UHU Geschrieben 27. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 27. Februar 2020 Hallo, mag und kann mir jemand den aktuellen theologischen und offiziellen Stand zu Fegefeuer, Eintrittskarte in die Ewigkeit/Himmel/Gottes Gegenwart, Sündenerlaß und dessen Einfluß auf die beiden gerade genannten Punkte in wenigen Sätzen und dann auch noch leicht verständlich geben? Ich weiß, das ist jetzt eine super Herausforderung, aber ich habe großes Vertrauen in Euch und bedanke mich herzlich für jede Mühe. Hintergrund war ein sehr offenes Ökumene-Gespräch - nur war ich mangels Kenntnisse schnell raus. Da ich eine Fortsetzung erwarte, möchte ich nicht wieder so nackig dastehen. Manch anderes zum Thema Heiligen/Seligen usw. konnte ich bereits gerade rücken, das war schon teilweise sehr abstruß, was in den Raum gestellt wurde. LG uhu Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
duesi Geschrieben 28. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2020 vor 12 Stunden schrieb UHU: Hallo, mag und kann mir jemand den aktuellen theologischen und offiziellen Stand zu Fegefeuer, Eintrittskarte in die Ewigkeit/Himmel/Gottes Gegenwart, Sündenerlaß und dessen Einfluß auf die beiden gerade genannten Punkte in wenigen Sätzen und dann auch noch leicht verständlich geben? Ich weiß, das ist jetzt eine super Herausforderung, aber ich habe großes Vertrauen in Euch und bedanke mich herzlich für jede Mühe. Hintergrund war ein sehr offenes Ökumene-Gespräch - nur war ich mangels Kenntnisse schnell raus. Da ich eine Fortsetzung erwarte, möchte ich nicht wieder so nackig dastehen. Manch anderes zum Thema Heiligen/Seligen usw. konnte ich bereits gerade rücken, das war schon teilweise sehr abstruß, was in den Raum gestellt wurde. LG uhu Da ich kein Theologe bin und mir keine allgemeinverbindlichen Aussagen zutraue, möchte ich auf die Enzyklika Spe Salve verweisen, in der in den Absätzen 44 bis 48 auf die Frage nach Fegefeuer und Himmel eingegangen wird und auch die akademische theologische Diskussion berücksichtigt wird. Zu der Frage nach der Bedeutung des Sündenerlasses gibt es etwas auf der Website der Karl-Leisner-Jugend. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 28. Februar 2020 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 28. Februar 2020 (bearbeitet) Im Moment bin ich noch in Urlaub und deshalb weit von meiner kleinen theologischen Handbibliothek entfernt. Deshalb kann ich nur "aus der Lameng", wie man im Rheinland sagt, ein paar Stichworte nennen. 1. Die Existenz eines Purgatoriums, landläufig Fegefeuer genannt, gehört zum katholischen Glauben. In der Ostkirche und bei Evangelens gibt es das nicht. 2. Biblisch lässt sich das Purgatorium nicht oder nur mit exegetischen Verrenkungen begründen. Das Wort kommt in der Bibel nicht vor. Die früher übliche Begründung mit 1. Korinther 3 Vers 15 ("Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch") wird heute in der Theologie nicht mehr als stichhaltiger Hinweis auf ein Purgatorium verstanden. 3. Die Vorstellung eines reinigenden Feuers war schon in der antiken Welt geläufig; im Christentum wurde das aufgegriffen und im Mittelalter - in weiß nicht auswendig, durch welche Konzilien - im Glaubenssystem verankert. Ich meine, es geht bis auf Gregor den Großen zurück, wurde als volkstümlicher Glaube aber erst in den Pestzeiten wirklich bedeutsam (und führte dann zum Ablasshandel mit den bekannten Folgen). 4. Im Katechismus (KKK), der als Auskunftssystem für das, was Katholiken glauben oder glauben sollen, ganz praktisch ist, wird das Purgatorium in den Abschnitten - Moment, da muss ich nachschauen - 1030 bis 1033 behandelt. Dort wird deutlich gemacht, dass das Purgatorium nichts mit der Bestrafung der Verdammten in der Hölle zu tun hat. Es ist für jene Gläubigen gedacht, die auf jeden Fall in den Himmel kommen, aber noch von einigen Sünden befreit werden müssen, um die für den Himmel notwendige Heiligkeit zu bekommen. Denn: 5. Hintergrund der Vorstellung eines Reinigungs- oder Läuterungsortes ist die Überlegung, dass nichts Unreines in den Himmel kommen kann. 6. Früher wurde Purgatorium örtlich, zeitlich und dem Geschehen nach verstanden. Also ein klar definierter Ort, an dem die für den Himmel bestimmten Toten bzw Seelen eine gewisse Zeit lang ihre jeweiligen Rest-Sünden abbüßen, diese Läuterung wurde als ein reinigendes Feuer beschrieben. Von allen drei Vorstellungen hat sich die Theologie verabschiedet. Da ist Karl Rahner viel zu danken. Das Purgatorium wird heute nicht als Ort, sondern als Zustand verstanden, über dessen Zeitablauf man nichts sagen könne. Vielleicht geschieht es ja schlagartig allein durch den Anblick Gottes - ich glaube, Johannes Paul II. hat sich so einmal geäußert, kann es aber nicht belegen. Und über die Methoden lässt sich heute schon gar nichts sagen. Also keine Bunsenbrenner mehr an den Fußsohlen. 7. Die Idee des Purgatoriums lässt sich theologisch am Verständnis vom Jüngsten Gericht im Johannes-Evangelium festmachen. Im Matthäusevangelium ist es ganz klar: Alle Menschen treten nach dem Tod vor ihren Richter und werden dort nach Gut und Böse sortiert - die Sache mit den Böcken zur Linken und den Schafen zur Rechten ist ja ein geflügeltes Wort (Mt. 25,33). Im Johannes-Evangelium ist es etwas anders. Da werden (Joh. 5, 29) am Tag der Auferstehung die Bösen vor Gericht kommen, die Guten aber direkt "zur Auferstehung des Lebens", ganz ohne Gerichtsverfahren. An diesem Punkt setzt dann der Gedanke eine, dass ja nicht alle Guten gleich gut sein können - nicht jeder ist ein Heiliger, kaum einer. Also müsste es doch eine Vorstufe vor dem Himmel geben, in den ja nichts Unheiliges gelangen kann. Soviel erst einmal ins Grobe formuliert. Liebe Grüße, Alfons bearbeitet 28. Februar 2020 von Alfons 4 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 28. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2020 Danke Alfons. Um es ganz kurz zu formulieren: In den Himmel kann nur kommen, wer im Stand der Gnade ist (d.h. reinen Herzens und frei von Sünden). Wer zum Zeitpunkt seines Todes noch "Restsünden" mit sich herumträgt, aber keine unbereute und ungebeichtete schwere Sünde (aka "Todsünde") zu verantworten hat geht erst ins Purgatorium zur Endreinigung. (Ob das nun exakt Stand der heutigen akademischen Theologie ist, weiß ich allerdings nicht.) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 28. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 28. Februar 2020 Keine direkte Antwort auf das Eröffnungposting, aber eine für mich eher ungewohnte Darstellung der Hölle: https://www.impantokratoros.gr/paradies-holle.de.aspx 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
UHU Geschrieben 29. Februar 2020 Autor Melden Share Geschrieben 29. Februar 2020 Vielen Dank - einiges ist jetzt klarer und eindeutiger. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 29. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 29. Februar 2020 Am 28.2.2020 um 11:36 schrieb Alfons: Im Moment bin ich noch in Urlaub und deshalb weit von meiner kleinen theologischen Handbibliothek entfernt. Deshalb kann ich nur "aus der Lameng", wie man im Rheinland sagt, ein paar Stichworte nennen. 1. Die Existenz eines Purgatoriums, landläufig Fegefeuer genannt, gehört zum katholischen Glauben. In der Ostkirche und bei Evangelens gibt es das nicht. 2. Biblisch lässt sich das Purgatorium nicht oder nur mit exegetischen Verrenkungen begründen. Das Wort kommt in der Bibel nicht vor. Die früher übliche Begründung mit 1. Korinther 3 Vers 15 ("Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch") wird heute in der Theologie nicht mehr als stichhaltiger Hinweis auf ein Purgatorium verstanden. 3. Die Vorstellung eines reinigenden Feuers war schon in der antiken Welt geläufig; im Christentum wurde das aufgegriffen und im Mittelalter - in weiß nicht auswendig, durch welche Konzilien - im Glaubenssystem verankert. Ich meine, es geht bis auf Gregor den Großen zurück, wurde als volkstümlicher Glaube aber erst in den Pestzeiten wirklich bedeutsam (und führte dann zum Ablasshandel mit den bekannten Folgen). 4. Im Katechismus (KKK), der als Auskunftssystem für das, was Katholiken glauben oder glauben sollen, ganz praktisch ist, wird das Purgatorium in den Abschnitten - Moment, da muss ich nachschauen - 1030 bis 1033 behandelt. Dort wird deutlich gemacht, dass das Purgatorium nichts mit der Bestrafung der Verdammten in der Hölle zu tun hat. Es ist für jene Gläubigen gedacht, die auf jeden Fall in den Himmel kommen, aber noch von einigen Sünden befreit werden müssen, um die für den Himmel notwendige Heiligkeit zu bekommen. Denn: 5. Hintergrund der Vorstellung eines Reinigungs- oder Läuterungsortes ist die Überlegung, dass nichts Unreines in den Himmel kommen kann. 6. Früher wurde Purgatorium örtlich, zeitlich und dem Geschehen nach verstanden. Also ein klar definierter Ort, an dem die für den Himmel bestimmten Toten bzw Seelen eine gewisse Zeit lang ihre jeweiligen Rest-Sünden abbüßen, diese Läuterung wurde als ein reinigendes Feuer beschrieben. Von allen drei Vorstellungen hat sich die Theologie verabschiedet. Da ist Karl Rahner viel zu danken. Das Purgatorium wird heute nicht als Ort, sondern als Zustand verstanden, über dessen Zeitablauf man nichts sagen könne. Vielleicht geschieht es ja schlagartig allein durch den Anblick Gottes - ich glaube, Johannes Paul II. hat sich so einmal geäußert, kann es aber nicht belegen. Und über die Methoden lässt sich heute schon gar nichts sagen. Also keine Bunsenbrenner mehr an den Fußsohlen. 7. Die Idee des Purgatoriums lässt sich theologisch am Verständnis vom Jüngsten Gericht im Johannes-Evangelium festmachen. Im Matthäusevangelium ist es ganz klar: Alle Menschen treten nach dem Tod vor ihren Richter und werden dort nach Gut und Böse sortiert - die Sache mit den Böcken zur Linken und den Schafen zur Rechten ist ja ein geflügeltes Wort (Mt. 25,33). Im Johannes-Evangelium ist es etwas anders. Da werden (Joh. 5, 29) am Tag der Auferstehung die Bösen vor Gericht kommen, die Guten aber direkt "zur Auferstehung des Lebens", ganz ohne Gerichtsverfahren. An diesem Punkt setzt dann der Gedanke eine, dass ja nicht alle Guten gleich gut sein können - nicht jeder ist ein Heiliger, kaum einer. Also müsste es doch eine Vorstufe vor dem Himmel geben, in den ja nichts Unheiliges gelangen kann. Soviel erst einmal ins Grobe formuliert. Liebe Grüße, Alfons Erstmal danke, für Deine solide Zusammenfassung. Ich frage mich aber, wieso noch Sündenreste abgebüßt werden müssen, wenn Jesus für alle Sünden gestorben ist. Im alten Bund wurden Sünde regelmäßig durch Sündopfer getilgt, Hiob opfert auch stellvertretend für seine Kinder, falls diese nicht so brav und gerecht sind wie er. Diese Opferei wurde laut Paulus durch das Opfer Jesu komplett und final obsolet - weitere Opfer sind nicht mehr notwendig. Wozu also noch Fegefeuer zum Sündenbüßen? Das Feuer der Korintherstelle fegt wertlose Taten hinweg, nicht aber Sünden, insofern ist es tatsächlich kein katholisches Fegefeuer, das ja ganz offensichtlich von einem unvollständigen Opfer Jesu ausgeht - was wieder mal ein theologischer Knieschuss ist. Aber das bin ich ja seit der Erbsünde gewohnt. Mag man mangelnde Reue als Hinderung als Zugang zum Himmel ansehen, so erklärt das das Fegefeuer auch nicht, es sei denn, man sieht es so, wie PJII es in Deinem Punkt 7 darlegt. Der Anblick Gottes, der restlose Reue auslöst. Was die Matthäusstelle angeht, das ist das Gericht über die Völker (Heiden). Also das sind die, die nicht zum Volk Gottes gehören. Und die Johannesstelle spricht (wie auch Matthäus) mit keinem Wort über eine Zwischenstufe zum Himmel. Sorry für das Fegefeuer. Wer es nicht an der Korintherstelle festmacht, der findet nicht den leisesten biblischen Hinweis. Für einen Katholiken kein Problem. Ich schließe mich da eher der orthodoxen oder protestantischen Sichtweise an. Es bringt mehr theologische Probleme, als dass es löst. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 29. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 29. Februar 2020 Am 28.2.2020 um 13:05 schrieb Flo77: Keine direkte Antwort auf das Eröffnungposting, aber eine für mich eher ungewohnte Darstellung der Hölle: https://www.impantokratoros.gr/paradies-holle.de.aspx Ehhh, das ist ja mal eine interessante Höllenansicht. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
nannyogg57 Geschrieben 29. Februar 2020 Melden Share Geschrieben 29. Februar 2020 Ja, das ist sie. Aber sie verlagert die Verantwortung bei den Menschen. Man muss praktisch was tun um in der Anschauung Jesu zu bestehen. Calvin würde sich im Grab umdrehen und die Frage nach der Werkgerechtigkeit kommt für Evangelische und Co. durch die Hintertür wieder rein. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 1. März 2020 Melden Share Geschrieben 1. März 2020 vor 1 Stunde schrieb nannyogg57: Calvin würde sich im Grab umdrehen und die Frage nach der Werkgerechtigkeit kommt für Evangelische und Co. durch die Hintertür wieder rein. Werkgerechtigkeit bedeutet: Man versucht durch gute Taten sich den Himmel zu verdienen (um zu), diese Sichtweise ist heidnisch, denn sie begründet einen Rechtsanspruch, der sich mit Gnade und Barmherzigkeit beißt. Die Taten, die in der Koritherstelle verbrennen sind leere Werke, Paulus schreibt nicht, was das genau ist. Vielleicht daddeln am Computer und viele Pokale im Game. Vielleicht auch Werke tun damit... Die Guten Werke der Heiden in der Mathäusstelle sind keine Taten um in den Himmel zu kommen. Die geschehen aus reiner Nächstenliebe. Und auch hier kommen die Guttäter nicht an Jesus vorbei: Was ihr den geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Oder eben nicht getan.) Was nicht bedeutet, dass es keine guten Werke geben kann, entscheidend ist das Motiv: Mir ist Gutes widerfahren, so kann auch ich Gutes tun. Und eben nicht: Ich tue Gutes DAMIT mir Gutes widerfährt. Das ist auch für Calvin und Co kein Problem. Und das Beste: Das ist dann auch noch biblisch. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
catholicissimus Geschrieben 1. März 2020 Melden Share Geschrieben 1. März 2020 (bearbeitet) Aus irgendeinem Grund wird nie Matthäus 5, 26 genannt: "Sei willfährig deinem Widersacher bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist, auf daß dich der Widersacher nicht dermaleinst überantworte dem Richter, und der Richter überantworte dich dem Diener, und wirst in den Kerker geworfen. 26Ich sage dir wahrlich: Du wirst nicht von dannen herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlest." Wegen Ablasszahlungen und Ökumene etwa? Oskar Schmitt, S. 23, deutet es auch als Fegefeuer: https://www.buecher.de/shop/buecher/die-heilige-schrift-und-die-evangelikalen/schmitt-oskar/products_products/detail/prod_id/23602400/ Hier (S. 14) sogar von einem Theologieprofessor anerkannt (teils): http://www.fk14.tu-dortmund.de/medien/uploads/Eschatologie_WS0506.pdf bearbeitet 1. März 2020 von catholicissimus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
catholicissimus Geschrieben 1. März 2020 Melden Share Geschrieben 1. März 2020 (bearbeitet) Fegefeuer entspricht der menschlichen Realität: wir sind nicht ganz böse und nicht ganz gut und heilig. Vor Gregor dem Großen (6.Jh.), der die Fegefeuerlehre entwickelte, hat man sich erst auf dem Sterbebett taufen lassen, nur um sicherzugehen, dass man nicht wieder sündigen würde und dann doch in die Hölle käme....auch wäre es schrecklich, wenn alle Sünder ohne Unterschied in die Hölle wanderten, ohne Hoffnung, je wieder herauszukommen! Andererseits wäre es billig, nur feste glauben zu müssen, um des ewigen Heils sicher zu sein - ohne jede Sanktionierung und Konsequenz! Die Sünde ist eine ernste Sache und hat Folgen - gerade auch im Jenseits! Es ist auch tröstlich zu wissen, dass all das Elend, das Menschen anderen Menschen bereitet haben auf Erden, dann doch einmal abgebüßt und bezahlt wird! Dass der Peiniger mal selber miterleben muss, was er anderen angetan hat! Wir wollen ja nicht sein ewiges Verderben in der Gehenna, aber einfach so durch Jesu Gnad' in den Himmel hüpfen, das wäre doch eine gigantische Bagatellisierung all des Leidens, das die Menschheit tragen muss! Interessant ist ja auch, dass auch das Judentum und der Islam zwar kein richtiges Fegefeuer, aber dann doch eine zeitlich begrenzte Hölle für schwere Sünder kennen. bearbeitet 1. März 2020 von catholicissimus 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
