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Die Ermahnungen des hl. Franziskus von Assisi


Franziskaner

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In dieser Vorbereitungszeit für Ostern beschäftige ich mich erneut mit den "Ermahnungen", die der Hl. Franziskus von Assisi an seine Brüder gerichtet hat. Ich werde gelegentlich Zitate aus diesen Ermahnungen in diesen Thread stellen, allerdings selbst nicht an Diskussionen teilnehmen.

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"Vom Leib des Herrn"

 

Daher ist es der Geist des Herrn, welcher in seinen Gläubigen wohnt, der den heiligsten Leib und das heiligste Blut des Herrn empfängt.

...

Täglich kommt er selbst zu uns und zeigt sich in Demut. Täglich steigt er aus dem Schoß des Vaters in den Händen des Priesters auf den Altar. Und wie er sich den heiligen Aposteln im wirklichen Fleische zeigte, so zeigt er sich auch uns jetzt im heiligen Brot. Und wie diese beim Anblick seines Fleisches nur sein Fleisch sahen, aber glaubten, dass er Gott ist, weil sie ihn mit geistlichen Augen schauten, so lasst auch uns, die mit leiblichen Augen Brot und Wein sehen, schauen und fest glauben, dass es lebendig und wahrhaftig sein heiligster Leib und sein Blut ist.

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"Vom Übel des Eigenwillens"

 

Jener nämlich isst vom Baum der Erkenntnis des Guten [dem verbotenen Baum des Paradieses, Anm.], der seinen Willen als sein Eigentum beansprucht und sich mit dem Guten brüstet, das der Herr durch ihn wirkt und spricht.

 

Betrachtung: Für Franziskus ist Gott die alleinige und unaufhörliche Quelle des Guten in der Welt. Der Mensch kann sich dieser Quelle öffnen, und dadurch für sich und andere dem Guten Einlass gewähren. Es bleibt aber immer Gottes Handeln. Ebenso ist es beim Empfang der Eucharistie: nur durch das Wirken des Heiligen Geistes kann der Mensch Jesus Christus in Gestalt von Brot und Wein erkennen und empfangen. Es ist der Geist Gottes, der die Sakramente empfängt. Der Mensch wird hineingenommen in das innere Leben der göttlichen Dreifaltigkeit.

bearbeitet von Franziskaner
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Am 22.2.2021 um 13:56 schrieb Franziskaner:

"Vom Leib des Herrn"

 

Daher ist es der Geist des Herrn, welcher in seinen Gläubigen wohnt, der den heiligsten Leib und das heiligste Blut des Herrn empfängt.

...

Täglich kommt er selbst zu uns und zeigt sich in Demut. Täglich steigt er aus dem Schoß des Vaters in den Händen des Priesters auf den Altar. Und wie er sich den heiligen Aposteln im wirklichen Fleische zeigte, so zeigt er sich auch uns jetzt im heiligen Brot. Und wie diese beim Anblick seines Fleisches nur sein Fleisch sahen, aber glaubten, dass er Gott ist, weil sie ihn mit geistlichen Augen schauten, so lasst auch uns, die mit leiblichen Augen Brot und Wein sehen, schauen und fest glauben, dass es lebendig und wahrhaftig sein heiligster Leib und sein Blut ist.

 

Betrachtung:

Für Franziskus ist Eucharistie ein Geschehen mit mehreren Dimensionen. Außer dem Aspekt der Mahlfeier, in der sich Christus die Jünger nährt, und dem des Opfers, in dem Christus sich für uns hingibt, ist noch ein weiterer Sinn für Farnziskus wichtig: In der Eucharistie ereignet sich Inkarnation.

