philipph Geschrieben 2. August 2020 Melden Share Geschrieben 2. August 2020 hallo, kann mir jemand möglichst umfassend darstellen, was der Sinn der Ökumen(i)e ist, und was der Sinn nicht ist? Mir leuchtet das nicht wirklich ein und ich kann mir nicht so leicht im Internet einen Überblick verschaffen, wie es "Alteingesessene" vielleicht könnten. Selbstverständlich erwarte ich die Mühe von niemandem. Schönen Sonntag Abend! Philipp Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
rorro Geschrieben 2. August 2020 Melden Share Geschrieben 2. August 2020 Nun, dass kommt darauf an, wen Du fragst. Und welche Ökumene Du meinst. Die katholisch-protestantische mit ihren zahlreichen Untergruppen, die katholisch-pfingstlerische, für die dasselbe gilt oder die katholisch-orthodoxe, die auf der Seite des Gesprächspartners leider ebensowenig Einheit aufweist. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. ThomasB. Geschrieben 2. August 2020 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 2. August 2020 (bearbeitet) Das 2.Vatikanische Konzel hat in der Erklärung Unitatis Redintegratio (Abs. 3) festgestellt, die getrennten Kirchen und Gemeinschaften seien „trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.” Wichtig ist dabei der Gedanke, dass auch die christlichen Gemeinschaften, die von der Kirche mehr oder weniger getrennt sind, nicht aus sich selbst existieren, sondern, ebenso wie die Kirche selbst, aus dem Geist Christi. Entsprechend ist Ökumene ein Auftrag Jesu Christi, denn es gibt nur einen Herrn und nur einen Geist. Daraus ergibt sich, dass Ökumene nicht etwas ist, was Menschen „machen” können, sondern sie wird vom Geist geschenkt. Wir geben diesem Geist eine Chance, wenn wir auch als Christen verschiedener Konfessionen mit- und füreinander beten bzw. mit- und voneinander lernen, auf dem Weg durch Geschichte auf ihr Ziel, Jesus Christus, zuzugehen. Denn der will, dass alle eins seien, „damit die Welt glaube” (Joh. 17, 21). Wo immer in diesem Sinn Ökumene geschieht, erfüllen wir den Auftrag des Herrn. bearbeitet 2. August 2020 von ThomasB. 4 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
philipph Geschrieben 7. September 2020 Autor Melden Share Geschrieben 7. September 2020 Am 2.8.2020 um 23:24 schrieb ThomasB.: Das 2.Vatikanische Konzel hat in der Erklärung Unitatis Redintegratio (Abs. 3) festgestellt, die getrennten Kirchen und Gemeinschaften seien „trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.” spannend danke! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Higgs Boson Geschrieben 9. September 2020 Melden Share Geschrieben 9. September 2020 Am 2.8.2020 um 19:29 schrieb philipph: kann mir jemand möglichst umfassend darstellen, was der Sinn der Ökumen(i)e ist, und was der Sinn nicht ist? Mir leuchtet das nicht wirklich ein und ich kann mir nicht so leicht im Internet einen Überblick verschaffen, wie es "Alteingesessene" vielleicht könnten. Selbstverständlich erwarte ich die Mühe von niemandem. Das kommt ein bisschen darauf an, welchem Kirchenbild man zuneigt. Wer sich rein auf apostolische Sukkzession zurückzieht, für den ist nur dort Kirche, wo sie erhalten scheint (dass sie wirklich ungebrochen ist, dass wird so angenommen und geglaubt) In diesen Fällen ist Ökumene im reinen Sinn nur mit anderen Kirchen (also nur in apostolische Sukkzession) möglich. Alle anderen sind nämlich lediglich kirchliche Gemeinschaften, mit denen man im Besten Fall freundschaftliche Beziehungen pflegt, die allerdings aus der reinen Wahrheit rausgefallen sind. Die Wahrheit ist nämlich die apostolische Sukkzession. Anders ist es da, wenn man den Glauben an Jesus als Zentrum der Kirche sieht. Dann gehören zur Kirche alle, die an Jesus glauben. Da