catholicissimus Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 (bearbeitet) Auch Matthäus 18,21-35 (Luther-Übers.1984) könnte man als Fegefeuer interpretieren: Auch hier wieder geht es bei Jesu Gleichnissen um Geld und Schuld(en) - das mit den Ablasszahlungen war also gar nicht so verkehrt... 21. Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal? 22. Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal. 23. Darum gleicht das Himmelreich einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. 24. Und als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig. 25. Da er’s nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen. 26. Da fiel ihm der Knecht zu Füßen und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s alles bezahlen. 27. Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei, und die Schuld erließ er ihm auch. 28. Da ging dieser Knecht hinaus und traf einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Silbergroschen schuldig; und er packte und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du mir schuldig bist! 29. Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir’s bezahlen. 30. Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war. 31. Als aber seine Mitknechte das sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten bei ihrem Herrn alles vor, was sich begeben hatte. 32. Da forderte ihn sein Herr vor sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; 33. hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? 34. Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war. 35. So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr einander nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder. bearbeitet 2. März 2020 von catholicissimus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
duesi Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 Historisch hat Gregor der Große die Fegefeuerlehre mit folgendem Vers begründet. Mt 12,32 Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt. Quelle Seine Überlegung war, dass, wenn die heilige Schrift davon spricht, dass Sünden "in dieser oder in der zukünftigen Welt" nachgelassen werden, dass es ja noch eine Nachlassung in der zukünftigen Welt geben könnte. Hier haben wir auch das Problem, dass die Vulgata hier von "nachlassen" spricht, während in den modernen Übersetzungen aus dem Griechischen das Wort "vergeben" vorkommt. In Beiträgen, die ich dazu bei der Karl Leisner Jugend gelesen habe, wurde das folgendermaßen erklärt. Es wurde zwischen der Sünde, die von Gott trennt und der Sündenschuld unterschieden. Die Sünde, die von Gott trennt, wird mir in der Beichte durch das Opfer Christi vollständig vergeben. Da sind keine "Sündenreste" mehr, die mich weiter von Gott trennen. Aber durch meine Verfehlungen habe ich Schuld auf mich geladen, die durch die Vergebung nicht einfach aus der Welt ist. Daher ist das Fegefeuer eine Möglichkeit, das, was ich an Schaden getan habe, wiedergutzumachen. Quelle Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 Am 1.3.2020 um 08:33 schrieb catholicissimus: Interessant ist ja auch, dass auch das Judentum und der Islam zwar kein richtiges Fegefeuer, aber dann doch eine zeitlich begrenzte Hölle für schwere Sünder kennen. Zeitlich begrenzt ist es Fegefeuer, keine Hölle. Was irgendwie auch menschlicher Gnade entspricht, die offensichtlich größer ist als die eines Gottes, der Menschen auf ewig in der Hölle schmoren läßt... Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 vor 7 Stunden schrieb catholicissimus: Auch [Gleichnis vom Schalksknecht] Sorry, in der Geschichte geht es darum, dass gnädig sein soll, dem Gnade widerfahren ist. Daraus ein Fegefeuer zu schmieden ist nicht sonderlich durchdacht: wie soll ein Schuldner im Schuldturm, der dort nix verdienen kann, seine Schulden zurückzahlen können? Für Fegefeuer eine sehr ungeeignete Stelle. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 vor 5 Stunden schrieb duesi: Historisch hat Gregor der Große die Fegefeuerlehre mit folgendem Vers begründet. Mt 12,32 Und wer etwas redet gegen den Menschensohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet gegen den Heiligen Geist, dem wird's nicht vergeben, weder in dieser noch in der künftigen Welt. Historisch hat man erst das Fegefeuer erfunden und dann versucht es biblisch zu begründen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Flo77 Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 Am 29.2.2020 um 23:47 schrieb nannyogg57: Ja, das ist sie. Aber sie verlagert die Verantwortung bei den Menschen. Man muss praktisch was tun um in der Anschauung Jesu zu bestehen. Das Herz reinigen, Christus als Erlöser glauben und seine Seele durch die Sakramente heilen lassen. Von Werkgerechtigkeit würde ich da nicht sprechen wollen, allerdings kann man jede Vorstellung der Allerlösung damit direkt in die Tonne kloppen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
duesi Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 vor 7 Minuten schrieb Higgs Boson: Historisch hat man erst das Fegefeuer erfunden und dann versucht es biblisch zu begründen. Dafür hätte ich gerne eine Quelle. Ich habe ja einiges an Kirchenväterliteratur und Kirchenlehrerliteratur gelesen. Und mein Eindruck ist, dass theologische Verlautbarungen bis etwa in die Zeit von Antonius von Padua hinein hauptsächlich durch Bibelexegese hergeleitet wurden. Erst in der Scholastik hat man versucht, aus philosophischen Überlegungen heraus theologische Argumente abzuleiten, wo dann auch so Verrenkungen wie die Vorhölle bei rauskamen. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Studiosus Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 (bearbeitet) In diese Sola-Scriptura-Diskussion, vor der leider auch Katholiken nicht gefeit sind, möchte ich en detail gar nicht einsteigen. Warum? Weil es vollkommen irrelevant ist, ob eine Glaubenswahrheit expressis verbis in der Schrift zu finden ist oder nicht. Die materiale Suffizienz der Heiligen Schrift und die ungeschriebene Tradition (vgl. Dei Filius) als Erkenntnisorte des einen Glaubens schließen einander nicht aus, sondern bedingen und ergänzen sich. Daher ist die Feststellung, dass die Schrift nicht die Fülle des Glaubens enthält, sondern aus der Fülle des Glaubens heraus spricht und verstanden werden muss (die Kirche in Praxis und Lehre geht den verschriftlichen Glaubenszeugnissen der Bibel voraus) kein Eingeständnis heterodoxer, außerbiblischer Lehren. So ist durch den negativen Verweis auf das Fehlen einer ausformulierten Lehre vom purgatorium innerhalb des biblischen Schriftenkanons nicht der Beweis erbracht, die von der Kirche vorgetragene Lehre sei unbiblisch. Vielmehr setzt das biblische Zeugnis - relevante Stellen haben wir bereits gehört, anzufügen wäre noch der Makkabäer - die später entfaltete Lehre bereits implicite voraus oder deutet sie an. Was mich zu meinem zweiten Einwand führt: Den Sinn der Schrift, gerade an dunklen, nicht selbst erschließenden Stellen autoritativ zu erklären ist nicht Sache des einzelnen Lesers, sondern - wie das Tridentinum lehrt - Vorrecht und Aufgabe des Magisteriums; in steter Übereinstimmung mit der einhelligen Interpretation der Väter (unanimis consensus Patrum). Saluti cordiali, Studiosus. bearbeitet 2. März 2020 von Studiosus Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Marcellinus Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 @Studiosus So, und wenn du das jetzt noch einmal in Ruhe liest, daß du dann nicht auch das nagende Gefühl, das du im falschen Jahrhundert steckst? 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Studiosus Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 vor 2 Minuten schrieb Marcellinus: @Studiosus So, und wenn du das jetzt noch einmal in Ruhe liest, daß du dann nicht auch das nagende Gefühl, das du im falschen Jahrhundert steckst? Ganz und gar nicht. Es hält, zum Glück!, in der freien und offenen Gesellschaft niemand jemandem davon ab - auch als Katholik - diese Kriterien für sich abzulehnen. Das steht jedem frei. Wer sich ihnen dennoch unterwirft, tut das freiwillig. Saluti cordiali, Studiosus. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 vor 5 Minuten schrieb Studiosus: So ist durch den negativen Verweis auf das Fehlen einer ausformulierten Lehre vom purgatorium innerhalb des biblischen Schriftenkanons nicht der Beweis erbracht, die von der Kirche vorgetragene Lehre sei unbiblisch. Selbstverständlich belegt das Fehlen nicht, dass eine Lehre unbiblisch ist. Sie ist allerdings in diesem Fall nichtbiblisch. Danach wäre aber auch katholischerseits zu prüfen, ob sie mit dem biblischen Befund vereinbar ist. Im Falle des Fegefeuers, das zur menschlichen Sühnung von Schuld dient, müsst angenommen werden, dass Jesu Opfer nicht ausreicht, was aber Heb 10,10 widerspricht: Es reicht für alle Sünden. Aus dem Kontext geht hervor, dass das Opfer Jesu im Sündopfer des AT verwurzelt ist. Zur Makkabäerstelle muss gesagt werden: Diese liegt im AT. Was bedeutet, das Sündopfer ist noch aktiv (das ja durch Jesus ersetzt und damit abgeschafft wurde) Damit ist das Fegefeuer zur Entsühnung obsolet. Muss man nur die Bibel lesen. Auch nichtbiblische Sonderlehren dürfen der Bibel nicht widersprechen. Was bleibt und eine Lösung ist: Das Fegefeuer als Ort der Reue - das ist zwar auch nichtbiblisch, widerspricht der Bibel aber nicht. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
duesi Geschrieben 2. März 2020 Melden Share Geschrieben 2. März 2020 (bearbeitet) vor 37 Minuten schrieb Studiosus: In diese Sola-Scriptura-Diskussion, vor der leider auch Katholiken nicht gefeit sind, möchte ich en detail gar nicht einsteigen. Warum? Weil es vollkommen irrelevant ist, ob eine Glaubenswahrheit expressis verbis in der Schrift zu finden ist oder nicht. Die materiale Suffizienz der Heiligen Schrift und die ungeschriebene Tradition (vgl. Dei Filius) als Erkenntnisorte des einen Glaubens schließen einander nicht aus, sondern bedingen und ergänzen sich. Daher ist die Feststellung, dass die Schrift nicht die Fülle des Glaubens enthält, sondern aus der Fülle des Glaubens heraus spricht und verstanden werden muss (die Kirche in Praxis und Lehre geht den verschriftlichen Glaubenszeugnissen der Bibel voraus) kein Eingeständnis heterodoxer, außerbiblischer Lehren. So ist durch den negativen Verweis auf das Fehlen einer ausformulierten Lehre vom purgatorium innerhalb des biblischen Schriftenkanons nicht der Beweis erbracht, die von der Kirche vorgetragene Lehre sei unbiblisch. Vielmehr setzt das biblische Zeugnis - relevante Stellen haben wir bereits gehört, anzufügen wäre noch der Makkabäer - die später entfaltete Lehre bereits implicite voraus oder deutet sie an. Was mich zu meinem zweiten Einwand führt: Den Sinn der Schrift, gerade an dunklen, nicht selbst erschließenden Stellen autoritativ zu erklären ist nicht Sache des einzelnen Lesers, sondern - wie das Tridentinum lehrt - Vorrecht und Aufgabe des Magisteriums; in steter Übereinstimmung mit der einhelligen Interpretation der Väter (unanimis consensus Patrum). Saluti cordiali, Studiosus. Ich denke, dass du ein Problem verortest, wo keins ist. Natürlich ist es nicht Aufgabe des einzelnen Lesers, authoritative Wahrheiten zu erklären. Deswegen hat z.B. ein Johannes vom Kreuz in jeder seiner Schriften immer wieder vorangestellt, dass er sich in seinem Schriftwerk vollständig dem Urteil der Kirche unterwirft. Und falls etwas im Widerspruch dazu sein sollte, ist das aus persönlichem Unwissen und nicht aus Rebellion gegen das Lehramt der Kirche gewesen. Dennoch ist es sehr wohl Aufgabe des einzelnen Lesers, unter Betrachtung der heiligen Schrift tiefer in das göttliche Geheimnis einzutauchen. Lehramtliche Verlautbarungen können dabei Leitplanken sein, die einem dabei helfen, nicht dem Irrtum zu verfallen. Aber