für mein Verständnis schon als "kontemplatives Tun" bezeichnen, und Du beschreibst ja auch einen wichtigen dadurch angestrebten spirituellen Effekt der "Verstetigung" des Gebets.

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vor 20 Minuten schrieb duesi:

... Der Weg dahin umfasst also auch nach Ansicht der Mystiker mehr als nur Kontemplations"Techniken" und Meditation. 

Woraus ergibt sich eigentlich diese angenommene Verbindung zwischen Mystik und Meditation? Die gibt es anscheinend in anderen Religionen und in der Ostkirche, für die Westkirche scheint mir das nicht so offensichtlich zu sein.

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vor 9 Minuten schrieb Merkur:

Woraus ergibt sich eigentlich diese angenommene Verbindung zwischen Mystik und Meditation? Die gibt es anscheinend in anderen Religionen und in der Ostkirche, für die Westkirche scheint mir das nicht so offensichtlich zu sein.

Johannes vom Kreuz zumindest geht es weniger um die konkrete "Meditationstechnik" (die scheint im Buddhismus deutlich wichtiger zu sein) als um das Anhalten am Gebet. Die Gebetsform des einfach stillen vor Gott Ausharrens wird auch in verschiedenen westkirchlichen Klöstern beschrieben. Johannes vom Kreuz beschreibt in seinem Buch "Vom Aufstieg zum Berge Karmel" das Ende allen inneren Strebens auch als ein Ende des religiösen Strebens. Denn oft kann der Wunsch, im Gebet die Erfahrung tiefer Gottesnähe zu machen, größer sein als der Wunsch, das Gebet um seiner selbst Willen zu üben. Genauso kann der Wunsch, im Eucharistieempfang geistliche Freuden zu erleben, größer sein als die Bereitschaft, der Gnade Gottes um ihrer selbst Willen zu begegnen. Deswegen muss der Mensch von Gott selbst in eine innere Nacht geführt werden, wo er an Gebet und geistlichen Übungen keine Freude und keinen Trost mehr empfinden kann. Diese Nacht zu durchqueren und am Gebet festzuhalten, ist nach Johannes vom Kreuz der Weg, tiefer in das Geheimnis der Liebe einzutauchen. Und ja, ich denke, hier in den Schilderungen verbinden sich Mystik und Meditation. Johannes vom Kreuz ist immerhin offiziell Kirchenlehrer der westlichen Kirche. 

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Mystik umschreibt ja eine Erfahrung. Meditation ist ein Weg dazu, bei weitem nicht der einzige, allerdings ein sehr etablierter. Allerdings ist Meditation auch bei weitem nicht einheitlich. Ein Rosenkranzgebet kann Meditation sein, ein Zazen muß es nicht sein.

 

Zur Eingangsfrage: der Unterschied besteht mir vor allem im vorgestellten Ziel (was ja auf den Weg zurückspiegelt): die Unio mystica bedeutet ja keinesfalls die Aufgabe der eigenen Personenhaftigkeit und das Aufgeben der Andersheit Gottes. Im Buddhismus scheint es diese Singularität des Ichs nicht so zu geben, soweit ich das als Laie verstanden habe.

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vor 3 Stunden schrieb Shubashi:

Manchmal habe ich den Eindruck, dass so einigen Bischöfen gar keine Spiritualität lieber ist als eine, die ihnen nicht zugänglich ist.

:lol:

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Also ich will zunächst vorausschicken, dass mir die übermäßige Implementierung fernöstlicher Meditationspraktiken oder Yogas in katholische Frömmigkeitsübungen oder Einrichtungen nicht wirklich zusagt. Das dürfte nicht überraschen. So ist mir nicht eingängig, warum Orden beispielsweise in ihren Häusern Zen-Kurse anbieten. Dieser Trend ist ja nicht allzu neu, wenn ich an Enomiya Lassalle denke.

 

Mein Hauptkritikpunkt vorneweg: Hinter den genannten Praktiken, hinter Yoga-Tantra vielleicht mehr als hinter reinen Meditationsmodellen, steht ja immer ein Gedankengebäude des Ursprungskontextes, aus dem diese Praktik gelöst und anderweitig verwendet wird, nicht selten ein religiöses. Ich finde es schwer, diesen in fremden Religionen geprägten Formen eine christliche oder zumindest neutrale Bedeutung zu geben. Ich würde daher eher dafür plädieren, traditionellere, christliche Formen der Kontemplation wiederzuentdecken, statt sich in fremdem Kulturen und Religionen zu bedienen. Warum man das nicht verstärkt tut, verstehe ich nicht. Ich verstehe allerdings auch nicht, warum man zum Beten plötzlich diese Taize-Keile benötigt. Man muss nicht alles verstehen. Vorbemerkung Ende.