er die Wahrheit ist (Selbstaussage), steht nur er im Mittelpunkt. Wer an ihm festhält, ist eben nicht aus der Wahrheit rausgefallen, auch wenn verschiedene andere Dinge durchaus unterschiedlich gesehen werden. Hier ist der Gedanke der Ökumene direkt mit der Kirche verknüpft, gemeinschaftliches Glauben an Jesus ist die Basis. Die katholische Kirche versucht hier einen vergeblichen Spagat zwischen u.a. orthodoxen (Schwesterkirche) und den Gemeinschaften aus der Reformation (kirchliche Gemeinschaften) und versucht auf allen Hochzeiten zu tanzen. Die Orthodoxen hingegen nehmen niemanden außer sich selber ernst, für die ist die katholische Kirche ein Haufen Abtrünniger, die nicht wissen was eigentlich Sache ist, und die Gemeinschaften der Reformation überhaupt kein Thema. Die Gemeinschaften der Reformation hingegen haben niemanden, der ihnen sagt, wer wo dazugehört und auch hier gibt es Gemeinden, die nicht notwendigerweise andere Gemeinschaften als zur Kirche gehörig ansehen, da zusätzlich zum Glauben an Jesus noch weitere Grundsätze hinzugenommen werden. Diese Gemeinden tun sich ebenfalls mit Ökumene schwer. Wer aber den Glauben an Jesus als Kirchendefinition annimmt, für den ist Ökumene ein natürlicher Zustand und versteht nicht, was die anderen haben. Der Sinn besteht darin, die eine, einzige, allumfassende Kirche zu sein. Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Abaelard Geschrieben 9. September 2020 Melden Share Geschrieben 9. September 2020 (bearbeitet) vor 2 Stunden schrieb Higgs Boson: Wer aber den Glauben an Jesus als Kirchendefinition annimmt, Auch das ist immer noch eine kurzsichtige Kirchendefinition. Kirche im weiteren Sinn ist die gesamte Menschheitsfamilie von Adam bis zum letzten Menschen in der Schöpfungsgeschichte. Menschheitsfamilie = kyriaké, das heißt "die des Herrn". Was soll denn für einen Monotheisten die Menschheitsfamilie sonst sein als eben Eigentum des einen Gottes = kyriaké = die des Herrn? bearbeitet 9. September 2020 von Abaelard Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
jouaux Geschrieben 22. September 2020 Melden Share Geschrieben 22. September 2020 Wenn die Branche sich konsolidiert, dann könnte sie viel Geld sparen. Die Zusammenführung der Strukturen wie Computer und Verwaltung kostet aber zunächst sehr viel. Rechnet sich aber nach ein paar Jahren wenn die Anzahl der Filialen halbiert wird. Andererseits werden die Neu-Abschlüsse in den Filialen gemacht. Mmm, schon kniffelig so eine Ökumene, ähh Fusion. Gibt es noch keinen Direktvertrieb? Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Ennasus Geschrieben 22. September 2020 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 22. September 2020 Am 9.9.2020 um 10:57 schrieb Abaelard: Auch das ist immer noch eine kurzsichtige Kirchendefinition. Kirche im weiteren Sinn ist die gesamte Menschheitsfamilie von Adam bis zum letzten Menschen in der Schöpfungsgeschichte. Menschheitsfamilie = kyriaké, das heißt "die des Herrn". Was soll denn für einen Monotheisten die Menschheitsfamilie sonst sein als eben Eigentum des einen Gottes = kyriaké = die des Herrn? Mich hat fasziniert, wie Christian Lehnert in seinem Buch "Korinthische Brocken" über die Kirche schreibt. Ich kann nur ein paar Gedanken draus skizzieren - ich finde das ganze Kapitel (eigentlich das ganze Buch) toll! Lehnert geht davon aus, dass das neu entstehende Christentum seine Gestalt nicht in der Schaffung neuer Kulträume gesucht oder in besonderen Sphären des Heiligen gefunden hat. Die ersten Spuren, die man vom Christentum findet, schreibt Lehnert, sind nicht Spuren der Abgrenzung, auch keine neuen Sakralgebäude. Sondern: Christentum fand im Alltag statt, holte sich seine Kraft aus der