die Beschäftigung mit den lehramtlichen Verlautbarungen ersetzt nicht die Beschäftigung mit der heiligen Schrift. Schließlich waren es immer wieder einfache Gläubige, die mit ihrer Beschäftigung mit der heiligen Schrift auch das Lehramt inspiriert haben. Ich finde, dass die Frage der Dogmengeschichte der Lehre vom Purgatorium durchaus etwas erhellen kann, ohne dass man sich dem lutherischen Sola Scriptural beugen muss. bearbeitet 2. März 2020 von duesi Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Alfons Geschrieben 2. März 2020 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 2. März 2020 (bearbeitet) Längerer Ausflug an einen heißen Ort Ich fürchte, das wird jetzt etwas länger. Also vorab zweierlei: Erstens einen herzlichen Dank an UHU für ihre Frage nach der heutigen Bedeutung des Fegefeuers und an Catholicissimus für seine Antwort darauf, besonders für seinen Hinweis auf die informationsreiche Vorlesung von Professor Dr. Thomas Ruster. (Aus theologischer Sicht halte ich jene Vorlesung für schwach, aber das tut hier nichts zur Sache). Und zweitens muss ich einen Fehler korrigieren. Ich hatte in einem Beitrag weiter oben die Vorstellung, das Fegefeuer könne auch ein Erkennen der Gegenwart Gottes ohne zeitliche Dimension sein, also ein quasi schlagartiges Geschehen, Johannes Paul II. zugeschrieben. Sie stammt aber von Joseph Ratzinger („Eschatologie“, 6. Auflage 1990, S. 187). Ansonsten lag ich bei meinem ersten Posting „aus der Lameng“ weitgehend richtig. Alles, was ich darüber sonst noch erzählen könnte, macht es nur noch komplizierter. Aber sei's drum. Mir haben sich beim Blättern in der Fachliteratur zwei Fragen aufgedrängt: Wofür war – von ist lässt sich ja kaum sprechen – das Fegefeuer eigentlich da? Und: Kann ich das Fegefeuer heute anders denken, neu und sinnvoll für den christlichen Glauben? Darüber möchte ich noch ein paar Gedanken schreiben. Teil 1: Fegefeuer damals Mit theologischen Texten ist es ja so: Je hochgestochener solch ein Text klingt, desto sicherer kannst du sein, dass der Apfel, der hier gerade vom Baum der Erkenntnis gepflückt wird, eine faule Stelle hat. Ich zitiere mal einen Satz aus dem Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage, Stichwort Fegfeuer: „Die Durchsetzung der Grundentscheidung in der pluralen, vielschichtigen Wirklichkeit des Menschen trifft auf einen durch frühere schuldhafte Fehlentscheidungen usw. induzierten Widerstand in der vorpersonalen Sphäre, der einerseits durch die spätere gute Grundentscheidung nicht schon ohne weiteres und immer aufgehoben ist (siehe Begierde) und andererseits selber gleichzeitig wieder in Widerspruch steht zur objektiven gottgewollten Struktur derjenigen Wirklichkeit, die der Mensch ist, und derjenigen, mit der er als seiner Umwelt (im umfassendsten Sinn) realontologisch und existentiell in notwendiger Kommunikation steht.“ Ihr versteht, was ich meine? Andererseits ist es ja schon spannend, zu überlegen, wie das funktioniert hat und noch immer funktioniert, dass eine Kirche ohne ausreichende Legitimation durch ihre Heilige Schrift ein Feuer entfacht, bei dem sie ständig mit dem Feuerlöscher unverständlicher Theologen-Sätze daneben stehen muss. Der Grund ist: Es war einfach ungeheuer praktisch, jedenfalls im Mittelalter. Die Bußpraxis mit Beichte und Absolution, der Ablasshandel und die Fegefeuerlehre stützten die Macht der Kirche, mehrten ihren Reichtum und sorgten zugleich für ein moralisch besseres Verhalten der Gläubigen. Man kann das durchaus positiv sehen; ich zitiere mal aus der von Catholicissimus verlinkten Vorlesung von Prof. Ruster: „Es kam im großen Stil zu einer Umwandlung von Geldkapital in Gnadenmittel. Durch die Fegefeuerlehre wurde das Kapital der in jener Zeit expandierenden Wirtschaft abgeschöpft und in Armenfürsorge, Förderung von Kirchen und Klöstern, in die Ausbildung und den Unterhalt von Klerikern usw. geleitet.“ Außerdem verschaffte das Fegefeuer auch einen gewissen Spielraum für kleinere Abweichungen von der kirchlichen Lehre. Noch einmal Professor Ruster: „Dass sich die neuzeitliche Wirtschaft mit ihrem permanenten Bruch des kirchlichen Zinsverbots in katholischen Ländern entwickeln konnte, ist auf das Fegefeuer zurückzuführen. Verstöße gegen das Zinsverbot mussten noch bis ins 18. Jahrhundert hinein gebeichtet werden.“ Was tut man nicht alles, um sich oder den toten Familienmitglieder die Qualen im Fegefeuer zu verkürzen? Und Qualen waren es! Zum Gedankenkonstrukt des Fegefeuers, jedenfalls in mittelalterlicher Zeit, gehören zwei Arten von Strafen: die „poena damni“ und die „poena sensus“. Poena damni ist die Strafe der Verdammung, also der Ausschluss von der himmlischen Anschauung Gottes. Diese Strafe ist deshalb so schrecklich, weil die Sehnsucht nach der Anschauung Gottes so unendlich groß ist. Poena sensus ist dann die sinnliche Strafe, also körperlicher Schmerz, vorzugsweise Flammen. Wobei man sich natürlich fragen kann, ob eine Seele körperliche Schmerzen spürt, so ganz ohne Körper. Wie auch immer – und um erneut Thomas Ruster zu zitieren: „Die Tradition ist sich gleichwohl darin einig, dass die Qualen der Seelen im Fegefeuer unaussprechlich groß sind und ihr geringster Grad alle Qualen dieses Lebens bei weitem überschreitet.