 

So wie Gott vor 2000 Jahren in Jesus Mensch wurde, kommt er in jeder Eucharistiefeier in Brot und Wein zu uns. Gott greift in das Kommunikationsgeschehen dieser Welt ein. Dieses Eingreifen muss notwendigerweise materiell sein, weil alle Kommunikation in dieser Welt materiell ist. Gott wandelt Brot und Wein, er wandelt die Welt, und dabei verwandelt er die Welt sich selbst an. Nur durch diesen Prozess, in dem Gott auf uns zu kommt und uns gleichzeitig verwandelt, können wir Gott überhaupt nahekommen und in Beziehung zu ihm treten.

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"Vom vollkommenen Gehorsam"

 

Der Herr sagt im Evangelium: "Wer nicht allem entsagt, was er besitzt, kann nicht mein Jünger sein."; und: "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren."

Jener Mensch verlässt alles, was er besitzt, [...] der sich selbst zum Gehorsam ganz in die Hände seiner Oberen begibt.

...

Und wenn der Untergebene einmal etwas sieht, was für seine Seele besser und nützlicher ist als das, was der Obere ihm befiehlt, so soll er das Seine freiwillig Gott zum Opfer bringen; was aber vom Oberen kommt, soll er tatkräftig zu erfüllen trachten. Denn das ist der von Liebe getragene Gehorsam, weil er Gott und dem Nächsten Genüge leistet.

---

Wenn aber der Obere etwas gegen seine Seele befehlen würde, so darf er ihm zwar nicht gehorchen, soll ihn aber trotzdem nicht verlassen. Und wenn er deshalb von einigen verfolgt würde, soll er sie um Gottes Willen noch mehr lieben.

 

Betrachtung:

Ein Beispiel dieser Haltung ist für mich Johannes XXIII. Die 20 nach Karrieregesichtspunkten wichtigsten Jahre seines Berufslebens verbrachte er auf einem von allen als unbedeutend angesehenen Posten als apostolischer Delegat in Bulgarien und der Türkei (was ihm den Spitznamen "Roncallis il bulgaro" einbrachte). Er füllte diese Aufgaben mit Liebe und Sorgfalt. Während des zweiten Weltkriegs rettete er zahlreichen Juden das Leben.

Erst im Pensionsalter wurde er mit Aufgaben betraut, die aus kirchlich-strategischer Sicht eine wirkliche Bedeutung hatten: apostolischer Delegat in Frankreich; und schließlich, mit 72 Jahren, Bischof von Venedig. Obwohl er persönlichen Ehrgeiz durchaus kannte, hat er sich niemals darüber beschwert oder eine andere Behandlung verlangt. Als Papst sagte er zu Seminaristen: "Kinder, seid gewiss: So viel wie einer die Kirche liebt, so viel hat er vom Heiligen Geist."

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"Von der Geduld"

"Selig die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden." (Matth 5, 9). Der Knecht Gottes kann nicht erkennen, wie große Geduld und Demut er in sich hat, wenn alles nach seinem Wunsch geht. Wenn aber eine Zeit kommt, in der jene, die seinen Wünschen entsprechend handeln müssten, ihm das Gegenteil antun: was er dann an Geduld und Demut hat, das hat er und nicht mehr.

 

Betrachtung:

Unsere Zeit ist also für alle Christen eine Zeit der Gnade. Sie erlaubt uns, egal wo wir stehen, das Maß unserer Geduld und Demut zu erkennen.

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"Dass niemand sich stolz erhebe, sich vielmehr im Kreuz des Herrn rühme"

 

Bedenke, o Mensch, in welch erhabene Würde Gott der Herr dich eingesetzt hat, da er dich dem Leibe nach zum Bilde seines geliebten Sohnes und dem Geiste nach zu seiner Ähnlichkeit erschaffen und gestaltet hat.

...