Alltäglichkeit, dem Essen, dem Trinken, der Geselligkeit. Das Leben wurde nicht in Sonderwelten verpflanzt, sondern einfach in einen neuen Zusammenhang gesetzt: Kleine körperliche Gesten wurden Zeichen für den neuen Glauben: Fußwaschung, eine segnende Handauflegung, „Weinkelch an den Lippen und Brot auf der Zunge“. (Lehnert, 2015, S. 29). Der Alltag selbst verwandelte sich, der Unterschied zwischen profan und heilig wurde aufgelöst. Die Zeit wurde ganz dicht: „Alles hatte jetzt eine andere Bedeutung, jetzt! Die ganze Zeit war im Vergehen, im Verweilen, nur ein Augenblick noch, in Christus.“ Nach außen hin war das einerseits völlig unaufdringlich, gleichzeitig verstörte und faszinierte es die Umgebung, weil für diese jungen Gemeinden die gültigen Normen und Gesetze nicht mehr galten. Für dieses Geschehen fand Paulus das Wort ekklesia, ein ganz profanes Wort. Ekklesia war bei den Griechen die Versammlung der freien Bürger, die von einem Herold aus den Häusern gerufen wurden. Es meinte nie einen von anderen abgegrenzten Verein, keine Kultgenossenschaft, anders als andere griechische Worte für eine besondere religiöse Gemeinschaft (koinon, synodos). Auch Synagoge wäre eine Möglichkeit gewesen - aber Paulus entscheidet sich für den Begriff "ekklesia". Und sagt: Ekklesia ist geschehen! Bei diesem Wort schwingt laut Lehnert immer mit, dass eigentlich eine Gesamtheit gemeint ist. Ekklesia geschieht, ist eine Strömung, die mitreißt, es gibt sie nur so, als Strömung, als Geschehen. Wo auch immer sie geschieht, ist sie ganz. Egal, wie viele es sind, die in Christus sind, denn immer sind es alle, auch die Toten und die Kommenden gehören dazu. Gemeinde und Kirche sind laut Lehnert eigentlich Übersetzungen, die in die Irre führen, das eine, weil es nach bürgerlicher Vereinskultur klingt, das andere, weil es institutionell verfestigt. "Ekklesia", sagt Lehnert, ist ein Antwortversuch, ohne dass Paulus weiß, wohin das führen wird. In allem, was darüber gesagt werden kann, schwingt immer die dauernde Fraglichkeit des Gesagten mit. Worauf genau gründet es? Das lässt sich so schwer fassen! Alles, was über die Ekklesia gesagt werden kann, kann nur in einer Sprache gesagt werden, die wie ein Fell über ein tiefes Schweigen gespannt ist, ein Schweigen, das „bebt, es vibriert, es trägt den Ton wie bei einer Trommel die Leere“. Treu gegenüber dem Ereignis ist, wer diesen Spannungszustand aufrecht erhält, den ganzen Reichtum, die Leere, die Offenheit. Es mangelt an Worten für das alles. Dass es diesen Mangel an Worten gibt, bedeutet auch: es fehlt an Erkenntnis. Dass Paulus genau dafür dankt und die Gemeinde in Korinth als reich bezeichnet, das nennt Lehnert „Mangelvertrauen“. Es ist ein Mangel in Erwartung. Die Hoffnung auf das, was kommen wird, ist der Reichtum. Und in diesem Reichtum ist die ganze Zeit über ist Christus als Anwesender abwesend. Sie leben aus diesem „Christusereignis“. 3 3 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Dies ist ein beliebter Beitrag. Chrysologus Geschrieben 23. September 2020 Dies ist ein beliebter Beitrag. Melden Share Geschrieben 23. September 2020 Es ist ohnehin eine interessante Beobachtung, dass das frühe Christentumerst seine Nomenklatur und später dann seine Architektur vollständig aus dem nimmt, was man Profanbereich in Abgrenzung zum Sakralbereich nennen könnte. Für die erste Generation, von der Lehnert spricht, kommt allerdings noch hinzu, dass die Trennung vom Judentum noch nicht statt gefunden hat. Wir wissen auch nicht (zumindest ich weiß nicht), wann das lokal geschah, wann also aus einer Gemeinschaft, die am Shabbat in die Synagoge ging und sich am folgenden Tag zum Mahl traf, eine Gemeinschaft wurde, die am auf den Shabbat folgenden