“ Folter hoch zwei, sozusagen. Zugleich aber seien diese Qualen „mit unaussprechlichem Trost und trostreichster Freude“ verbunden, weshalb die Seelen „diese Strafen auch freiwillig und bereitwillig auf sich nehmen“. Hier einmal durchschnaufen bitte. Die Theologie des Mittelalters muss ein Paradies für Masochisten gewesen sein. Nun liegt im besten evangelischen Sinne die Frage natürlich nahe: Warum reichen Himmel und Hölle nicht aus? Wir warten einfach bis zum Jüngsten Gericht. Dann werden die Guten und die Bösen auseinander sortiert, und mehr als die Gnade Gottes können wir dann nicht erhoffen, denn wir sind allzumal Sünder. Da gibt es drei Haken. Der erste: Es ist menschlich, an verstorbene Angehörige liebend und fürsorgend zu denken und für sie zu beten. Für sie noch irgendetwas tun zu wollen. Zu hoffen, dass sie in den Himmel kommen (sofern man an einen Himmel glaubt). Dazu gehört auch die Vorstellung, dass die Verstorbenen nicht bis zum St. Nimmerleinstag – sprich: bis zur Auferstehung zum Jüngsten Gericht – als Leichnam in der Erde liegen, sondern dass man sie an einem sicheren Ort weiß. Ich denke, auch evangelische Eltern erzählen am Grab des Großvaters ihren Kindern, dass der Opa jetzt im Himmel sei. Sie sagen nicht: „Wir Christen glauben an die Auferstehung, aber wann das sein wird, ob morgen oder in ein paar tausend Jahren, das wissen wir nicht.“ Der zweite Haken für den Zustand zwischen Himmel und Hölle ist die Ewigkeit der Höllenstrafe. Welches Verbrechen ist so groß, dass es in alle Ewigkeit bestraft werden müsse? Wo niemand seufzen darf: „Jetzt nur noch eine Million Jahre!“ Nein: Immer! Nie endend. Ist Gott nicht die Barmherzigkeit in Person? Kann er das zulassen? Wenn man das weiter denkt, bleibt als Grund für eine ewige Bestrafung eigentlich nur die bewusste Abkehr von Gott übrig. Die Hölle nur noch für Leute wie mich: Atheisten. Alle anderen sind oben im Himmel – aber ehrlich: Möchte man mit Folterknechten und Kinderschändern, die mit einem Fingerschnips von Gottes gnädiger Hand ohne jede weitere Läuterung begnadigt wurden, in einem gemeinsamen Himmel sein? Irgendwie fehlt da etwas, sagt das menschliche Gerechtigkeitsempfinden. (Ich füge mal prophylaktisch ein, dass ich hier nur katholische Theologie reflektiere, nicht meine eigenen Gedanken). Der Haken Nr. 3 ist biblisch. Eines überraschenden Tages, so steht in der Bibel, wird der Menschensohn zurück auf die Erde kommen und wird „richten die Lebendigen und die Toten“, wie es im Glaubensbekenntnis heißt. „Dann werden zwei auf dem Felde sein, einer wird angenommen, der andere wird verworfen werden“ (Matthäus 24,40). Also: Das Jüngste Gericht. Michelangelo hat es eindrucksvoll gemalt. Andererseits sagt Jesus am Kreuz zu dem Schächer: „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein“ (Lukas 23,43). Ja, was denn nun – jetzt sofort oder irgendwann später? Das Problem löste dann Papst Benedikt XII im Jahr 1336 mit der Konstitution „Benedictus deus“, und zwar ex cathedra und damit für alle Zeiten gültig: Die Seelen jener Leute, die heiligmäßig gelebt haben (Benedikt nennt Apostel, Märtyrer, Jungfrauen und unschuldige, aber bereits getaufte Kinder) kommen bei deren Tod sofort in den Himmel, die Seelen aller, die im Zustand der Todsünde starben, ebenso schlagartig in die Hölle. Alle, die nicht in Kategorie 1 oder 2 fallen, kommen ins Fegefeuer und erst von dort aus, nach einer gewissen Dauer, in den Himmel. Dieses erste Gericht unmittelbar nach dem Tod nennt die katholische Theologie „Besonderes Gericht“. Das Besondere daran: Die Seele des gerade Gestorbenen spricht das Urteil in jäher Erkenntnis selber. Das Jüngste Gericht, verbunden mit der Auferstehung des Fleisches, kommt dann irgendwann später. An diesem Punkt wird die Sprache der Theologen wieder verschwurbelt. Wenn ich es richtig verstehe, müssen alle Seelen erneut antreten, auch jene, die schon lange in der Hölle sind, weil Jesus nun endgültig das Urteil spricht, das aber eigentlich längst feststeht oder so. Aber immerhin dürfte es eine Abwechslung sein, endlich mal für einen Moment raus zu kommen aus der Hölle. Wer genauer wissen möchte, was das Jüngste Gericht katholischerseits bringen soll, packt in Buttercreme. Da kommen dann Formulierungen wie, das menschliche Zeitverständnis sei auf Gottes Willen nicht anwendbar, oder, das Jüngste Gericht bringe den Menschen die wahre Erkenntnis des Selbst und damit die eigentliche Freiheit. So in der Art. Jedenfalls werden beim Jüngsten Gericht Seele und Körper wieder vereint, was theologisch gesehen aber auch etwas kitzlig zu sein scheint. Teil 2: Fegefeuer heute Die Grundideen des Fegefeuer-Konzepts wurden schon von Gregor dem Großen konzipiert, erste Anstöße gab es noch früher. Lehramtlich fixiert wurde das Fegefeuer aber erst im 13. und 15. Jahrhundert, auf den Konzilien von Lyon und von Ferrara-Florenz. Im Konzil von Trient wurde es erstaunlich knapp behandelt, eigentlich wurde dort nur vor abergläubischem Missbrauch gewarnt. Dann kam lehramtlich lange nichts mehr – bis in die Neuzeit, bis zum 2. Vatikanischen Konzil. In „Lumen gentium“, der Dogmatischen Konstitution über die Kirche des jüngsten Konzils, stehen im Abschnitt 49 die beiden Sätze „Bis der Herr kommt in seiner Majestät und alle Engel mit ihm [...], pilgern die einen von seinen Jüngern auf Erden, die anderen sind aus diesem Leben geschieden und werden gereinigt, wieder andere sind verherrlicht und schauen klar den dreieinen Gott, wie er ist. Wir alle jedoch haben, wenn auch in verschiedenem Grad und auf verschiedene Weise, Gemeinschaft in derselben Gottes- und Nächstenliebe und singen unserem Gott denselben Lobgesang der Herrlichkeit.