 

Betrachtung:

Den Abschnitt "Dass sich niemand stolz erhebe ..." beginnt Franziskus mit einer nachdrücklichen Erinnerung an die unverlierbare, von Gott gegeben Würde des Menschen. Er sieht den Menschen als Einheit aus Leib und Geist, und bezieht auch den Leib in diese Würde mit ein. Die Leiblichkeit Jesu ist für ihn dabei nicht eine Demütigung oder ein Abstieg des Gottessohnes in die leibliche Welt. Vielmehr ist es ein Privileg des Menschen, in seiner Leiblichkeit dem Gottessohne ähnlich zu sein. Die materielle Existenz wird dadurch in das göttliche Leben mit hineingenommen.

bearbeitet von Franziskaner
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...

Und alle Geschöpfe, die unter dem Himmel sind, dienen ihrem Schöpfer, erkennen ihn und gehorchen ihm ihrem Wesen nach besser als du [der Mensch]. Und selbst die bösen Geister haben ihn nicht gekreuzigt.

...

 

Betrachtung:

Für Franziskus ist die ganze Schöpfung eine Einheit, die, gut geschaffen, in Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer lebt. Jedes Geschöpf hat einen bestimmten Platz, eine bestimmte Aufgabe, für die es geschaffen wurde. Und alle Geschöpfe außer dem Menschen leben im Einklang mit dieser Aufgabe. Sogar die bösen Geister, die die natürliche Ordnung durcheinanderbringen und gegen den göttlichen Plan handeln, sind nicht so abgründig böse, wie der Mensch es sein kann.

 

Ich finde es schön, wie Franziskus nicht nur die Schöpfung als gut und wertvoll schätzt, sondern auch den bösen Geistern einen Platz im göttlichen Plan zuweist. Er bekennt damit, dass die gesamte Schöpfung gut ist und dass es keinen wirklichen Dualismus zwischen gut und böse geben kann.

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...

Du [Mensch] aber hast ihn im Bunde mit ihnen [den bösen Geistern] gekeuzigt und kreuzigst ihn auch jetzt noch, wenn du deine Freude an Lastern und Sünden hast.

...

 

Betrachtung:

Nachdem Franziskus die Würde des Menschen hervorgehoben hat, und beschreibt, wie alle Geschöpfe Gott dienen, und auch die bösen Geister ihn wenigstens nicht gekreuzigt haben, geht er auf die Verantwortung des Menschen ein. Wir alle sind für die Kreuzigung verantwortlich und daran beteiligt. Diese Aussage ist ein Vorläufer für den Choral, den Bach vertont hat: "Was Du, o Herr, erduldet, ist alles meine Last. Ich selbst hab es verschuldet, was Du erlitten hast."

 

Franziskus verschiebt diese Schuld aber nicht in den metaphysischen Bereich, auf die abstrakte Erbsünde. Es benennt die Schuld konkret: "Wenn du deine Freude an Lastern und Sünden hast." Der Mensch könnte anders; Gott hat ihn anders geschaffen. Aber er handelt nicht anders.

 

Die Aussage ist auch ein Kontrapunkt zu dem in der Kirche lange vorherrschenden Antijudaismus, nach dem "die Juden" Schuld an der Kreuzigung sind, und als Gottesmörder verfolgt werden müssen. Franziskus ist hier sehr klar: wir sind es, die Jesus kreuzigen.

Angsichts dieser Haltung ist es unverständlich und erschreckend, dass es gewaltsamen Judaismus auch in der franziskanischen Bewegung gegeben hat. Dass jemand wie Johannes Capistrano als franziskanisches Vorbild diente; dass in München noch in den 1960er Jahren eine Kirche auf das Drängen des Franziskanerordens hin nach diesem fanatischen Judenmörder benannt wurde, kann mich als franziskanisch gesinnten Menschen nur mit Scham erfüllen.

bearbeitet von Franziskaner
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Der Text des Chorals, O Haupt voll Blut und Wunden, stammt von einem meiner Lieblingsprotestanten, Pastor Paul Gerhardt.

 

Bie dieser Gelegenheit: Danke, Franziskaner, für diesen Thread.