Tag eine Kombination aus Synagogengottesdienst und Mahl feierte. Aber für diese erste korintische Gemeinde, an die Paulus schreibt, wird man noch mit dieser Dopplung zu rechnen haben, also eine christliche Gemeinde als Sondergruppe innerhalb, nicht neben der jüdischen Gemeinde. Lehnert - ich vertraue nun darauf, dass Ennasus ihn korrekt wiedergegeben hat - beschreibt die fast zeingende Folge aus dem Glauben, das Reich der Himmel sei in der Welt angekommen und angebrochen. Die Trennung zwischen sakral und profan, zwischen Menschenwelt und Gotteswelt, ist aufgehoben. Der Gläubige wird in Taufe und Mahlgemeinschaft hineingenommen in diese neue Wirklichkeit und soll diese leben im alltäglichen Tun. Der Riss im Tempelvorhang, von dem ein Evangelium berichtet, soll genau diesen Paradigmenwechsel anzeigen: Gott wird nicht mehr exklusiv im Tempel anwesend geglaubt, sondern in der Gemeinschaft der Glaubenden und im Einzelnen (eine Entwicklung, die auch das synagogale Judentum machte). Was aber heißt das für die Ökumene: Wenn wir berufen sind, Kirche zu sein, weil wir getauft sind, dann trennen die Konfessionen etwas, das nicht nur zusammen gehört, sondern das eins ist. Es geht nicht darum, eine Einheit zu schaffen, die es geben sollte, es geht darum, eine Einheit sichtbar werden zu lassen, die vom Stifter der KIrche her gegeben ist. Und deswegen muss bei jedem sogenannten kirchentrennenden Element gefragt werden, ob es das Wert ist. Ob es so wichtig ist, dass man deswegen den Leib der Kriche zerteilen müsse. Ökumene ist deshalb nicht ein Projekt der Aufnahme jener, die sich aus der Kirche irrtümlich verabschiedet haben, sondern es ist die Folge der Erkenntnis, dass menschliche Unzulänglichkeit und Machtstreben etwas zerrissen haben, das zu zerreißen dem Willen des Stifters widerspricht. Man mag es so deuten: Wenn man Kirche als Leib Christi versteht, dann kann es keine abfallenden Brösel geben, die nicht mehr Leib Christi wären. Das geht mit der Hostie nicht, und das geht mit der Kirche nicht. Und deswegen sollte man die getrennten Schwestern und Brüder mit derselbe Ehrfurcht betrachten, die man Christus entgegen bringt. Sie als Marginalie entsorgen zu sollen ist keine Alternative. 7 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
rorro Geschrieben 23. September 2020 Melden Share Geschrieben 23. September 2020 (bearbeitet) vor 1 Stunde schrieb Chrysologus: Wenn wir berufen sind, Kirche zu sein, weil wir getauft sind, dann trennen die Konfessionen etwas, das nicht nur zusammen gehört, sondern das eins ist. Es geht nicht darum, eine Einheit zu schaffen, die es geben sollte, es geht darum, eine Einheit sichtbar werden zu lassen, die vom Stifter der KIrche her gegeben ist. Und deswegen muss bei jedem sogenannten kirchentrennenden Element gefragt werden, ob es das Wert ist. Ob es so wichtig ist, dass man deswegen den Leib der Kriche zerteilen müsse. Ökumene ist deshalb nicht ein Projekt der Aufnahme jener, die sich aus der Kirche irrtümlich verabschiedet haben, sondern es ist die Folge der Erkenntnis, dass menschliche Unzulänglichkeit und Machtstreben etwas zerrissen haben, das zu zerreißen dem Willen des Stifters widerspricht. Man mag es so deuten: Wenn man Kirche als Leib Christi versteht, dann kann es keine abfallenden Brösel geben, die nicht mehr Leib Christi wären. Das geht mit der Hostie nicht, und das geht mit der Kirche nicht. Und deswegen sollte man die getrennten Schwestern und Brüder mit derselbe Ehrfurcht betrachten, die man Christus entgegen bringt. Sie als Marginalie entsorgen zu sollen ist keine Alternative. Du sprichst vom Stifter der Kirche - der Knackpunkt ist ja eben, was mit diesem Wort "Kirche" gemeint ist? Was heißt es denn, durch die Taufe