“ Das finde ich eine schöne Vorstellung. Das Zweite Vaticanum nimmt damit die alte Idee der drei Kirchen wieder auf. Es gibt die „ecclesia triumphans“ im Himmel, die „ecclesia in purgatorio“ der himmlischen Anwartschaft und die „ecclesia militans“ hier auf Erden. Die Jünger aller drei Kirchen werden dabei als Einheit in gegenseitiger Solidarität begriffen – eine Solidarität, die alle Generationen übergreift. Das führt zu einem Neu-Bedenken dessen, was Fegefeuer eigentlich sein soll und sein kann. Von dem Wort Fegefeuer würde sich die katholische Kirche am liebsten verabschieden. Feuer hat so unangenehme Assoziationen. Und das mit dem Fegen ist heute auch nicht ohne Weiteres verständlich. Damit war früher nicht das Auskehren der guten Stube gemeint, sondern es bedeutete so viel wie Schmirgeln, Polieren oder Schleifen. Ein Schwertfeger war ein Schmied, der Schwerter und Messer blank schliff oder eben blank fegte. Wer möchte bitteschön in einem Feuer blank geschliffen werden? Lieber sagt man heute Purgatorium. Der lateinische Ignis purgatorius ist der Reinigungsort. Tatsächlich trifft „Reinigen“ das heutige Verständnis des Fegefeuers besser. In der Einrichtung, die man heute eher als einen zeit- und ortlosen Zustand versteht (was gedanklich nicht so einfach ist), geht es um zweierlei: um Sünden und um die Folgen der Sünden. Sünde – das ist ja nicht nur die Tat. Sondern es ist die innere Übereinstimmung mit dem schlechten äußeren Tun. Die Zustimmung zur Sünde als Akt des freien Willens ist die eigentliche Sünde. Diese Sünde muss bereut, ihr böser Ausfluss, die Tat, muss wieder gut gemacht werden. Und auch Taten, die ohne das Bewusstsein der Sünde geschehen sind, harren der Wiedergutmachung. Oft wird Schaden ohne bösen Willen angerichtet – eine aus dem Autofenster geworfene Kippe setzt eine Böschung in Brand, ein Wurf kleiner Kaninchen verschmort dort, Vogelkinder verbrennen in ihren Nestern – der Autofahrer hat es nicht einmal gemerkt, er wird seine Schuld nie erfahren. Bei der Idee des Purgatoriums sind also nicht nur Sünden, sondern auch Sündenfolgen ein Thema. Das Wiedergutmachen wurde früher mit Vergeltung verwechselt. Catholicissimus hat in einem Beitrag hier das Purgatorium so begründet: „Es ist auch tröstlich zu wissen, dass all das Elend, das Menschen anderen Menschen bereitet haben auf Erden, dann doch einmal abgebüßt und bezahlt wird! Dass der Peiniger mal selber miterleben muss, was er anderen angetan hat!“ Das hebt auf die göttliche Gerechtigkeit ab, aber es scheint mir der falsche Gedanke zu sein. Sicher, Rache ist menschlich. Aber nicht heilig. Leid kann nicht durch neues Leid gut gemacht werden. Ist jemand, der das Leid anderer erhofft, heilig genug für den Himmel? Oder müsste der nicht ein wenig länger im Fegefeuer ausharren, bis auch solches Verlangen weggebrannt ist? So zu fragen hieße, das Purgatorium auf die alte, frühere Art zu verstehen. Nach neuem Verständnis ist das Purgatorium ein Zustand der Erkennens. „Es ist für mich ein Ahnen, dass es in irgendeiner Form Versöhnung geben muss. Versöhnung und Heilung geht nicht, ohne dass man sich mit dem, was man getan hat, konfrontiert sieht“, schrieb einmal sinngemäß eine Userin dieses Forums. Was im Purgatorium geschieht, kann so verstanden als Täter-Opfer-Ausgleich gesehen werden. Erst versöhnt und geheilt steht der Himmel offen. Die Antworten auf Sünde und Sündenfolgen heißen Reue und Wiedergutmachung. Reue macht heil – aber Reue allein macht die Welt nicht wieder heil. Bei der Sensibilität für die Tatfolgen setzt Rupert M. Scheule mit seinem Verständnis des Purgatoriums ein. Scheule ist Professor für Moraltheologie an der Uni Regensburg und Berater der Deutschen Bischofskonferenz. „Kann es sein“, so fragt er, „dass unter solchen Sündenfolgen vielleicht noch meine Kinder und Kindeskinder zu leiden haben, nicht aber ich selbst, dessen Hoffnung aufs Himmelreich ungeschmälert ist, wenn ich die Tat nicht richtig wollte oder als sündhaft erkannte oder – falls ich sie doch wollte und und als sündhaft erkannte – hinterher bereut und gebeichtet habe? Ich stürbe dann im Stand der Gnade und hinterließe doch Unheil, dass es ohne mein Tun nicht gegeben hätte.“ Wenn man den Himmel als selige Einheit von heilen Menschen und heiler Welt definiert und die generationenübergreifende Solidarität wünscht, wie sie in Lumen gentium beschrieben wird, dann ist es nach Scheule nur logisch, das Fegefeuer als eine „Seligkeitsverzögerung“ zu akzeptieren: „Ich darf gar nicht in den Himmel wollen, solange meine Geschwister im Glauben noch unter den Folgen meiner Sünden zu leiden haben.“ Zugleich ist so aber auch möglich, dass sich die Lebenden mit den Toten solidarisieren. Scheule nennt eingelebte Ungerechtigkeiten, ungutes Gewohnheitsrecht und Umweltschäden als Beispiele für Strukturen der Sünde, bei deren Beseitigung man sich nicht nur verantwortlich für die Lebenden fühlt, die darunter leiden, sondern auch solidarisch ist mit jenen Verstorbenen, auf deren Tun diese Strukturen der Sünde zurückgehen. „Die Sündenfolgen, die durch verstorbene Geschwister im Glauben in die Welt kamen, durch Weltdienst zum Besseren zu verwandeln“, sei, so schreibt er, praktische Solidarität mit den „armen Seelen“ und zugleich ein Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft. Ebenso werden dann „die Künftigen, die mit den unerledigten Folgen unserer Sünden konfrontiert sind und mit ihnen zurechtzukommen versuchen, dadurch uns, den Toten von morgen, ihre Solidarität erweisen.“ So gedacht wird das oft belächelte Sondergut „Fegefeuer“ der katholischen Kirche zu einem sinnvollen Begriff, um über christliche Generationengerechtigkeit nachzudenken. (Alle Zitate von Prof. Scheule aus seiner CD-Rom „Himmel, Heilige, Hyperlinks“ und aus der Skizze „Das Fegefeuer als Forderung christlicher Solidarität“ in Schreiber/Siemons (Hg.): Das Jenseits, Darmstadt 2003). Alfons bearbeitet 2. März 2020 von Alfons 5 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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