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Wessen also kannst du dich rühmen? Denn wenn du auch scharfsinnig und weise wärest, dass du alles Wissen hättest und verständest, alle Arten von Sprachen auszulegen und himmlische Dinge scharfsinnig zu erforschen, kannst du dich all dessen nicht rühmen. Denn ein einziger böser Geist hat von den himmlischen Dingen mehr gewusst und weiß jetzt noch mehr von den irdischen Dingen als alle Menschen, es sei denn, dass es jemand gäbe, der eine besondere Erkenntnis der höchsten Weisheit vom Herrn erhalten hätte.

Ebenso, auch wenn du schöner und reicher wärst als alle und sogar Wunderwerke vollbrächtest, so dass du böse Geister vertriebest: dies alles ist nicht deinem Wesen entsprechend, und nichts gehört zu dir, und du kannst dich dessen in keiner Weise rühmen.

...

 

Betrachtung:

Jetzt geht es vertieft um die Rolle des Menschen. Wenn er gemäß seiner ihm verliehenen Würde leben möchte, was kann er tun? Franziskus sagt erst einmal, worum es nicht geht: Es geht nicht darum, spirituelle oder theologische Höchstleistungen zu vollbringen. Denn der Mensch kann aus eigener Kraft nichts von Gott erkennen; er ist sogar ahnungsloser als die bösen Geister (auch hier wieder, bei aller Distanzierung, dieser Anflug von Wertschätzung auch der bösen Geister).

Spannend finde ich auch, dass Franziskus weltliche und geistliche Ziele in einem Atemzug nennt. Weisheit und Erkenntnis der himmlischen Dinge stehen für ihn in irritierender Weise auf einer Stufe mit Reichtum und Schönheit. Ich verstehe das in zwei Richtungen: Einerseits ist alle Theologie und Spiritualität auch nur ein weltliches Ding, solange die Erkenntnis nicht von Gott geschenkt wird. Der Mensch kann Gott nicht erforschen und die Beziehung zu ihm auch nicht selbst herstellen. Andererseits sind Reichtum und Schönheit, also die Lebensfülle dieser Welt, nichts Böses. Sie sind nur kein Ziel in sich selbst. An anderer Stelle macht Franzuskus deutlich, dass diese Güter allen Menschen gleichermaßen gegeben sind, und dass derjenige, der etwas davon für sich selbst reklamieren und einfordern möchte, nicht nur ungerecht handelt, sondern Gott selbst etwas wegnimmt.

bearbeitet von Franziskaner
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...

Aber in dem Folgendem können wir uns rühmen: in unseren Schwachheiten, und können täglich das heilige Kreuz unseres Herrn Jesus Christus tragen.

...

 

Betrachtung:

In einem relativ kurzen Kapitel, das gerade mal eine halbe Buchseite einnimmt, hat Franziskus einen weiten Bogen geschlagen, der nun zu seinem eigentlichen Punkt kommt.

- Er begann damit, seinen Brüdern die große, uns von Gott verliehene Würde ins Gedächtnis zu rufen, in der wir leiblich unds geistig nach dem Bilde Gottes gestaltet sind.

- Er erinnerte daran, dass dalle Geschöpfe Gott dadurch verherrlichen, dass sie einfach so sind und leben, wie Gott sie geschaffenhat.

- Er weist auf unsere Abgündigkeit hin, mit der wir an der Kreuzigung Jesu Christi mitwirken, und in der wir sogar noch die bösen Geister an Bosheit übertreffen.

- Er zeigt, dass all unsere vermeintlichen Leistungen in Bezug auf Gotteserkenntnis und Lebensgestaltung nur Selbstüberhebungen sind, die mit unserem Wesen und unseren wirklichen Aufgabe nichts zu tun haben.