der Kirche eingegliedert worden zu sein - eine "unsichtbare" Entität oder eine sichtbare Kirche mit menschlichen Strukturen? Wenn die Glieder der Kirche sich fundamental über das Wesen der Kirche uneins sind, ist das doch nur verbale Schönfärberei. Derzeit ist es so, daß die katholische Position der Eingliederung durch die Taufe in die eine Heilige, Katholische und Apostolische Kirche von der protestantischen Seite ja gar nicht akzeptiert wird. Und genau darum geht es im Disput. bearbeitet 23. September 2020 von rorro 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Ennasus Geschrieben 23. September 2020 Melden Share Geschrieben 23. September 2020 vor 58 Minuten schrieb Chrysologus: Es ist ohnehin eine interessante Beobachtung, dass das frühe Christentumerst seine Nomenklatur und später dann seine Architektur vollständig aus dem nimmt, was man Profanbereich in Abgrenzung zum Sakralbereich nennen könnte. Für die erste Generation, von der Lehnert spricht, kommt allerdings noch hinzu, dass die Trennung vom Judentum noch nicht statt gefunden hat. Wir wissen auch nicht (zumindest ich weiß nicht), wann das lokal geschah, wann also aus einer Gemeinschaft, die am Shabbat in die Synagoge ging und sich am folgenden Tag zum Mahl traf, eine Gemeinschaft wurde, die am auf den Shabbat folgenden Tag eine Kombination aus Synagogengottesdienst und Mahl feierte. Aber für diese erste korintische Gemeinde, an die Paulus schreibt, wird man noch mit dieser Dopplung zu rechnen haben, also eine christliche Gemeinde als Sondergruppe innerhalb, nicht neben der jüdischen Gemeinde. Ja. Lehnert denkt auch darüber nach, warum Paulus nicht "Synagoge" sagt. Er schreibt, dass das eine gängige griechische Übersetzung der hebräischen Worte qahal und eda (Bezeichnungen für Gottes auserwähltes Volk) gewesen sei. Und dass sich die ersten Gemeinden doch eigentlich genauso gefühlt hätten und dass nichts näher gelegen hätte, als dieses Wort zu verwenden. Dass er aber von Ekklesia spricht, klinge so, als würde er das Wort nur für jetzt, für genau diese Gemeinde jetzt in Korinth verwenden wollen, „die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen“, deren weitere Entwicklung noch völlig unklar ist. Aber sie war da. Eine Gemeinschaft von Menschen, die ein plötzlicher Ruf herausgetrennt hat aus den Verwobenheiten ihres Lebens und sie plötzlich zu „berufenen Heiligen“ macht. Wobei: Auch mit dem Wort Wort „heilig“ bezeichnet Paulus nicht eine Eigenschaft dieser Leute, sondern er stellt einfach verwundert etwas fest, dass sich etwas völlig verändert hat. Heilig sind sie deshalb, weil sie plötzlich von Gott zu dieser Gemeinschaft zugehörig gemacht wurden – in dem Augenblick, in dem sie den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, bei ihnen und bei uns.“ vor 58 Minuten schrieb Chrysologus: Lehnert - ich vertraue nun darauf, dass Ennasus ihn korrekt wiedergegeben hat - beschreibt die fast zeingende Folge aus dem Glauben, das Reich der Himmel sei in der Welt angekommen und angebrochen. Die Trennung zwischen sakral und profan, zwischen Menschenwelt und Gotteswelt, ist aufgehoben. Der Gläubige wird in Taufe und Mahlgemeinschaft hineingenommen in diese neue Wirklichkeit und soll diese leben im alltäglichen Tun. Der Riss im Tempelvorhang, von dem ein Evangelium berichtet, soll genau diesen Paradigmenwechsel anzeigen: Gott wird nicht mehr exklusiv im Tempel anwesend geglaubt, sondern in der Gemeinschaft der Glaubenden und im Einzelnen (eine Entwicklung, die auch das synagogale Judentum machte). Was aber heißt das für die Ökumene: Wenn wir berufen sind, Kirche zu sein, weil wir getauft sind, dann trennen die Konfessionen etwas, das nicht nur zusammen gehört, sondern das eins ist. Es geht