 

Um einmal zu versuchen, Zen oder Meditationen aus dem buddhistischen Spektrum allgemein mit christlicher Mystik zu vergleichen, so legt man wohl am besten das Ziel dieser Übungen nebeneinander. Und dabei sehe ich, mit viel gutem Willen, durchaus Konvergenzen, aber auch entscheidende Unterschiede. Die buddhistische Meditation hat zum Ziel, wenn nicht die Erleuchtung, doch so zumindest einen Zustand der Selbstauflösung herbeizuführen. Das Selbst fällt darnach in eine bodenlose Leere, in ein Nichts, Nirwana. Die christliche Mystik hingegen hat als Ziel die unio mystica, die mystische Vereinigung der einzelnen Seele mit Gott, also die Verbindung mit dem unaussprechlichen, unendlichen und jede Kategorie überschreitenden Einen. Hier könnte man, wenn man will, eine Parallele sehen. Ich bin hingegen skeptisch, denn während die christliche Mystik ausgerichtet ist und bleibt auf etwas, in diesem Falle Gott und die persönliche Verbindung mit ihm, so scheint mir die fernöstliche Praxis zwar ebenfalls fokussiert, aber fokussiert auf ein Nichts, ein Unbekanntes. 

 

Und ein Lektüretipp: Die Schriften des Vaters der christlichen Mystik: Pseudo-Dionysius Areopagita. Hier besonders die Theologia Mystica.

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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@Studiosus

Beim Thema des vorgestellten Zieles stimme ich dir zu (und auch rorro). Da gibt es wesentliche Unterschiede. Der Seinszustand des Nirvana im Buddhismus, der als erstrebenswert gilt, ist ein Zustand der Leidlosigkeit und der Abwesenheit menschlicher Regungen. Ich habe das auch Mal als Selbstauflösung verstanden. Doch weil Marcellinus mir da Mal widersprochen hat, vermeide ich den Ausdruck.

Der Zustand der Unio Mystica, die der Christliche Mystiker als erstrebenswert ansieht, ist ein Zustand, in dem das eigene Leben, Fühlen und Denken Christus (oder Gott selbst), so weit dies im irdischen Lebemöglich ist, widerspiegelt.

 

Diese unterschiedliche Zielsetzung sollte man im Auge behalten. Doch auch hier gibt es Parallelen: In beiden Wegen geht es darum, einen anderen inneren Zustand oder eine andere innere Haltung zu erreichen und in beiden Wegen geht es darum, dieses auf einem Erfahrungsweg zu erreichen.

 

Und so sehr ich für mich selbst die traditionell christlichen Kontemplations- und Meditationsformen priorisiere, so muss ich Shubashi doch darin Recht geben, dass es kaum christliche Lehrmeister gibt, die hier so weit persönlich vorangeschritten sind, dass sie einen hier einführen können.

 

Im folgenden habe ich einen Bericht über den Exerzitienmeister Paul Coutinho gefunden.

Link

Er stammt zwar aus Indien und vergleicht die christliche Erfahrung mit denen anderer Religionen. Aber soweit ich den - sehr schönen - Text verstehe, bedient er sich keiner fernöstlichen Praktiken, sondern nur traditioneller christlicher Meditationsformen.

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Ich will die Aussagen dieses Priesters (?) gar nicht werten, sondern noch einmal allgemein etwas zur Mystik sagen: Ich bin da recht pragmatisch veranlagt. Wer diese Formen und Praktiken zu brauchen meint, der soll sie üben. Die Kirche hat eine lange Reihe großer und heiliger Mystiker hervorgebracht. Allerdings nicht dadurch, dass diese irgendwelche bestimmten Übungen vollzogen haben, sondern durch die Gnade Gottes. Ich denke das ist der springende Punkt. Diese mystischen Erfahrungen oder Verzückungen sind letztlich und wesentlich Gnadenbezeugungen Gottes, die dieser frei erteilt. Ich finde es daher etwas problematisch, anzunehmen, man könne durch die Befolgung von Praktiken gewissermaßen - mit Voranschreiten des Bewusstseins, des Geistes - einen Blick hinter den Vorhang des Mysteriums Gottes erheischen. Da wird mir der Eigenanteil des Menschen an dieser Erfahrung zu sehr betont. Kurz gefasst: Wenn Gott nicht in freier Entscheidung will, dann kann man meditieren bis man schwarz wird. Daher ist in meinen Augen auch nicht jeder Christ zum Mystiker geschaffen (auch wenn mir Rahner da wohl widerspricht, was mich nicht anficht). Die Mystik wurde ja nicht selten als Schwarmgeisterei verfemt. Dieses Urteil teile ich nicht, sehe allerdings durchaus auch die Gefahren, wenn man sich allzu sehr auf diese Mittel verlässt. So driftet die ehrliche Suche nach Gott schnell in einen Immanentismus ab, sodass sich in der Tiefe der Versenkungen nicht mehr Gott offenbart, sondern sich der Mensch lediglich in den Abgründen seines eigenen Ichs widerspiegelt. Diese Gefahr scheint mir nochmal deutlich größer, wenn man fremde, nichtchristliche Praktiken übernimmt.

 

Daher muss notwendigerweise neben die eigene, subjektive Erfahrung die normative Kategorie der allgemeinen Offenbarung, so wie sie die Kirche verbürgt, als Korrektiv treten. 

 

 

Saluti cordiali, 

Studiosus. 

bearbeitet von Studiosus
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