 

Aber worin können wir uns dann rühmen, worin besteht unser Wert als Menschen? Sie besteht darin, dass wir vor Gott so leben, wie wir sind. Dass wir unsere Schwachheit anerkennen und das Leben als Geschenk Gottes empfangen. Dass wir nicht danach streben, jemand anderes als wir selbst zu sein. Die Destruktivität der Sünde besteht nicht so sehr darin, dass wir schwach sind und Fehler machen. Sie besteht darin, dass wir überheblich und anmaßend sind, und unsere Holzwege zu Königswegen umdeuten. Wenn wir diese Aufgabe täglich auf uns nehmen, dann verändert sich unsere Rolle im Kreuzigungsgeschehen. Wir gehören dann mehr und mehr nicht mehr zu denen, die Jesus kreuzigen, sondern zu denen, die ihm helfen, das Kreuz zu tragen.

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"Von der Nachahmung des Herrn"

 

Geben wir acht, wir Brüder alle, auf den guten Hirten, der, um seine Schafe zu retten, die Marter des Kreuzes erlitten hat. Die Schafe des Herrn sind ihm gefolgt in Drangsal und Verfolgung, Schmach und Hunger, in Schwachheit und Anfechtung und in allem übrigen, und sie haben deshalb vom Herrn das ewige Leben erhalten.

Daher ist es eine große Schmach für uns Knechte Gottes, dass die Heiligen Taten vollbracht haben und wir Ruhm und Ehre erhalten wollen, wenn wir davon berichten.

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"Dass Gutes Wirken dem Wissen folgen soll"

 

Der Apostel sagt: "Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig." (2 Kor 3, 6)

Jene sind durch den Buchstaben tot, die die Worte allein zu wissen trachten, damit sie unter den anderen für weiser gehalten werden und große Reichtümer erwerben können, die sie dann Verwandten und Freunden schenken.

Und jene Ordensleute sind durch den Buchstaben tot, die nicht dem Geiste des göttlichen Buchstabens folgen wollen, sondern mehr danch streben, einzig die Worte zu wissen und sie anderen zu erklären.

Und jene sind vom Geist des göttlichen Buchstabens zum Leben erweckt, die jeden Buchstaben, den sie wissen und zu wissen trachten, nicht dem eigenen Vermögen und Können [wörtlich: dem eigenen Leib] zuschreiben, sondern sie durch Wort und Beispiel Gott, dem höchsten Herrn, zurückerstatten, dem jegliches Gute gehört.

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"Vom demütigen Knecht Gottes"

 

Selig jener Knecht, der sich über das Gute, das der Herr durch ihn selbst sagt und und tut, nicht mehr erhebt, als über das, was er durch einen anderen sagt und tut.

 

 

Betrachtung:

Wir überschätzen oft unseren eigenen Beitrag zu dem, was in der Welt an Gutem passiert. Mir ist es gelegentlich so gegangen, dass ich eine Idee hatte oder eine Initiative gestartet habe, und es stellte sich heraus, das an vielen anderen Orten ähnliche Ideen oder Initiativen durch andere Menschen entstanden. Ob ich etwas tat oder nicht, war letztlich gar nicht so wichtig.  Das zwickt dann das eigene Ego.

Gott ist der Urheber des Guten. Wir können uns Ihm zur Verfügung stellen und dadurch Anteil am Guten haben, uns daran freuen und dankbar dafür sein. Aber wir können es nicht selbst erzeugen.

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"Von der wahren Liebe"

 

Selig der Knecht, der seinen Bruder, wenn er weit von ihm entfernt ist, ebenso liebt und um ihn besorgt ist, als wenn er mit ihm zusammen wäre, und der nicht über ihn hinter seinem Rücken sagen würde, was er nicht in Liebe auch in seiner Gegenwart sagen könnte.

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Selig der Knecht, der seinen Bruder, wenn er krank ist, genauso liebt - was jener ihm nicht entgelten kan -, wie wenn er gesund ist und es ihm entgelten kann.