nicht darum, eine Einheit zu schaffen, die es geben sollte, es geht darum, eine Einheit sichtbar werden zu lassen, die vom Stifter der KIrche her gegeben ist. Und deswegen muss bei jedem sogenannten kirchentrennenden Element gefragt werden, ob es das Wert ist. Ob es so wichtig ist, dass man deswegen den Leib der Kriche zerteilen müsse. Ökumene ist deshalb nicht ein Projekt der Aufnahme jener, die sich aus der Kirche irrtümlich verabschiedet haben, sondern es ist die Folge der Erkenntnis, dass menschliche Unzulänglichkeit und Machtstreben etwas zerrissen haben, das zu zerreißen dem Willen des Stifters widerspricht. Auch dazu schreibt Lehnert etwas. Paulus mahnt ja dringend zur Einheit "Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung (1 Kor 1,10). Er wehrt sich aber gegen die Vorstellung, Paulus sei ein "Ideologe der Einheit gewesen". Er war (weil das gerade auch in einem anderen Thread Thema ist) "kein Machtmensch, der die Verhältnisse ordnet." Paulus führe "die korinthischen Spaltungen (und damit auch alle kommenden Schismata) auf die Kehrseite aller Teilung zurück, auf den Anfang der Ekklesia, auf Christus, die Menschengestalt des Gottes "Ich werde sein, der ich sein werde." Er schreibt (ich finde seine Sprache wunderschön und nehme sie auf), dass dieses „Christusereignis“ aus dem sie leben, ist wie wenn Gott die Welt befruchtet hätte. Die Wirklichkeit schwimmt neu im Offenen, wie eine Keimscheibe. Alles Wachsen, alle Teilung, alle Ausdifferenzierung kommt danach. Der eine Sinn, von dem Paulus spricht, meint diese Einheit des Ursprungs, die du auch beschreibst. Darauf weise das griechische Wort katartizein, vollkommen machen, das er verwendet, hin. „Es bedeutet genau: etwas in Ordnung bringen, wiederherstellen, reparieren, vollkommen machen im Sinn seiner ursprünglichen Gestalt“. (Lehnert, 2015, S. 49) Paulus wisse, dass Ausdifferenzierung und Verschiedenheit muss sein. (vgl. das Bild vom Körper). "Wenn sich Narbengewebe über die Offenbarungswunde schließt, wenn die sprachlichen Deutungen wachsen und die religiösen Bilder geordnet werden", dann entstehe notwendig Differenzierung. Aber Paulus gehe es darum, dass sich alles, was neu entsteht, hinordnet wie Magnetspäne auf diesen Anfang, den Ursprung. Von dorther kommt der eine Sinn, die Einheit. (1 Kor. 12,17-18). Die Einheit bleibe als Ursprungsgedanke bestehen. Wo Christus ist, gibt es nur Christus und nichts Trennendes. „Der Christus“, sagt Lehnert, ruft nicht in eine Weltanschauung – er ruft in die Gemeinschaft, in die Beziehung. Alles was folgt, geschieht in der Begegnung mit einem Gegenüber. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Abaelard Geschrieben 23. September 2020 Melden Share Geschrieben 23. September 2020 (bearbeitet) vor 3 Stunden schrieb Chrysologus: Es ist ohnehin eine interessante Beobachtung, dass das frühe Christentum erst seine Nomenklatur und später dann seine Architektur vollständig aus dem nimmt, was man Profanbereich in Abgrenzung zum Sakralbereich nennen könnte. Ja, erst kürzlich habe ich gelesen, dass ein griechischer Magistrat einen Boten ausschicken konnte, den man diakonos nannte. Sobald er seinen Botendienst ausgeführt hatte, war sein Diakonat beendet. Der Bote wurde nicht mehr Diakon genannt. Der Diakonat musste offenbar nicht notwendig ein Daueramt darstellen. Mit der Unterscheidung von profan und sakral komme ich nicht gut zurecht. Auch die Etymologie hilft mir da nicht wirklich weiter: fanum (das Heiligtum), pro-fanum (vor oder außerhalb des Heiligtums gelegen) Wenn man unter Gott die alles bestimmende Wirklichkeit verstehen will, wenn die Allgegenwart Gottes zu seinen Wesenseigenschaften gehört, wo wäre dann der Ort, den man pro-fan nennen könnte? Der