 

Betrachtung:

Wir neigen dazu, unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen auch nach der Frage zu bewerten: "Was kann mir das nützen." Mir selbst geht es so, dass es weniger eine bewusste Frage ist (ich weiß ja, dass ich das nicht fragen sollte ...), sondern mehr ein untergründiges Gefühl.

Entweder: "Was für ein toller und interessanter Mensch, mit dem möchte ich mich unterhalten." "Was für coole Projekte; vielleicht kann man ja mal etwas zusammen machen."

Oder: "Der nervt, wie er immer nur von sich erzählt." "Wenn ich hier noch länger stehen bleibe, habe ich die ganze Verantwortung an der Backe."

 

Es ist und bleibt ein steiniger Weg ...

 

Aber wenn man den geht, kann man gelegentlich die Erfahrung machen, dass man von Begegnungen, die man vielleicht zunächst vermeiden wollte, viel stärkere und schönere Impulse empfangen hat als von den Begegungen, die einem zunächst als gut und erfolgversprechend erschienen.

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"Von der Züchtigung des Leibes"

 

Betrachtung:

Das ist ein schwieriges Thema im franziskanischen Kontext. Vielleicht habe ich deshalb eine Weile gezögert, wieder etwas zu posten. Es ist schwierig, weil es komplex ist, eingebunden in eine komplexe Begrifflichkeit und ebenfalls in eine komplexe Wirklichkeit zur Zeit von Franziskus. Und es ist schwierig, weil hier eine blinde Stelle im Leben des Heiligen sichtbar wird. Eine blinde Stelle, die er vor seinem Tod auch erkannt und bedauert hat.

 

Wenn Franziskus vom Leib redet (in seiner unverblümten, oft etwas unschickten und dadurch überspitzten Sprache), dann bezieht er sich auf den Gegensatz von "Fleisch" und "Geist", wie ihn Paulus versteht. An vielen Stellen muss man Leib also besser mit "Egoistischen Verstrickungen" oder so ähnlich übersetzen.

Zusätzlich zeigt die z.T. brutale Fastenpraxis von Franziskus und seine gegenüber den körperlichen Bedürfnissen rücksichtslose Lebensführung, dass die Leibfeindlichkeit der Ketzerbewegungen keineswegs ohne Einfluss auf sein Denken geblieben ist. (Die Katharer, die "Reinen" vertraten ein dualistisches Weltbild, in dem die materielle Schöpfung als in sich sündhaft galt. Sie waren Vegetarier, weil Fleisch durch einen Sexualakt entsteht und dadurch unrein ist. Die offizielle Kirche hat sich immer gegen diese Betrachtungsweise gewehrt.)

 

Es gibt bei Franziskus aber auch die andere Seite: Er lehnte seinen Körper nicht ab, sondern bezeichnete ihn als "Bruder Esel". Es gibt einige Geschichten, die zeigen, dass er auch Sexualität nicht als in sich sündhaft verstand. Als ein Bruder nachts weinte, weil der die Fastenpraxis nicht ertug, beendete Franzikus sofort sein eigenes Fasten, um mit dem Bruder zu essen und ihn nicht zu beschämen. Franziskus lehnte das Fleischessen nicht ab. In der Ordensregel werden die Brüder angewiesen, alles zu essen, was man ihnen vorsetzt.

Sein positives Gefühl gegenüber der gesamten Schöpfung und seine Liebe zu den Tieren ist bekannt. Wenn Franziskaner Vegetarier sind, dann, weil sie die Tiere nicht töten wollen. Es gibt eine Geschichte, in der Franziskus und seinen ersten Brüdern ein Lamm geschenkt wurde. Sie freuten sich sehr, weil sie wirklich Hunger hatten. Als es aber daran ging, das Lamm zu schlachten, fand sich keiner, der das tun wollte. Also überlebte das Lamm und wurde dem Bauern zurückgegeben unter der Bedingung, dass er es am Leben lasse.

Am Ende seines Lebens erkannte er seine Reücksichtslosigkeit gegenüber dem eigenen Leib als Sünde an. Er bekannte vor allen Brüdern, dass er "Bruder Esel" schlecht behandelt und ihm zu viel zugemutet habe.

 

In dieser Widersprüchlichkeit, in dieser Eingebundenheit in die Begrenzungen der eigenen Epoche, und auch in der Bereitschaft, sogar noch am Ende des Lebens bereit für eine Bewusstseinsänderung zu sein, ist Franziskus ein Vorbild für mich.

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"Von der Züchtigung des Leibes"

 

Viele gibt es, die oft, wenn sie sündigen, dem Feind oder dem Nächsten die Schuld geben. Aber so ist es nicht; denn ein jeder hat den Feind in seiner Gewalt, seinen Leib nämlich, durch den er sündigt.

 

[...]

 

Betrachtung:

Eigentlich eine komische Verknüpfung: Unter der Überschrift "Von der Züchtigung des Leibes" geht es gar nicht um irgendwelche Bußpraktiken, sondern darum, dass ich die Verantwortung für meine Sünden selbst  übernehmen soll. Ausreden sind, damals wie heute, schnell gefunden. Franziskus verweist uns aber auf uns selbst. Und das mit einem klaren Argument: Wir sind die Bestimmer unserer Handlungen. Um zu sündigen, benutze ich meinen Körper, und dessen Verhalten kann ich beeinflussen.

Ich kann entscheiden: Gehe ich jetzt rüber zu der attraktiven Frau mit dem netten Lächeln, die schon die ganze Zeit zu mir rüberschaut, und schaue mal, was passiert? Ich müsste nur kurz vergessen, dass ich verheiratet bin. Geht ganz leicht. Oder bleibe ich wo ich bin und lasse es bleiben?

Der "Feind", von dem Franziskus spricht, ist nicht der Körper selbst. Der Feind ist der Wunsch, Dinge zu tun, deren schlechter Ausgang schon feststeht. Aber die Einheit zwischen meinem Körper, meinen Wünschen und dem Gehorsam sowohl der Verantwortung meinem Nächsten als auch Gott gegenüber ist die Voraussetzung dafür, dass ich das, was ich für gut und richtig erkannt habe, auch umsetze.

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[...]

Darum selig jener Knecht, der einen solchen Feind, der in seine Gewalt gegeben ist, immer gefangen hält, und sich weise vor ihm in acht nimmt. Denn wenn er das tut, kann ihm kein anderer Feind schaden, sei er sichtbar oder unsichtbar.

 

Betrachtung:

In unserer heutigen kulturellen Diskussion spielt der Begriff des "Begehrens" eine große Rolle. Das "begehrende Subjekt" ist eine zentrale Denkfigur des französischen Psychoanalytikers Jaques Lacan. Auch wenn Lacan den Begriff durchaus anders gemeint hat (siehe "Das begehrende Subjekt"), wird er von den meisten, die ihn benutzen, in dem Sinne verstanden, dass das Begehren in sich gut ist, und dass es schlecht ist, dem Begehren Widerstand entgegenzusetzen.

Franziskus sieht das grundsätzlich anders. Das Begehren ist der Wunsch des Leibes. Die Frage ist: folge ich ihm, oder integriere ich das Begehren in eine Leben und eine Persönlichkeitsstruktur, die dem Bild folgt, dass Gott für mich bereit hält.

 

Franziskus fordert uns an anderer Stelle auf, unsere Würde als Menschen zu bedenken:
Bedenke, o Mensch, in welch erhabene Würde Gott der Herr dich eingesetzt hat, da er dich dem Leibe nach zum Bilde seines geliebten Sohnes und dem Geiste nach zu seiner Ähnlichkeit erschaffen und gestaltet hat.

 

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