Theologe Kessler hat einmal gesagt: Es gibt überhaupt kein Außerhalb Gottes. Alles was ist, ist von ihm umfangen und unterfangen. Und Karl Barth (dem "Papst der Evangelischen", boshaft gesagt) sagt man nach - ob zu Recht oder zu Unrecht, weiß ich nicht - , er habe einmal demonstrativ im Kirchenraum geraucht, um quasi durch eine prophetische Zeichenhandlung zu demonstrieren, dass die Unterscheidung von Sakral und Profan hinfällig wäre. Einen kath. Pastoraltheologen habe ich in Erinnerung, der meinte, die Unterscheidung zwischen Sakral und Profan wäre ein mitgeschlepptes heidnisches Erbe. Das ist mir ein wenig zu steil. Denn müsste man dann nicht die gesamte alttestamentlichen Religion des Heidentums bezichtigen? Die Nichtjuden durften sich nur im Pro-Fanum aufhalten, im Tempelvorhof der Heiden. Das Überschreiten der Tempelschranken zum Heiligtum hin durch einen Heiden war ein so gravierendes Sakrileg, dass die röm. Behörde für solche Fälle den Juden sogar Lynchjustiz zugestanden haben soll. Worin sollen wir heutzutage den Unterschied zwischen sakral und profan sehen? bearbeitet 23. September 2020 von Abaelard Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Franziskaner Geschrieben 23. September 2020 Melden Share Geschrieben 23. September 2020 (bearbeitet) Das Sakrale als Schutzraum für die Gotteserfahrung ist in dieser gebrochenen Welt notwendig (im Himmel wird es das nicht geben). Jesus sagt dazu: Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor, denn sie könnten sie mit ihren Füßen zertreten und sich umwenden und euch zerreißen! (Matthäus 7,6) Genau das erleben wir zur Zeit. Das sage ich als jemand, der einer Ordensgemeinschaft angehört, deren erste Angehörige auf die Frage "Wo ist denn euer Kloster?" mit der Hand auf den gesamten Horizont zeigten. Allerdings hat Franziskus ebenfalls zur besonderen Wertschätzung, auch in der Aufbewahrung, für die Sakramente und die heiligen Schriften aufgefordert. bearbeitet 23. September 2020 von Franziskaner Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Chrysologus Geschrieben 23. September 2020 Melden Share Geschrieben 23. September 2020 vor 11 Stunden schrieb Abaelard: Wenn man unter Gott die alles bestimmende Wirklichkeit verstehen will, wenn die Allgegenwart Gottes zu seinen Wesenseigenschaften gehört, wo wäre dann der Ort, den man pro-fan nennen könnte? Nach einigen Traditionen ist der Schöpfungsakt der Moment, in dem Gott einen Unterschied macht zwischen sich und der Welt. Er ist gerade nicht mehr überall und er ist nicht mehr alles, vielmehr gibt es etwas, das Nicht-Gott ist - Schöpfung. Manche Kulte sehen dennoch das göttliche (oder Gott) in allem, andere grenzen den Bereich, an dem Gott in der Welt ist oder sich in der Welt zeigt, ab von dem, Bereich, in dem er nicht ist. Man kann darin eine besondere Frömmigkeit in Form der Schaffung eines Sakralraumes sehen, man kann es auch umgekehrt so deuten, dass das göttliche in den Heiligen Bereich gesperrt und die Welt somit unabhängig wird, modern gesprochen könnte man sie säkular nennen. Die Trennung oder Scheidung in fanum und pro-fanum drückt sprachlich genau das aus. Dass Gott (der etwas anderes ist als das Göttliche) überall sei, das ist nun eine sehr jüdisch-christliche Aussage, getragen von der Überwindung der Spaltung von fanum und pro-fanum (der zerissene Tempelvorhang im Evangelium, der synagogale Gottesdienst als Zentrum des jüdischen Lebens). Dass man überal beten kann, dass es keinen besonderen Ort der Gottesverehrung braucht (auch wenn der hilfreich und nützlich sein mag, nötig ist er nicht). vor 11 Stunden schrieb Abaelard: Worin sollen wir heutzutage den Unterschied zwischen sakral und profan sehen? Ich weiß nicht, warum wir den sehen sollten. Wenn wir Christus im Armen wie im Bruder und der Schwester sehen sollen, dann gibt es den Unterschied nicht mehr. Nochmal: Das spricht nicht gegen Orte der Gottesverehrung und Akte der Gottesverehrung, die eher für mich als für Gott wichtig und wertvoll sind - aber sie sind sakrilegisch, gotteslästerlich, wenn sie Missachtung des Armen und Notleidenden mit sich bringen. Franziskus, der Heilige, hat zweifelsohne die "sakralen" Gegenstände hochgeschätzt, er hat dem Klerus Achtung gezollt, aber er hat bedenkenlos dem Papst den Geruch eines Bettlergewandes zugemutet, und er hätte kaum einen Obdachlosen im Regen schlafen lassen, damit die Kapelle sauber bleibt. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
o_aus_h Geschrieben 29. Mai 2021 Melden Share Geschrieben 29. Mai 2021 Am 2.8.2020 um 23:24 schrieb ThomasB.: Das 2.Vatikanische Konzel hat in der Erklärung Unitatis Redintegratio (Abs. 3) festgestellt, die getrennten Kirchen und Gemeinschaften seien „trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet.” Ich möchte eine andere Definition daneben stellen: In der Vielfalt der Kirchen spiegelt sich die Größe Gottes wider, der eben größer ist als eine Kirche allein. So wie die Menschen mit verschiedenen Gaben und Talenten ausgestattet sind (1. Kor), so eben auch die Kirchen, sagte der (inzwischen emeritierte) Erzbischof von Utrecht, Joris Vercammen einmal. Die römisch-katholische Kirche habe sich dabei besonders um die Bewahrung der Eucharistie verdient gemacht, die Orthodoxie habe mehr als andere das Mysterium gepflegt, die evangelischen Kirchen hegen besonders die Bibel und deren Exegese, und die altkatholischen Kirchen seien Kirchen, die die Gastfreundschaft als besonderes Talent bewahren. Sehr schön hat es auch die leider viel zu früh verstorbene Hamburger Pastorin Severin-Kaiser einmal gesagt, lange Ökumenebeauftragte der Nordkirche, „der Reichtum der christlichen Kofessionen ist ein Schatz, den es noch zu heben gilt.“ Anders gesagt: Wir können in der Begegnung mit Christ:innen anderer Konfessionen lernen, dass es sehr verschiedene Zugänge zu Gott gibt. Und wenn wir dabei etwas neu entdecken, was uns auch gut tut: toll. Wenn wir verstehen, warum wir in gerade in unserer jeweiligen Heimatkirche glücklich und richtig sind – auch das ist sehr gut und bestärkend. Schließlich ist es immer gut, wenn wir die Gemeinsamkeiten betonen, denn Gemeinschaft ist genau ein Auftrag Jesu, ohne dass wir deshalb Unterschiede und Differenzen verleugnen müssten. Gerade heutzutage versteht es die zunehmend sekundäre Welt immer weniger, wenn sich die Konfessionen ernsthaft streiten, zumal wir Christ:innen ja explizit daran erkannt werden sollen, dass wir einander lieben (Joh 13). 3 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
Mecky Geschrieben 1. Juni 2021 Melden Share Geschrieben 1. Juni 2021 Am 29.5.2021 um 22:39 schrieb o_aus_h: Schließlich ist es immer gut, wenn wir die Gemeinsamkeiten betonen, Besonders dann, wenn diese Gemeinsamkeiten eigentlich die Grundlage bilden, während die Unterschiede an der Peripherie liegen und oftmals mehr mit Politik und Machtstreben zu tun haben, als mit Glauben. Mir sind diese Glaubens-Organisationen allesamt ein wenig suspekt, weil sie sich mehr um ihre Chlique kümmern, als um Wahrheit, Glaube und um das, was Menschen brauchen. Die vielgeübte Ausgrenzungs-Mentalität hat nichts mit Glaube oder Jesus oder Gott zu tun. Es geht um Rechthaberei und um eine krude Form verfehlter Identitätsbildung. Und natürlich um Macht. Und um Geld. Je schöner diese Gier ummäntelt wird, desto ekliger. 1 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen More sharing options...
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